Luther, Wittenberg und Umgebung

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Luther, Wittenberg und Umgebung

Reise zu den Stätten der Reformation

Matthias Groschopf

2. Auflage 2017

Auch als Taschenbuch erschienen.

Impressum

Texte: © Urheberrecht: Matthias Groschopf

Umschlag: © Urheberrecht: Matthias Groschopf

Bilder: © Urheberrecht: Matthias Groschopf

Verlag: Matthias Groschopf

Am Gaisberg 17

14548 Geltow

ra.groschopf@groschopf.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

ISBN 978-3-****-***-*

Gedruckt in Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Martin Luther

Das Jahr 2017 ist für evangelische Christen ein besonderes Jahr.

Vor fast 500 Jahren, am 31.10.1517, 102 Jahre und dreieinhalb Monate nach der Verbrennung des böhmischen Reformators Jan Hus auf einem Scheiterhaufen in Konstanz am Bodensee veröffentlichte ein streitbarer Mönch und Theologieprofessor in Wittenberg, Sachsen-Anhalt, 95 Thesen, die die Welt des römischen Papsttums verändern sollten.

Es war der Mann, dem der Ausspruch zugerechnet wird, den Jan Hus vor seiner Verbrennung äußerte: Heute verbrennt Ihr eine Gans (Husa), aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen bzw. … in 100 Jahren werden sie einen Schwan singen hören. Bekanntlich variieren die Aussprüche berühmter Männer, je länger die Zeit zurückliegt, zu der sie getan wurden und je nach Zielrichtung oder sprachlichem Geschmack des Kolporteurs.

Da Luther etwa 100 Jahre später mit der Reformation in gewissem Sinne auch das Werk des böhmischen Reformators weitergeführt und zum Erfolg gebracht hat, wird dieser Satz allgemein auf Luther bezogen und auch Luther selbst hat sich diesen Satz gerne zu Eigen und den Schwan zu seinem Wahrzeichen gemacht.

Geboren wurde Martin Luther in Eisleben am 10.11.1483 als eines der vielen Kinder der Familie Luder. Seinen Familiennamen änderte der Reformator später in Luther. Klingt ja auch besser und weckt nicht so viele Assoziationen. Sein Vater hatte sich im Kupferbergbau einen Namen gemacht und wurde so zu einem der angesehensten Männer in Mansfeld, wohin die Familie Luder kurz nach Martin Luthers Geburt verzog. Nach der Schulzeit in Mansfeld ging Luther nach Magdeburg, dann nach Eisenach und schließlich, um dort Jura zu studieren, nach Erfurt.

Zu jener Zeit war es erforderlich, vor dem Studium der Rechtswissenschaften die sieben freien Künste zu studieren, als da waren die Grammatik/Rechtschreibung, die Rhetorik, Mathematik und Logik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Dieses Vorstudium schloss ab mit dem baccalaureat und berechtigte zum Tragen des Titels eines magister artium.

Allerdings hielt es ihn nicht lange beim Studium der Rechte - er führte während dieser Zeit ein ausschweifendes Leben, erlebte aber im Jahre 1505 etwas, das ihn bewog, das Jurastudium aufzugeben und Mönch im Orden der Augustiner zu werden:

Der Student befand sich auf der Rückreise von Mansfeld nach Erfurt, als ein schwerer Sturm aufkam. Sehr nahe neben ihm, aber noch weit genug entfernt, um ihn nicht umzubringen, schlug ein Blitz ein. Es ist überliefert, dass der Luftdruck, der durch die Erwärmung der Umgebungsluft durch den Blitz entsteht, ihn zu Boden schleuderte. Nachdem er das Ereignis lebend überstanden hatte, betete er zur Heiligen Anna, der Mutter Marias, und gelobte, Mönch zu werden. Er ging ins Erfurter Schwarze Kloster, worüber sein Vater nicht eben begeistert war.

