Buch lesen: «Besonderes Verwaltungsrecht», Seite 20

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2. Betreuung der Einwohner in den Grenzen der Leistungsfähigkeit

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Die gesetzliche Leitlinie kommunaler Daseinsvorsorge durch öffentliche Einrichtungen soll eine gewisse sachliche Konturierung durch die Hervorhebung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Betreuung gewinnen. Diese Zielsetzungen sind jedoch dermaßen ausgreifend, dass eine Eingrenzung durch sie nicht zu erwarten ist, sondern eher eine Bekräftigung der Breite des anvisierten Spektrums. Die Formulierung „Betreuung“ deutet allerdings auf den besonders individualorientierten, Hilfeleistung und Service betonenden Charakter des Rechtsverhältnisses hin.

242

Mit ihren diesbezüglichen Aktivitäten haben die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu verbleiben. Dies bedeutet nicht nur eine Schrankenziehung hinsichtlich der Modalitäten, sondern auch eine Leitlinie für die Frage nach dem „Ob“ der Schaffung einer gemeindlichen Einrichtung. Soweit die Leistungsfähigkeit zu bejahen ist, steht den Gemeinden bezüglich der Schaffung, der Veränderung (sowohl in inhaltlicher Hinsicht[22] als auch in organisatorischer Hinsicht[23]), der Erweiterung und auch der Abschaffung entsprechender Einrichtungen, sofern es sich um freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben (siehe oben Rn 198) handelt, ein weites kommunalpolitisches Ermessen zu[24].

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Die Einwohner haben auf kommunalrechtlicher Basis grundsätzlich keinen Anspruch auf Schaffung bzw Aufrechterhaltung einer öffentlichen Einrichtung[25] oder gar auf eine Kapazitätserweiterung[26].

Etwas anderes kann sich aber aus speziellen fachgesetzlichen Vorschriften ergeben, wie für den Zugang zu gewerberechtlich festgesetzten Märkten aus § 70 GewO[27] – einer Norm, die auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn Veranstalter des Marktes eine Gemeinde ist[28] – oder in Fällen einer allgemeinen Anschluss- und Grundversorgungspflicht für Energieversorgungsunternehmen (§§ 18, 36 EnWG) und in Gestalt einer Beförderungspflicht für Verkehrsunternehmen (§ 22 PBefG).

Teil I Kommunalrecht › § 7 Kommunale öffentliche Einrichtungen und ihre Benutzung › II. Rechtsformen öffentlicher Einrichtungen

II. Rechtsformen öffentlicher Einrichtungen

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An Rechtsformen für vorbezeichnete öffentliche Einrichtungen steht den Kommunen nach gängiger Rechtsauffassung eine breite Palette zur Verfügung, auf die sie im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung zugreifen können[29].

1. Rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts

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Sofern dies gesetzlich zugelassen ist[30], kann die Gemeinde eine rechtsfähige juristische Person des öffentlichen Rechts ins Leben rufen.

Beispiel:

Sparkasse (siehe unten § 9 V) als rechtsfähige öff.-rechtliche Anstalt.

Etwa seit Mitte der neunziger Jahre ist sukzessive in fast allen Gemeindeordnungen den Kommunen die Möglichkeit eröffnet worden, auf die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts zuzugreifen, in Bayern in Gestalt des „Kommunalunternehmens“, das aber sowohl für wirtschaftliche wie für nichtwirtschaftliche Aktivitäten nutzbar ist (vgl Art. 89 bay.GO)[31]. Auch in den anderen Ländern (zB § 141 NKomVG, § 114a GO NRW) ist die Anstalt sowohl für Unternehmen wie auch für Einrichtungen (zur Terminologie siehe Rn 298) einsetzbar. Siehe auch u. Rn 308.

2. Nichtrechtsfähige Anstalten, Eigenbetriebe

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Eine Gemeinde kann sich, wie dies häufig geschieht, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aber auch einer nichtrechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (zB Volkshochschule, Bibliothek) oder auch eines Eigenbetriebes[32] (u. Rn 307) bedienen.

