Buch lesen: «Teacher Leadership - Schule gemeinschaftlich führen (E-Book)», Seite 3

Schriftart:

Kompetenzen und Standards

Ende der 2000er-Jahre bildeten eine Gruppe von Akademikerinnen und Akademikern, Vertretungen der Gewerkschaften für Lehrpersonen, Vertretungen der Distrikte/Gemeinden und weitere Stakeholder in den USA ein Konsortium, um dem Thema Teacher Leadership auf den Grund zu gehen. Ein konkretes Ergebnis ihrer Bemühungen war ein Set an «Teacher Leader Model Standards» mit sieben Domänen, wobei jede Domäne in ausführlichere Beschreibungen unterteilt ist:

 Förderung einer kooperativen Kultur, die Professionalisierung und Lernen (Schülerinnen und Schüler) unterstützt;

 Zugreifen auf und Verwenden von Forschung zur Verbesserung von Praxis und Lernen;

 Werben für professionelles Lernen, für professionelle Weiterentwicklung (Vorbild);

 Unterstützen von Veränderungen im Unterricht und Lernen;

 Werben für die Verwendung von Daten für die Schulentwicklung;

 Verbessern der Zusammenarbeit mit Familien und Gemeinde;

 Einstehen für das Lernen der Schülerinnen und Schüler und die Profession

 (vgl. Teacher Leadership Exploratory Consortium 2011, 14).

Das Dokument ist hilfreich und stellt einen beträchtlichen Durchbruch dar, zumal es von großen Gewerkschaften wie der National Education Association (NEA) unterstützt wird. Es ist auch ein großer Segen für diejenigen, die Programme zur Vorbereitung von Teacher Leaders entwerfen (Berg, Carver u. Mangin 2014).

Es kann nützlich sein, die Modellstandards mit dem Beispiel einer Spezifikation aus Australien zu vergleichen. Die Beschreibung des Queensland Master Teacher umfasst Folgendes: Master Teachers leiten Aktivitäten und übernehmen Schlüsselaufgaben in ihrer Schule und/oder ihrem Cluster. Master Teachers unterrichten nicht im Klassenzimmer oder auf dem Spielplatz; ihre Aufgabe ist es, die Fähigkeiten der Lehrpersonen zu verbessern. Sie

 arbeiten mit Schulleitungen und Lehrpersonen zusammen, um das Unterrichten von Lese- und Schreibfähigkeiten und Zahlenverständnis im schulischen Curriculum und Unterrichtsplan zu priorisieren;

 unterstützen durch Forschung und Modellieren guten Unterrichts alle Mitarbeitenden darin, die pädagogische Praxis über alle Jahrgangsstufen hinweg zu verbessern und zu erweitern;

 bieten Coaching und Beratung für Lehrpersonen und weitere Mitarbeitende an, um guten Unterricht zu ermöglichen;

 verbessern die Kapazität des Schulteams, um evidenzbasierte Prüfungen für die Sicherung und Weiterentwicklung der Lehr-Lern-Praxis zu nutzen;

 unterstützen alle Mitarbeitende in der Analyse von Daten über Schülerinnen und Schüler und dem ganzen System und bei der Reaktion darauf.

Es ist äußerst bedeutsam, dass das Queensland-Dokument ausdrücklich festhält, die Rolle des Master Teacher sei eine Rolle, die Unterrichten nicht umfasst. Dies widerspricht den Forderungen einiger Kommentatorinnen und Kommentatoren, die den hybriden Teacher Leader fordern (Margolis 2012). Es wirkt ein wenig wie ein Glaubensakt, wenn gute Lehrpersonen aus dem Klassenzimmer entfernt werden und damit die Hoffnung verbunden wird, dass sie die Art von Führungsqualitäten entwickeln, welche die Effektivität der Praxis ihrer Kolleginnen und Kollegen verbessern.

