Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt

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Aus der Reihe: Sky-Troopers #2
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Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt
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Michael Schenk

Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57 Hinweis auf „Sky-Troopers 3 – Piraten!“

Kapitel 58 Hinweis auf Homepage

Impressum neobooks

Kapitel 1

Sky-Troopers 2 ‒ Die Beutewelt

Science Fiction Roman

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2014/2020

Blaubanner-Schwert“, schwerer Kreuzer des Blaubanners,

auf Bergungsfahrt im nördlichen Meer.

„Gepriesen seien die Taten des Bringers. Lasst nun den Bringer unsere Taten preisen.“ Das Wasser war kalt und Jones schauderte. Kalt und glasklar. Jones konnte ziemlich weit sehen und das war gut so.

„Was ist los? Schniefer?“ Die besorgte Stimme drang etwas verzerrt durch den Sprechschlauch.

Jones zuckte zusammen. Unwillkürlich blickte er nach oben, entlang der beiden dicken Schläuche, die seinen Taucheranzug mit dem Schiff verbanden. Ihm war gar nicht bewusst geworden, seine Gedanken laut ausgesprochen zu haben.

„Alles in Ordnung, keine Schniefer“, meldete er verlegen.

Zwei Schläuche. Einer für Atemluft und einer zur Kommunikation. Jones dachte an die beiden Matrosen an den Pumpen auf dem Deck der Blaubanner-Schwert. Diese beiden Männer, zwei Schläuche und ein Anzug, der elend kalt zu sein schien. Das war alles, was ihn mit dem Leben verband.

Er blickte sich vorsichtig um, die Bolzenpistole verkrampft in seiner Hand. Der kugelförmige Glashelm verzerrte die Sicht ein wenig, doch es würde ausreichen, um in dem klaren Wasser die Annäherung von Schniefern oder anderen Gefahren zu bemerken.

Erneut warf er einen hastigen Blick nach oben. Sah auf den mächtigen Rumpf des schweren Kreuzers. Wie winzig die beiden Schläuche neben dem metallbeschlagenen Unterwasserschiff wirkten. Der Kupferbeschlag glänzte unter den Reflexen von Wasser und Sonnen.

„Mehr Schlauch!“, rief Jones durch den Sprachschlauch.

Die Matrosen an der großen Schlauchwinde folgten seiner Aufforderung und Jones ließ sich langsam zum Heck des Kreuzers treiben. Er blickte auf die großen Messingpropeller und schauderte erneut. Er redete sich ein, es sei die Kälte des Wassers, aber er wusste genau, warum ein Zittern durch seinen Körper lief.

Es war erst drei Tage her, dass der diensthabende Schnieferbeobachter getötet worden war. Nicht durch die Flammenkugel oder den Ätzspei eines Schniefers, sondern durch das Notmanöver der Blaubanner-Schwert. Als die Schniefer überraschend angegriffen hatten, war dem Kapitän nichts anderes übrig geblieben, als ‒ zusätzlich zu den Segeln ‒ auch die schwere Turbine in Betrieb zu nehmen. Die unerwartete gewaltige Beschleunigung und der Sog der Propeller hatten den Beobachter in die großen Schaufelblätter gesaugt und in Sekundenbruchteilen zerfetzt.

Jones hatte Dienst an der Schlauchwinde gehabt und es miterlebt. Nun, nicht so genau, und darauf hatte er auch keinen Wert gelegt. Keiner konnte direkt unter den Schiffsrumpf sehen, deshalb gab es ja die Schnieferbeobachter, die mit dem Schiff unter seinem Rumpf trieben. Aber er sah die große Blutlache und die Fetzen im Wasser. So etwas war nicht das erste Mal geschehen. Jeder vom Blaubanner kannte den Tod. Nein, deswegen hatte Jones nicht mit grünem Gesicht über der Reling gehangen. „Handlich portioniert“, hatte der Matrose neben Jones lakonisch und ohne Mitgefühl gesagt, und das war es gewesen, was ihm den Mageninhalt nach oben getrieben hatte. Jetzt schwamm er selbst unter dem großen Rumpf und schützte das Schiff und die Besatzung davor, überraschend aus der Tiefe angegriffen zu werden.

Jones seufzte erneut.

