Gotteslehre

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Die hier nur angedeutete umfassende Relevanz der christlichen bzw. trinitarischen Gotteslehre für alle Bereiche von Theologie, Kirche, Mensch und Welt soll in dem vorliegenden Band erschlossen werden.

3. Aufbau

Vor dem Hintergrund der ersten beiden Abschnitte empfiehlt sich der gewählte Aufbau der Gotteslehre. Nachdem in der Einführung (I. Kap.) die konstitutive Bedeutung der trinitarischen Gotteslehre für sämtliche Grundfragen des Lebens sowie für die gesamte Theologie aufgezeigt wurde (Gotteslehre als Einführung in die gesamte Theologie) und damit ihre unverzichtbare Relevanz für die Weitergabe des christlichen Glaubens in „Gemeinde“ und „Schule“ hervortrat, soll anschließend das Spektrum der religionsgeschichtlichen, philosophischen und theologischen Dimensionen der Gotteslehre erörtert werden (II. Kap.). Es geht darum, zunächst allgemein die verschiedenen religionsgeschichtlichen und philosophischen „Zugänge zum Gottesbegriff“ darzulegen, um daran anknüpfend die „Transzendenz von Welt und Mensch“ aufzuzeigen, welche jeweils über sich selbst hinausweisen. So lassen sich die kosmologischen und anthropologischen Bedingungsmöglichkeiten von Gottesahnung und Gotteserkenntnis verdeutlichen. Dann sollen die dem Gottesbegriff „angemessenen Erkenntnisvoraussetzungen“ dargelegt werden, die den christlichen Gottesbegriff im Kontext anderer hermeneutischer Zugänge als trinitarische Selbsterschließung Gottes erkennen lassen, welche sich in der Geschichte durch Wort und Tat vollzieht. Aufgrund dieser Voraussetzungen ist anschließend das Verhältnis von „Glaube und Vernunft“ angemessen zu analysieren.

Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, die Grundlagen christlicher bzw. trinitarischer Gotteslehre in ih rem philosophischen und religiösen Kontext (III. Kap.) transparent werden zu lassen. Hierbei tritt auf „biblischer Basis“ hervor, wie die christliche Gotteslehre im Kontext von Philosophie und Religion durch die Kirchenväter in West und Ost entfaltet wurde. So lässt sich zeigen, auf welche Weise die altkirchliche neunizänische Theologie als Vorlage für das Ökumenische Bekenntnis von Konstantinopel (381) eine „philosophi sche und religiöse Revolution“ vollzog – sowohl im Blick auf den Gottesbegriff als auch im Blick auf den anthropologischen Personbegriff. Dadurch wurde allgemein nachvollziehbar, was die Dreieinigkeit Gottes bedeutet und dass durch den „trinitarischen Gottesbegriff“ ein Verhältnis freier Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch möglich ist, wie es vorher in der Weise in anderen Religionen und philosophischen Konzeptionen nicht gegeben war. Zugleich kommen die Implikationen der aufgezeigten Entwicklung für die „Christologie“ zum Tragen: Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch.

Auf dieser für alle christlichen Kirchen bis heute gültigen Grundlage des 4. und 5. Jahrhunderts werden dann die – auch ökumenisch relevanten – trinitätstheologischen Entwicklungen in Ost- und Westkirche mit ihren ekklesiologischen Implikationen untersucht (IV. Kap.). Die von den unterschiedlichen hermeneutischen Mentalitäten bzw. Denkvoraussetzungen im Abend- und Morgenland geprägten Weiterentwicklungen führten zu offenbarungs- und trinitätstheologischen „Einseitigkeiten in Ost- und Westkirche“, welche wiederum Einseitigkeiten im Kirchenverständnis nach sich zogen. Diese Entwicklungen wirken sich bis heute aus, wofür die Filioque-Kontroverse als Beispiel genannt werden kann: Die westlichen Kirchen haben später einseitig in das Ökumenische Bekenntnis von 381 eingefügt, dass der Heilige Geist von Vater „und Sohn“ (lat. filioque) ausgeht. Bis in die Gegenwart besteht hierin ein zentraler Streitpunkt zwischen Ost- und Westkirchen, der auch immer wieder für Unterschiede im Kirchenverständnis verantwortlich gemacht wird. Deshalb wird ein „Lösungsvorschlag für das Filioque-Problem“ entfaltet.25

