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II. Rechtsformen kommunaler Wirtschaftsunternehmen

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Von der grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung, also des „Ob“, ist die Frage nach dem „Wie“ zu unterscheiden. Es stellt sich hierbei die Frage, in welchen Organisationsformen sich die Gemeinde zur Verfolgung öffentlicher Zwecke wirtschaftlich betätigen darf. Damit zusammenhängend ist zu klären, wie die Gemeinde bzw deren Vertreter auf die Unternehmen einwirken können (müssen), wie sie also ihr Unternehmen steuern und kontrollieren können.

Traditionelle Rechtsformen für kommunale Wirtschaftsunternehmen sind der Eigenbetrieb, der Regiebetrieb, die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und die privatrechtliche Gesellschaft[46]. Über die Vor- und Nachteile einer privatrechtlichen Organisationsform wurden unter den Stichworten der Organisationsprivatisierung und der partiellen materiellen Privatisierung lebhafte Diskussionen mit im Laufe der Jahre unterschiedlichem Resultat geführt, da zum einen ihre Attraktivität allein schon aus steuer- und dienstrechtlichen Erwägungen unverkennbar ist, zum anderen aber Steuerungsverluste des Muttergemeinwesens zu beklagen sind[47]. Zentrale Fragestellungen waren und sind daher:


Ist ein Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisationsformen, namentlich des Eigenbetriebs anzuerkennen? Entsprechende Vorrangregelungen finden sich etwa noch in § 117 I Nr 1 s.anh.GO und – nur gegenüber Aktiengesellschaften – in § 108 III GO NRW und § 103 Abs. 2 bd.wtt.GO, während andere Länder ihre dahingehenden Vorschriften aufgehoben haben, so beispielsweise Bayern, Hessen und das Saarland. Hintergrund solcher Vorrangregeln zu Gunsten öffentlich-rechtlicher Organisationsformen ist die Annahme, dass sie der Gemeinde bessere Steuerungsmöglichkeiten bieten als Kapitalgesellschaften.

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1. Regiebetriebe und Eigenbetriebe[51]

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Für Regiebetriebe ist deren Integration in den Verwaltungsaufbau ihres Trägers kennzeichnend. Sie werden als Abteilungen der allgemeinen Verwaltung geführt, ohne rechtlich oder haushaltsmäßig verselbstständigt zu sein. Die zur Unternehmensführung maßgebliche Willensbildung erfolgt durch die Organe der Trägerkörperschaft (Gemeinde oder Landkreis). Die Haushaltsführung der Regiebetriebe richtet sich grundsätzlich nach dem für die Körperschaft geltenden Haushalts- und Rechnungswesen und auch für ihre Personalwirtschaft ist der allgemeine Stellenplan maßgeblich.

Das gilt auch für die „Städtische Wohnungsvermittlung“ im Ausgangsfall (Rn 287).

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Anders als Regiebetriebe sind Eigenbetriebe organisatorisch und finanzwirtschaftlich verselbstständigt, wenngleich mangels eigener Rechtspersönlichkeit ebenfalls nicht rechtsfähig. Damit wird durch Handlungen der Organe eines Eigenbetriebs unmittelbar die Trägergemeinde berechtigt, verpflichtet und uU auch haftbar[52]. Entsprechend ist prozessrechtlich gleichfalls nur die Gemeinde Beteiligte eines Rechtsstreits[53].

Oberstes Entscheidungsorgan des Eigenbetriebs bleibt der Gemeinderat. Dieser legt die Unternehmensziele fest, trifft die wesentlichen Grundentscheidungen des Eigenbetriebs und beschließt über dessen Satzung, der sog. Betriebssatzung (in einigen Bundesländern auch als „Hauptsatzung“ bezeichnet). In der Betriebssatzung sind ua der Name und Zweck des Eigenbetriebs, die Höhe des Stammkapitals und die Zusammensetzung und die Zuständigkeiten von Leitungsorgan (Werkleitung oder Betriebsleitung) und Kontrollorgan (Werksausschuss oder Betriebsausschuss) geregelt.

Der Werkleitung (auch „Betriebsleitung“) obliegt die Geschäftsführung des Eigenbetriebs sowie dessen Vertretung nach außen. In Anbetracht der weitreichenden Kompetenzen des Gemeinderats kennt das Eigenbetriebsrecht keinen eigentlichen Aufsichtsrat. Beaufsichtigt wird die Werkleitung von dem Werksausschuss, der – als Ausschuss der Vertretung formiert – die Beschlüsse der Gemeindevertretung vorberät, daneben aber auch – je nach Landesrecht – selbst beschließende Funktionen (insbes. das Eilbeschlussrecht) hat.

Den Vorsitz in diesem Gremium führt der Hauptverwaltungsbeamte, der zugleich Dienstvorgesetzter der Dienstkräfte des Eigenbetriebs ist. Häufig verfügt er über spezielle Unterrichtungs-, Auskunfts- und sogar – allerdings eingeschränkte – Weisungsrechte gegenüber der Werkleitung. Da der gemeindliche Haushalt mit dem Eigenbetrieb finanziell verflochten ist, wird bisweilen auch dem Kämmerer ein eigenes Unterrichtungsrecht eingeräumt[54].

Für Versorgungsbetriebe einer Gemeinde – in Frage kommen die Sparten Strom, Gas, Fernwärme, Wasser –, die in Gestalt von Eigenbetrieben agieren, sieht das Eigenbetriebsrecht mehrerer Länder vor, dass sie zu einem Eigenbetrieb unter der Bezeichnung „Gemeindewerke“ („Stadtwerke“) zusammenzufassen und damit im sog. Querverbund zu führen sind; vgl § 8 EigenbetriebsVO NRW; § 4 bay.EigenbetriebsVO[55].

2. Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts[56]

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Ausgehend von der 1994 in Berlin vollzogenen Umwandlung aller Eigenbetriebe in Anstalten des öffentlichen Rechts[57] hat sich mittlerweile in beinahe allen Gemeindeordnungen die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (in Bayern: „Kommunalunternehmen“) als Rechtsformalternative des kommunalen Wirtschaftsrechts etabliert (vgl Art. 89 ff bay.GO; § 141 ff NKomVG; § 114a GO NRW)[58]. Hiermit soll den Gemeinden ein Instrument zur Verfügung gestellt werden, dass öffentlich-rechtliche Steuerungsmöglichkeiten mit der ansonsten nur den Kapitalgesellschaften zugeschriebenen unternehmerischen Flexibilität verbindet.

Die Organe der rechtsfähigen Anstalt werden üblicherweise nach Vorbild der Aktiengesellschaft unterteilt in ein Geschäftsführungsorgan, das die Bezeichnung „Vorstand“ führt, und in ein Aufsichtsorgan, welches als „Verwaltungsrat“ oder „Aufsichtsrat“ bezeichnet wird. Dem Vorstand obliegt grundsätzlich die Leitung des Unternehmens in eigener Verantwortung sowie dessen Vertretung nach außen. Anders als in der Aktiengesellschaft sind die Kompetenzen der beiden Organe jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. So steht die Kompetenzabschichtung zwischen Vorstand und Verwaltungsrat im Einzelnen regelmäßig unter Satzungsvorbehalt. Hiermit soll es den Gemeinden ermöglicht werden, im Einzelfall die kompetentiellen Gewichte zugunsten des Verwaltungsrats zu verschieben, etwa indem Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung durch die Satzung von einer Zustimmung des Verwaltungsrats (oder auch der Gemeindevertretung) abhängig gemacht werden können[59].

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Auch ist es denkbar in der Unternehmenssatzung Fallgestaltungen festzulegen, in denen ihre Gemeindevertretung berechtigt sein soll, den Mitgliedern des Verwaltungsrats Weisungen zu erteilen[60]. Durch die Benennung solcher Fallgruppen in der Satzung wird verhindert, dass der Gemeinderat nach tagespolitischer Opportunität in die Anstalt hineinregiert. Dem Verwaltungsrat gesetzlich zugewiesen ist die Überwachung des Vorstandes. Daneben ist er mitunter befugt, grundlegende Fragen zu entscheiden, so zB über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Beteiligung an anderen Unternehmen oder über die Festsetzung allgemein geltender Tarife und Entgelte für die Leistungsnehmer.

Die Ausgestaltungsfreiheit, die den Kommunen somit verbleibt, um die Anstalt im Satzungswege ihren jeweiligen Bedürfnissen anzupassen, bietet einen erheblichen Vorteil gegenüber dem Eigenbetrieb und den bezüglich ihrer inneren Struktur weitgehend bundesrechtlich festgelegten Rechtsformen der AG und GmbH. Gemeinden, die sich bewusst für die Anstaltsform entscheiden, sollten von Einschränkungen der Leitungsmacht des Vorstands allerdings nur restriktiv Gebrauch machen, da mit jeder Reduzierung der Vorstandskompetenzen eine Annäherung an die Stellung einer Werkleitung erfolgt und damit ein wesentlicher mit der Anstalt beabsichtigter Unterschied zum Eigenbetrieb nivelliert wird.

3. Gesellschaften privaten Rechts[61]

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Die bereits angesprochenen Gesellschaften sind demgegenüber selbstständige juristische Personen des Privatrechts, gemeinhin in der kapitalgesellschaftlichen Rechtsform der AG oder der GmbH. Werden sie gemeinsam mit anderen öffentlichen Aufgabenträgern betrieben, dann spricht man von gemischt-öffentlichen Unternehmen, wenn gemeinsam mit Privaten, dann von gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen; verbleiben alle Anteile bei der Trägerkommune, handelt es sich um eine Eigengesellschaft.

Will eine Gemeinde ein Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts gründen, oder sich an einem solchen beteiligen, ist dies nur zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck vorliegt[62]. Die Kommunen müssen hierbei eine Rechtsform wählen, aufgrund derer ihre Haftung auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist, und sie einen angemessenen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann (vgl im Einzelnen etwa Art. 92 I bay.GO; § 69 I m.v.KVerf.; § 137 I NKomVG; § 108 I GO NRW).

Durch mannigfache (mittelbare) Beteiligungen von Gesellschaften der Gemeinden an Tochter-, Enkel- und Urekelgesellschaften sind indes zT Konzernstrukturen entstanden, die sowohl die kommunale Steuerungsfähigkeit vor Probleme stellen als auch aus der Sicht des Bürgers Transparenzverluste verursachen.

Beispiel:

Stadtwerke Köln GmbH als 100%ige Tochter der Stadt mit diversen Tochterunternehmen (Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Häfen Köln GmbH) und eigenen Beteiligungen[63]; die Stadt Hannover mit über 30 Gesellschaftsbeteiligungen.

Mit guten Gründen wurde daher schon früh in Erinnerung gerufen, dass bei aller Bemühung um betriebswirtschaftliche Optimierung nicht das „Unternehmen Stadt“ das erstrebenswerte Ziel darstellt, sondern die Verfolgung der originären öffentlichen Aufgaben vor Ort[64].

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Für die Bestellung der gemeindlichen Vertreter in den Organen der betreffenden Gesellschaften enthalten die Gemeindeordnungen meist ausdrückliche Vorgaben.

Beispiele:

Bestellung durch den Rat, Verpflichtung auf die Interessen der Gemeinde, Unterrichtungspflicht, imperatives Mandat (inhaltliche Bindung an Ratsbeschlüsse), Abberufung[65], Haftungsfreistellung. Siehe näher Art. 93 bay.GO; § 71 m.v.KVerf.; § 138 NKomVG; § 113 GO NRW.

Beträchtliche juristische Schwierigkeiten bereitet freilich eine Umsetzung dieser das Innenverhältnis zwischen der Gemeinde und ihren Vertretern in den Blick nehmenden kommunalrechtlichen Vorgaben vor dem Hintergrund der bundesrechtlichen Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts[66].

Als konkrete Ausformung dieses Konflikts erweist sich beispielsweise die Problematik, ob die Aufsichtsratsmitglieder kommunaler Unternehmen einem imperativen Mandat unterliegen, dh, ob sie an die Weisungen der kommunalen Vertretung gebunden sind. Gesellschaftsrechtlich sind die Aufsichtsräte als unabhängig anzuerkennen[67]; aus kommunaler Sicht bedeutet dies jedoch einen Verlust an direkter Steuerungsfähigkeit, was den in Rn 305 genannten verfassungs- und kommunalrechtlichen Direktiven zuwiderläuft[68]. Anders als von den Vertretern des sog. „Verwaltungsgesellschaftsrechts“, die einen Vorrang des öffentlichen Rechts annehmen[69], wird auch hier den gesellschaftsrechtlichen Regelungen Folge zu leisten und dem Weisungsrecht bei (fakultativen) Aufsichtsräten eine Absage zu erteilen sein[70]. Sowohl aus gesellschaftsrechtlichen als auch aus kommunalrechtlichen Gründen unzulässig ist darüber hinaus eine gesellschaftsvertraglich eingeräumte allgemeine Berechtigung von Ratsmitgliedern zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrates einer GmbH mit gemeindlicher Beteiligung[71] oder eine generelle Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern einer kommunalen GmbH[72].

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Besondere Probleme in verfassungsrechtlicher Hinsicht (Demokratieprinzip, Verantwortlichkeit der Exekutive, Art. 28 II GG) werfen auch die nach Mitbestimmungsrecht verpflichtende und die auf rechtsgeschäftlicher Basis freiwillig erfolgte Einführung einer erweiterten Mitbestimmung der Arbeitnehmer in kommunalen Eigengesellschaften auf[73].

Teil I Kommunalrecht › § 9 Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen › III. Rechtsstellung privater Konkurrenten

III. Rechtsstellung privater Konkurrenten[74]

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Es fragt sich, inwieweit private Konkurrenten Rechtsschutz gegen die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden erhalten können. Hierbei ist zunächst im Sinne der Zwei-Stufen-Lehre zwischen dem „Ob“ als öffentlich-rechtlicher und dem „ Wie“ als zivilrechtlicher Komponente zu unterscheiden[75].

1. Klagen gegen das Verhalten im Wettbewerb („wie“)

Soweit es nicht um Einwendungen gegen das „Ob“ eines solchen Unternehmens, sondern um bestimmte, den Vorschriften des Wettbewerbsrechts möglicherweise widerstreitende Verhaltensweisen im Wettbewerb geht, ist unstreitig die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, die hier nach Maßgabe der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb, insbes. des § 3 UWG, eine auf konkrete Handlungen bezogene und darum eher punktuelle Überprüfung, etwa im Hinblick auf die Zulässigkeit bestimmter Praktiken oder Werbemethoden, vornehmen[76].

Zu einem wettbewerbsrechtlich begründeten Unterlassungsanspruch kann das Wettbewerbsverhalten der öffentlichen Hand allerdings regelmäßig erst dann führen, wenn diese sich dabei sittenwidriger Mittel bedient, beispielsweise unter Missbrauch ihrer Stellung als öffentlich-rechtlicher Körperschaft durch nur ihr verfügbare Mittel private Mitbewerber verdrängt, oder wenn sie sonst aus der Verbindung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Interessen einen unzulässigen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern erlangt oder erstrebt[77].

2. Klagen gegen die Teilnahme am Wettbewerb („ob“)

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Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit sich konkurrierende Private darauf berufen können, die Gemeinde verstoße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung gegen die og öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für wirtschaftliche Betätigungen (o. Rn 289, 299 ff).

a) Verwaltungsrechtsweg oder Zivilrechtsweg?

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Für Unterlassungsklagen, die gegen die Zulässigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten von Gemeinden gerichtet sind, sind prinzipiell nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zuständig. Dies ergibt sich aus der grundgesetzlich vorgezeichneten (vgl Art. 95 I GG) und gesetzlich ausgeformten Kompetenzaufteilung in Fachgerichtsbarkeiten (vgl §§ 13 GVG, 40 VwGO). Gleichwohl hatte die Zivilrechtsprechung zentral auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen dem Privaten und der wirtschaftenden Kommune abgestellt und in der Frage nach den öffentlich-rechtlichen Kompetenzgrenzen lediglich eine Vorfrage gesehen. Der BGH hat dies bei einem von der Deutschen Post AG angestrengten Rechtsstreit um das sog. Remailing wie folgt prononciert zum Ausdruck gebracht[78]:

„Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist … vorliegend ebenso gegeben wie in den sonstigen Fällen, in denen die Beurteilung, ob ein iS des § 1 UWG unlauteres Verhalten im Wettbewerb anzunehmen ist, davon abhängt, ob das beanstandete Verhalten gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die den Zugang zu einer Wirtschaftstätigkeit regeln (wie zB die Vorschriften der Handwerksordnung, des Steuerberatungsgesetzes oder des Personenbeförderungsgesetzes).“

