Buch lesen: «Finding home: Zuhause ist ...», Seite 4

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Kapitel 4

»Okay. Hebt eure Hände über den Kopf und atmet tief ein. Dann langsam wieder aus. Dabei bückt ihr euch herab, bis eure Hände den Boden berühren, oder so nahe es eben geht. Haltet die Pose.«

Als Lehrer war es für Chase nicht unbedingt entspannend, dem Kurs die Yogaübungen vorzuführen, aber er fand es trotzdem bereichernd. Es ging dabei nicht um ihn, vielmehr half er anderen dabei, ihren inneren Frieden zu finden.

»Nun richtet euch wieder auf, sodass ihr wieder aufrecht steht. Wir machen nun mit dem rechten Bein einen Schritt nach vorn, winkeln das Knie an und strecken die Arme aus.«

Er demonstrierte jede Pose vorne im Raum und hielt die Augen offen, ob jemand Probleme hatte. Montagmorgen bestand seine Yogagruppe hauptsächlich aus Senioren. Die Übungen waren perfekt für sie. Solange er es nicht übertrieb und jemand sich eine Hüfte ausrenkte. Seine Abendkurse am Mittwoch und am Freitag wurden hauptsächlich von jüngeren Frauen besucht, die nach der Arbeit noch trainieren wollten. Männer waren nur selten dabei. Als früherer Athlet verstand Chase nicht wirklich, warum Yoga und Pilates als Frauensportarten betrachtet wurden. Aber es war tatsächlich so, dass alle Kurse, die er besucht oder geleitet hatte, zum Großteil von Frauen belegt waren. Seiner Meinung nach würden Männer vermutlich bessere Beziehungen führen, wenn sie mehr an ihrer Beweglichkeit arbeiteten. Andererseits waren die Stellungen, die Chase mit seinen Partnern ausprobierte, vielleicht nicht so interessant für Heteropaare. Er schüttelte den Kopf. Das waren keine angemessenen Gedanken, wenn er gerade einen Kurs unterrichtete. Schon gar nicht, wenn der Kurs von den größten Klatschtanten der Stadt besucht war. Er brauchte wirklich keinen Aushang am schwarzen Brett, auf dem stand, dass er mitten im Kurs einen Ständer bekommen hatte.

»Wir kommen jetzt zu den Bodenübungen.« Er zählte während den Atemübungen laut mit und das half ihm dabei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sobald alle mit der Brücke fertig waren und sie zu den komplexeren Übungen übergingen, begann er im Raum herumzugehen und dem einen oder anderen zu helfen. Er legte eine Hand auf Mrs. Declans unteren Rücken und zeigte ihr, dass sie ihn nicht halb ausrenken musste, um die Pose richtig zu machen. Dann half er Mr. Wingels dabei, sein Bein in die Luft zu strecken, und versicherte ihm, dass es okay war, wenn er das Knie dabei anwinkelte. Als Mrs. Whitaker einen Krampf in der Wade bekam, knetete er sie, bis es vorbeiging. Alles in allem eine ganz normale Unterrichtsstunde.

Er verabschiedete sich von jedem Einzeln, erinnerte alle daran, ausreichend zu essen und zu trinken, und Mr. Jenson daran, sein Gebiss nicht zu vergessen. Chase wusste nicht, wie jemand seine Zähne vergessen konnte, aber Mr. Jenson verlegte sie ständig.

Er hätte wissen sollen, dass er nicht ungeschoren davonkommen würde. Mrs. Declan blieb vor ihm stehen, die zusammengerollte Yogamatte auf der Schulter. »Ich habe gehört, du hast dich mit dem Neuen furchtbar gut verstanden.«

Chase blinzelte sie an. Manchmal vermutete er, dass die Leute in Serenity irgendwo zwischen den Fünfzigern und der heutigen Zeit hängen geblieben waren. Gott, Jaden war doch erst seit weniger als vierundzwanzig Stunden hier. »Ich habe ihm nur gezeigt, wo er hinmuss«, sagte er in neutralem Tonfall.