Im Kontext des englischen Systems gibt es derzeit keine professionellen Standards für Teacher Leaders, obschon sie aus dem Inhalt des nationalen Zertifizierungsprogramms – der National Professional Qualification for Middle Leadership (NPQML) – abgeleitet werden können. In den 2011 herausgegebenen Berufsstandards für Lehrer in England sind acht Kategorien von Erwartungen aufgeführt. Eine Lehrperson muss

1 hohe Erwartungen setzen, die Schülerinnen und Schüler inspirieren, motivieren und herausfordern;

2 gute Entwicklung und Leistung von Schülerinnen und Schülern fördern;

3 gutes Fach- und Curriculumwissen demonstrieren;

4 gut strukturierten Unterricht planen und durchführen;

5 Unterricht an die Stärken und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler anpassen;

6 Prüfungen akkurat und produktiv einsetzen;

7 eigenes Verhalten effektiv für ein gutes und sicheres Lernklima einsetzen;

8 breitere professionelle Verantwortlichkeiten wahrnehmen.

Viele Schulleitungen in England haben sich darauf geeinigt, dass der letzte Punkt in dieser Liste – bekannt als Standard 8 – als wesentlich für die Beförderung einer Lehrkraft in eine mittlere Führungsposition anzusehen ist. In dem Dokument wird Standard 8 wie folgt beschrieben: einen positiven Beitrag zum allgemeinen Leben und Ethos der Schule leisten; effektive professionelle Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen entwickeln, die wissen, wie und wann sie Rat und fachliche Unterstützung in Anspruch nehmen können; Hilfspersonal effektiv einsetzen; Verantwortung für die Verbesserung des Unterrichts durch eine angemessene professionelle Entwicklung übernehmen und auf Rat und Feedback von Kolleginnen und Kollegen reagieren; und effektiv mit den Eltern in Bezug auf die Leistungen und das Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler kommunizieren.

Ich habe einige Bedenken gegenüber solchen Versuchen, Standards und andere damit verbundene Anforderungen festzuschreiben. Diese Bedenken beziehen sich darauf, dass solche Aufstellungen zwar wie bei den Teachers’ Standards des Department of Education als «Leitfaden» angeboten werden können oder dass sie «den Dialog zwischen den Anspruchsgruppen des Lehrberufs darüber anregen, welches Wissen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen Lehrpersonen benötigen, um Führungsrollen zu übernehmen» (Teacher Leadership Exploratory Consortium 2011, 3), im Fall der Teacher Leader Model Standards aber wahrscheinlich letztlich dazu benutzt werden, die Lehrkräfte zur Rechenschaft zu ziehen. Natürlich kann es vernünftig erscheinen, dass Lehrkräfte mit Führungsaufgaben und zusätzlichem Gehalt Rechenschaft ablegen müssen. Und eine solche Auflistung von Anforderungen liefert wohl auch eine bessere Grundlage für ein Instrument zur Rechenschaftslegung, als einfach nur das Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler zu messen und eine trügerische Verbindung zwischen Schülerleistung und Lehrkraft herzustellen. Dennoch fühle ich mich nicht wohl dabei. Meine zweite Sorge ist, dass Spezifikationen wie die US-Modellstandards oder die Queensland-Master-Teacher-Liste potenziell einschränkend sind. Es gibt Dimensionen von Führung, die von solchen Listen einfach nicht abgedeckt werden können.

Informelle Teacher Leadership

Zuweilen wird in der Literatur auch die Idee der informellen Teacher Leadership erwähnt. So verweist etwa der Bericht von York-Barr und Duke auf «informelle Positionen, Rollen und Kommunikationskanäle in der täglichen Arbeit der Schulen» (York-Barr u. Duke 2004, 263). Die Idee einer informellen Position scheint ein wenig widersprüchlich zu sein. York-Barr und Duke stellen in ihrem Bericht auch die Überlegung an, dass Führung eine potenzielle Chance für alle ist. Sie zitieren Neuman und Simmons, die erklärten, dass in effektiven Schulen «jedes Mitglied der Schulgemeinschaft die Verantwortung – und Autorität – hat, geeignete Führungsrollen zu übernehmen» (Neuman u. Simmons 2000, 9). Dies führt uns aber nur zur Idee der formellen Teacher-Leadership-Rollen zurück. Vielleicht ist das nur eine Frage der Semantik, aber ich denke, es ist wichtig, zu unterscheiden, ob man eine Rolle als «Peer-Coach» oder «Critical Friend» hat oder einfach nur Teil der Berufsgemeinschaft ist. York-Barr und Duke bemühen sich auch um diese Differenzierung:

