Buch lesen: «Besonderes Verwaltungsrecht», Seite 9

Schriftart:

3. Repräsentative Demokratie auf kommunaler Ebene (Art. 28 I 2 GG)

78

Gemäß Art. 28 I 2 GG muss das Volk[107] nicht nur in den Ländern, sondern auch in den Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Damit sind die für den Bundestag (Art. 38 I 1 GG) geltenden Wahlrechtsgrundsätze im Sinne der repräsentativen Demokratie auch für Wahlen in Gemeinden und Landkreisen maßgeblich[108].

Freie Wahl bedeutet dabei auch: Verbot eines parteiergreifenden Hineinwirkens in den Wahlkampf von Amtsträgern in amtlicher Eigenschaft (s. auch Rn 134)[109].

Im Zusammenhang mit der Ungültigkeitserklärung einer Oberbürgermeisterwahl hat das BVerwG vermerkt: „Der Grundsatz der Freiheit der Wahl, wie er in Art. 28 I 2 GG auch für Kommunalwahlen verbindlich normiert ist, setzt auch voraus, dass sich der Wähler über Ziele und Verhalten der Wahlbewerber frei von Manipulationen informieren kann. Er schützt deshalb den Wähler vor Beeinflussungen, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz des bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen … Zu diesen Beeinflussungen gehören auch Täuschungen und Desinformation, weil zu diesen Formen des Vorenthaltens von Wahrheit keine hinlängliche Möglichkeit der Abwehr, zB mit Hilfe der Gerichte, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, besteht … Sie stellen eine erhebliche Verletzung der Freiheit und Gleichheit der Wahlen dar. Die Integrität der Wählerwillensbildung ist betroffen, wenn amtliche Stellen das ihnen obliegende Wahrheitsgebot nicht einhalten“[110].

79

Der Grundsatz der gleichen Wahl gilt gleichermaßen für das aktive wie für das passive Wahlrecht[111]. Er besagt, dass jedermann sein Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können soll. Differenzierungen – wie etwa die Statuierung von Wählbarkeitshindernissen aus Gründen der Abwehr abstrakter Interessenkollisionen gemäß der Ermächtigung des Art. 137 I GG[112] – bedürfen stets eines zwingenden Grundes[113].

Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit lässt die landesgesetzliche Statuierung resp. Aufrechterhaltung einer 5%-Sperrklausel auch für kommunale Vertretungen nur bei nachvollziehbarer Begründung (zu erwartende Gefährdung der Funktionsfähigkeit; s. unten Rn 134) zu[114], wenngleich deren Wegfall in mittlerweile fast allen Ländern zeigt, dass für eine solche Klausel in der Praxis keine Notwendigkeit mehr besteht[115].

80

Als Petitionsadressat iSv Art. 17 GG wird auch der Gemeinderat angesehen, sodass jedermann und damit auch einem im Ausland lebenden, dorthin von der Ausländerbehörde abgeschobenen Ausländer das Recht zustünde, sich mit einer Petition an ihn zu wenden[116].

Unbeschadet dessen ist aber der Gemeinderat als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft kein Parlament im staatsorganisationsrechtlichen Sinne (siehe insoweit deutlich Art. 3 I u. II Verf. NRW). Die Stellung der kommunalen Vertretung kennzeichnete das BVerwG prägnant wie folgt:

„Die Gemeindevertretung ist kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft (vgl BVerfGE 78, 344 [348]); damit ist die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinden trotz eines gewissen legislatorischen Charakters im System der staatlichen Gewaltenteilung dem Bereich der Verwaltung und nicht dem der Gesetzgebung zuzuordnen (vgl BVerfGE 65, 283 [289])“[117].

Nach Art. 28 I 4 GG kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft im Falle entsprechender gesetzlicher Regelungen die Gemeindeversammlung treten[118]. Soweit diese Normierung überhaupt in Anspruch genommen wurde – dies liegt im gesetzlichen Ermessen der Länder – ist sie nur in Kleinstgemeinden ausgestaltet worden[119].