Die Blaubanner-Schwert war ein recht neues Schiff, und das war immer schlecht. Sicher, mit ihren knapp achtzig Metern ein großes Schiff und ein stabiler Rumpf mit gutem Beschlag. Aber die Technik des Bringers war nur in den alten Schiffen vorhanden. Da gab es Unterwasser-Horchgeräte, Schalldetektoren und sogar Fernsehaugen, die sich in durchsichtigen Kuppeln aus Klarstahl drehten. Dort musste keiner als Schnieferbeobachter ins Wasser.

Jones blickte sich um. Zwei Stunden. Länger hielt es keiner aus. Es war zu kalt und die Augen ermüdeten zu stark, ließen sich durch Reflexe täuschen. Dann konnte man leicht einen Schniefer, einen Hörnerfisch oder eine andere Gefahr übersehen. Aus den Augenwinkeln nahm er ein Blinken war, konzentrierte sich auf die Richtung. Da war es wieder, kam näher. Aber es war nur ein Schwarm bunt schillernder Fische. Jones dachte daran, dass etwas Abwechslung dem Speiseplan gut tun würde. Ständig Proteinriegel, gelegentlich etwas Gemüse und Obst und vor allem den berüchtigten Marine-Kaffee. Zu stark, um auf den Boden der Becher sehen zu können, und zu dünn, um einen wach zu halten.

 

Erneut war da ein Blinken. Nein, kein Blinken. Eine Bewegung. Ganz schwach und weit entfernt. Ein dunkler Punkt. Vielleicht ein Fisch, vielleicht jedoch auch eine der Bestien. Jones spürte, wie ihm Schweiß ausbrach. Plötzlich war der Anzug überhaupt nicht mehr kalt. Er räusperte sich nervös.

„Was ist los? Schniefer?“ Der diensthabende Offizier an der Schlauchwinde war aufmerksam. Jones wunderte sich, dass der Mann das schwache Räuspern gehört hatte.

„Äh, weiß nicht“, meinte Jones unsicher. „Ich habe da eine Bewegung gesehen. Glaube ich.“

Er versuchte den kleinen Punkt im Auge zu behalten, aber das war nicht einfach. Er durfte die anderen Richtungen nicht unbeobachtet lassen. Es war eine beliebte Taktik der Schniefer, vorne mit dem Schwanz zu wedeln und von hinten zuzuschlagen.

„Was denn nun? Bewegung? Soll ich die Kampftaucher schicken?“

Jones spürte einen Kloß im Hals. Er hätte sich, weiß der Bringer, besser gefühlt, jetzt die sechs Kampftaucher mit ihren Bolzengewehren bei sich gehabt zu haben. Die verfügten über Pressluftflaschen und wurden nicht durch Schläuche behindert. Aber es gab nicht mehr viele Pressluftgeräte und es dauerte lange, die Flaschen zu befüllen. Jeder Fehlalarm konnte bedeuten, dass die Taucher nicht verfügbar waren, wenn sie wirklich gebraucht wurden.

„Verdammt“, fluchte Jones unterdrückt.

„Bewegung?“ Die Stimme des Diensthabenden klang beunruhigt.

Der Punkt war weg. Jones drehte sich ungeschickt um die eigene Achse, behindert durch die Schläuche. Wo war der Punkt hin?

Er wollte gerade aufatmen und Entwarnung geben, als der Punkt wieder da war. Und größer wurde. Verdammt schnell größer wurde.

„Oh, verflucht, Bewegung!“, schrie er auf. „Bewegung, Bewegung, Bewegung!“ Er hielt die Bolzenpistole in Richtung der herannahenden Gestalten. „Zieht mich rauf, zieht mich rauf!“

Verdammt, waren die schnell! Jones glaubte das Funkeln ihrer Tauchhelme zu erkennen, die vorgereckten Kampflanzen, mit denen die Schniefer schießen und stechen konnten. Jones hatte überhaupt keine Lust, erschossen oder erstochen zu werden. Verzweifelt stieß er mit den Beinen ins Wasser, zog sich an den Schläuchen hoch, die gleichzeitig von der Windenmannschaft aufgetrommelt wurden.

So schnell es ging, wurde er nach oben gezogen, auf den Rumpf der Blaubanner-Schwert zu. Und doch so elend langsam. Eine Perlspur zog an ihm vorbei, als eine Flammkugel von den Schniefern abgefeuert wurde. Ein Schuss aus viel zu weiter Distanz, in der Hoffnung, einen Glückstreffer zu landen. Jones war es egal, ob es ein Glückstreffer oder ein gezielter Schuss war, der ihn traf. Tot war tot und eine erneute Perlspur motivierte ihn, wie ein Wahnsinniger zu strampeln.

Über ihm klatschte es, als endlich die Kampftaucher im Wasser waren. Sie hatten Flossen, die ein schnelles Schwimmen ermöglichten.

Jones wollte gerade erleichtert aufatmen, als ein Schlag seinen Helm traf.

Kapitel 2

Direktorats-Flottenbasis Arcturus, im Orbit um die Sonne Arcturus,

36,7 Lichtjahre vom solaren System entfernt, im Hoheitsgebiet des Direktorats.

Die Einkaufspassage erstreckte sich über drei Ebenen. Gedämpfte Musik war zu hören und mischte sich mit dem Stimmengewirr der Passanten. Auslagen lockten, Ruhezonen mit Pflanzenkübeln und bequemen Polstern luden zum Verweilen ein. Kinder zerrten an den Händen ihrer Eltern, eine Gruppe von Akrobaten jonglierte auf einem Gurtband, hoch über der untersten Ebene. Geruchsbarrieren trennten die offenen Auslagen voneinander, dennoch mischten sich die Aromen von frischem Brot, Gemüse und anderen Waren.

Die Passage unterschied sich kaum von einem der Einkaufszentren auf dem Mars, der Hauptwelt der Menschen. Nur das orangerote Leuchten der Sonne Arcturus, jenseits der riesigen Klarstahlwand an der Stirnseite, erinnerte daran, dass man sich inmitten des Weltraums und über sechsunddreißig Lichtjahre weit vom irdischen Sonnensystem entfernt befand.

Von der Decke der Passage hing eine ungewöhnliche Konstruktion herab. Ein Gebilde aus einem hölzernen Rahmen, mit Stoff und Lederhäuten bespannt, war an transparenten Fäden befestigt. Vorne befand sich eine hölzerne Luftschraube, die einst über ein System von Zahnrädern von der Muskelkraft der Beine des Piloten angetrieben worden war. Gläserne Behälter in dem länglichen Rumpf zeigten, wo man das Gas für den erforderlichen Auftrieb eingefüllt hatte. Die kleinen Tragflächen dienten der besseren Manövrierbarkeit des Luftgefährtes.

Ein klein wenig erinnerte die Konstruktion an die ersten Flugversuche der Menschheit, und doch war sie so fremdartig, dass sie nicht von Menschenhand erschaffen sein konnte. Es war eine Erfindung der Hanari, der ersten intelligenten, außersolaren Spezies, auf welche die Menschen getroffen waren.

Das Gerät hing nun seit über fünf Jahren von der Decke der Einkaufspassage und fand kaum noch Beachtung. Nur eine grauhaarige Passantin schien sich dafür zu interessieren und sah, in Gedanken versunken, auf den ersten Versuch der Hanari, den Luftraum zu erobern.

Ein kleines Mädchen zerrte seine Mutter mit sich und starrte, hektisch an seinem Eis leckend, auf das Gebilde. „Mama, was ist das?“

Die Mutter war auf ihre Einkäufe konzentriert und sah die obere Ebene der Passage entlang, ohne das Objekt eines Blickes zu würdigen. „Irgend so ein Kunstwerk, Schatz. Die stellen doch ständig etwas auf, um uns die Kultur näher zu bringen.“

„Verzeihen Sie, Ma´am, doch das ist kein Kunstwerk“, sagte die grauhaarige Frau freundlich, die nun näher kam. „Das ist eine Schwinge der Hanari.“

Das Mädchen leckte weiter und lächelte dabei die Ältere an. „Und was ist eine Schwinge der Hama … Hamamris?“

„Komm, Schatz, wir müssen jetzt wirklich weiter“, drängte die Mutter, nickte der anderen Frau kurz zu und zog das Kind mit sich ins Gedränge.

Die Ältere seufzte unmerklich.