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen lässt sich die Bedeutung der Trinitätslehre für die Reformation differenziert analysieren (V. Kap.). Dabei tritt hervor, welches zentrale Gewicht „Luthers Rückgriff auf die gemeinsame altkirchliche Trinitätslehre“ für seinen reformatorischen Durchbruch und das reformatorische Kirchenverständnis hatte, was von Teilen der bisherigen Lutherforschung vernachlässigt wurde. Ferner soll die „trinitätstheologische Verankerung von Zwingli und Calvin“ in ihrer Bedeutung für die reformatorische Entwicklung zum Tragen kommen.

Anschließend wird die Gotteslehre im Kontext der Aufklärung dargelegt (VI. Kap.). Nach der Erörterung „bedeutender Konzeptionen der Aufklärung“ findet eine Auseinandersetzung mit der Gotteslehre im Horizont der „Religionskritik“ statt sowie eine kritische Betrachtung der „Gottesbeweise“, um sich besser den von der Aufklärung geprägten aktuellen weltanschaulichen Denkvoraussetzungen stellen zu können – auch im Blick auf die jüngsten Formen des Atheismus.

Im Gefolge der Aufklärung kam es neben den jeweiligen konfessionellen trinitätstheologischen Einseitigkeiten vielfach zur Vernachlässigung der Trinitätslehre, woraufhin aber im 19. und 20. Jahrhundert in allen großen konfessionellen Strömungen eine Besinnung auf die altkirchliche Trinitätslehre erfolgte, die anhand „protestantischer, römisch-katholischer und orthodoxer Konzeptionen“ aufgezeigt wird – bis hin zu den aktuellen theologischen Entwürfen (VII. Kap.) Auch dieses Kapitel soll dazu beitragen, einen inhaltlich konsistenten Überblick über die Theologiegeschichte zu gewährleisten und so eine eigenständige Auseinandersetzung und Einordnung zu ermöglichen.

Auf dieser Grundlage lässt sich eine nachvollziehbare materiale Darlegung des trinitarischen „Wesens Gottes“ und seiner „Eigenschaften“ ausführen, die darauf beruht, dass der dreieinige Gott in der Heilsgeschichte seinem innertrinitarischen Wesen gemäß „handelt“ bzw. „wirkt“26 und sich so in seinem Wesen erschließt. Es wird ersichtlich, wie der dreieinige Gott als die vollkommene Gemeinschaft der Liebe zu verstehen ist und welche Implikationen sich daraus für die Beziehung zwischen Gott, Welt und Mensch ergeben (VIII. Kap.).

Diese Einsichten lassen den dreieinigen Gott als Lebenshorizont des Menschen und der Welt transparent werden (IX. Kap.). Im Zusammenspiel von „verborgener und offenbarer Anwesenheit“ erweist sich der dreieinige Gott als offenbares Geheimnis, das die Antwort auf das Geheimnis von Mensch und Welt verkörpert und als das Heilsmysterium in Erscheinung tritt. Es kommt zum Vorschein, wie der „Mensch als Ebenbild des dreieinigen Gottes“ zu verstehen ist und was das für den „Sinn des Lebens und der Geschichte“ bedeutet.