Die Zeit im Kloster war ebenfalls kurz, Luther verließ es nach der Weihe zum Priester zwei Jahre später, um -erneut in Erfurt- Theologie zu studieren. Die harte Zeit im Kloster, ohne weltliche Vergnügen und Ablenkungen, formte den frisch gebackenen Mönch und bereitete ihn auf den neuen Lebensabschnitt vor. Hier fand er seine Lebensbestimmung. Er hat sein Gelöbnis ernst genommen. Das spricht dafür, dass es nicht ein blitzartiger Entschluss gewesen ist, der schnell revidiert wird, wie die guten Vorsätze zu Anfang eines neuen Jahres, sondern der Gedanke, sich in den Dienst des Glaubens an Gott zu stellen, bereits vorher in ihm gegärt haben muss und mit dem legendären Naturereignis nicht unbedingt kausal etwas zu tun hatte.

Der frisch geweihte Priester nahm sein an sich erfolgreiches Jurastudium nicht mehr auf, sondern verfolgte eine theologische Karriere. Das Studium der Scholastik, an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Theologie, brachte Luther mit den Werken des Albertus Magnus und des Thomas von Aquin in Berührung. Des Weiteren beschäftigte er sich mit dem Humanismus. Wieso er zum Ende seines Lebens Antisemit wurde, bleibt angesichts seiner Bildung unerfindlich.

Zum Abschluss des Theologiestudiums promovierte er und ging 1512 nach Wittenberg, wo er die Professur in Theologie an der Leucorea, der wittenbergischen Universität, erhielt. Bis 1518 las er, jeweils ein Wintersemester lang, über den Galaterbrief, den Römerbrief, die Psalmen und den Hebräerbrief.

Außerhalb der Vorlesungen versuchte er, dem Glauben an Gott auf den Grund zu gehen. Er will wissen, was diesen im Innersten zusammenhält, was den Glauben ausmacht. Dies macht er nach eingehendem Studium des Römerbriefs an einer Stelle fest, die später auch die 95 Thesen prägte:

Der Mensch erlangt Gerechtigkeit allein durch die Gnade Gottes, nicht durch gute Werke (Röm. 1, 17). Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.

Das Wort Gerechter wurde nicht im heutigen weltlichen Sinne gebraucht, sondern im religiösen, in dem es Handelnder gemäß den Geboten Gottes oder Rechtschaffener bedeutet.

Diese Forschungen führten letztendlich und angeblich von einem Moment auf den anderen -sozusagen blitzartig- dazu, dass Luther seine 95 Thesen veröffentlicht, hauptsächlich gegen den Handel mit Ablassbriefen, vorrangig, aber nicht ausschließlich, zur Finanzierung der Errichtung des Petersdoms, und den Ausspruch Johann Tetzels, des Dominikanermönchs und Ablasshändlers aus Jüterbog, der zu sagen pflegte:

Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele

(aus dem Fegefeuer) in den Himmel springt.

Dass er sie an die Schlosskirchentür anschlug, ist wohl eine Legende. In jedem Fall aber hat er sie zum Zwecke der Diskussion mit Kollegen und anderen Gelehrten in Art einer Wandzeitung veröffentlicht.

Neben der Professur und der Forschung ist Luther Prediger und Seelsorger in der Stadtkirche St. Marien. Etwa 2000 Predigten hält er während dieser Zeit und verbreitet seine Ansichten über die von ihm (und anderen) empfundenen Missstände in der Kirche, die zur Reformation geführt haben.

Die Thesen finden zwar Anklang, vor allem unter den weltlichen Machtträgern, die sofort verstehen, welches Potential die Thesen haben, aber innerhalb der Kirche hebt man zunächst nur drohend den Zeigefinger und verlangt nach Mäßigung. Man geht zunächst davon aus, dass Luther es so ernst nicht meint. Einige Geistliche können die Kritik Luthers sogar nachvollziehen.