81

Aus dem in Art. 20 II, 28 I 1 GG und den Landesverfassungen verankerten Demokratieprinzip wird allgemein abgeleitet, dass für jeden Amtsträger, der Staatsgewalt ausübt, eine persönliche demokratische Legitimation erforderlich ist, die durch eine vom Volk oder von seiner gewählten Vertretung ausgehende ununterbrochene Legitimationskette vermittelt wird[120].

Daher ist es im kommunalen Bereich gleichfalls geboten, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse iSv Art. 20 II GG, auch auf dem Sektor der Leistungsverwaltung, nicht durch Träger ohne ausreichende demokratische Legitimation durch das Gemeindevolk (dazu noch unten Rn 101) geschieht, weshalb das Bundesverfassungsgericht angesichts des gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs der Bezirksvertretungen in NRW entsprechende Monita erhob[121].

Der VerfGH NRW zog hieraus den Schluss, es verstoße gegen Art. 78 I LVerf in Verbindung mit dem Demokratieprinzip, wenn den Verwaltungsräten kommunaler Sparkassen (zu ihnen unten Rn 330 f) auf Grund eines entsprechenden Mitbestimmungsgesetzes[122] von den Dienstkräften der Sparkasse unmittelbar gewählte Mitglieder angehörten[123], wie dies auch immer noch in den Sparkassengesetzen anderer Länder vorgesehen ist[124]. § 12 II 1 SpkG NRW schreibt nunmehr vor, dass die Dienstkräfte der Sparkasse, die als Mitglieder des Verwaltungsrates fungieren, von der Vertretung des Gewährträgers aus einem Vorschlag der Personalversammlung der Sparkasse gewählt werden.

82

Bedienstetenvertretungen oder Personalversammlungen können in der Tat selbst demokratische Legitimation nicht vermitteln, da sie weder Volk noch eine vom Volk legitimierte Vertretung sind. Bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages eines Hoheitsträgers muss nach der Rspr jedenfalls die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert sein – „Verantwortungsgrenze“ als neben der „Schutzzweckgrenze“ Mitbestimmungsregelungen eingrenzende Vorgabe[125].

Die Literaturmeinung, die das Gebot persönlicher demokratischer Legitimation nur in Orientierung am jeweiligen Funktionsbereich zur Geltung bringen will[126], hat sich letztlich nicht durchsetzen können[127], wenngleich das BVerfG zumindest für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung eine Abweichung vom Gebot der lückenlosen personellen demokratischen Legitimation konzediert hat[128].

83

Für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten konstatierte das BVerfG ein niedrigeres „Legitimationsniveau“ als typischerweise sonst in der Verwaltung, sah darin jedoch letztlich keinen Verstoß gegen das Demokratieprinzip, da diesem Amt keine eigenen Sachentscheidungsbefugnisse zukämen, es vielmehr „allein durch die Kraft des Arguments“ zur Wirksamkeit gelange[129].

4. Kommunale Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr 4b GG)

84

Verletzungen des Rechts auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 GG durch gesetzliche Regelungen können Gemeinden und Gemeindeverbände im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht rügen. Dieses Rechtsschutzinstrument[130] ist in Art. 93 I Nr 4b GG und §§ 13 Nr 8a, 91 ff BVerfGG verankert.

Die Separierung von Individualverfassungsbeschwerde des Bürgers und kommunaler Verfassungsbeschwerde ist übrigens ein weiteres Indiz dafür, dass die Selbstverwaltungsgarantie für die Kommunen nicht ein Grundrecht darstellt (so noch § 184 Paulskirchenverf. 1849), sondern die Gewährleistung einer öffentlich-rechtlichen Funktionsebene, für die nur in ähnlicher Weise eine subjektive Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden sollte (s. oben Rn 49).

85

Bei der Würdigung dieses Instrumentariums kommunalen Rechtsschutzes sind die Fragen der verfassungsgerichtlichen Kontrolleröffnung (dazu Rn 86), der verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe (dazu Rn 89) und der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte (dazu bereits oben Rn 50 ff) von Belang.