Damit erschließt sich auch die Bedeutung der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses, die das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist als Schöpfer, Erlöser und Vollender aufzeigen und damit den Inhalt christlicher Dogmatik und Theologie vorgeben (X. Kap.). So werden in diesem Kapitel automatisch die zentralen Traktate der Dogmatik im Kontext der Gotteslehre verhandelt und in ihrer aktuellen Bedeutung erörtert. Das betrifft im Blick auf „Gottes erschaffendes, erhaltendes und lenkendes Wirken“ zum Beispiel das „Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft“, wobei die im Ersten Artikel gegebene Zuordnung des schöpferischen Wirkens zum Vater dessen Zusammenwirken mit Sohn und Geist impliziert. Hinsichtlich des Zweiten Artikels wird deutlich, auf welche Weise sich die Christologie erst im trinitarischen Zusammenhang erschließt. Es tritt hervor, wie in Jesus Christus „wahre Gottes- und Menschenerkenntnis sowie Heilserkenntnis“ gegeben sind und was die „Kreuzes theologie im Licht der Auferstehung“ in ihrer Tiefe bedeutet – auch für die immer wieder gestellte „Theodizee-Frage“ nach der Vereinbarkeit von Leid und Bösem mit der Liebe des allmächtigen Gottes. In Verbindung mit diesen Ausführungen lassen sich auch die „Rechtfertigung des Sünders“ und das Verhältnis von „Sünde und Freiheit“ sowie von „Glaube und Prädestination“ aufzeigen. Danach kommen vor dem Hintergrund des Verhältnisses von trinitarischem Gott und Mensch die Grundlagen der „Ethik bzw. der christlichen Weltverantwortung“ zur Sprache. Durch die Verankerung der Kirche im Dritten Artikel wird anschließend das unmittelbare Verhältnis von „Gottes- und Kirchenverständnis“ thematisiert. Denn im Dritten Artikel gehen die Erlösung durch Jesus Christus und ihre Vergegenwärtigung durch den Heiligen Geist im Kontext des Schöpfungswerkes des Vaters ineinander über und bilden so die Grundlage der Gemeinschaft der Glaubenden. Dabei geht es auch um die Vollendung des Heilswerkes und somit um den „eschatologischen Horizont von Mensch und Kosmos“, was unter anderem das Spannungsverhältnis von „Tod und ewigem Leben“ betrifft.

Im Anschluss an den Dritten Artikel wird die Bedeutung der Trinitätslehre für das Kirchenverständnis im Blick auf alle großen konfessionellen Strömungen erörtert, also in ökumenischer Perspektive (XI. Kap.). Anhand „zeitgenössischer theologischer Entwürfe aus den verschiedenen Konfessionen“ wird gezeigt, wie sich aus offenbarungs- und trinitätstheologischen Einseitigkeiten entsprechende Einseitigkeiten im Kirchenverständnis ergeben, weil die Struktur der Gemeinschaft der Glaubenden von der Art ihrer Bezugnahme auf die trinitarische Gemeinschaft Gottes abhängt. Es folgt die Darlegung eines Ansatzes zur Überwindung der trinitätstheologischen Einseitigkeiten und ihrer Folgen für das Kirchenverständnis, so dass die „Lösung der nach wie vor bestehenden ökumenischen Grunddifferenzen“ als möglich erscheint.

 

Schließlich kommt neben der ökumenischen Perspektive auch der interreligiöse Dialog zur Sprache, indem analysiert wird, welche Anknüpfungspunkte und Differenzen sich für die Trinitätslehre im Dialog mit anderen Religionen ergeben (XII. Kap.). Dabei erweisen sich die durch Vater, Sohn und Heiligen Geist verkörperten Dimensionen des Wesens Gottes als Grundlage für das Gespräch über die Dimensionen des Gottesverständnisses anderer Religionen. Ein besonderer Fall dieses Dialogs liegt durch die heilsgeschichtliche Verbundenheit im „christlichjüdischen Dialog“ vor.

Angesichts der Vielfalt der zu behandelnden Aspekte erschließt sich aus dem dargelegten Aufbau der Gotteslehre von selbst, dass eine Gotteslehre zugleich ein Kompendium der Dogmatik darstellt.

Literatur

Breuning, Wilhelm: Gotteslehre. Bearbeitet von Wolfgang Beinert, in: Beinert, Wolfgang (Hg.): Glaubenszugänge. Lehrbuch der Katholischen Dogmatik, Bd. 1, Paderborn [u.a.] 1995, S. 199–362.

Härle, Wilfried: Dogmatik, Berlin/Boston 42012.

Haudel, Matthias: Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses (= FSÖTh 110), doppelte Aufl., Göttingen 2006.

Joest, Wilfried/Lüpke, Johannes von: Dogmatik I: Die Wirklichkeit Gottes, Göttingen 52010.

Kasper, Walter: Der Gott Jesu Christi (= Das Glaubensbekenntnis der Kirche 1), Mainz 1982.

Schwöbel, Christoph: Trinitätslehre als Rahmentheorie des christlichen Glaubens. Vier Thesen zur Bedeutung der Trinität in der christlichen Dogmatik, in: Härle, Wil fried/Preul, Reiner (Hg.): Marburger Jahrbuch Theologie, Bd. X: Trinität (= MThSt 49), Marburg 1998, S. 129–154.