Eine weitere Frau trat heran. Sie war schlank und relativ groß. Die schlichte weiße Tunika und das modische bunte Beinkleid betonten ihre weiblichen Proportionen. Der leichte Kupferton ihrer Haut verriet die indianische Abstammung. „Vor einigen Jahren wollte jeder wissen, was es mit den Hanari auf sich hat. Heute interessiert sich kaum noch jemand für sie.“

Die Ältere nickte. „Wir Menschen vergessen schnell.“ Sie musterte die kurzen Haare ihres Gegenübers. „Militär? Sky-Navy?“

„Sky-Cav“, korrigierte die Jüngere. „Joana Redfeather. Von der fünften Raumkavallerie.“ Kein Trooper würde es zulassen, dass die Sensoren seines Kampfhelmes von Haarwuchs beeinträchtigt wurden und manche ließen sich das Haupthaar auf Dauer entfernen. Joana hatte ihr blauschwarzes Haar während der Jugend hüftlang getragen, doch diese Zeit schien schon eine Ewigkeit zurückzuliegen. Der Tradition ihrer Familie folgend, war sie dem Militär beigetreten.

„Redfeather? Wie unser verehrter Hoch-Admiral?“

Joana zuckte mit den Schultern. „Nun, mein Vater mag der Boss sein, aber ich bin ein echter Schlammfuß.“

Die Ältere lachte nun unbeschwert. „Sergeant Quintain“, stellte sie sich ihrerseits vor. „Ich war Major bei der siebzehnten Cav und hatte Glück, nach dem Ende der Rettungsmission und dem beginnenden Abbau der Streitkräfte als Sarge im neunten Regiment übernommen zu werden.“

Die Rettungsmission.

Wohl zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit hatte diese eine gemeinsame Anstrengung unternommen, um die Evakuierung einer fremden Welt durchzuführen. Eine Aufgabe, welche die Menschen mit Stolz erfüllte, denn es handelte sich um eine Rettungsmission unglaublichen Ausmaßes. Inzwischen war die Heimatsonne der Hanari zur Nova geworden, aber es war gelungen, die meisten der Planetenbewohner zu evakuieren und in ihre neue Heimat umzusiedeln. Damals gab es noch keine Verständigungsmöglichkeit mit den Hanari und die Zeit war kurz gewesen. So hatte man die Fremdintelligenzen förmlich überfallen müssen, um sie mit Betäubungsgasen und Schockwaffen auszuschalten. Dennoch war es zu Kämpfen mit Verlusten auf beiden Seiten gekommen, denn die Überfallenen ahnten nichts vom Hintergrund der humanitären Aktion, welche der Rettung der „Brüder im All“ diente.

Joana Redfeather war in einen dieser Kämpfe verwickelt worden und sie lernte dabei sogar jenen Hanari persönlich kennen, der einst das seltsame Luftgefährt gesteuert hatte, welches nun als Dekoration und Erinnerung von der Decke der Passage hing.

Inzwischen waren Jahre vergangen und Joanas Alter schien dem nicht zu entsprechen. Doch die jeweils zwölf Jahre des Hinflugs zur Hanari-Welt und des Rückflugs hatten sie und die Besatzungen im Kälteschlaf verbracht.

Sergeant Quintain, im Augenblick außer Dienst und daher ebenso in Zivil wie Joana, konnte sich gut an die zahlreichen Berichte in den Medien erinnern, die Joanas Angriff auf die geheime Festung der Hanari zum Inhalt hatten. Einige stilisierten die junge Indianerin zu einer regelrechten Heldin, doch dies war ihr offensichtlich nicht zu Kopf gestiegen. Quintain empfand Sympathie für die bescheiden gebliebene Kameradin und deutete lächelnd auf die Schwinge. „Inzwischen wissen die schlauen Burschen von uns, dass es bessere Möglichkeiten gibt, den Luftraum zu erobern, und das man sogar zwischen den Sternen fliegen kann. Angeblich hängen sie unseren Leuten ständig in den Ohren, damit wir ihnen unser Wissen preisgeben.“

Zwischen Menschen und Hanari gab es eng begrenzte Kontakte. Inzwischen wussten die intelligenten Humanoiden, warum die Invasion stattgefunden hatte und sie nun auf einem anderen Planeten unter einer neuen Sonne lebten. Eine Forschungsgruppe der Menschen begleitete sie auf ihrem Weg.

„Ja, davon hat mir mein Vater erzählt“, gestand Joana Redfeather. „Aber der Leiter der Beobachtungsmission auf der neuen Hanari-Welt war klug genug, an ihren Stolz zu appellieren. Das Geschenk des Wissens sei eine Gabe, die zu Dank verpflichte, doch dieses Wissen selbst zu erlangen, sei für alle Hanari Grund zum Stolz.“

„Recht so“, brummte der Sergeant. „Wir haben lange um unser Wissen kämpfen müssen und teuer dafür bezahlt. Wir haben unsere alte Heimat, die Erde, nicht durch eine Nova verloren, sondern weil wir sie in unserer Überheblichkeit und unserer Gier selbst zugrunde richteten. Ich hoffe sehr, eine solche Erfahrung bleibt den Hanari erspart.

„Es gehört zu den Aufgaben unserer Beobachtermission, sie vor dem Schlimmsten zu bewahren.“

Sergeant Quintain drehte sich um und lehnte sich gegen das Geländer der Einfassung. „Man hat mir die Versetzung zur Hanari-Welt angeboten. Dort gibt es ja ein kleines Kontingent von uns Sky-Troopern. Es gibt eine Zulage zum Sold und im Hinblick auf die dürftige Pension altgedienter Soldaten, könnte mir das den Ruhestand ein wenig versüßen. Auch wenn mir nicht ganz klar ist, warum man dort Raumkavallerie benötigt. Die Hanari sind doch ganz friedliche Leute.“

Joana schüttelte den Kopf. „Lassen Sie sich da nicht täuschen, Sarge. Immerhin haben die, genau wie wir Menschen, auch Kriege untereinander geführt. Aber die dortigen Trooper haben weniger die Aufgabe, die Beobachter vor den Hanari zu schützen, als vielmehr die Hanari vor uns.“

„Vor uns?“

„Wir Menschen mögen den Krieg überwunden haben, aber das gilt leider nicht für Gewinnstreben und Habsucht. Die Ressourcen der neuen Hanari-Welt stellen eine Verlockung dar, und so klug diese Wesen auch sind, es fänden sich sicherlich Möglichkeiten, sie gründlich über den Tisch zu ziehen.“

„Das hätten sie nicht verdient.“ Der Sergeant grinste. „Obwohl sie uns sicherlich einiges schulden. Der Bau der riesigen Rettungsflotte, die Einberufung und Ausbildung all der Freiwilligen und der Trooper … Zudem hat es uns Blut gekostet.“

„Auch die Hanari hatten Verluste“, wandte Joana ein. „Vergessen Sie nicht, Sergeant, die Menschheit hatte sich freiwillig zu dieser Rettungsmission entschlossen. Es war unser freier Entschluss und Wille und das können wir den Hanari wohl kaum in Rechnung stellen.“

 

„So war das auch nicht gemeint“, wehrte der weibliche Unteroffizier ab. „Ich gehörte ja selbst zu den Freiwilligen, die damals der Sky-Cav beigetreten sind. Na ja, und da bin ich dann auch hängen geblieben. Ich hatte Glück, übernommen zu werden, denn die meisten wurden ja entlassen. Selbst die meisten Schiffe sind inzwischen stillgelegt und sollen sogar abgewrackt werden. He, wäre es nicht auch etwas für Sie, nach Hanari zu gehen? Das ist sicher abenteuerlicher, als hier auf der Basis abzuhängen oder gelegentlich eine Streife zu fliegen.“

Joana Redfeather mochte die Hanari und hatte tatsächlich überlegt, ob sie sich den Sky-Troopers auf der neuen Hanari-Welt anschließen sollte, doch die stolze Indianerin vom Stamm der Lakota hatte sich dagegen entschieden.

„Nein. Ich will noch hinaus, zwischen die Sterne.“

Der Sergeant nickte. „Kann ich verstehen. Immerhin haben Sie bei Ihren Verbindungen auch eine Chance, wieder mit einem Schiff hinauszufliegen.“

Joana wurde ungern auf diese Möglichkeit angesprochen. Sie hatte sich ihren Rang ehrlich verdient und auf jedes Protegé durch ihren Vater verzichtet. Allerdings wusste sie natürlich nicht, welche Verbindungen er im Hintergrund ziehen mochte, um ihre Karriere zu fördern. Andererseits verbot es sein indianischer Stolz, ihren Werdegang zu manipulieren.

„Mit dem Ende der Rettungsmission für die Hanari ist ja nicht das Ende der Raumfahrt gekommen.“ Joana deutete zur Stirnseite der Passage, wo ein Teil der Sonne Arcturus sichtbar war. „Im Gegenteil, ich vermute, sie wird sogar einen neuen Aufschwung erleben.“

Sergeant Quintain räusperte sich. „Man hört in den Medien von diesem neuen Raumantrieb. Nullzeit-Sturz nennt man das, glaube ich. Ist da was dran?“

Es war kein Geheimnis und Joana nickte lächelnd. „Ja, da ist was dran. Keine jahrelangen Reisen im Kälteschlaf mehr, wie wir das bisher noch tun mussten, sondern ein Flug von wenigen Stunden, bis hin zu den entferntesten Sternen. Ich weiß da auch noch nichts Genaues, aber der neue Antrieb soll eine wirkliche Revolution darstellen.

Ja, überall waren Gerüchte über den neuen Antrieb zu vernehmen. Es waren sicherlich weit mehr als nur Gerüchte, denn es gab Berichte über ein experimentelles Raumschiff, welches bereits mehrere erfolgreiche Flüge absolviert hatte.

Der neue Antrieb würde einen Umbruch in der Raumfahrt bewirken.

Einen Umbruch, der solche riesigen Basisstationen wie Arcturus, in Zukunft überflüssig machen konnte.

Die Direktorats-Flottenbasis war zu einem Zeitpunkt erbaut worden, als die Expansion der Menschen in den Weltraum noch in ihren Anfängen steckte.

Die Erde war durch Raubbau und Umweltkatastrophen unbewohnbar geworden. Die Menschheit hatte den Mars und andere Planeten besiedelt. Asteroiden und Kolonialwelten versorgten sie mit Rohstoffen. Erze, Mineralien und Wasser wurden durch den Weltraum transportiert, während sich die Erde, durch die Abwesenheit der Menschen, langsam wieder von diesen erholte. Man hatte den überlichtschnellen Sternenantrieb entwickelt, dennoch brauchte es Monate und Jahre, um ein Ziel zu erreichen.

Die Arcturus-Basis befand sich damals im relativen Zentrum jenes kleinen Bereiches, den die Menschheit für sich in Anspruch nahm. Sie war Hauptumschlagplatz für Güter und Siedler und der Ankerplatz der, damals noch sehr kleinen, Direktoratsflotte.

Die Station bestand aus einer diskusförmigen Scheibe von fast zehn Kilometer Durchmesser, aus deren oberen und unteren Polen die hohen Nabentürme aufragten. Riesige hydroponische Gärten dienten der Versorgung mit Lebensmitteln. Zwei der Decks waren vollständig bewaldet und wurden zur Sauerstoffversorgung und zu Spaziergängen genutzt. Eine kleine Gruppe Ranger sorgte für das Wohl der Pflanzen, Tiere und Insekten. Der Bau hatte sich über fast zwanzig Jahre hingezogen und war nur möglich gewesen, da man die Basis nur zu einem geringen Teil aus Tri-Stahl errichtet hatte. Genau genommen bestand nur ihr Skelett aus Metall, der Rest war aus jenem Bauschaum geformt, der auch auf dem Mars und den Kolonien als Hauptbaumittel für alle Gebäude diente. Der Schaum war billig, leicht herzustellen, feuerfest und, abhängig von seiner Dicke, auch strahlungsabschirmend. Kleinstmeteoriten wurden von dem dicken Material förmlich verschluckt, welches sich hinter den kosmischen Projektilen wieder schloss. Wirklich gefährliche Brocken wurden von den Geschützen der Basis abgewehrt.

Die zunehmende Abhängigkeit des irdischen Sonnensystems von den Kolonien hatte einst zu Spannungen geführt, die sich schließlich im kolonialen Krieg entluden. Der Mars und die solaren Territorien hatten all ihre Ressourcen in den Bau einiger übergroßer Schlachtschiffe gesteckt, da man wusste, dass die außersolaren Kolonien nur kleinere Schiffe herstellen konnten. Diese Trägerschlachtschiffe waren Planetenkiller und sie bewiesen dies, als eines von ihnen eine unbewohnte Welt vernichtete, als Warnung und Drohung gegenüber den abtrünnigen Kolonien. Als diese sich dennoch nicht einschüchtern ließen, bekam die Besatzung eines der Schiffe den Befehl, nun eine bewohnte Kolonialwelt auszulöschen … und verweigerte ihn.