3. Eigengesellschaft

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Entsprechend dem Trend zur Privatisierung (siehe u. Rn 328) kann eine Gemeinde sich aber auch an einer privatrechtlichen Gesellschaft, etwa in Gestalt einer AG oder GmbH, beteiligen oder eine solche gründen, sei es zusammen mit Privaten (gemischt-wirtschaftliche Gesellschaft) oder mit anderen öff. Aufgabenträgern (gemischt-öffentliche Gesellschaft), sei es, dass letztlich alle Anteile vollständig in ihrer Hand verbleiben (sog. Eigengesellschaft, u. Rn 310).

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Schließlich besitzen öffentliche Aufgabenträger soweit dies gesetzlich nicht blockiert ist, die Möglichkeit, privatrechtliche Rechtsformen für ihre Leistungserbringung zu nutzen[33]. Die Gründung einer solchen Gesellschaft oder die Beteiligung hieran ist aber durchweg nur dann zulässig, wenn, neben weiteren spezifischeren Voraussetzungen, ein (dringender) öffentlicher Zweck der Gemeinde an der Gründung oder Beteiligung vorliegt (vgl Art. 92 bay.GO; § 69 I m.v.KVerf.; § 137 I NKomVG; § 108 I GO NRW), eine normative Anforderung, die weithin originäre kommunale Einschätzungen erfordert. Vereinzelt finden sich jedoch noch Regelungen, die – ähnlich dem bis 1995 im bayerischen Gemeinderecht verankerten Eigenbetriebsvorrang (Art. 91 I Nr 2 bay.GO aF) – eine Wahl privatrechtlicher Rechtsformen nur zulassen, soweit der öffentliche Zweck nicht wirtschaftlicher durch einen Eigenbetrieb erfüllt wird oder erfüllt werden kann (vgl § 69 I Nr 1 iVm § 68 II m.v.KVerf., ähnl. § 73 I Nr 1 iVm § 71 II thür.KO).

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Da die mit der Leistungserbringung betraute privatrechtliche Gesellschaft kommunale Aufgaben wahrnimmt, ist sie als kommunale Einrichtung zu betrachten[34]. Ganz in diesem Sinne ist dann auch konsequenterweise der Geschäftsführer einer sich im städtischen Alleinbesitz befindlichen GmbH, deren wesentliche Geschäftstätigkeit die Versorgung der Einwohner mit Fernwärme umfasst (dazu Rn 271 f), ein Amtsträger iSv § 11 I Nr 2 lit. c. StGB, wenn die Stadt die Geschäftstätigkeit im öffentlichen Interesse steuert[35].

4. Beauftragung privater Dritter

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Die Kommune kann schließlich bei fortbestehender eigener Sachverantwortung Drittunternehmen als kommunale Erfüllungsgehilfen (Verwaltungshelfer) einschalten[36]. Dies bedingt freilich hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten (vgl auch Rn 276 zum Anschluss- und Benutzungszwang).

Beispiele:

Abwasserbeseitigung (§ 56 S. 3 WHG); Abfallentsorgung (vgl §§ 20 I, 22 I KrWG); siehe auch BGH, NJW 2014, 3580 – „Winterdienst“.

Zur Auffassung des BVerwG, unter bestimmten Umständen sei eine Privatisierung freiwillig übernommener kommunaler Einrichtungen (Weihnachtsmarkt) unzulässig, siehe bereits Rn 198.

Teil I Kommunalrecht › § 7 Kommunale öffentliche Einrichtungen und ihre Benutzung › III. Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses

III. Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses

251

Soweit die betreffende öffentliche Einrichtung eine öffentlich-rechtliche Organisationsform aufweist, stellt sich die Frage, wie das Benutzungsverhältnis ausgestaltet ist, öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich.

Dass – soweit keine Beleihung vorliegt – eine privatrechtlich organisierte öffentliche Einrichtung ihre Rechtsbeziehungen zu den Benutzern nur privatrechtlich regeln kann (Vertragsabschluss unter Zugrundelegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen), versteht sich von selbst.

Beispiel:

Eine als Eigengesellschaft (GmbH) betriebene Stadthalle.

Dem Betreiber einer Einrichtung mit öffentlich-rechtlicher Organisationsform stehen im Sinne eines Wahlrechts beide Möglichkeiten offen; maßgebliche Aussagen sind im Einzelfall der jeweiligen Benutzungsordnung zu entnehmen. Indizien sind die – nur öffentlich-rechtlich mögliche – Erhebung von Gebühren an Stelle eines privatrechtlichen Nutzungsentgelts, der Einsatz staatlicher Zwangsmittel zur Befolgung von Anordnungen u.Ä.