1 H. Rommel: Mensch, S. 13f.

2 W. Kasper: Gott, S. 16.

3 Vgl. W. Härle: Dogmatik, S. 234f.

4 W.-D. Hauschild: Dogma, S. 39.

5 Ebd., S. 48.

6 G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 86.

7 R.W. Jenson: Grundlegung, S. 11. Diese Einsicht hat nach G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 97, Konsequenzen für die Predigtlehre: „Wir haben nicht einzelne Texte zu predigen, sondern die Botschaft vom Wirken des Dreieinigen Gottes im Spiegel und aus dem besonderen Blickwinkel einzelner Texte.“ – Vgl. dazu auch M. Haudel: Gott/Lebenshorizont.

8 W. Kasper: Gott, S. 13, wo er Bezug auf Thomas von Aquin nimmt (Summa theologiae), der auf bedeutende Kirchenväter wie Origenes, Gregor von Nyssa oder Augustin zurückgreift.

9 Zum Beispiel betont Philipp Stoellger den Aspekt der Passivität für das Verständnis des religiösen Aktes bzw. des Glaubensaktes (vgl. P. Stoellger: Passivität).

10 J.M. Lochman: Lebensbezug, S. 240.

11 W. Kasper: Gott, S. 378.

12 H. Fritzsche: Gott, Sp. 7. Vgl. I.U. Dalferth: Roots, S. 167: „Therefore the doctrine of the Trinity is not merely the summary grammar of Christian talk and thought about God. It is the regulative framework of the whole Christian life.“

13 C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 152.

14 G. Greshake: Gott, S. 24. Vgl. ebd., S. 15: „Im Herzen des christlichen Glaubens steht das Bekenntnis zum dreieinen Gott und dessen dreifaltigem Heilswirken.“

15 Zur historischen, philosophischen und systematisch-theologischen Analyse dieses Zusammenhangs vgl. M. Haudel: Selbsterschließung (hier auch weitere Literatur). Auf der gemeinsamen biblischen und altkirchlichen Grundlage werden dort Lösungsansätze für ein ökumenisches Verständnis von Offenbarung, Trinität, Mensch und Kirche aufgezeigt, bevor die Implikationen dieser Ansätze für Fragen der Kircheneinheit, Mission, Weltverantwortung und des interreligiösen Dialogs hervortreten. Dabei wird der Zusammenhang von Trinitätslehre und Kirchenverständnis anhand der Kirchengeschichte und aktueller Entwürfe im Blick auf alle großen Konfessionen nachgewiesen. Es kommt zum Vorschein, inwiefern Unterschiede im Trinitätsverständnis für Unterschiede im Kirchenverständnis verantwortlich sind und wie diese Unterschiede überwunden werden können.

16 E. Schlink: Dogmatik, S. 70.

17 W. Joest/J. von Lüpke: Dogmatik I, S. 16 u. 106 (erstes Zitat). Vgl. W. Breuning: Gotteslehre, S. 201, 203.

18 W. Kasper: Gott, S. 378.

19 Vgl. ebd., S. 380.

20 Vgl. K. Barth: Kirchliche Dogmatik I/1, S. 311ff.

21 Vgl. W. Pannenberg: Systematische Theologie 1, S. 325f.

22 J. Werbick: Trinitätslehre, S. 484.

23 G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 88.

24 Vgl. ebd., S. 81ff.

25 Vgl. zu dem historischen Problem und den aktuellen Lösungsmöglichkeiten M. Haudel: Grundlagen.

26 Die Anwendung des Begriffs „Handlung“ auf Gott wurde immer wieder problematisiert, weil diese Terminologie anthropologische Bedingungen wie das Vorgegebensein von Handlungsmöglichkeiten auf Gott übertragen könne. Deshalb zieht W. Härle: Dogmatik, S. 287ff., den Begriff des „Wirkens“ Gottes vor, da dieser den Zusammenhang von Wirken und Wirkung impliziert. Werden die anthropologischen Engführungen des Handlungs-Begriffs im Blick auf Gott ausgeschlossen, ist er durchaus auch zu verwenden, was hier in Kapitel VIII geschieht, um bei aller Entsprechung zwischen innertrinitarischem Wesen Gottes und seiner heilsgeschichtlichen Aktivität auch den Unterschied beider Ebenen hervorzuheben (heilsgeschichtliches Handeln erfolgt auch als Reaktion auf menschliches Handeln). Im Blick auf Gottes schöpferische Aktivität wird in Kapitel X,1.1 von Gottes Wirken gesprochen, um die Voraus setzungslosigkeit der schöpferischen Macht und Aktivität Gottes zu betonen.