Das ändert sich im Jahr darauf, als zu erkennen ist, dass Luther nicht bereit ist, von seinen Thesen abzurücken, sondern diese in weiteren Werken erläutert und erklärt. 1518 erheben der Mainzer Erzbischof und die Dominikaner Klage in Rom. Tetzel wünscht Luther gar den Scheiterhaufen. Damit wäre der Schwan der Gans gefolgt. Soweit kommt es aber nicht. Im gleichen Jahr beginnt der Ketzerprozess gegen den unbotmäßigen Theologen, der aber bald, wegen des Todes Kaisers Maximilians, ruht und erst 1520 wieder aufgenommen wird.

Luther wird der päpstliche Bann angedroht. Die Ereignisse eskalieren. Melanchthon verbrennt im Dezember 1520 mit Luther die Bannandrohungsbulle des Papstes, die katholischen Gesetzbücher und die Schriften seiner Gegner auf dem Platz, an dem die (zweite) Luthereiche steht. Diese Bücherverbrennung begleitet der Reformator mit den Worten, dass die Bücher verbrannt werden müssten, weil sie den Namen des Herrn geschändet haben.

Zuvor hatten katholische Würdenträger seine Schriften verbrannt.

Daher wird im Januar 1521 im Ketzerprozess der Kirchenbann über ihn verhängt, Luther also aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Dem folgt, wie in solchen Fällen üblich, die Reichsacht, die den Betreffenden für vogelfrei erklärt - indes, Luthers Schutzpatrone unter den Mächtigen schützen ihn. Vor den Folgen der auf dem Reichstag von Worms ausgesprochenen Reichsacht, bewahrt ihn Friedrich der Weise, Landesfürst Luthers und Gründer der Leucorea, indem er Luther als „Junker Jörg“ auf die Wartburg bringen lässt.

Hier hat der Glaubensmann die Zeit, das Neue Testament anhand griechischer und hebräischer Originale und selbstverständlich mit Hilfe eines Wörterbuchs, in das Deutsche zu übersetzen. Nebeneffekt dieser Übung war, dass die Entwicklung der regional doch verschiedenen deutschen Sprache sich anhand der von Luther gebrauchten Sprache aneinander anglich. Binnen zehn Monaten war die Übersetzung des Teils der Bibel, die vom Leben und Wirken Christi handelt, übersetzt. Warum er ausgerechnet und anfangs ausschließlich diesen Teil der Bibel übersetzte, mag offen bleiben. Man weiß aber, dass auch Christus zu seiner Zeit ein Neuerer war und mit den Überlieferungen des ursprünglich jüdischen Glaubens an Gott, festgehalten im Alten Testament der Bibel, zum großen Teil brach und eine Glaubensspaltung herbeiführte, nämlich die zwischen Juden und Christen, die ursprünglich Anhänger der gleichen Religion waren.

 

Über 10 Jahre später übersetzt er Teile des Alten Testaments und bringt schließlich eine Gesamtausgabe der Bibel heraus.

1522 kehrt Luther wieder nach Wittenberg zurück. Zwischenzeitlich hat sich die Reformation, vor allem auch mit Hilfe Melanchthons und später Johannes Bugenhagens im Norden und in Skandinavien, durchgesetzt und Priester beginnen, zu heiraten. Die Reichsacht ist nicht zurückgenommen, doch geschieht Luther aufgrund seiner Popularität nichts.

Nach dem Ende des Bauernkrieges, der die Reformation gefährdet, aber nicht rückgängig macht, ist auch Luther des Junggesellenlebens überdrüssig.

Katharina von Bora war Nonne im Kloster Nimbschen bei Grimma, sie floh 1523 von dort und fand Schutz in Wittenberg. Am 13. Juni 1525 heirateten Katharina von Bora und Dr. Martin Luther. Die sechzehn Jahre jüngere Frau führt den Haushalt und verwaltet die Finanzen der Familie, mit denen Luther nicht so ganz zurechtkam. Viele seiner Freunde und Anhänger der Reformation, auch Melanchthon, hielten die Heirat für unglücklich und sahen den Untergang der Reformation voraus. Die Familie Luther aber lebte mit ihren sechs Kindern, Verwandten und weiteren sechs Kindern im Lutherhaus, hielt kluge und teils derbe Tischreden und tafelte gerne, was, wie noch zu zeigen sein wird, dem Festprogramm im Lutherjahr eine weitere Bereicherung beschert.

