Sky-Navy 14 - Vorposten im Rylon-System

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Sky-Navy 14 - Vorposten im Rylon-System
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Michael Schenk

Sky-Navy 14 - Vorposten im Rylon-System

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1Die Schlacht der Mütter

Kapitel 2Beschlüsse

Kapitel 3Auswertungen und Aufwertungen

Kapitel 4 Begrenzte Möglichkeiten

Kapitel 5Angriff der fliegenden Untertassen

Kapitel 6 Operation Black Hole

Kapitel 7Letzte Vorbereitungen

Kapitel 8Aufbruch ins Ungewisse

Kapitel 9Im unbekannten Raum

Kapitel 10 Das Rylon-System

Kapitel 11 Das Wrackfeld

Kapitel 12 Überlegungen

Kapitel 13Das verborgene Heim

Kapitel 14Aktivitäten

Kapitel 15Blackhouse

Kapitel 16Tod aus dem Dunkel

Kapitel 17Vermisst

Kapitel 18Feind in Sicht

Kapitel 19Ideale Bedingungen

Kapitel 20Ein unheimlicher Feind

Kapitel 21Die letzten Schläfer

Kapitel 22Im Verborgenen

Kapitel 23Befall

Kapitel 24Von Stein zu Stein

Kapitel 25 Eingeschränkte Optionen

Kapitel 26Erwachen

Kapitel 27In Bewegung

Kapitel 28Ankündigung Sky-Navy 15

Kapitel 29 Homepage www.sky-navy.de

Impressum neobooks

Kapitel 1Die Schlacht der Mütter

Sky-Navy 14

Vorstoß ins Rylon-System

Military Science Fiction

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2020

Vor 647 Jahren,

das Rylon-System, Kossandes-Narret, Schlachtschiff der Norsun der kleinen Mutter Narret

Die Kossandes-Narret gehörte zu den letzten Flottenneubauten der Norsun und war eines von sieben Schlachtschiffen der neuen Generation. Jede ihrer beiden Kugeln durchmaß eintausendzweihundert Meter, der tonnenförmige Verbindungsteil zwischen ihnen war genauso lang und wies einen Durchmesser von achthundert Metern auf. Der Rumpf schimmerte in jenem seidigen Grün, welches alle Panzerungen der Norsun besaßen und das, wenn auch zufällig, der Hautfarbe des insektoiden Volkes glich. Der Rumpf wirkte glatt, da die Schächte für Waffensysteme und Projektoren mit Panzerluken verschlossen waren, wenn sie nicht benötigt wurden. Beide Kugeln verfügten über unabhängige Triebwerke, so dass man für Bremsmanöver nicht wenden musste. Um das untere Viertel jeder Kugel zog sich ein Kranz mit den Düsen der Atmosphäretriebwerke. Diese waren stark genug, die Masse des Schiffes in einer Lufthülle manövrierfähig zu halten. Entlang des Mittelteils zogen sich auf beiden Seiten fünf hell erleuchtete Linien. Hier befanden sich die langen Verbindungskorridore, deren Außenwände aus transparentem Material bestanden. Der Gigant war deutlich größer als alle Hantelschiffe, welche bisher erbaut worden waren, und bildete das Rückgrat der Kampfflotte der kleinen Mutter Narret.

Das Volk siedelte auf zahlreichen Stammwelten, die jeweils einer kleinen Mutter unterstanden, welche wiederum der großen Mutter aller Norsun verantwortlich waren. Die enorme Fruchtbarkeit und der feste Glaube an die Unbesiegbarkeit ihres Volkes hatte die Norsun in den Weltraum hinaus getrieben. Sie expandierten und sie taten es gewaltsam. Drei Fremdvölker hatte man bisher vernichtet oder versklavt. Wo ein Gegner ihnen technologisch gleichwertig oder überlegen war, da warfen sie ihre enorme Vermehrung und Produktivität in die Waagschale des Schicksals.

Dann, vor nunmehr knapp zweihundert Jahren, waren sie auf das humanoide Volk der Negaruyen gestoßen. Wie gewohnt hatten sie zunächst friedlichen Handel getrieben, um die technischen Möglichkeiten der Fremdrasse auszukundschaften, bis sie dann zum längst vorbereiteten Vernichtungsschlag ausgeholt hatten. Die Heimatwelt der Negaruyen und viele ihrer Siedlungswelten waren den überraschenden Angriffen der Hantelschiffe zum Opfer gefallen.