II. Religionsgeschichtliche, philosophische und theologische Dimensionen der Gotteslehre

1. Horizonte des Gottesbegriffs

Im Allgemeinen verweist der Got tesbegriff auf eine letztgültige Wahrheit und Seinsgrundlage sowie auf ein allumfassendes Geheimnis und eine unverfügbare Eigenwirklichkeit. In der Vielfalt der religiösen und philosophischen Gottesvorstellungen zeigt sich dem personalen Wesen des Menschen gemäß immer wieder das Verlangen nach einem personalen Gott. Als solcher hat sich Gott laut biblischem Zeugnis offenbart. Durch sein dreieiniges Wesen besteht ein Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ zu den Menschen, das die Voraussetzung für ein persönliches Gottesverhältnis in freier und liebender Gemeinschaft bildet.

Das Wort „Gott“ enthält zwar für sich genommen noch keine bestimmte Gottesvorstellung oder eine spezifische Verständlichkeit, aber das menschliche Reden von Gott weist einen gewissen Resonanzboden auf, der das Moment des Letztgültigen und des existentiellen Angegangenseins anklingen lässt, also die Dimension einer unbedingten Bedeutung für das menschliche Leben. Dabei führt der Begriff „Gott“ als „Grenzwort“ an den Horizont der Realitäten von Mensch und Welt.1 In allen bekannten Sprachen gibt es einen Begriff für das Bedeutungsspektrum, das mit dem deutschen Wort „Gott“ verbunden ist. Der ursprüngliche semantische Gehalt des deutschen Begriffs „Gott“ lässt sich nicht mehr eindeutig klären, als wahrscheinlich erscheint es aber, dass der Begriff aus dem substantivierten zweiten Partizip des indogermanischen „ghuto-m“ der Verbalwurzel „gheu“ entstanden ist, wonach Gott als „das angerufene Wesen“ zu verstehen wäre.

Im Blick auf das religionsgeschichtliche Spektrum der Vorstellungen, die sich mit dem Gottesbegriff verbinden, können hier nur einige Hinweise gegeben werden. Insgesamt ist der Entwicklungsgang der verschiedenen Formen von Gottesvorstellungen nicht exakt zu greifen. Nach evolutionistisch geprägten Theorien werden Höherentwicklungen aus primitiv-religiösen Vorstellungen angenommen (N. Söderblom), während sogenannte Dekadenz- oder Depravationstheorien von einem Urmonotheismus ausgehen, der zu niederen – etwa polytheistischen – Formen abgesunken ist (P. W. Schmidt). Im Monotheismus, durch den besonders das Judentum, das Christentum und der Islam gekennzeichnet sind, wird ein Gott verehrt, dessen Allmacht und Ewigkeit Universalität beansprucht. Der in etlichen Kulturen des Altertums oder etwa auch im Hinduismus vorfindliche Polytheismus verteilt die göttlichen Eigenschaften auf mehrere Götter, wobei im Polytheismus häufig Rangordnungen zwischen den Göttern bestehen, die dann wieder zum jeweils subjektiven Eingottglauben führen können, was als Henotheismus oder Monolatrie bezeichnet wird. Der als personalistischer Glaube existierende Theismus geht im Monotheismus von einem transzendenten Gott als Gegenüber zur Welt aus. Dieses Gottesverhältnis kann sowohl dualistisch durch Trennung von Gott und Welt als auch identifizierend durch Gleichsetzung von Gott und Welt beeinträchtigt oder aufgelöst werden. Der nach der Aufklärung aufkommende dualistische Deismus sah Gott nur noch als den Initiator der Welt, der diese dem naturgesetzlichen Ablauf überlässt. Demgegenüber versteht der identifizierende Pantheismus, wie er etwa in der antiken Stoa oder bei dem Aufklärer Baruch Spinoza zu finden ist, die Welt als identisch mit dem Göttlichen, da alles als göttlich bezeichnet wird. So stuft sich das Göttliche zum Beispiel nach der neuplatonischen Emanationstheorie vom Absoluten über das Geistige bis in die Materie ab. Verwandtschaft mit dem Pantheismus weist der bei Naturvölkern verbreitete Animismus auf (lat. anima: die Seele), für den die Materie vom göttlichen Geist beseelt ist. Zu nennen wären ferner Naturgottheiten (z.B. Sonnen- und Mondgötter) und Gottheiten von sozialer Funktion (z.B. Dorfgötter, Kriegsgötter, Götter der Heilung) sowie mythologische Gottesvorstellungen.2