86

Die Zulässigkeit einer solchen kommunalen Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr 4b GG iVm §§ 13 Nr 8a, 91 BVerfGG)[131] setzt zunächst die Behauptung voraus, durch ein Gesetz des Bundes oder des Landes in Rechten aus Art. 28 GG verletzt zu sein.

Einbezogen sind hier nicht nur förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen[132] und Satzungen, sondern auch Gewohnheitsrecht[133] sowie Schutzflächenausweisungen eines Gebietsentwicklungsplans[134], nicht aber gerichtliche Entscheidungen[135] sowie – vor den Verwaltungsgerichten angreifbare – Ministerialerlasse[136]. – Eine Untätigkeit des Gesetzgebers ist mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar[137].

Für diese Beschwerdebefugnis gilt:

„Das Erfordernis, dass die Verfassungsbeschwerde wegen einer Verletzung des Art. 28 II GG erhoben sein muss, setzt voraus, dass mit der Verfassungsbeschwerde ein Sachverhalt dargetan wird, auf Grund dessen der Schutzbereich des Art. 28 II GG betroffen sein könnte“[138].

Nach Auflösung einer Gemeinde im Wege gesetzlicher Neugliederung bleibt sie für die gegen diese Maßnahme gerichtete Verfassungsbeschwerde beschwerdebefugt und parteifähig[139].

Die Einlegungsfrist beträgt gemäß § 93 III BVerfGG ein Jahr seit In-Kraft-Treten des Gesetzes.

87

Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist bei Landesgesetzen ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung gemäß Landesrecht beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann (Art. 93 I Nr 4b GG, § 91 S. 2 BVerfGG)[140]. Dieser Subsidiaritätsgrundsatz greift allerdings nicht, wenn die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinter dem materiellen Gewährleistungsniveau des Art. 28 Abs. 2 GG zurückbleibt, was beispielsweise der Fall ist, wenn das Landesverfassungsrecht die Eigenverantwortlichkeit der gemeindlichen Aufgabenerfüllung oder die Eigenständigkeit der Gemeinden gegenüber den Landkreisen negiert.[141]

Wenn Länder Landesverfassungsgerichte mit entsprechenden Kompetenzen eingerichtet haben, ist die Wahrung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden damit ihnen anvertraut. Die Gemeinden sind mithin auf das Verfahrensrecht des Landes ebenso wie auf die Auslegung des in der jeweiligen Landesverfassung garantierten Selbstverwaltungsrechts und die sich aus der Landesverfassung ergebenden Prüfungsmaßstäbe verwiesen (s. aber Rn 47 mit Fn 5). In Rh.Pf. etwa kann die Kommunalverfassungsbeschwerde im Unterschied zur bundesrechtlichen Regelung nicht nur gegen Rechtssätze, sondern auch gegen andere Akte der öffentlichen Gewalt des Landes erhoben werden[142].

88

Das BVerfG entscheidet über kommunale Verfassungsbeschwerden gegen eine landesrechtliche Rechtsverordnung, wenn das Landesverfassungsgericht seine Prüfung auf formelle Landesgesetze beschränkt[143].

Im Ausgangsfall war daher richtigerweise nicht das BVerfG, sondern der VerfGH NRW angerufen worden. Die Beschwerdebefugnis der Gemeinde G ergab sich aus einer möglichen Verletzung der gemeindlichen Organisationshoheit; wohingegen weder die Finanz- noch die Personalhoheit (unter Zugrundelegung des in Rn 55 f skizzierten Begriffsverständnisses) tangiert war[144].

89

Prüfungsmaßstab in diesem bundesrechtlichen Verfassungsbeschwerdeverfahren ist ausweislich des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften nur Art. 28 GG. Die Rechtsprechung zieht jedoch zusätzlich den allgemeinen Gleichheitssatz[145] und solche Verfassungsvorschriften mit heran, die „ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet“ sind, wie die bundesstaatliche Kompetenzverteilung[146]. Demgemäß müsste es möglich sein, im Rahmen des kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahrens eine Kontrolle auf potenzielle Verletzungen allgemeiner Verfassungsprinzipien (Rechtsstaatlichkeit, Demokratie) zu erreichen[147].