Bestimmte Einrichtungen weisen zudem üblicherweise eine einheitliche Benutzungsordnung auf, so Schulen (öff.r.), Theater (privatr.), Schwimmbäder (privatr.).

Die Vermutung spricht wegen der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben für eine öffentlich-rechtliche Organisationsform und für ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis[37].

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Bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung ist die Gemeinde als Trägerin der Einrichtung unmittelbar aus einer Vorschrift wie § 4 S. 2 NKomVG, § 8 I GO NRW befugt, Maßnahmen zu ergreifen, die den ordnungsgemäßen Betrieb und den Widmungszweck sicherstellen. Dies kann allgemein durch Satzung[38] oder auch – ohne ausdrückliche Ermächtigung – im Einzelfall durch Verwaltungsakt geschehen.

Beispiele:

Untersagung gewerblicher Benutzung eines Hallenbades[39]; Ausschluss eines Sängers aus dem Chor einer städtischen Musikschule wegen unerträglicher Spannungen[40].

Teil I Kommunalrecht › § 7 Kommunale öffentliche Einrichtungen und ihre Benutzung › IV. Benutzungsanspruch der Einwohner

IV. Benutzungsanspruch der Einwohner

1. Gemeindeeinwohner

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Alle Einwohner einer Gemeinde sind gemäß entsprechender Anspruchsnormen der Gemeindeordnungen[41] im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen, allerdings auch zugleich verpflichtet, die Gemeindelasten zu tragen.

2. Einwohner von Nachbargemeinden

254

Ungeachtet der im Rahmen der Landesplanung vielfach vorgegebenen Stufenfolge zentralörtlicher Gliederung[42], durch die bestimmte Versorgungsleistungen – auch und gerade im kulturellen Bereich – auf zentrale Orte konzentriert werden, steht den Einwohnern von Nachbargemeinden ein Benutzungsanspruch de lege lata nicht zu[43].

255

Den Städten ist es aber grundsätzlich versagt, bei Benutzungsgebühren (siehe dazu auch oben § 6 IV) zwischen Einwohnern und Fremden zu differenzieren (kein „Auswärtigenzuschlag“)[44].

Dagegen blieb ein „Einheimischenabschlag“ bei der gemeindlichen Gebührenerhebung unter Berufung auf Art. 28 II GG letztlich dann unbeanstandet, wenn auf solche Weise lediglich eine indirekte Subventionierung von Leistungen gegenüber den eigenen Einwohnern aus Mitteln des Gemeindehaushalts, nicht aber im Wege der Umverteilung zulasten der auswärtigen Benutzer erfolgte und die von Auswärtigen erhobene (im Vergleich höhere) Gebühr als solche keine rechtlichen Angriffspunkte enthielt[45]. Wenn eine Gemeinde durch eine Privilegierung (Preisnachlass) Einheimischer das Ziel verfolgt, „[…] knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich (Art 28 II 1 GG) zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, kann dies mit Art. 3 I GG vereinbar sein.“[46] Demgegenüber hat der EuGH in den von lokalen Einrichtungen gewährten Tarifvorteilen für den Zugang zu öffentlichen Museen, antiken Ausgrabungsstätten sowie Parkanlagen und Gärten mit Denkmalcharakter einen Verstoß gegen Art. 18 und 56 AEUV zulasten von Gebietsfremden oder ausländischen Touristen gesehen[47].

3. Auswärtige Grundbesitzer und Gewerbetreibende

256

Soweit es um solche öffentlichen Einrichtungen geht, die in der Gemeinde für Grundbesitzer und Gewerbetreibende bestehen, sind auswärtige Grundbesitzer und Gewerbetreibende in gleicher Weise berechtigt, diese öffentlichen Einrichtungen zu benutzen (so Art. 21 III bay.GO; § 14 III m.v.KVerf.; § 30 II NKomVG; § 8 III GO NRW). Art. 21 III bay.GO präzisiert diese Aussage dahingehend, dass ein solcher Anspruch auswärts wohnenden Personen (sog. Forensen) nur für ihren Grundbesitz oder ihre gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet zusteht, dh aber: im Übrigen nicht. Diese Einsicht gilt auch für das Gemeinderecht der anderen Länder[48]. Insofern wird dann relevant, ob es sich um eine gewerberechtlich (gemäß § 69 GewO) festgesetzte Veranstaltung handelt, da in diesem Falle die vom Adressatenkreis her weitergefasste Anspruchsnorm des § 70 I GewO („jedermann“) greift[49].