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Die Ende der 90er Jahre auf OLG-Ebene erfolgte Fortführung dieser Rechtsprechungslinie, die das UWG auch bei kommunalen Aktivitäten als maßgeblichen Prüfungsmaßstab ansah und einen Unterlassungsanspruch bejahte, weil die in der Schrankentrias (o. Rn 289) verankerten Kompetenzgrenzen überschritten seien[79], ist als die eigenen zivilgerichtlichen Prämissen vernachlässigende Zuständigkeitsüberschreitung zu kennzeichnen und darum als systemwidrige Expansion des Wettbewerbsrechts abzulehnen. In diesem Sinne zutreffend hat daher der BGH für die Wiederherstellung der verwaltungsgerichtlichen Jurisdiktionshoheit gesorgt, indem er einem Verstoß gegen Art. 87 I bay.GO (vgl entsprechend § 68 I m.v.KVerf.; § 136 I NKomVG; § 107 I GO NRW) nicht zugleich Sittenwidrigkeit iSv § 1 UWG attestierte[80]:

„Soweit es zu den Zielen des Art. 87 bay.GO gehört, die Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch Gemeinden zu schützen, geht es nicht um die Lauterkeit des Wettbewerbs, sondern allenfalls um die Erhaltung einer Marktstruktur, die von privaten Unternehmen geprägt ist. Es ist jedoch nicht Sinn des § 1 UWG (heute: § 3 UWG), Wettbewerbern kommunaler Unternehmen Ansprüche zur Verwirklichung dieses Schutzzwecks des Art. 87 bay.GO zu gewähren, die nach öffentlichem Recht etwa gegebene Ansprüche … ergänzen könnten oder nach öffentlichem Recht bestehende Schutzlücken ausfüllen … Die Vorschrift des § 1 UWG (heute: § 3 UWG) bezweckt nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen. Auch in den Fällen, in denen aus ihr Ansprüche zum Schutz des Bestandes des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt hergeleitet werden können …, geht es nicht darum, bestimmte Marktstrukturen zu erhalten, sondern darum, wettbewerbliche Verhaltensweisen zu unterbinden, die nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur gerade auch als Wettbewerbsmaßnahmen unlauter sind.“

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Die Lösung der allgemein- und wirtschaftspolitischen Frage, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen darf und welche Grenzen ihr hierbei gesetzt seien oder gesetzt werden sollten, sei „Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie der parlamentarischen Kontrolle und für die Gemeinden und Landkreise ggf der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen Gerichte bei der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem UWG.“ Diese Bewertung wurde vom BGH konsequenterweise auch für die Schrankentrias des § 107 GO NRW übernommen:

„Ein Verstoß gegen § 107 GO NRW, der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten der Gemeinden Grenzen setzt, begründet keinen Anspruch privater Wettbewerber aus § 1 UWG (heute: § 3 UWG). Die Vorschrift hat insofern eine den Wettbewerb regelnde Funktion, als sie – auch zum Schutz der privaten Wirtschaft – durch die Beschränkung des Marktzutritts der Gemeinden Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegt. Sie dient jedoch nicht der Kontrolle der Lauterkeit des Marktverhaltens der Gemeinden.“[81]

Nach der Entscheidung des BGH hat sich die Diskussion auf dem Feld des UWG weitgehend gelegt, doch ist der gleiche Konflikt unter den Vorzeichen des Vergaberechts erneut aufgebrochen, weil vor allem das OLG Düsseldorf auf das Argument unterlegener Bieter, ein konkurrierendes kommunales Unternehmen setze sich über die Eingangsbestimmungen des kommunalen Wirtschaftsrechts hinweg, für sich in Anspruch nimmt, die betreffenden Bestimmungen der Gemeindeordnung detailliert zu prüfen[82] (s. auch Rn 336 aE).

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Lösungshinweis zu Fall 9 (Rn 287):

Wenn ein Kläger, wie im Ausgangsfall, geltend macht, eine gemeindliche Betätigung verstoße gegen eine Norm des Kommunalrechts, welche sachliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für ebenjene Betätigung aufstelle, so handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art iSv § 40 VwGO.

Richtige Klageart ist die Unterlassungsklage als besondere Form der allgemeinen Leistungsklage.

Die auch bei dieser Klageart analog § 42 II VwGO erforderliche Klagebefugnis des konkurrierenden Maklers lässt sich möglicherweise auf § 107 I GO NRW oder auf Art. 12 I GG, vielleicht sogar auf weitere Grundrechte wie Art. 2 I, 14 I und 3 I GG stützen (dazu im Folgenden).

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1469 S. 16 Illustrationen
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9783811453593
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