»Er wollte zu Lily-Anne.« Sie verengte die blassblauen Augen. »Er ist ein Bannister, nicht wahr? Kevins erster Sohn. Wie hieß er noch gleich? Jaden? Ich kannte seine Mutter. Hochnäsiges Ding. Dachte, sie sei zu gut für uns.« Wie immer, ignorierte sie jegliche persönliche Distanz und tippte Chase gegen die Brust. »Sei vorsichtig. Dieser Junge hat von beiden Seiten kein gutes Temperament geerbt.«

Sprachlos blickte Chase ihr hinterher. Das war ein hartes Urteil, wenn man bedachte, dass sie ihn noch nicht einmal kennengelernt hatte.

Mrs. Jenkins blieb auf ihrem Weg nach draußen ebenfalls vor ihm stehen. Chase wappnete sich für weitere ungefragte Ratschläge. Doch sie tätschelte nur seinen Arm und verdrehte die Augen. »Ignorier sie. Du weißt ja, wie schrullig sie ist.«

Die Worte brachten ihn zum Lächeln. Er verabschiedete sich mit einem Küsschen auf die Wange von ihr.

Sobald der Raum leer war, rollte er seine mintgrüne Yogamatte zusammen und schlüpfte in seine Flipflops. Es war kurz nach zehn Uhr morgens. Carly Matheson, seine Angestellte, beziehungsweise sein rettender Engel, passte auf den Smoothieladen auf. Nun hatte er Zeit, um selbst ein wenig die Seele baumeln zu lassen. Er fuhr mit offenen Fenstern die Straße entlang, sodass der Wind sein Haar zerzauste und ihm direkt ins Gesicht wehte. Um die Musik über das Rauschen des Windes hinweg zu hören, stellte er sie laut. So, wie er es mochte. Er trommelte den Takt auf dem Lenkrad mit und sang aus voller Kehle. Adele hatte einfach etwas für sich. Immer, wenn sie im Radio lief, konnte er nicht anders, als mitzusingen.

Die Fahrt zum Strand schien immer Ewigkeiten zu dauern, aber in Wirklichkeit waren es wohl fünfzehn, höchstens zwanzig Minuten. Kam ganz darauf an, wie oft er halten musste, weil irgendwelche Tiere die Straße überquerten. Einmal war er von einem Pferd aufgehalten worden, das von der Miller-Farm entkommen war. Das war ein denkwürdiges Ereignis gewesen. Betsey, die Stute, war unglaublich stur und hatte sich schlicht geweigert, sich vom Fleck zu rühren. Außerdem hatte sie ihn gebissen, als er sie hatte berühren wollen. Seitdem hatte Chase einen gesunden Respekt vor Pferden.

Heute brauchte er fünfzehn Minuten. Als er in die Straße zum Strand einbog, erblickte er Phoenix‘ silbernen Corolla, der am Straßenrand parkte. Normalerweise hätte ihn das nicht überrascht. Phoenix kam oft zum Strand, um sich zu entspannen und zu erden. Chase begegnete ihm fast jeden Tag hier. Aber er hatte gedacht, dass Phoenix heute Zeit mit seinen Brüdern verbringen würde, um Jaden besser kennenzulernen.