Beispiel:

Zulassung von Schaustellern zur Gemeindekirmes[50].

257

Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen ist dabei nur ein Beispiel für die allgemeine Problemstellung der Legitimität einer Privilegierung Einheimischer durch Kommunen. Hinzu kommen Themen wie verbilligte Grundstücksabgabe (Rn 205), Vergabe öffentlicher Aufträge (vgl Rn 334), Gebührenrecht (s.o. Rn 333) u.ä.[51].

258

Bei der Vergabe der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung wie etwa einer Stadthalle an kommerzielle Veranstalter hat die Gemeinde im Übrigen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität zu wahren.

Hiermit lässt sich eine sog. Schutzfrist, welche die Attraktivität einer Veranstaltung durch ein befristetes Verbot gleichartiger Nutzungen der Einrichtung erhöhen soll, nur dann vereinbaren, wenn die zu schützende Veranstaltung dem öffentlichen Interesse dient und durch eine konkurrierende Nutzung der betreffenden Einrichtung in ihrem Bestand gefährdet wird[52].

Werden einzelne Bewerber von der Gemeinde rechtswidrig ausgeschlossen, können Schadensersatzansprüche nach Amtshaftungsgrundsätzen entstehen[53].

4. Juristische Personen, Personenvereinigungen, Parteien

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Alle vorgenannten Bestimmungen gelten entsprechend für juristische Personen und für Personenvereinigungen (vgl Art. 21 IV bay.GO, § 14 III m.v.KVerf., § 30 III NKomVG, § 8 IV GO NRW)[54]. Insofern ist entscheidend, dass die Personenvereinigung ihren Sitz in der Gemeinde hat.

260

Soweit eine ständige gemeindliche Vergabepraxis, ungeachtet vorgenannter spezieller Ansprüche, ortsfremden Nutzungsinteressenten gleiche Zugangsmöglichkeiten einräumt, können diese als Antragsteller immerhin, gestützt hierauf iVm Art. 3 GG, einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung geltend machen[55].

261

Für politische Parteien normiert § 5 ParteiG ein spezielles Gleichbehandlungsgebot, das bei entsprechender Widmung auch kommunale Einrichtungen und in gleicher Weise kommunale Leistungen einbezieht und sich ggf zu einem Zulassungsanspruch verdichten kann[56]. Eine politische Partei hat aber dann keinen Anspruch auf Überlassung einer kommunalen Einrichtung, wenn die durch Tatsachen begründete dringende Gefahr besteht, dass Parteiorgane im Rahmen dieser Veranstaltung zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufrufen werden[57].

Teil I Kommunalrecht › § 7 Kommunale öffentliche Einrichtungen und ihre Benutzung › V. Inhalt und Grenzen des Zulassungsanspruchs

V. Inhalt und Grenzen des Zulassungsanspruchs

262

Durch diese gesetzliche Gewährleistung wird den Einwohnern im Rahmen einschlägiger gesetzlicher Einschränkungen[58] und der Widmung ein Anspruch auf Zulassung zur Benutzung zuerkannt[59]. Im Unterschied dazu ist bei öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch wie Straßen, welche keine öffentlichen Einrichtungen darstellen (s. o. Rn 239), der Anspruch inhaltlich bereits unmittelbar auf Benutzung gerichtet[60]. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Zulassungsanspruch, der dem Grunde nach ja allen Einwohnern zusteht, eine Grenze im Falle beschränkter Kapazitäten findet. Die einschlägigen Vorschriften gewähren keinen Verschaffungs- sondern nur einen Teilhabeanspruch im Rahmen der vorhandenen Kapazität, dem unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes Rechnung zu tragen ist. Der Anspruch der Bewerber reduziert sich bei beschränkter Kapazität also auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung.[61]