Doch die Negaruyen erwiesen sich als erbitterte und einfallsreiche Gegner. Trotz der enormen Übermacht der Insektoiden wehrten sie sich entschlossen und mit Erfolg.

Dieser Tag sollte nun die Entscheidung bringen. Höchst-Wort Surus-Galmon, Befehlshaber der Flotten dreier kleiner Mütter, war zuversichtlich, den Feind in die Falle locken und endgültig vernichten zu können.

Knapp eintausendfünfhundert Hantelschiffe warteten nun im Rylon-System auf die Negaruyen. Surus-Galmon war der oberster Befehlshaber, ihr Höchst-Wort.

Er maß drei Meter und war damit ein besonders stattliches Männchen seines Volkes. Die Norsun waren entfernt humanoid und ähnelten auf große Distanz in Körperbau und Größe einer menschlichen Gestalt. Zwischen Oberkörper und Unterleib befand sich allerdings eine deutliche Verengung. Die Gliedmaßen waren länger als die eines Menschen. Der Kopf war elliptisch und wurde von zwei großen runden Facettenaugen beherrscht, in deren Mitte sich jedoch zusätzlich zwei senkrechte Schlitzpupillen befanden. Anstelle einer Nase gab es einen kurzen Rüssel, welcher der Nahrungsaufnahme diente. Der darunter befindliche Mund war ein schmaler vertikaler Schlitz. Er diente der Atmung und akustischen Kommunikation. Auf dem Kopf ragten zwei kurze Fühler auf, die in der Lage waren, feinste Duftmoleküle wahrzunehmen. Die schlanken Hände waren mit zwei Daumen und vier Fingern versehen. Besonders auffällig war ein unterarmlanger Stachel am hinteren Ende des Unterleibs. Seine Funktion als Waffe war im Verlauf der Generationen verkümmert, doch noch immer diente er dazu, körpereigene Duftstoffe zu produzieren, sie abzusondern und fremde Gerüche zu analysieren. Auch diese Duftstoffe dienten der Kommunikation. Die Sitzstangen in jedem Cockpit der Norsun wiesen daher zusätzlich Futterale auf, in welche der Stachel eingeführt werden konnte. Dies ermöglichte den Austausch natürlicher und künstlicher Pheromone mit der eTronischen Steuerung, was die Kontrolle eines Schiffes erleichterte. Viele Norsun bevorzugten die Pheromon-Verständigung und verzichteten dafür selbst bei einem Gefecht auf das vollständige Schließen ihrer Raumanzüge. Der gesamte Leib eines Norsun war von einer smaragdgrünen Haut bedeckt, die einen samtenen Schimmer aufwies und, an einigen wenigen Stellen, noch immer Anzeichen eines einstigen Chitinpanzers zeigte.

Als Zeichen seines hohen Ranges trug Surus-Galmon eine tiefgrüne Schärpe quer über den Leib. Die Farbe des Norsun-Blutes erinnerte jeden Würdenträger an die große Verantwortung, die er für das Wohl seiner kleinen Mutter und das der großen Mutter trug. Das Höchst-Wort war sich gewiss, dass man von ihm, an diesem besonderen Tag im Rylon-System, die Vernichtung der Negaruyen erwartete. Es war zuversichtlich, diese Aufgabe zu erfüllen.

Das Schlachtschiff Kossandes-Narret wies nicht nur eine überraschende Größe auf, sondern enthielt auch einige technischer Neuerungen, die erheblich zum Sieg beitragen würden. Dazu gehörte der neue taktische Würfel. In der Mitte des Kommandoraums der Bugkugel war eine würfelförmige Konstruktion von je fünf Metern Seitenlänge errichtet worden. In dieser entstand ein dreidimensionales Abbild des Kampfgebietes, in dem alle natürlichen und künstlichen Objekte dargestellt wurden. Man konnte jeden Ausschnitt der Karte beliebig vergrößern oder verkleinern, um einen Gesamtüberblick über die Schlacht oder einen Teilausschnitt der Kämpfe zu erhalten. Der taktische Würfel ermöglichte es einem Flottenbefehlshaber wie Surus-Galmon, sich rasch einen umfassenden und detaillierten Überblick zu verschaffen und so seine taktischen Züge effizient zu planen.

 

Diese Innovation stand nur auf den sieben neuen Schlachtschiffen zur Verfügung, von denen vier an der Auseinandersetzung im Rylon-System teilnahmen. Surus hielt eine letzte taktische Besprechung mit den ihm nachgeordneten Hoch-Worten der drei Teilflotten und Geschwader. Sie würden seine Befehle an alle eintausendsiebenhundert Kampfschiffe weiterleiten. Von der kleinen Zweikugel der 200-Meter-Klasse zu den leichten Kreuzern der 400-Meter-Klasse und zu den Schlachtkreuzern der 600- und 800-Meter-Klasse, deren Kommandeure sicher nicht erfreut waren, dass ihre Schiffe aufgrund der neuen Schlachtschiffe in die Kreuzerklasse zurückgestuft worden waren.

„Wir werden den Feind nicht nur mit unserer großen Übermacht überraschen“, führte Surus-Galmon aus, „sondern auch mit den überragenden neuen Errungenschaften unserer Forscher. Bislang waren wir auf die Hüllenpanzerung und unsere leistungsstarken Energiestrahlprojektoren angewiesen, doch nun verfügt ein Teil unserer Schiffe zusätzlich überformbare Energie. Sie können goldene Energiewände errichten, von denen jedes feindliche Geschoss und jeder Kampfstrahl neutralisiert wird. Außerdem können sie diese goldene Energie zu Stacheln formen, die weit in den Raum hinausstoßen und jedes feindliche Schiff aufspießen und vernichten. Fast ein Viertel unserer Flotte, die neuen Schlachtschiffe eingeschlossen, verfügt über diese vernichtende Waffe. Zweihundert unserer 400-Meter-Kreuzer wurden mit verstärkten Triebwerken und Energieprojektoren ausgerüstet. Sie sind die schnellsten Einheiten unserer drei Verbände. Ich habe sie zu einer schnellen Eingreiftruppe zusammengefasst, welche die Flachschlitznasen dort stechen wird, wo sie zu entkommen versuchen. Ich beabsichtige, unsere große Flotte in drei Gruppen zu teilen, die ich, zu Ehren unserer Tradition, als Stacheln bezeichne. Doch hierzu sehen wir uns erst einmal die Karte dieses Systems an.“

Alle Kommandeure sahen nun die Projektion des Rylon-Systems vor sich.

„Ein unbedeutendes System, welches durch unsere Taten zu Ruhm gelangen wird“, erklärte das Höchst-Wort. „Die Sonne ist ein weißer Zwerg, kleiner als unsere Heimatsonne. Sie wird von fünf Planeten umkreist, die zwar allesamt keine guten Lebensbedingungen, jedoch reichlich Rohstoffe bieten. Die Negaruyen haben viele Rohstoffwelten verloren und benötigen neue. Wir haben in letzter Zeit eine Reihe auffälliger Aufklärungsflüge nach Rylon durchgeführt, die der Aufmerksamkeit des Feindes nicht entgangen sind. Sie werden kommen, um nachzusehen, was sich hier abspielt und sie werden ein reichhaltiges Angebot an verlockenden Rohstoffen entdecken.“

„Sie werden mit einer Falle rechnen“, wandte eines der Hoch-Worte ein. Er knickte die beiden Kopffühler zur Seite und zeigte damit seine Zweifel. „Sie sind nicht dumm und wir wissen, wie schwer es ist, ihnen einen Hinterhalt zu legen.“

„Aber sie sind auch tapfer und sie sind zornig“, meinte das Hoch-Wort der kleinen Mutter Gerrun. Diese stellte mit nur dreihundertfünfzig Schiffen den kleinsten Teil der Flotte.

Surus-Galmon knickte zustimmend die Fühler nach vorne. „Ja, sie sind tapfer und sie sind zornig. Vor allem zornig. Selbst wenn sie eine Vielzahl unserer Schiffe vorfinden, so wird ihre Wut sie in den Kampf treiben. Natürlich nur, wenn wir ihnen nicht unsere wahre Stärke zeigen, sondern nur einen Bissen, von dem sie glauben, ihn bewältigen zu können. Daher ist das Asteroidenfeld zwischen dem zweiten und dritten Planeten von entscheidender Bedeutung.“ Das Höchst-Wort ließ den betreffenden Teil der Karte farbig blinken. „Dort wird sich jener Teil unserer Flotte verbergen, der für den Feind zum tödlichsten Stachel werden wird.“

„Verzeiht, Herr, doch genau das werden sie erwarten“, meldete sich Hendro-Talar zu Wort. Das Hoch-Wort war zugleich Führer des Flaggschiffes Kossandes-Narret, von dem aus Surus-Galmon die Flotte befehligte.