Chase knabberte an seiner Unterlippe und starrte aus dem Fenster. Es war sicher zu viel des Guten, wenn er wieder mit Abendessen vor Jadens Tür auftauchte. Die ganze Stadt würde ihm dann Löcher in den Bauch fragen. Außerdem war es die Aufgabe von Jadens Brüdern, ihn zu verköstigen. Es war nicht Chases Job, dafür zu sorgen, dass Jaden sich in Serenity willkommen fühlte. Egal, wie sehr er Jadens Gesellschaft mochte. Nein, er mochte sie nicht nur, er genoss sie. Jaden war wirklich witzig, wenn er sich entspannte. Wenn er lachte, wechselte sich sein Kichern mit Schnauben ab. Lachfalten umgaben dann seine warmen blauen Augen und seine Wangen wurden von leichtem Rot überzogen. Jedes einzelne Mal, wenn Jaden sich gestern Abend über etwas amüsiert hatte, hatte Chase Schmetterlinge in seinem Bauch gespürt. Es sah ganz so aus, als wäre er ein wenig verknallt. In einen ziemlich sicher nicht schwulen Typen, der nur einen Monat in der Stadt bleiben wollte. So war Chase nun einmal. Es folgte eindeutig einem Muster, in wen er sich verknallte. In der Highschool, als er sich noch nicht geoutet hatte, hatte er auf den Torwart des Fußballteams gestanden, Alex Medina. Es war hoffnungslos gewesen. Vier Jahre war es so gegangen. Und alles nur, weil sie einmal gemeinsam hatten nachsitzen müssen, nachdem sie den Unterricht gestört hatten. Wenn Chase es nicht geheim gehalten hätte, dann hätte er sicher den Namen Chase Medina auf all seine Notizbücher gekritzelt. Alex, der durch und durch hetero war, war direkt nach dem Schulabschluss nach Spanien gezogen. Das letzte Mal, als sie miteinander gesprochen hatten, hatte Alex ihm gesagt, wie leid ihm das mit dem Unfall täte. Und dass er gerade spontan ein französisches Model geheiratet hatte. Dann, auf dem College, war da Jackson Maxwell gewesen. Einige Jahre älter als Chase und der Quarterback des Footballteams. Wenn man dieses Verknalltsein zusammenfassen wollte, dann mit den Worten: Träum weiter. Jack hatte seine Freundinnen gewechselt wie seine Unterwäsche. Er war die Art von Typ, die sich im Kino nur mit Sicherheitsabstand neben seine Kumpels setzte. Ja, er musste zugeben, Jack war ein Arsch gewesen. Ein richtiger Klischee-Footballer. Aber trotzdem heiß. Er hatte Chase unter seine Fittiche genommen und ihm geholfen, sich im Team zurechtzufinden. Nun machte er in der National Football League Millionen, war mit einem Supermodel verheiratet und hatte zwei Kinder. Chase hatte wirklich kein gutes Händchen für Männer. Und er musste dringend aufhören, über all das nachzudenken. Er wollte auf keinen Fall, dass noch weitere düstere Erinnerungen zurückkehrten. An das eine Jahr, das er so gerne vergessen wollte. Er war zum Strand gekommen, um zu meditieren, nicht, um alte Wunden aufzureißen, während er in seinem Auto vor sich hin schmorte. Er würde etwas Yoga machen und sich Jaden aus dem Kopf schlagen. Jaden und seine vollen, roten Lippen, die sicher wie geschaffen für Blowjobs waren. Ganz einfach.

Der Sand unter seinen Füßen war brennend heiß, kleine Muschelschalen stachen ihm in die Fußsohlen, wenn er nicht darauf achtete, wo er hintrat. Er rollte seine Matte direkt am Wasser aus, sodass er jedes Mal ein paar Spritzer abbekam, wenn die Wellen gegen den Strand schlugen. Vielleicht würde er nachher noch schwimmen gehen, bevor er nach Hause fuhr und sich umzog. Je nachdem, wie heiß ihm nach dem Training war.

Er begann mit ein paar Dehnübungen, wärmte sich auf, obwohl er theoretisch auch gleich hätte loslegen können. Beim Yoga war es wichtig, eine gewisse Routine zu bewahren. Er wusste genau, was er tun musste, um einen entspannten, tranceartigen Zustand zu erreichen. Bei einigen der Posen zuckte Schmerz durch seine Schulter, doch nach all den Jahren registrierte er es bloß noch als kleineres Ärgernis. Er machte sich eine mentale Notiz, dass er bald einen Termin bei seiner Masseurin vereinbaren musste, atmete den Schmerz weg und machte weiter. Auf keinen Fall durfte er seine Schulter schonen. Seine Physiotherapeutin, die er nach dem Unfall besucht hatte, war da sehr deutlich gewesen. Es war wichtig, über seine Schmerzgrenze hinwegzugehen, um beweglich zu bleiben.

Er befand sich gerade mitten in der Kapotasana-Position, einer Art Brücke, bei der man sich mit den Knien, Schienbeinen und Armen auf der Matte abstützte und seine Fußknöchel berührte, als er über das Meeresrauschen hinweg Stimmen vernahm. Ein Schatten fiel über ihn, gerade als seine zehn Sekunden vorbei waren. Er richtete sich wieder auf und erblickte Phoenix und Jaden, die ihm zusahen.

Phoenix‘ hochgekrempelte Jeans war nass und sein Haar kräuselte sich an den Enden zu Locken. Er streckte Chase eine Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. »Hey, Mann. Wir unterbrechen dich doch nicht, oder?«

Jaden stand neben ihm mit geröteter Haut. Entweder, sie würde sich bräunen oder zu einem Sonnenbrand werden. Er hatte die blauen Augen verengt, wohl, um trotz der Sonne etwas erkennen zu können. Sein Haar war feucht und klebte an seiner Haut, Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. Vielleicht versuchte Phoenix, ihn umzubringen. Der arme Mann war diese Hitze eindeutig nicht gewohnt.

»Nein, war schon fertig.« Er bückte sich, griff nach der Wasserflasche und bot sie Jaden an. »Du siehst aus, als könntest du das gebrauchen.«

Jaden nahm sie und betrachtete sie kritisch.

»Ich habe sie nicht vergiftet«, sagte Chase.

Jaden sah ihm in die Augen. »Aber du hast daraus getrunken.«

»Ähm … ja.« Es herrschte etwa eine Million Grad und er hatte gerade direkt unter der prallen Sonne trainiert.

»Es wäre unhygienisch, wenn ich nach dir daraus trinken würde. Weißt du, wie viele Bakterien wir austauschen würden?«

Chase blinzelte und versuchte, seine Worte zu verarbeiten. Er warf Phoenix einen Blick zu, doch dieser wirkte genauso verdutzt wie er selbst.

Okay …

»Ich habe mir heute Morgen die Zähne geputzt«, sagte er zu Jaden. »Und Mundwasser verwendet. Ich denke, du wirst es überleben, nach mir zu trinken.« Er sollte das nicht persönlich nehmen, manche Leute waren da eben komisch. Und doch tat er es; er nahm es persönlich. Chase hatte einen einwandfrei sauberen Mund. Lag es daran, dass er ein Mann war? Er musterte Jaden neugierig. So hatte er ihn eigentlich nicht eingeschätzt.

Jaden gab ihm die Wasserflasche zurück. »Danke, aber nein danke. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn du dir irgendetwas von mir einfangen würdest.«

Chase hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Er schraubte die Wasserflasche auf und nahm einen großen Schluck. Wenn Jaden nichts trinken wollte, würde er das eben tun. Er konnte nicht erkennen, ob Jaden rot anlief oder ob es an der Sonne lag.

Phoenix räusperte sich. Er unterdrückte eindeutig ein Grinsen. »Hattest du heute ein gutes Training?«

Chase ließ die Schultern kreisen und versuchte so, die verbliebenen Verspannungen zu lösen. »Ja. Das Wetter ist ganz nett. In ein paar Wochen muss ich mein Training dann wahrscheinlich auf den Abend verlegen.« Er kam relativ gut mit der Hitze klar, aber im Hochsommer um diese Uhrzeit zu trainieren, war ein todsicherer Weg, an einem Hitzekollaps zu sterben.

»Es wird noch heißer als jetzt?«, fragte Jaden ungläubig.

Phoenix und Chase lachten. »Ja«, antwortete Phoenix. »Das hier ist gar nichts.«

Jaden sah so entsetzt aus, dass er Chase ein wenig leidtat. »Du wirst schon weg sein, bevor es so weit ist«, sagte er. Jaden hatte ja gesagt, dass er nur wenige Wochen in der Stadt bleiben wollte.