Die Zulässigkeit der kommunalen Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht im Ausgangsfall ergibt sich aus Art. 75 Nr 5 Verf. NRW iVm §§ 12 Nr 8, 52 VGHG NRW. Gerügt werden kann eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts durch „Landesrecht“; umfasst sind damit neben Gesetzen jedenfalls auch Rechtsverordnungen. Auch in materieller Hinsicht bleibt die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 1 I, 78, 79 Verf. NRW) nicht hinter der grundgesetzlichen Garantie aus Art. 28 II GG zurück (s.o. Rn 87). Infolge der Subsidiarität (vgl Art. 93 I Nr 4b GG, § 91 S. 2 BVerfGG) scheidet mithin eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG aus.

90

In diesem Kontext taucht die Frage auf, ob denn die Kommunen auf das speziell ihnen zur Verfügung gestellte verfassungsgerichtliche Rechtsschutzinstrument des Art. 93 I Nr 4b GG beschränkt sind oder ob sie nicht auch, soweit Art. 19 III GG dies zulässt, auf die Individualverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 I Nr 4a GG rekurrieren und die Verletzung von Grundrechten rügen können. Diese Frage ist jedenfalls insoweit zu verneinen, als es um den Schutz des seinerseits grundrechtsgebundenen öffentlich-rechtlichen Aufgabenkreises der Kommunen geht (sog. Konfusionsargument)[148]. Zu bejahen ist sie im Hinblick auf die Geltendmachung der sog. Justizgrundrechte (Art. 101 ff GG)[149]. Strittig ist sie in Ansehung von Rechtspositionen, hinsichtlich derer die Gemeinden in vergleichbarer Weise wie der Bürger der Staatsgewalt unterworfen sind[150].

Beispiele:

Berufung auf Art. 14 GG im Falle einer Enteignung gemeindlicher Grundstücke, die wirtschaftlich genutzt werden, zugunsten von Verteidigungszwecken.

91

Gliedert eine Gemeinde bestimmte Aufgaben organisatorisch in Kapitalgesellschaften aus, etwa durch Gründung einer Stadtwerke-GmbH, so wird dieses Privatrechtssubjekt hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft nicht anders behandelt als die dahinterstehende Gebietskörperschaft[151]. Mithin ist die Individualverfassungsbeschwerde einer kommunalen Eigengesellschaft unter Berufung auf eine Grundrechtsverletzung unzulässig. Strittig ist allerdings die Einstufung sog. gemischtwirtschaftlicher Unternehmen (zu ihnen noch Rn 310)[152].

5. Finanzverfassungsrechtliche Gewährleistungen

92

Neben Art. 28 II 3 GG (vgl Rn 55) finden sich in den Vorschriften über die Finanzverfassung nach Art. 104a ff GG weitere finanzverfassungsrechtliche Gewährleistungen.

Art. 106 V GG sichert den Gemeinden einen gesetzlich festzulegenden Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, und zwar in Entsprechung zu den Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner.

Vgl dazu das Gemeindefinanzreformgesetz idF der Bekanntm. v. 10.3.2009 (BGBl. I S. 1030), zul. geändert durch G. v. 21.11.2016 (BGBl. I S. 2613).

Art. 106 VI 1 GG enthält eine sog. Realsteuergarantie für die Gemeinden sowie für diese bzw für die Gemeindeverbände die Zuweisung des Aufkommens der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Bsp.: Vergnügungs-[153], Getränke-, Jagd-, Betten-, Zweitwohnungs-[154], Hundesteuer[155]). Des Weiteren wird den Gemeinden das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze die Hebesätze der Realsteuern festzusetzen (Art. 106 VI 2 GG)[156]. Allerdings sind dort auch Umlagen zulasten der Gemeinden vorgesehen (Art. 106 VI 6 GG)[157].