Hierauf ist etwa bei der Vergabe von Nutzungsrechten an konkurrierende Sportvereine bei kommunalen Sporteinrichtungen zu achten[62], aber auch bei der Standplatzvergabe gemeindlicher Wochen- und Jahrmärkte. Übersteigt die Anzahl der Bewerber für einen Standplatz bei einer gemeindlichen Kirmes die kapazitativen Zulassungsmöglichkeiten, so ist eine an sachgerechten Kriterien orientierte Auswahlentscheidung zu treffen, zB nach Maßgabe der Reihenfolge der Anmeldungen („Prioritätsprinzip“[63]), der Attraktivität, der Bekanntheit und Bewährtheit der Unternehmen[64] bzw auch in Gestalt einer Rotation oder der Durchführung eines Losverfahrens[65]. Bei rechtswidriger Versagung eines Standplatzes ist es der Behörde und dem Gericht aber versagt, den Zulassungsanspruch unter Hinweis auf die Erschöpfung der Platzkapazität zu verwehren; es ist Sache der Marktanbieter, „durch die Regelung entsprechender Widerrufsvorbehalte oder die Vereinbarung entsprechender Kündigungsklauseln für diese Fälle vorzusorgen“[66]. Bei kommunalen Einrichtungen im Internet ist zudem sorgfältig zu prüfen, ob überhaupt eine Kapazitätsauslastung geltend gemacht werden kann[67].

Eine Vergabepraxis, die – bei grundsätzlicher Anwendung des Prioritätsprinzips im Übrigen – den eigenen städtischen Nutzungsinteressen generell gegenüber denen Dritter den Vorrang zubilligt, indem sie noch nachträgliche Eigenreservierungen erlaubt, lässt den Grundsatz gleicher Zugangsberechtigung zu einer öffentlichen Einrichtung außer Acht[68]. Bei rechtswidriger Vergabepraxis drohen ggf Amtshaftungsansprüche.

In Fällen der Kapazitätserschöpfung ist ein nicht berücksichtigter Bewerber, der im Rahmen einer „Konkurrentenverdrängungsklage“ den einem Mitbewerber zugesprochenen Standplatz erstreiten will nach der Rechtsprechung gehalten, neben dem Verpflichtungsantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine (Dritt-) Anfechtungsklage gegen dessen Zulassung zu erheben und deren vorläufige Suspendierung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen, weil sein Begehren sonst mangels verfügbarer Kapazität regelmäßig keinen Erfolg haben kann.[69]

263

Des Weiteren ist die Einhaltung des Widmungszwecks (o. Rn 238) zu gewährleisten; der Gemeinde ist es dabei aber versagt, den grundsätzlichen Zugangsanspruch durch übermäßige Einschränkungen zu behindern.

Sind bei einer Benutzung der kommunalen Einrichtung auf Grund konkreter Anhaltspunkte Schäden zu erwarten, so darf die Zulassung grundsätzlich davon abhängig gemacht werden, dass der betreffende Veranstalter die Haftung in angemessener Höhe durch Kaution absichert bzw einen Versicherungsnachweis erbringt[70].

Andererseits kann die Gemeinde angesichts ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht verpflichtet werden, sehenden Auges die Begehung von oder Beihilfe zu Straftaten bzw die Aufforderung zu solchen während der Nutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu dulden[71].

Beispiele:

Einüben des sog. „Schotterns“ bei einer Anti-Atomkraft-Veranstaltung; Aufforderung auf einer Parteiveranstaltung, illegale Downloads auf bestimmten Internetseiten vorzunehmen.

Die bloße Behauptung, eine Partei sei verfassungswidrig, genügt indessen nicht, um ihr den Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu verwehren[72]. Solange das BVerfG eine Partei nicht für verfassungswidrig erklärt hat, lässt sich ihr Ausschluss vom Zulassungsanspruch auch nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 GG rechtfertigen, weil danach nur der Ausschluss „von staatlicher Finanzierung“ erfasst ist.[73]

264

Die Gemeinde ist verpflichtet, über einen geltend gemachten Zulassungsanspruch selbst zu entscheiden; sie darf diese Entscheidung schon aus rechtsstaatlichen Erwägungen und Gründen der persönlichen demokratischen Legitimation (dazu bereits oben Rn 81) nicht einem privaten Dritten überlassen[74].

Negativ Beispiel:

Zulassung von Schaustellern zu einem kommunalen Volksfest durch den örtlichen Schaustellerverband[75].

Teil I Kommunalrecht › § 7 Kommunale öffentliche Einrichtungen und ihre Benutzung › VI. Öffentliche Einrichtungen in privatrechtlicher Form

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Umfang:
1469 S. 16 Illustrationen
ISBN:
9783811453593
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