Die Ursprünge des philosophischen Gottesbegriffs lagen in der Abwendung von den zuletzt genannten Gottesvorstellungen, so bei den Griechen durch die großen attischen Philosophen wie Platon (427–347) und Aristoteles (384–322). Nachdem bereits die Vorsokratiker durch die Überwindung mythischer und polytheistischer Gottesbilder der Vorstellung von der Einheit der Gottheit Raum gegeben hatten, kam die Ahnung der Einzigkeit und Einheit des Göttlichen als Urgrund des Seins bei Platon und Aristoteles vollends zur Geltung. In Analogie zum menschlichen Denken ließ sich Gott als sich selbst denkendes Sein verstehen. Der Mensch hat nach Platon durch seine immaterielle und unsterbliche Seele, die vom Leib lediglich eingeengt wird, aufgrund der eingeborenen apriorischen Ideen seines Geistes die Fähigkeit, am höchsten Urgrund zu partizipieren. Entsprechend wird der Mensch als vom Leib-Seele-Dualismus bestimmtes Geistwesen Teil des kosmischen göttlichen Geistes. In gleicher natürlich-theologischer Ausrichtung beschreibt Aristoteles den ewigen Geist als sich selbst denkende Selbstbeziehung, wobei sich der menschliche Geist zum göttlichen Geist aufschwingen kann, so dass das Göttliche in uns das Göttliche an sich berührt (eth. Nic. 1177 b 28). Die Vernunft gilt als das Ewige und Unsterbliche im Menschen. So werden in der Antike bereits religionsphilosophische Vorstellungen abgebildet, die sich in aktualisierter Form in der Aufklärung mit ihren Konzeptionen idealistischer Überschneidung von göttlichem und menschlichem Geist wiederfinden.3

 

Dennoch hat sich stets aufs Neue das Verlangen nach einem Gott gezeigt, der als persönliches Wesen verstanden werden kann, weil das der personalen Konstitution des Menschen entspricht. Nach dem biblischen Zeugnis hat sich Gott selbst als personales Gegenüber des Menschen erschlossen, das den Menschen als Ebenbild Gottes (lat. imago Dei) transparent werden lässt und ihm ganz nahe ist. Dieses durch das dreieinige Wesen Gottes ermöglichte Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ eröffnet im Unterschied zu dualistischen und identifizierenden Gottesvorstellungen eine freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. So kann Gott als Vater das Gegenüber der Menschen bleiben, während er ihnen als Sohn und Heiliger Geist ganz nahe ist – ja sogar im Sohn selbst Mensch werden kann.4 Gegenüber der abstrakten Jenseitigkeit Gottes in einem unitarischen Monotheismus und gegenüber polytheistischen sowie emanatorischen Gottesvorstellungen erschließt das biblische Zeugnis also einen konkreten Monotheismus5, der die lebendige dreieinige Liebe in Gott als Voraussetzung einer persönlichen Gottesbeziehung in freier Gemeinschaft und Liebe offenbart.

Im Blick auf seine allgemeine Verwendung haftet dem Gottesbegriff immer wieder der Horizont der letztgültigen Wahrheit und Seinsgrundlage an – und damit die Dimension des Geheimnisses, das sich aus den weltlichen Zusammenhängen nicht greifen lässt. Dahinter vermag sich eine unverfügbare Eigenwirklichkeit (Aseität) zu verbergen, die auf eine selbstursächliche Einzigartigkeit verweist. So scheint der Gottesbegriff verbreitet ein grundloses Sein zu enthalten, das aus sich selbst existiert – und sich deshalb eigentlich auch nur selbst erschließen kann. Der Gottesbegriff transportiert also zum einen ein Geheimnis, das sich dem Menschen als entzogen erweist, das ihn aber zum anderen als definitives „Worauf hin“ seines Lebens unbedingt angeht. Denn dieses Geheimnis verbindet sich mit der Ahnung einer ersten, aus sich existierenden und alles Sein umfassenden Ursache. Deshalb ist „die Rede von Gott [letztlich] nur dann sinnvoll […], wenn sie ‚Gott‘ als ein auf das Ganze gehendes Wort zu verstehen gibt, dessen besonderer Anspruch universale Geltung einschließt“: Was „im sachgemäßen Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ zur Sprache kommt, geht jeden Menschen unbedingt an“6.

2. Die Transzendenz von Welt und Kosmos

In ihrer Endlichkeit weisen Welt und Kosmos zwischen ihrem „Woher“ und „Wohin“ über sich selbst hinaus. Diese Transzendenz erlaubt lediglich die Ahnung eines letzten Grundes und Ziels, so dass Gott nicht aus natürlichen Gegebenheiten zu rekonstruieren ist. Zwar finden sich in der Schöpfung Spuren des Schöpfers, doch aufgrund der von menschlicher Selbstbehauptung geprägten Erkenntnis bleiben sie ambivalent, weshalb angemessene Gotteserkenntnis auf die Selbsterschließung Gottes angewiesen ist. Diese bedarf allerdings um der universellen Nachvollziehbarkeit willen der natürlichen Anknüpfungspunkte. Erst die trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung erlaubt die sachgemäße Zuordnung von natürlichen Erkennt nisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung. Dabei behalten die drei Glaubensartikel die gesamte Schöpfungswirklichkeit von Welt und Kosmos im Blick, die mit der Glaubenswirklichkeit übereinstimmen muss, wenn der Glaube nicht in innere Widersprüche führen soll.

Den aufgezeigten Horizonten des Gottesbegriffs korrespondiert die Transzendenz von Welt und Kosmos, welche über sich selbst hinausweisen (lat. transcendo). Denn sowohl der Wirklichkeit von Welt und Kosmos als auch der Universalhistorie und dem Menschen haften eine Selbsttranszendenz an, die sich zwischen den Dimensionen des „Woher“ und des „Wohin“ bewegt, wobei niemand diese Dimensionen letztgültig kennt oder in der Hand hat. Aufgrund der Kontingenz (Möglichkeit statt Notwendigkeit) und Endlichkeit ist die gesamte Wirklichkeit einer radikalen Fraglichkeit unterworfen, die im Staunen über das Wunder des Seins Frag-Würdigkeit enthält und die die Ahnung eines letzten Grundes beinhaltet. Damit verbunden ist die Frage nach einem letzten Sinn oder Ziel sowie das Phänomen der Gottesidee – alles Dimensionen, die „die Form eines unthematischen Gewahrseins haben“, weil „der Mensch von allem Anfang an in ein ihn übersteigendes ‚Geheimnis‘ hineingestellt ist, und zwar in der Weise, daß sich ihm ‚die unverfügbare […] Unendlichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis dauernd zuschickt‘“7.

Weil die Selbsttranszendenz lediglich die Ahnung eines letzten Grundes bzw. eines Gottes ermöglicht, erlaubt sie keine spekulative Rekonstruktion Gottes aus natürlichen Gegebenheiten, seien sie kosmologischer oder anthropologischer Natur. Zwar ist laut alt- und neutestamentlichem Zeugnis die Erkennbarkeit Gottes aus seiner vom Schöpfergeist durchdrungenen Schöpfung gegeben (z.B. Ps 8; 19; 29; 104; 148; Act 14,16f.; 17,22ff.; Röm 1,19f.), weshalb es sich als unentschuldbar erweist, wenn der Mensch Gott die Ehre verweigert (Röm 1,20). Das bezeugt auch das menschliche Gewissen, insofern als das Gesetz Gottes dem Menschen ins Herz geschrieben ist (Röm 2,14f.). Der Mensch, dem sich auf diesen Wegen die Ahnung eröffnet, dass Gott ist, aber noch nicht, wer Gott ist (Luther), neigt jedoch nach Röm 1,18ff. zur Identifikation Gottes mit Geschöpflichem oder mit sich selbst – statt zu einer sich öffnenden Anerkennung Gottes. Denn die in Gen 3 erkennbare Versuchung des Menschen, sein eigener Gott sein zu wollen, zieht notwendig eine Selbstbehauptung und Selbstbegründung (Selbstvergöttlichung) nach sich, die auch das Gottesbild betrifft, weil der Mensch dann auch versucht ist, Gott selbst zu konstruieren bzw. zu rekonstruieren. Deshalb bedarf es zunächst der hermeneutischen Umkehr von selbstbehauptendem und spekulativem Denken zu empfangender Anerkennung der Kreatürlichkeit des Seins, was mit der Einsicht verbunden ist, dass Gott sich nur selbst erschließen kann.

Aufgrund der gezeigten Ambivalenz „natürlicher“ Gotteserkenntnis müssen „Natur und Gnade“ sowie „Vernunft und Glaube“ aufeinander bezogen bleiben, da sich die Gnade die Natur voraussetzt und der Glaube die Vernunft in Dienst nimmt. „Deshalb ist die Natur kein eigenständiger, in sich abgeschlossener und aus sich vollendbarer Wirklichkeitsbereich. Sie ist dynamisch über sich hinaus auf eine Erfüllung ausgerichtet, die sie sich selbst nicht geben kann, die sie vielmehr allein durch die Gnade erhält. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich dagegen sündhaft gegen die Gnade versperrt, da gerät sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie zutiefst verkehrt.“8 Somit ist der Zusammenhang zwischen Schöpfungs- und Heilsordnung bzw. zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden Stufenordnung von natürlicher (De Deo uno) und übernatürlicher Gotteserkenntnis (De Deo trino) besteht eine trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung. In ihr kommt sowohl das jeweils spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum Ausdruck als auch deren gemeinsames Handeln in jeder dieser Phasen. Die Trinitätslehre lässt so im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten Zusammenhang von Schöpfungs- und Heilsordnung erkennen. In der dynamischen Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung ist neben den natürlichen Anknüpfungspunkten der Selbsterschließung auch die mit der Kreuzestheologie hervortretende Krisis zu beachten, welche die sündhafte Verkehrung und Ambivalenz der natürlichen Grundlagen offenlegt. „Die Schöpfung muß daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Schöpfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs der Sünde nur durch die von Gott gewirkte Versöhnung verwirklicht werden kann. Die Versöhnung muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und in dieser Weise als erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprüngliche Zielsetzung der Schöpfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer Manier als radikale Neuschöpfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der versöhnten Schöpfung interpretiert werden, also als neuschöpferisches Handeln Gottes an der ursprünglichen Schöpfung.“9

Als Schöpfung des dreieinigen Gottes enthält die Schöpfung naturgemäß Spuren der Trinität (lat. vestigia trinitatis). Denn das „Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt und deshalb dessen Abbild“10. Die vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt im Kosmos und im Menschen haben zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei, Gen 1,26f.) ihre Berechtigung, aber es bleiben aufgrund des Unterschieds zwischen Gott und seiner Schöpfung analoge Spuren. So ist Gott zum Beispiel die Gleichzeitigkeit von inner- und zwischenpersonaler Struktur (ein Gott und zugleich die Gemeinschaft dreier Personen), während der Mensch beide Aspekte auch hat, aber nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen oder mit Gott (siehe Kap. IX,2). Durch die Analogie zwischen geschöpflicher und göttlicher Wirklichkeit ist es allerdings überhaupt erst möglich, die Offenbarung Gottes verstehen zu können und die Universalität der speziellen Offenbarung wahrzunehmen, was durch den Zusammenhang der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses gewährleistet wird. Der integrale Zusammenhang von „Schöpfungs- und Heilswirklichkeit“ sowie von „Vernunft und Geist“ besteht, weil die Inkarnation (Zweiter Artikel) sowohl auf die mit der Schöpfungswirklichkeit gegebenen Voraussetzungen (Erster Artikel) verweist als auch auf die eschatologische Vollendung durch den Heiligen Geist (Dritter Artikel). Dieser ist wiederum nicht nur an der Schöpfung beteiligt, sondern vollzieht neben der Vollendung auch die Erhaltung der Schöpfung und die Erlösung in Christus.11