„Natürlich werden sie das erwarten.“ Das Höchst-Wort verströmte Duftstoffe höchster Zufriedenheit. „Darauf beruht ein wesentlicher Bestandteil meines Plans. Den Feind so zu überraschen, dass er die Falle in der Falle nicht ahnt.“

Der Oberbefehlshaber nickte dem Dienenden zu, der die Karte steuerte. Weitere farbige Felder wurden sichtbar. „Siebenhundert Schiffe werden der Lockvogel sein. Ein gutes Stück außerhalb des Asteroidenfeldes und in Richtung des dritten Planeten versetzt. Sie bilden unseren ersten Stachel. Der zweite Stachel besteht aus fünfhundert Schiffen, die sich oberhalb des Asteroidenfeldes verborgen halten werden. Diese Schiffe werden von Hoch-Wort Gondro-Gon befehligt. Wir alle kennen ihn als fähigen Schiffsführer der kleinen Mutter Seraf.“

Kopffühler knickten zustimmend nach vorne.

Das genannte Hoch-Wort zeigte in seiner Reaktion, dass es nichts anderes erwartet hatte. „Ich halte dies für überlegt und angemessen. Ich vermute, dass ich mich verborgen, jedoch nicht zu gut verborgen halten soll?“

„Du bist ein fähiges Hoch-Wort und wirst wissen, was dafür zu tun ist“, lobte Surus-Galmon. „Der Feind soll erkennen können, dass sich der zweite Stachel beim Asteroidenfeld aufhält, ohne dass es zu offensichtlich ist, dass er dies tun soll.“

Hendro-Talar reagierte amüsiert. „Er wird den zweiten Stachel erkennen und glauben, dass dies der Hinterhalt ist, dem er zum Opfer fallen soll.“

Erneut knickte das Höchst-Wort die Fühler nach vorne. „Er wird sich aufteilen, um unseren ersten Stachel zu beschäftigen und mit seiner Hauptmacht die angeblich größere Gefahr, unseren zweiten Stachel, anzugreifen.“

„Doch ich werde mich zurückziehen und ihn ins Asteroidenfeld locken“, meinte Gondro-Gon.

„Genau das wirst du nicht tun. Du wirst nach oben ziehen und dich vom Feld lösen. Dadurch erkennt der Feind deine Stärke und dass er sich zwischen zwei Feindflotten befindet. Er hat dann nur drei Möglichkeiten: den ehrlosen Rückzug, sich einem unserer Stacheln zuzuwenden und damit seine Umzingelung und Vernichtung zu riskieren, oder er wählt die dritte Option.“

Die Fühler von Gondro-Gon richteten sich zitternd auf. „Jetzt verstehe ich“, sagte er überrascht. „Die dritte Option besteht darin, dass er selber Schutz im Asteroidenfeld sucht, wobei er davon ausgehen wird, dass sich dort keine Schiffe von uns aufhalten.“

„Doch genau dort verberge ich mich mit den fünfhundert Schiffen des dritten Stachels“, erklärte das Höchst-Wort zufrieden und erntete begeisterte Zustimmung. „Wir werden die Flachschlitznasen vollkommen überraschen und in ein Gefecht verwickeln. Dann schwenken der erste und zweite Stachel ein und wir haben den Feind in einer tödlichen Zange, aus der er nicht mehr entkommen kann. Ebenso wie wir, benötigt auch der Feind zwölf Zeiteinheiten um seinen Schwingungsantrieb zu aktivieren und er kann nur in die Schwingung gehen, wenn er nicht schneller als die Geschwindigkeit des Lichtes ist. Zu langsam und zu viel Zeit, um uns noch entkommen zu können. Ich spreche das Wort, dass die goldene Energie erst eingesetzt werden soll, wenn der zweite Stachel in das Stechen geht. Nur so wird die tatsächliche Falle in der scheinbaren Falle zu einer tödlichen Überraschung für den Feind. Ich weiß, dass der erste Stachel damit seine wirksamste Verteidigung und Angriffswaffe verliert, doch dies ist erforderlich, um die Flachschlitznasen unerwartet zu treffen. Wir werden ein paar Verluste hinnehmen, um den Feind vollständig auszulöschen.“

Der Schlachtplan des Höchst-Wortes genoss die volle Zustimmung der anderen Kommandeure. Während man ein paar Einzelheiten für die Zuordnung der Schiffe zu den einzelnen Geschwadern, den Stacheln, vornahm, ließen sich Surus-Galmon und Hendro-Talar eine Erfrischung reichen.