«Manchmal sind Lehrkräfte in formellen Führungspositionen tätig, zum Beispiel als Gewerkschaftsvertretung, Abteilungsleitung, Lehrplanspezialisten, Mentorinnen oder Mitglieder eines standortbasierten Managementteams. Zu anderen Zeiten wird Führung auf informelle Weise demonstriert, zum Beispiel durch Coaching von Kolleginnen und Kollegen, um Unterrichtsprobleme zu lösen, durch die Förderung der Beteiligung von Eltern, in der Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen in Kleingruppen und Teams, durch die Anleitung reflektierter Praxis oder durch die Vermittlung einer Vision für Verbesserungen.» (York-Barr u. Duke 2004, 263)

Ihr Beispiel der «informellen Formen» von Führungsaufgaben ist vielleicht zu Beginn des Berufslebens besonders hilfreich, da es Wege aufzeigt, wie junge und unerfahrene Lehrkräfte beginnen können, Führungsaufgaben in einer Art und Weise zu übernehmen, die ein geringes Maß an Rechenschaftspflicht mit sich bringt. Nach Woods und Roberts (2013, 2018) können Führungsaufgaben und Führungsarbeit als verteilt gelten, wenn alle Mitglieder einer professionellen Gemeinschaft einander gegenseitig beeinflussen, zur Entwicklung der professionellen Kultur beitragen und durch ihre Einstellungen, Rückmeldungen und Handlungen einen Unterschied in der Weiterentwicklung der Praxis machen. Es handelt sich um Führung, auch wenn sie nicht unbedingt bewusst, prinzipiengeleitet oder in ihrer Absicht strategisch ist. Bei seinen Recherchen in Kirgistan konzentrierte sich Nurbek Teleshaliyev (2016) auf erfahrene Lehrkräfte, die den Übergang zur Unabhängigkeit des Landes nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion überstanden hatten. Er stellte fest, dass die von ihm als «Lehrkräfte mit einem großen L» bezeichneten Lehrpersonen durch ihre informelle Führung einen speziellen Beitrag leisteten. Hier spricht zum Beispiel eine noch wenig erfahrene Lehrkraft über eine solche Lehrerin:

«Marina hilft allen Lehrkräften, nicht nur mir. Sie ist sehr freundlich, wer auch immer sie um Hilfe bittet. In unserer Schule haben wir Lehrkräfte, die anderen nur widerwillig helfen oder sagen, dass sie die Antwort nicht kennen würden. Marina ist ein ganz anderer Fall: Sie ist immer bereit, bei allem zu helfen, sie hört den Leuten zu und gibt Hilfestellung bei der Klassenbetreuung, beim Schreiben von Dokumentationen.» (Teleshaliyev 2016, 192)

Teleshaliyevs Schlussfolgerung ist, dass im kirgisischen Bildungssystem die Gelegenheit verpasst wurde, das Potenzial der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit für die Verbesserung der Schule zu nutzen. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt die Schaffung formaler Führungsrollen für Lehrkräfte.

Non-Positional Teacher Leadership

Um auf die Frage zurückzukommen, wer aus der Gemeinschaft der Lehrpersonen Führungsaufgaben übernehmen kann, möchte ich darauf hinweisen, dass die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Teacher Leadership nicht unbedingt sehr sinnvoll ist. Meine eigene Arbeit hat sich auf die Idee nichtpositioneller Teacher Leadership konzentriert, eine Konzeptualisierung, welche die Bedeutung der Position einer Lehrperson relativiert. Mit anderen Worten: Es ist nicht der wichtigste Faktor, ob Teacher Leaders eine Position haben oder nicht. Diese Konzeptualisierung hat Val Hill (2014) eloquent erörtert, ein Lehrer, der als Vermittler innerhalb des HertsCam-Netzwerks arbeitet.

«In HertsCam vertraten wir die Ansicht, dass dies der Entwicklung von Führungskapazitäten inakzeptable Grenzen setzt. Ein vielversprechenderer Ansatz war für uns, auf Hoyles Idee der ‹erweiterten Professionalität› (Hoyle 1974, 2008) aufzubauen und vorzuschlagen, dass Führung eine Dimension der Professionalität aller Lehrkräfte sein könnte. Folglich plädierten wir für einen Ansatz zur Teacher Leadership, der nicht davon ausgeht, dass Führung mit Positionen in der Organisationshierarchie der Schule verbunden ist. Stattdessen wird das Potenzial aller Lehrpersonen anerkannt, Führung als Teil ihrer Rolle als Lehrperson auszuüben. Wir glauben, dass alle Lehrkräfte und Bildungsfachleute über eine gewisse Führungskompetenz verfügen. Schließlich ist Führung eine Dimension des Menschseins. In HertsCam und dem breiteren International-Teacher-Leadership-(ITL-)Netzwerk argumentieren wir, dass sie als ein wesentlicher Teil der Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern anzusehen ist.» (Hill 2014, 74)

Der Ansatz, auf den sich Hill hier bezieht, ist nicht nur deshalb «informelle Teacher Leadership», weil die formelle Position der Lehrperson nicht relevant ist. Von entscheidender Bedeutung ist die Feststellung, dass Führung nicht durch eine Funktion oder durch persönliche Eigenschaften definiert ist – sie ist eine Praxis (Crevani, Lindgren u. Packendorff 2010; Raelin 2016). Die Praxis der Führung beinhaltet zum Beispiel Verhaltensweisen wie die Klärung von Zielen, das Ermöglichen von Dialogen, die Rechenschaftslegung und die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen.

Die grundlegende Methodik der HertsCam-Programme ist die «lehrpersonengeleitete Entwicklungsarbeit». Sie wird folgendermaßen definiert:

«Strategisches, zielgerichtetes und überlegtes Handeln mit dem Ziel, Verbesserungen in der professionellen Praxis herbeizuführen. Es erfolgt in Form von kooperativen Prozessen mit Aktivitäten wie Beratung, Aushandlungen, Reflexion, Selbstevaluation und Überlegungen, die in geplanter Reihenfolge durchgeführt werden.» (Frost et al. 2018, 7)

Wichtig ist, dass dies keineswegs informell ist, sondern dass es sich um eine strategische und geplante Intervention in Form eines gesteuerten Prozesses im zeitlichen Verlauf handelt. Als zweiten Punkt möchte ich aus der Erklärung von Val Hill (2014) herausgreifen, dass das übergreifende Ziel von HertsCam darin besteht, die Entwicklung einer erweiterten Profession zu fördern und zu ermöglichen. In dem bereits erwähnten Artikel von Michael Fullan (1993b), in dem er forderte, dass die Lehrpersonen zu Change Agents werden sollten, gab es eine Verbindung zur Frage der Profession:

«Wir brauchen ein neues Konzept zur Profession von Lehrpersonen, das sowohl das Anstreben von pädagogischen Werten (moral purpose) als auch die Verantwortung für Veränderungsprozesse (change agentry) beinhaltet.» (Fullan 1993b, 2)

Dies ist eine sehr hilfreiche Aussage, obwohl der Begriff «Profession» (professionalism) für einige von uns problematisch ist, da er mit Fragen von Status und Autonomie verbunden ist. Ich halte den Begriff «Professionalität» (professionality) insofern für besser, weil er sich mehr auf die Rolle und die professionelle Identität der Lehrkraft konzentriert. Mit anderen Worten geht es darum, wie Lehrpersonen ihre Identität als Professionelle konstruieren und wie sie sich entscheiden, diese Identität zu verwirklichen. In den 1970er-Jahren schrieb Eric Hoyle (1974) über die Idee der «erweiterten Professionalität», ein Konzept, das er 2008 wieder aufgriff. Dabei beschreibt er jemanden mit erweiterter Professionalität als eine Person,

«die sich um eine Verbesserung der Praxis bemüht durch Lesen und persönliches Engagement für kontinuierliche Professionalisierung, die sich gerne kollegial verhält und die die Unterrichtspraxis in einen größeren sozialen Zusammenhang stellt» (Hoyle 2008, 291).

Hoyles Idee der «erweiterten Professionalität» wird bis zu einem gewissen Grad auch in der Forderung nach «aktivistischem Professionalismus» von Judith Sachs (2003) aufgegriffen. Beide Ideen sind kraftvoll. Bei HertsCam sah man die Notwendigkeit, den Schwerpunkt «Führung» in die Anforderungen zur Professionalität von Lehrkräften aufzunehmen. Wir wollen eine Form der Professionalität, die maximal handlungswirksam ist. Abbildung 1 zeigt eine Grafik, die wir einige Jahre verwendet haben, damit Lehrkräfte ihre berufliche Identität entweder als eine mit den in der linken oder der rechten Spalte aufgeführten Merkmalen konstruieren konnten. Die Verwendung von solchen Instrumenten ermöglicht uns eine explizite Debatte über Professionalität.


Abbildung 1: Ein Diagramm, das alternative Formen der Professionalität in Form einer Reihe als Kontinuum darstellt. Die rechte Spalte stellt einen Modus von Professionalität dar, der mehr ist als die erweiterte Professionalität nach Hoyle (1974). Es ist eine Professionalität, die Führung miteinbezieht (Raelin 2011)

In der rechten Spalte wird eine Art von Professionalität dargestellt, die über die erweiterte Professionalität von Hoyle hinausgeht und stärker auf Führung fokussiert (Raelin 2011). Mit dieser Form von Professionalität sollten sich sowohl angehende Lehrkräfte als auch Verantwortliche der Lehrkräfteausbildung auseinandersetzen. Lehrperson zu werden, ist nicht nur eine Frage des Wissenserwerbs und der Entwicklung von Fähigkeiten für die Unterrichtspraxis; es sollte einen Prozess der Selbstidentifikation beinhalten. Eine berufliche Identität kann nicht einfach nur gelehrt werden; sie kann nicht vorgeschrieben oder durch eine Reihe von professionellen Standards ausgedrückt werden. Identität ist ein komplexes Konzept, und der Prozess der Identitätsentwicklung umfasst eine Reihe von verschiedenen Einflüssen. Dabei spielt natürlich das Element der Sozialisation eine starke Rolle, aber das muss unter der Berücksichtigung von Werten und pädagogischen Prinzipien abgemildert werden.

Der HertsCam-Ansatz zur Unterstützung von Teacher Leadership

Das HertsCam-Netzwerk ist heute eine unabhängige, von Lehrkräften geführte, gemeinnützige Organisation, die sich für eine Umgestaltung des Bildungswesens durch Teacher Leadership einsetzt. Das Netzwerk entstand aus einer Partnerschaft, die in den 1990er-Jahren zwischen der Universität Cambridge und der lokalen Bildungsbehörde von Hertfordshire gegründet wurde. Im Laufe der Zeit wurde es immer unabhängiger, und seit 2013 liegen Betrieb und Leitung von HertsCam vollständig in den Händen von Schulen und Lehrkräften. Die Kernprogramme sind das «Teacher Led Development Work»-Programm (TLDW) und das «MEd in Leading Teaching and Learning»-Programm. Beide Programme sind durch das Networking-Programm miteinander verbunden. Die internationale Initiative für Teacher Leadership hat es HertsCam ermöglicht, mit Partnerinnen und Partnern in mehr als 17 Ländern auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Ziel der Zusammenarbeit ist die gegenseitige Unterstützung beim Aufbau von Programmen zu Teacher Leadership (Frost 2011). Darüber hinaus verfügt HertsCam über einen erfolgreichen Publikationszweig. Ich stelle nun jedes dieser Elemente von HertsCam kurz vor.

Das «Teacher Led Development Work»-Programm (TLDW) ermöglicht es Lehrkräften und anderen Fachleuten, Projekte zu initiieren und zu leiten, um die Effektivität des Lehrens und Lernens an ihren Schulen zu verbessern (Hill 2014). Das Programm nutzt die Methodik der von Lehrkräften geleiteten Entwicklungsarbeit (Frost u. Durrant 2003), die es ihnen ermöglicht, durch die Initiierung, Gestaltung und Leitung von Entwicklungsprojekten Veränderungen zu bewirken. Die Entwicklungsarbeit wird definiert als strategisches, zielgerichtetes und überlegtes Handeln mit dem Ziel, Verbesserungen in der beruflichen Praxis zu erreichen. Sie erfolgt in Form von kooperativen Prozessen mit Aktivitäten wie Beratung, Verhandlung, Reflexion, Selbstevaluation und Deliberation. TLDW arbeitet mit Workshops, die Reflexion, Planung und Critical Friendship anregen. Ein Team von Tutorinnen, Tutoren und erfahrenen Lehrkräften moderiert jeweils in den Workshops und stellt eine Sammlung von Instrumenten zur Verfügung.