Nichtsdestotrotz führte Luther sein Reformwerk weiter und ordnete das Kirchen- und Gemeindewesen. Die Form des Gottesdienstes veränderte er ebenso, wie die Feier des Abendmahls. Tauf- und Traubücher wurden eingeführt sowie der kleine und große Katechismus. Bei aller sonstigen Arbeit unternimmt der rührige Reformator Reisen, um die Verwirklichung der Reformation in allen Kirchen zu überwachen. Auch Luther wusste, dass man nur mit Speck Mäuse fangen kann und so setzte er die Bezahlung der Pfarrer bei Friedrich dem Weisen durch, um die Pfarrerschaft zu halten und zu vergrößern.

Neben der Bibel entstand unter seinen Händen auch ein Gesangbuch und der Choral Ein feste Burg ist unser Gott.

Alles in Allem wurde die Reformation ein großer Erfolg für den unermüdlich Tätigen. Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahre 1526 wurde festgelegt, dass die Landesfürsten bei weitestgehender Selbstbestimmung Kirchenreformen (in Luthers Sinne) durchführen können.

Nach dem Augsburger Reichstag 1530 kam die Reformation etwas ins Stocken, obwohl auf diesem die von Melanchthon geschriebene confessio augustana (Augsburger Bekenntnis) vorgelesen werden durfte. Die Reformation, deren Ideen anfangs schon einige Bischöfe überzeugten, bekam durch den Schmalkaldischen Bund der evangelischen Reichsstände gegen die katholischen Länder weiteren Auftrieb. Der Bund führte allerdings zu einer Eskalation zwischen Protestanten und Katholiken, die im Todesjahr Luthers schließlich in den Schmalkaldischen Krieg mündete.

Auf seinen Reisen predigte Luther in vielen Kirchen und verbreitete seine Lehren. Am Ende seines Lebens predigte 1545/46 mehrfach in der Marktkirche zu Halle. Daher wurde Luthers Leichnam 1546 bei der Überführung von Eisleben nach Wittenberg in der halleschen Marienkirche aufgebahrt.

Zu erwähnen wären abschließend die Streitgespräche Luthers mit dem schweizerischen Reformator Zwingli über die richtige Form des Abendmahls und mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam, wobei letztere zur Spaltung der Humanisten führte. Und ohne seinen Freund Philipp Melanchthon, der ihn auf vielen Visitationsreisen begleitete und die Reformation mit seinen zahlreichen Schriften theoretisch zu untermauern half, wäre der Reformation, dem Lebenswerk Luthers, dieser Erfolg vielleicht nicht beschieden gewesen.

Gegen Ende seines Lebens wurde der große Mann kränklich und starrsinnig in der Verteidigung seiner Ideen gegenüber denjenigen, die seine Gedanken weiterentwickeln wollten. Sicherlich hat auch der Tod seiner Tochter Magdalena, vier Jahre vor dem eigenen Tod ihn schwer getroffen und zu seiner Haltung beigetragen. Der unermüdliche, erfolgsverwöhnte Geist begann, einen Zorn gegen die Juden zu hegen, die sich nicht bekehren lassen wollten und verfasste drei Jahre vor seinem Tode die Schrift Von den Juden und ihren Lügen. Ob er sich dabei auf eine Stelle im Römerbrief bezog, mag dahin gestellt bleiben. Es war auf jeden Fall ein großer Fehler mit weitreichenden Folgen, den auch seine letzte Schrift gegen die römische Kirche Wider das Bapsttum in Rom vom Teuffel gestifft! nicht wieder gut machen konnte.

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