Auf eine herrische Bewegung des Schlachtschiffkommandanten hin eilte ein Suffris heran. Die von den Norsun als Halbintelligenzen eingestuften Lebewesen gehörten zu den Überlebenden eines Volkes, welches schon vor Jahrhunderten von ihnen bezwungen worden war. Ihre flachen und linsenförmigen Leiber waren ungefähr zwei Meter lang und bewegten sich auf acht Beinen voran, von denen die vorderen beiden mit Händen versehen waren, die für einfache Arbeiten geeignet waren. Der kleine Kopf wies die Form eines flachen „T“ auf, wobei die Verlängerung des „T“ aus einem harten Stachel bestand, der ursprünglich dazu gedient hatte, Beute zu töten und dann auszusaugen. Inzwischen hatten sie begriffen, dass sie keine Beute mehr machen durften und ernährten sich von einer speziellen Nährlösung.

Suffris waren willige Diener, die für einfache Tätigkeiten eingesetzt wurden und auf fast allen Schiffen zu finden waren. Ihre Arbeit auf den Orbitalwerften und bei Außenreparaturen wurde sehr geschätzt, da die Kreaturen vollkommen unempfindlich gegen die Kälte des Weltraums waren. Ihre silbrige Körperflüssigkeit enthielt eine Substanz, die ein äußerst wirksames Kälteschutzmittel darstellte und ein Einfrieren ihrer Organe zuverlässig verhinderte.

Der Suffris, den Hendro-Talar herbeigewunken hatte, brachte mit der typischen Schnelligkeit seiner Art ein kleines Tablett, auf dem zwei Pokale standen. Während sich die beiden Norsun zuprosteten, hastete die Kreatur rasch wieder in ihre Ecke, wo sie aufmerksam auf weitere Befehle wartete.

Nach kurzer Zeit war man sich über die Aufteilung der Schiffe einig und Höchst-Wort Surus-Galmon befahl den drei Stacheln seiner Flotte, die ihnen zugewiesenen Positionen einzunehmen.

Schließlich formierte sich der erste Stachel, in Höhe des dritten Planeten, in der klassischen Kugelform, auf die stets zurückgegriffen wurde, wenn man nicht wusste, aus welcher Richtung ein Feind eintreffen würde. Diese siebenhundert Schiffe waren überwiegend leichte Kreuzer und einige Schlachtkreuzer der 400-Meter-Klasse. Nur hundert von ihnen verfügten über die Möglichkeit, die neue goldene formbare Energie einzusetzen.

Hochwort Gondro-Gon positionierte die fünfhundert Schiffe seines zweiten Stachels knapp oberhalb des Asteroidenfeldes. Die Zusammensetzung entsprach jener des ersten Stachels, doch zweihundert Schiffe verfügten über die goldene Energie. Gondro-Gons Flaggschiff war die Kenntai-Gerrun, eines der kostbaren neuen Schlachtschiffe.

Der dritte Stachel, unter Höchst-Wort Surus-Galmon persönlich, war die kampfkräftigste Formation. Neben der Kossandes-Narret gehörten ihr zwei weitere Schlachtriesen an.

Das Warten auf den Feind stellte die Geduld der Norsun auf eine harte Probe. Mit jeder verstreichenden Stunde wuchs aus der Zuversicht die Unsicherheit. Die Flotten hielten untereinander Funkstille. Das Höchst-Wort hatte strikten Befehl erteilt, dass diese erst auf seinen Befehl gebrochen werden durfte.

Die wachsende Unruhe von Surus-Galmon war in der großen Bugzentrale des Schlachtschiffes spürbar. Unruhig schritt er durch den kreisrunden Raum mit den Arbeitsplätzen der Führungsoffiziere. Seine Blicke wechselten zwischen der Ortung und der riesigen Panoramascheibe, welche die Vorderseite der Zentrale einnahm.

Viel gab es nicht zu sehen. Alle Schiffe des dritten Stachels lagen verborgen zwischen den großen und kleinen Asteroiden des Feldes. Gegen den von mattem Sternenglanz erfüllten Weltraum hoben sich die Brocken aus Stein, Metall oder Eis wie dunkle Schatten ab. Nur ihre Kanten schimmerten, wo das Sonnenlicht sie traf.

Schiffskommandant Hendro-Talar war dankbar für den Umstand, dass es sich um ein statisches Feld handelte. Alle Asteroiden folgten der gleichen Umlaufbahn um ihren Stern und mit der gleichen Geschwindigkeit. Das minderte die Gefahr einer Kollision, obwohl sie nicht ganz ausgeschlossen werden konnte. Einige der kleineren Felsen wurden gelegentlich vom Gravitationsfeld eines großen Asteroiden beeinflusst und veränderten ihre Bahn.

Eine punktgenaue, einem Laser ähnliche Verbindung, stellte die einzige Datenübertragung und Kommunikationsmöglichkeit des Flottenflaggschiffes mit den Flaggschiffen der anderen beiden Stachel sicher.

„Führende Hand der Sprecher an das Höchst-Wort“, meldete sich der Funkoffizier unvermittelt. „Ich empfange das vereinbarte Signal vom ersten Stachel. Der Feind ist da.“

„Beim Feuerfall von Istwagh“, fluchte Surus-Galmon erleichtert, „endlich sind die verdammten Flachschlitznasen eingetroffen!“

Hoch-Wort Hendro-Talar teilte seine Erleichterung. Der Kommandant des Schlachtschiffes trat an die Seite des Funkoffiziers. „Nur die Bestätigung? Sonst nichts? Keine Angabe über die Stärke des Feindes?“

Der Offizier kreuzte bedauernd die Kopffühler. „Nur die Bestätigung, Hoch-Wort. Sonst nichts.“

 

Hendro-Talar wandte sich dem Oberbefehlshaber zu. „Das Hoch-Wort des ersten Stachels wartet wohl ab, bis alle Negaruyen aus der Schwingung gekommen sind, um uns dann eine genaue Zahl nennen zu können. Wir wissen, dass der Feind stets in möglichst dichten und zeitlich rasch folgenden Pulks aus der Schwingung tritt.“

Das Höchst-Wort knickte schweigend die Fühler nach vorne. Langsam schritt er an der Panoramascheibe entlang. „Bedauerlich, dass wir nicht vorausbestimmen können, wo sie die Schwingung verlassen. Das wäre überaus nützlich.“

Jeder kannte die Schwäche des Feindes. Verließen die Negaruyen die Nullzeit der Schwingung, so waren sie für eine Viertel Zeiteinheit wie paralysiert. Niemand kannte die Ursache für diese Handlungsunfähigkeit, in welcher der Feind vollkommen wehrlos war. Erst seit kurzer Zeit verfügte er über automatische Verteidigungssysteme, doch diese waren erwiesenermaßen noch fehlerhaft. Leider konnte man nicht im Voraus wissen, wann und wo der Feind aus der Schwingung kommen würde. Mancher Norsun-Kommandant hatte sich schon ausgemalt, wie es wohl wäre, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und den hilflosen Feind ohne Gegenwehr abzuschlachten.

„Führende Hand der Sprecher an das Höchst-Wort und das Hoch-Wort: Ich empfange Informationen des ersten Stachels. Impulsspruch wird von mir in Klarsprache umgewandelt.“

„Führende Hand der Sprecher, übermittle, wenn du bereit bist.“

„Meine Hand folgt deinem Willen, Herr“, bestätigte der Funker.

Der Stachel des Funkoffiziers steckte tief im Futteral seiner Sitzstange. Duftmoleküle wurden zwischen dem Norsun und der eTronik des Schlachtschiffes ausgetauscht, während seine Hände über die einzelnen Lichtfelder des Schaltpultes glitten. Das leichte Vibrieren der Fühler verriet seine hohe Konzentration, während er von den anderen Anwesenden beobachtet wurde. Sie alle, gleichgültig ob Höchst-Wort, Hoch-Wort oder Wort, warteten auf die Informationen und darauf, ob dies ein Tag des Ruhmes werden würde.

„Erster Stachel meldet 467 Negaruyen, die aus der Schwingung gekommen sind. Genau zwischen dem dritten und vierten Planeten. Der Feind bremst ab und erreicht Stechentfernung in zwei Zeiteinheiten.“

„Ich spreche das Wort an den ersten Stachel“, kündigte Surus-Galmon an. „Ich muss wissen, was für Schiffe die Flachschlitznasen aufbieten.“ Er wandte sich ein Stück zur Seite. „Ausführende Hand der Seher und Fühler, was zeigen unsere Fernaugen?“

Der für die Raumortung zuständige Norsun-Offizier stellte die Fühler zur Seite. „Die Taststrahlen unserer Fernaugen können die Asteroiden nicht durchdringen.“