93

Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der sog. Gemeinschaftssteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer; vgl Art. 106 III GG) fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt schließlich ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu (Art. 106 VII 1 GG).

94

Für die Kommunen bedeutsam ist innerhalb der finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen ferner noch der Ausgleich für Sonderbelastungen von Kommunen (Art. 106 VIII GG), der ihnen – anders als die übrigen Verteilungsregeln – einen unmittelbaren Anspruch gegen den Bund einräumt[158].

Beispiele:

Kosten im Zusammenhang mit Kasernen; hauptstadtbedingte Sonderlasten Berlins.

Für den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern schreibt Art. 107 II GG schließlich noch vor, dass bei der Beurteilung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen sind[159].

95

Ob über diese Bestimmungen hinaus unmittelbar aus Art. 28 II GG inhaltlich und umfangmäßig präzisierbare Ansprüche auf eine angemessene kommunale Finanzausstattung abgeleitet werden können, ist seit langem umstritten[160], nunmehr immerhin insoweit im Ansatz geklärt, als die Gewährleistung der Selbstverwaltung gemäß dem 1994 neu eingefügten 1. Halbsatz des Satzes 3 jedenfalls auch „die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“ umfasst (vgl bereits oben Rn 55). Im Übrigen wird selbst im Notstandsverfassungsrecht (vgl Art. 115c III GG) die herausragende Bedeutung der finanziellen Lebensfähigkeit der Kommunen betont.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Fragenkreis bislang sehr vorsichtig formuliert. Vgl BVerfGE 83, 363 (386): „Gegen die Auferlegung einzelner Ausgabepflichten bietet Art. 28 II GG – auch wenn man in ihm eine insgesamt zureichende Finanzausstattung mitgarantiert ansieht, was das BVerfG bisher nicht entschieden hat … – jedenfalls keinen Schutz, solange … diese Finanzausstattung nicht in Frage gestellt wird“[161].

96

Zu den in Art. 28 II 3 HS 1 GG genannten Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung gehört auch eine (nur) den Gemeinden zustehende mit Hebesatzrecht ausgestattete und wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Die Einfügung dieses zweiten Halbsatzes in Art. 28 II Satz 3 GG war 1997 für erforderlich gehalten worden, um die kommunale Finanzautonomie durch eine an die Wirtschaftskraft in der jeweiligen Gemeinde anknüpfende Steuer zu sichern. Weder HS 1 noch HS 2 garantieren den Gemeinden aber ein originäres Steuererfindungsrecht. Gewährleistet wird nur eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle, wobei als solche im Hinblick auf Art. 106 V u. VI GG nur die Gewerbeertrag- und Einkommensteuer in Betracht kommen. Der Begriff der Wirtschaftskraft bezieht sich hierbei nicht auf die Steuerschuldner, sondern auf die Produktivität des jeweiligen kommunalen Wirtschaftsraums. Gewährt wird auch keine Ertrags-, sondern lediglich eine Hebesatz- und Bestandsgarantie für eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle[162].

Teil I Kommunalrecht › § 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung › II. Garantien in den Landesverfassungen

II. Garantien in den Landesverfassungen

97

In den Landesverfassungen finden sich mehrfach noch zusätzliche Gewährleistungen für die Kommunen, so etwa



Wiederholungs- und Verständnisfragen


1. Was ist Inhalt der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 II 1 GG? Rn 49
2. Was versteht man unter der Universalität des kommunalen Wirkungskreises? Rn 52
3. Welche Gemeindehoheiten lassen sich unterscheiden? Rn 55 f
4. Wie lässt sich der Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung bestimmen? Rn 63 f
5. Wie unterscheiden sich die Garantien in Art. 28 II 2 und in Art. 28 II 1 GG? Rn 75
6. Was ist der Prüfungsmaßstab einer kommunalen Verfassungsbeschwerde? Rn 89

Genres und Tags
Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
1469 S. 16 Illustrationen
ISBN:
9783811453593
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
Download-Format:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip