Buch lesen: «Wünsch dich in Wunder-Weihnachtsland Band 11», Seite 5

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Weihnachtsstimmung

Jingle bells, jingle bells ... Die Melodie höre ich heute zum dreiundzwanzigsten Mal, doch ich summe noch immer gut gelaunt mit. Etwas anderes bleibt mir eigentlich auch nicht übrig, wenn ich nicht die nächsten drei Wochen griesgrämig sein will.

Ich freue mich auf Weihnachten, ehrlich, aber ein paar neue Lieder dürfte sich die Welt schon ausdenken. Im Grunde wird jedes Jahr das Gleiche gespielt. Überhaupt ist es doch sowieso jedes Jahr das Gleiche. Rote und goldene Kugeln an dem riesigen Baum in der Vorhalle, Lichterketten, die die Schaufenster verzieren, und immer die gleichen Lieder.

Aber ich sollte mich nicht beschweren, eigentlich mag ich das alles ja und eigentlich freue ich mich auch darauf, dass alles – oder zumindest fast alles – beim Alten bleibt. Die Menschen, die in Massen zum Einkaufen strömen und auf uns herumtrampeln, sind so viele, dass ich kaum sagen kann, wer im Vorjahr schon auf mir stand.

Das klingt seltsam, Verzeihung, ich hätte mich vorstellen sollen, wie unhöflich von mir. Mein Name ist FIX-7028-cf-49ZK, aber meine Freunde nennen mich einfach nur Fix.

Mein Beruf? Rolltreppe im Einkaufszentrum.

Was meinst du? Ja, natürlich kann ich reden. Können wir alle, ihr seid nur zu geschäftig, um uns zu hören.

Autsch! Ich fühle mich ja geschmeichelt, wenn Kinder mich mögen, aber müssen sie immer auf meinen Stufen herumspringen? Ich weiß, ich sollte mich nicht beklagen.

Warte mal, ich will kurz schauen, was die Dame da in ihrer Tüte hat. Nachts im Museum, von dem Film habe ich gehört, der soll gut sein.

Pff, Anfänger. Du müsstest mal erleben, was hier nachts abgeht, vor allem an Heiligabend. Es gibt immer Neue zu begrüßen, Sänger, Tänzer ...

Heute Abend haben wir Sänger ein Treffen. Psst, ich verrate dir ein Geheimnis. Meine Freunde wissen es noch nicht, aber ich werde das diesjährige Solo singen! Ich freu mich so! Auch wenn ich eigentlich etwas schüchtern bin. Aber Cory – die rote Kugel, die da an dem Zweig hängt, ja, genau die – meinte, ich solle es doch mal versuchen.

Ach, du musst weiter? Na ja, dann mach’s gut. Ich wünsch dir viel Erfolg bei der Geschenkesuche!

Weihnachtsfreude überall, tralala ...

Jerusha Präpst

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Snowbert büxt aus!

„So ein schöner Schneemann ist das geworden“, sagte Mama zu Sven. „Das haben wir toll hingekriegt.“

Sven nickte eifrig mit dem Kopf, wobei sich der Bommel seiner Zipfelmütze wild hin und her bewegte. Er hatte ganz rote Backen, seine Fäustlinge waren nass und außen ganz weiß vom gefrorenen Schnee, der sich in der Wolle festhielt. Voll Freude betrachtete Sven das Kunstwerk.

Eine ganz große, eine mittlere und eine kleine Kugel hatten sie übereinandergesetzt. Das war Schwerarbeit gewesen. Am Bauch glänzten fünf schwarze Kohlesteine, am Kopf hatte Mama eine alte Skimütze festgemacht. Auch die Augen waren Kohlestücke und die Nase eine lange Karotte.

„Mama, kann der Schneemann weglaufen?“, fragte Sven, weil er seinen Schneemann ja gerne länger hätte.

Mama nahm ihren Sohn in die Arme und verneinte lachend. „Kann er nicht, er hat ja keine Beine.“

Da war Sven zufrieden.

Gerade wollte er ins Haus laufen, da fiel ihm ein, dass er dem Schneemann unbedingt einen Namen geben musste. Jetzt dachte er nach, wie sollte er ihn nennen, wenn er morgen nach dem Frühstück in den Garten laufen würde? Hm, er überlegte hin und her.

„Was hast du Sven?“, fragte Mama etwas besorgt.

„Ich möchte dem Schneemann einen Namen geben, aber welchen?“, antwortete Sven mit einem tiefen Seufzer.

Hans, Ben oder vielleicht Dagobert? Da hatte er eine Idee. Sein Lieblingsonkel hieß Herbert, deshalb würde er den Schneemann Snowbert nennen! Das gefiel ihm.

So lief Sven täglich gleich nach der Schule raus in den Garten und begrüßte seinen Freund. „Hallo Snowbert, wie geht es dir heute?“ Dann strich er ihm mit seinen Fäustlingen über die Rundungen, füllte Schnee nach, wo etwas weggebrochen war, und erzählte ihm, was er so alles erlebt hatte.

Eine Woche vor Weihnachten bekam Sven eine starke Erkältung mit Husten und Schnupfen. Er musste das Bett hüten. Am dritten Tag seiner Krankheit stand er auf und ging zum Fenster, um Snowbert zuzuwinken.