„Ausführende Hand des Schiffes, ich spreche das Wort“, sprach das Höchst-Wort den Piloten des Schlachtschiffes an. „Versetze das Schiff so weit, dass unsere Fernaugen freie Sicht bekommen. Ich muss wissen, was da draußen vor sich geht.“ Er bemerkte den skeptischen Blick des Hoch-Wortes. „Es ist überlegt und angemessen. Wir werden den Feind mit unseren Fernaugen und Fernfühlern erkennen können, doch ihm ist es nicht möglich, uns zu entdecken. Wir sind von so vielen Asteroiden umgeben, dass er uns für einen metallenen Felsen halten wird.“

Was das Hoch-Wort davon hielt, war nicht zu ergründen. „Zu deinem Willen, Herr“, stimmte er zu und seine Geste bedeutete dem Piloten, den Befehl des Oberbefehlshabers auszuführen.

Langsam und sehr vorsichtig aktivierte der Pilot das Hecktriebwerk und einige der Korrekturdüsen, bis er das riesige Schiff wieder mit einem kurzen Gegenschub des Bugtriebwerks abbremste.

„Ausführende Hand der Seher und Fühler an das Höchst-Wort: Unsere Fernsinne erfassen nun den Feind.“

In den taktischen Würfel geriet Bewegung. Bislang hatte er lediglich den Bereich zwischen dem zweiten und vierten Planeten und die Positionen der eigenen drei Flottenverbände gezeigt. Jetzt blinkten weitere Symbole in bedrohlichem Blutgrün.

Hoch-Wort Hendro-Talar trat an die Seite von Surus-Galmon. „Sie fliegen in einem ungeordneten Pulk. Direkt auf den ersten Stachel zu. Da, jetzt reagiert der erste Stachel. Er bildet die Schale.“

„Das ist überlegt und angemessen“, meinte Surus-Galmon. „Der Feind fliegt den Mittelpunkt an und gerät in ihren Brennpunkt. Der erste Stachel kann jetzt alle Waffen einsetzen und sich auf diesen Brennpunkt konzentrieren. Beim Feuerfall von Istwagh, ich hätte die Negaruyen nicht für dermaßen dumm gehalten! Sie müssten doch wissen, dass sie auf diese Weise in den Tod fliegen.“

„Möglicherweise rechnen sie sich eine gute Chance aus. Sie sind zahlenmäßig gleich stark.“

Die Symbole des ersten Stachels und der Feindflotte begannen zu pulsieren. Gleichzeitig meldete sich der Kommunikationsoffizier: „Ausführende Hand der Sprecher an das Höchst-Wort: Der erste Stachel meldet Stechen.“

Obwohl die Norsun den Stachel an ihrem Hinterleib nicht mehr als Waffe einsetzen konnten, war es in ihrem Sprachgebrauch immer noch üblich, eine Kampfhandlung damit in Verbindung zu bringen.

Höchst-Wort Surus-Galmon konnte sich sehr gut vorstellen, was nun außerhalb des Asteroidenfeldes geschah. Der erste Stachel und der Feind hatten den Beschuss mit Raketen und Projektilwaffen eröffnet, die eine höhere effektive Reichweite aufwiesen als reine Energiewaffen. Letztere der Negaruyen waren bisher nicht sehr weit entwickelt und so setzten sie noch immer auf ihre bewährten Projektilgeschütze. Sie waren jedoch bestrebt, ebenfalls wirksame Strahlwaffen zu entwickeln.

Bei beiden Flottenverbänden erschienen grün leuchtende Zahlen, welche die steigenden Verluste anzeigten.

„Auf diese Entfernung sind ihre Kanonenboote sehr wirksam“, stellte Hendro-Talar fest. „Doch wenn sie noch etwas näher kommen, dann wird der erste Stachel seine Projektoren einsetzen und sie brennen.“

Vor dem geistigen Auge Surus-Galmons erschien das Bild eines typischen Negaruyen-Schiffes. Ein schwarzer, walzenförmiger Körper, der Bug eine Halbkugel, das Heck ein wenig abgestumpft, an beiden Enden die Schächte der leistungsstarken Triebwerke, kreisförmig um die Abschussrohre der Raketen angeordnet. In der Mitte des Bugs befand sich die Öffnung der großen Bugkanone, die ein schweres massives Projektil abschoss. Diese mächtige Waffe hatte den Negaruyen-Walzen die Bezeichnung als Kanonenboot eingetragen. Die Wucht des Geschosses konnte die Panzerung jedes Hantelschiffes zertrümmern und ihre Wirksamkeit zeigte sich auch in diesem Gefecht.