Es gab eine nahezu unblutige Revolte auf dem Mars, welche die alte Regierung hinwegfegte. Im neuen Direktorat fanden sich die Vertreter aller menschlichen Niederlassungen wieder und der jahrzehntelange Krieg endete vor rund 135 Jahren. Seitdem herrschten Frieden und auch eine gewisse Stagnation, denn die Menschheit hatte genug damit zu tun, die bestehenden Kolonien auszubauen. Da sich die Raumflüge zwischen den Systemen, trotz des Überlichtantriebes, über Monate und Jahre erstreckten, schränkte dies Warenaustausch und Passagierverkehr ein. Nur wenige wollten, eingefroren in Kryo-Schlafkammern, Jahre im Weltraum verbringen, während die Zeit auf den Planeten ganz normal verstrich.

Lediglich die Kommunikation hatte eine Ausnahme gebildet. Die Entdeckung des Hiromata-Kristalls und seiner besonderen Eigenschaften hatte es ermöglicht, den Nullzeit-Funk aufzubauen. Zwar konnte man nur einfache Impulse senden, ähnlich dem alten Morsefunk auf der Erde, doch dies geschah ohne Zeitverlust und ermöglichte es der Menschheit, untereinander in Verbindung zu bleiben.

Jetzt schien es gelungen zu sein, mithilfe des Hiromata-Kristalls einen neuen Antrieb zu entwickeln. Die Auswirkungen auf die interstellare Raumfahrt waren kaum abzusehen. Sternensysteme und lohnende Planeten, die zuvor unerreichbar schienen, rückten nun in greifbare Nähe. Niemand würde mehr Umschlagplätze wie die Arcturus-Basis benötigen, wenn man in wenigen Stunden von Stern zu Stern reisen konnte.

Joana Redfeather spürte ein sanftes Pochen hinter ihrem Ohr. Instinktiv tippte sie leicht gegen das dortige Implantat, welches jeder Militärangehörige und auch die meisten Zivilisten trugen. Das „Implant“ war direkt mit ihren Gehörnerven verbunden und auch in der Lage, Joanas Antworten zu übertragen. Die miniaturisierte Hochleistungs-Tetronik funktionierte wie ein historisches Mobiltelefon und Navigationssystem und der Träger lernte rasch, es zu bedienen. Allerdings war seine Reichweite sehr gering und von den, in praktisch jedem Raum befindlichen, Übertragungsgeräten abhängig. Es gab Menschen, die befürchteten, durch das Implant jederzeit überwacht zu werden, und daher darauf verzichteten, es sich einsetzen zu lassen, oder die es wieder entfernen ließen. Für die Angehörigen der Direktorats-Streitkräfte war es ein nahezu unverzichtbares Teil der persönlichen Ausrüstung.

„Captain Redfeather, der Hoch-Admiral hat nun Zeit für Sie“, hörte Joana und sie bestätigte mit wenigen Worten und einem unbewussten Nicken.

Sergeant Quintain hatte dies natürlich bemerkt. Sie reichte Joana die Hand. „Scheint so, als müssten wir uns nun trennen. Ich hoffe, Sie finden Ihren Weg zwischen den Sternen. Sie sind noch jung, Captain, und mit dem neuen Antrieb haben Sie sicherlich noch viele Abenteuer vor sich.“

Joana wünschte der Älteren Glück und drängte sich dann durch die zahlreichen Passanten hindurch, um einen der Lifte zu erreichen, deren offene Kabinen langsam, doch in unendlicher Reihenfolge, zwischen den Polen der Basis verkehrten. Dieses, auf dem uralten Prinzip des Paternosters basierende Fortbewegungsmittel, hatte sich weit besser bewährt als der Einsatz geschlossener Kabinen.

Durch den Schacht aus durchsichtigem Klarstahl sah sie die Passage unter sich zurückbleiben, während sie langsam nach oben glitt. Sie dachte an die Worte der alten Sergeantin. Mit etwas Glück würde Joana Teil eines neuen Zeitalters der Raumfahrt werden.