Das «MEd in Leading Teaching and Learning» ist ein zweijähriger, berufsbegleitender Masterstudiengang, der sowohl praxisnah ist als auch immer wieder kritisch auf die Praxis blickt. Der Studiengang führt zu spürbaren Verbesserungen der Unterrichtspraxis und zu Fortschritten im beruflichen Wissen (Frost et al. 2018). Dieser Studiengang wird ausschließlich von erfahrenen Lehrpersonen unterrichtet, die sich als wissenschaftliche Fachkräfte verstehen. Sie sind mit der akademischen Literatur vertraut und nutzen sie in ihrer Lehrtätigkeit zur Beleuchtung alltäglicher Berufsprobleme. Die Wissensbasis für den Kurs ist ein übergreifendes Konzept, «Leadership for Learning», das Themen wie pädagogische Führung, Professionalität, Organisationswissenschaft, Pädagogik sowie Projektdesign und -management umfasst. Das MEd-Programm wird von HertsCam durchgeführt und von der Universität Hertfordshire begleitet und fortlaufend evaluiert. Die Zertifizierung erfolgt über die Universität.

Das Networking-Programm umfasst eine Reihe von sechs Netzwerkveranstaltungen, die an Schulen nach dem Unterricht, normalerweise zwischen 16.30 und 18.30 Uhr, durchgeführt werden. Ziel dieser Veranstaltungen ist es, durch Dialog und «kritische Freundschaft» das eigene Wissen zu erweitern (Anderson et al. 2014). Die Lehrkräfte leiten Workshops und beteiligen sich mit Postern. Diese werden auf einem Rundgang als Grundlage für Diskussionen mit anderen Netzwerkmitgliedern verwendet. Ergänzend zu den sechs Netzwerkveranstaltungen, findet jährlich an einem Samstag eine internationale Konferenz statt.

Die Internationale Initiative (ITL) begann 2008, als sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kroatien, Griechenland, Portugal, Spanien und der Türkei für HertsCam interessierten (Frost 2011). Erweitert wurde ITL, als die Open Society Foundations (OSF) ihr Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf dem Balkan in das Projekt einbrachten. Die OSF finanzierte eine Reihe internationaler Workshops, welche die Gründung von Teacher-Leadership-Gruppen in 15 Ländern unterstützten.

Eine weitere Tätigkeit von HertsCam sind Veröffentlichungen, die es ermöglichen, dass Lehrkräfte sich für Teacher Leadership einsetzen. Material, das in der Zeitschrift «Teacher Leadership» veröffentlicht wurde, ist frei verfügbar (www.teacherleadership.org.uk).

Die hier skizzierten HertsCam-Programme sind nur einige von vielen, die Teacher Leadership unterstützen. So gibt es zum Beispiel ein erfolgreiches Programm in Ontario, das Lehrkräfte befähigt, ihr eigenes Lernen zu gestalten (Lieberman, Campbell u. Yashkina 2016). Das Programm wird durch eine Zusammenarbeit zwischen dem Bildungsministerium von Ontario und der Ontario Teachers’ Federation großzügig finanziert. Die Teilnehmenden sind allesamt erfahrene Lehrkräfte, die sehr positive Rückmeldungen zu ihren Erfahrungen gegeben haben. Auch in den USA gibt es verschiedene Programme für Teacher Leadership, wie sie im Artikel von Berg, Carver und Mangin (2014) teilweise skizziert wurden. Eine weitere Quelle für Informationen über Programme in den Vereinigten Staaten ist das «International Journal of Teacher Leadership».

Genres und Tags
Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
327 S. 13 Illustrationen
ISBN:
9783035518153
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
Download-Format:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip
Erste Buch in der Serie "Führung von und in Bildungsorganisationen"
Alle Bücher der Serie