Jaden warf Phoenix einen raschen, vielleicht schuldbewussten Blick zu und sah dann wieder Chase an. »Das stimmt«, sagte er leise. Er vergrub die Zehen im Sand. Die Hände hatte er in die Taschen seiner Shorts gesteckt. Sie waren knielang, dunkelblau und passten gut zu seinem adretten weißen Hemd. Er sah aus, als hätte er einen Tag auf der Yacht oder eine Runde Golf geplant. Nun, zumindest würde er so aussehen, wenn seine Kleider nicht völlig schweißdurchtränkt wären. Sie klebten an seinem Körper, sodass man erkennen konnte, dass er zwar schlank, aber nicht durchtrainiert war. Chase konnte durch den Stoff seines Hemds deutlich seine Nippel sehen. Eilig wandte er den Blick ab und fixierte stattdessen eine Stelle über seiner rechten Schulter. Hatte er einen Nerv getroffen? Jadens Reaktion ließ das vermuten.

Das hast du wieder toll gemacht, Chase.

Er fuhr sich durch das schweißnasse Haar, sodass es ihm nicht mehr in die Augen hing. Dann deutete er mit dem Daumen auf das Wasser. »Ich glaube, ich gehe eine Runde schwimmen, um mich abzukühlen.«

Phoenix blickte sehnsüchtig aufs Meer. »Ich gehe mit Jaden einkaufen. Und ich muss ihm die Stadt zeigen. Was meinst du, gibt es etwas, das er unbedingt sehen muss?«

Chase kratzte sich am Bauch, wo seine Haut von all dem Schweiß juckte. Er hatte sein T-Shirt schon nach anderthalb Minuten Work-out ausgezogen. Seine Haut fühlte sich warm und feucht an. Wenn er heute nach Hause kam, würde man sicher noch deutlicher seine Bräunungsstreifen sehen. Er überlegte gerade, welche Orte in Serenity er besonders mochte, als ihm auffiel, dass Jaden ihm gar nicht ins Gesicht sah. Nein, seine hübschen blauen Augen klebten förmlich an Chases Bauchmuskeln.

Oh.

Nun. Das war … widersprüchlich.

Immer, wenn Chase in sein leeres, stilles Haus zurückkehrte, hatte er das dringende Bedürfnis, sofort wieder kehrtzumachen und in seinen Laden oder ins Fitnesscenter zu fahren. Ganz egal, wohin, Hauptsache an einen anderen Ort. Es war nicht so, als würde er sein Zuhause nicht mögen, das tat er nämlich. Immer, wenn er der Realität entkommen wollte, kam er hierher. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen Ort, der nur ihm gehörte. Das Haus hatte drei Schlafzimmer und zwei Badezimmer, im Garten einen großen Pool und viele hochgewachsene Bäume, die Schatten spendeten. Die Fassade war in einem warmen Beige gestrichen, akzentuiert mit einem dunklen Braun; eine Wohltat für die Augen. Die Einrichtung war hauptsächlich in warmen Blautönen und Beige gehalten, hier und da von grauen und grünblauen Akzenten durchbrochen. Der Boden war mit cremefarbenen Fliesen ausgelegt, die Holzmöbel waren getischlert. Seine Küche hatte Kästen aus Holz und Küchengeräte aus Chromstahl. Die Theke, die den Kochbereich von seinem ungenutzten Esszimmer trennte, fungierte auch als Bartisch. In den Fächern befanden sich diverse Spirituosen und Weinflaschen. Die meiste Zeit verbrachte er im Wohnzimmer. Seine Couchgarnitur war grau, mit zurückklappbaren Liegesitzen an beiden Enden. Er hatte sie mit Schlafkissen bestückt. Bequemlichkeit war ihm wichtiger als stilvolle Inneneinrichtung. Manchmal schlief er auf der Couch ein. Der riesige Flachbildfernseher hing gegenüber der Couch an der Wand und wurde von Bücherregalen eingerahmt. Er hatte nicht viele Bücher. In den Regalen befand sich hauptsächlich seine umfangreiche Filmsammlung, aber auf einem Regal stand die Das Lied von Eis und Feuer-Serie und auf dem anderen Eine Reihe betrüblicher Ereignisse. Was sollte er sagen? Er hatte eben einen breit gefächerten Geschmack.

Eines der Schlafzimmer war ein Gästezimmer, im anderen hatte er sich einen Fitnessraum eingerichtet. Für die Tage, an denen er nicht ins Fitnessstudio fahren wollte, um Gewichte zu stemmen. Oder für Tage, an denen draußen der Monsun tobte und es nicht möglich war, am Strand eine halbe Stunde Yoga zu machen.

Das ganze Haus war voll mit Dingen, die er mochte. Angefangen mit den Farben der „Kunst“ an den Wänden, also Postern, die den Eindruck erweckten, hier würde jemand in seinen Zwanzigern wohnen, bis hin zu dem Krimskrams, der in den Regalen stand. In einer Ecke hatte er ein Modell von R2D2, in einer anderen hing ein Regal, in dem er seine Game of Thrones-Funko Pops sammelte.

Trotz all dem, ohne eine andere Person im Haus, fühlte es sich … Nein, es fühlte sich nicht unbedingt kalt an, aber so ähnlich. Einsam. Chase hatte zwei Brüder und eine kleine Schwester. In seiner Kindheit war er immer von anderen Menschen umgeben gewesen, die sich in alles eingemischt und ihn damit zur Weißglut getrieben hatten. Auch auf dem College hatte er sich einen Schlafsaal mit anderen geteilt. Nach dem Unfall war er zurück nach Hause gezogen und hatte nach seiner Genesung den Abschluss online nachgeholt. Irgendwann hatte er beschlossen, dass sein Leben nicht automatisch enden musste, weil sein Traum nie wahr werden würde. Er wollte kein Loser sein, der bei seinen Eltern wohnte und nichts tat. Also war er hierhergezogen und hatte Cleo adoptiert.

Chase schaltete das Licht an und fragte sich, ob er Phoenix‘ Angebot annehmen sollte. Vielleicht wäre es ja nett, eine Katze zu haben. Er hatte gehört, dass Katzen sehr lange lebten. Er könnte die männliche Version einer verrückten Katzenlady werden. Sich zwanzig Katzen zulegen, die ihn auffraßen, wenn er alt und einsam starb. Chase blinzelte. Seine Gedanken waren ganz schön schnell düster geworden. Er massierte sich die Schläfen, kickte seine Schuhe achtlos weg und ging dann in Richtung Küche. Dort machte er sich ein gebratenes Caprese-Sandwich und summte Justin Biebers Love Yourself vor sich hin. Es war heute mindestens elfmal im Radio gelaufen und er hatte einen Ohrwurm. Irgendwann, als er das Sandwich umdrehte und den Refrain summte, wanderten seine Gedanken wieder zu Jaden. Anscheinend war das sein neues Hobby. Dabei hatte er sich solche Mühe gegeben, den Moment am Strand zu vergessen. Jaden hatte ihn nicht unbedingt angeglotzt, zumindest nicht offensichtlich, aber er hatte definitiv hingesehen. Und zwar nicht auf Stellen, die ein Heteromann ansehen würde. Chases Nippel waren durch all die Aufmerksamkeit schlagartig hart geworden. Und er war sich ziemlich sicher, dass Jadens ohnehin schon rote Wangen noch röter geworden waren, als er es bemerkt hatte.

Er stach mit der Gabel in das Sandwich, um den Knusprigkeitsgrad des Brotes zu testen. Okay, also war Jaden Matthews vielleicht nicht hetero. Aber war das wirklich wichtig? Er ließ das Sandwich auf einen Teller gleiten und drehte den Herd ab. Nein, er musste sich Jaden aus dem Kopf schlagen, auch wenn er wirklich schwul oder bi war. Er war nur auf der Durchreise und würde wieder von hier verschwinden. Mrs. Declan hatte recht. Er sollte nicht gleich anhänglich werden.

Chase blieb mitten im Türrahmen stehen, den Teller in den Hand, und riss die Augen auf.

Du kennst Jaden gerade mal vierundzwanzig Stunden. Warum zur Hölle denkst du darüber nach, nicht anhänglich zu werden?

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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