Eine ganze Reihe von Hantelschiffen wurde getroffen. Bei einigen geschah dies von der Seite. Die betreffende Kugel zerbarst in einer Wolke aus Feuer und Trümmern. Anderen wurde der Mittelteil zersprengt und die beiden Kugelelemente trieben hilflos auseinander. Besonders verheerend war ein Treffer in Längsrichtung. In dem Fall wurde das gesamte Schiff vernichtet. Im Zeitraffer konnte man dann sehen, wie eine Feuerblume durch die gesamte Länge der Hantel raste und diese zerstörte.

Mehrere Dutzend Hantelschiffe vergingen, bevor der erste Stachel seine Energieprojektoren wirksam zum Einsatz bringen konnte. Die ersten Verluste des Feindes brachten dem Höchst-Wort jedoch keine Erleichterung.

„Sie ändern den Kurs“, stellte Hoch-Wort Hendro-Talar fest. „Sie fliehen. Sie haben erkannt, dass sie unterliegen werden.“

Surus-Galmon kreuzte verneinend die Fühler und winkte den Suffris heran, ihm eine Erfrischung zu bringen. „Deine Worte sind unbedacht und unangemessen. Bislang vernichteten sie drei von unseren Schiffe, gegenüber einem, welches sie verlieren. Nein, Hoch-Wort, sie haben den zweiten Stachel entdeckt und wollen sich ihm zuwenden.“

„Gut, dann geraten sie zwischen zwei Feuer. Wenn sie uns ihren ungeschützten Bauch zuwenden, wird unser dritter Stachel ihnen den Todesstich versetzen.“

Die Meinung von Hendro-Talar war nachvollziehbar. In Relation, zur Position der Negaruyen, befand sich der erste Stachel unterhalb des Asteroidenfeldes, der zweite Stachel hingegen an dessen Oberseite. Die Walzenschiffe stiegen nun „nach oben“, um der Gefahr durch den zweiten Stachel zu begegnen und wandten dem Asteroidenfeld dabei die Unterseite ihrer Formation zu.

„Ausführende Hand der Seher und Fühler, ich benötige Jagdsicht auf den Feind“, forderte Surus-Galmon. „Zeige mir das Zentrum des Feindes.“

„Meine Hand folgt deinem Willen, Höchst-Wort. Ich projiziere die Jagdsicht auf den Bugschirm.“

Die große Panoramascheibe an der Bugseite der Zentrale verwandelte sich in einen Bildschirm. Da Jagdsicht gefordert war, arbeiteten die eTronischen und optischen Taster des Schlachtschiffes mit maximaler Vergrößerung. Die winzigen im Sonnenlicht blinkenden Punkte der Feindschiffe gewannen an Konturen.

„Das gefällt mir nicht.“ Surus-Galmon trat näher an das Bild heran. „Ist das ein neuer Schiffstyp? Ja, das ist er.“ Er fuhr zu Hendro-Talar herum. „Sieh dir dieses Schiff an, Hoch-Wort! Es ist anders als alles, was ich bislang bei den Negaruyen sah.“

„Beim Feuerfall von Istwagh!“ Hendro-Talars Fühler zitterten ein wenig. „Es ist kleiner als ihre bisherigen Schiffe und sein Rumpf ist nicht schwarz, sondern blau. Am Bug, Heck und in der Mitte gibt es eine Verdickung. Ja, Herr, das ist definitiv ein neuer Schiffstyp.“

„Der erste Stachel nimmt die Verfolgung auf.“

„Ausgezeichnet. Der erste Stachel treibt den Feind vor den zweiten Stachel.“ Surus-Galmon zeigte das Äquivalent eines menschlichen Lächelns. „Bald ist auch unsere Zeit gekommen. Unsere Schiffe halten noch Funkstille?“

„Gemäß deinem Willen, Herr“, versicherte der Kommunikationsoffizier.

Die Walzenschiffe der Negaruyen befanden sich nun zwischen dem ersten und zweiten Stachel, der seine Position änderte, um einen günstigeren Schusswinkel zu erhalten. Währenddessen feuerten die Nachhut der Negaruyen und die Vorhut des ersten Stachels unentwegt aufeinander. Immer wieder flammten Explosionen auf und kündeten vom Ende eines Raumschiffes und seiner Besatzung.