Als er in den Garten blickte, entfuhr ihm ein heiseres Krächzen und seine Augen wurden starr. „Mama, Mama, Snowbert ist weg!“, rief er aufgeregt.

Noch mal schrie er nach seiner Mama, die völlig außer Atem zu ihm lief, nachdem sie im Keller die Wäsche geholt hatte. „Was ist passiert, geht’s dir nicht gut?“ Ängstlich strich sie ihm über den Kopf.

Sven schüttelte den Kopf. „Nein, Mama, schau in den Garten, Snowbert ist nicht mehr da!“ Eine Träne lief ihm über seine noch immer gerötete Wange.

Mama sah durch das Fenster und tatsächlich, der Schneemann war verschwunden. „Das kann es doch gar nicht geben“, dachte sie, „hat den jemand gestohlen?“

Am Boden erkannte man noch den kreisrunden Abdruck. Wo war Snowbert nur hingekommen?

Letzte Nacht war es passiert. Der Schneekönig flog über das Land und hatte eine riesige Menge Schneeflocken mitgebracht. Im Garten von Sven sah er den schönen Schneemann, der etwas traurig aussah. Er blieb vor ihm stehen und hauchte ihm mit seinem eisigen Atem Leben ein. Dann erzählte ihm der Schneemann von dem Jungen, seinen Geschichten und dass er täglich zu ihm gekommen sei. Aber jetzt wäre er schon drei Tage nicht mehr da gewesen. Snowbert war langweilig und wollte weg. Da er aber keine Füße hatte, wusste er nicht, wie. Der Schneekönig zauberte ihm Füße und flog dann weiter.

Snowbert sah an seinem dicken Bauch hinunter und plötzlich spürte er ein komisches Kribbeln, so als würde sich bei ihm etwas teilen. Ui, das waren Füße! Und als er diese zu bewegen begann, stand er auch schon beim Gartentor. Das öffnete er und lief sogleich die Straße entlang, vorbei an den Häusern.

Aber dann gab es keine Häuser mehr, sondern ... ja, was war das? Dunkle, hohe Gestalten voll Schnee! Man konnte dazwischen durchlaufen. Vorsichtig näherte sich Snowbert diesen bedrohlich wirkenden Riesen. Er wusste nicht, dass es alte Tannenbäume waren. Mit ängstlichen Blicken rannte er durch dicke Schneehaufen.

Am Ende des Waldes stand er vor einem breiten Fluss. Das Mondlicht schimmerte auf der gefrorenen Wasserfläche und Snowbert betrachtete die glitzernde Fläche mit großen Augen. Langsam ging er zum Ufer, und als er sein Spiegelbild im Eis erkannte, erschrak er. Wer war das? Er blickte sich um, aber da war niemand. Dann sah er wieder aufs Eis. Das war er – er selbst! Mit einem Finger berührte er behutsam die Eisfläche. Das war komisch, aber angenehm kalt. Als er mit seinen Füßen auf das Eis stieg, rutschte er sofort aus und platsch lag er auf seinem Hinterteil, das sich gefährlich verformte. Mit großer Mühe erhob er sich wieder und rutschte auf dem Eis entlang. Bald machte ihm das Riesenspaß.

Als der Morgen dämmerte, stieg Snowbert auf der anderen Seite ans Ufer und wanderte am Fluss entlang gen Süden. Es schien ein schöner Wintertag zu werden. Der Schnee knirschte unter seinen Tritten. Als Snowbert zu einem Feld kam, schien die Sonne vom Himmel. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Er spürte den Schneeschweiß überall an seinem Körper herunterlaufen. Verzweifelt suchte Snowbert Schatten oder etwas Kaltes. Mit ängstlichen Augen blickte er sich um. Ziemlich weit weg erkannte er ein Gebäude, so wie das von Sven. Da musste er hin.

Mit größter Anstrengung machte er sich auf den Weg. Hinter ihm bildete sich eine Wasserfährte und er hatte das Gefühl, immer weniger zu werden. Als Snowbert endlich den Garten des Häuschens erreicht hatte und er unter einem riesigen Baum stand, lehnte er sich völlig fertig an dessen Stamm.

Wenige Minuten später lief ein kleines Mädchen aus dem Haus auf ihn zu. „Papa, schau, da steht ein Schneemann. Hast du den gebaut?“

Der Papa kam mit dicken Pelzstiefeln aus der Holzhütte und staunte nicht schlecht. „Äh, nein, den habe ich nicht gebaut. So was, wo kommt der denn her?“

Das Mädchen beäugte den Schneemann, der völlig abgemagert dastand. „Papa, sollen wir ihn etwas aufrichten? Er sieht ziemlich mager aus“, meinte das Mädchen und zupfte seinen Papa am Ärmel.

Er sah seine Tochter an und nickte ihr aufmunternd zu. Dann pappten sie Snowbert neuen Schnee auf alle seine Kugeln und bald schon sah er wieder rund und glücklich aus.

Weil sich das Wetter täglich von seiner sonnigsten Seite zeigte und die Temperaturen weiter anstiegen, war Snowbert bald wieder in Gefahr. Das Mädchen sah den traurigen Schneemann und lief zu seinem Vater. „Papa, er stirbt! Der Schneemann stirbt. Wir müssen etwas tun.“ Voll Angst sah die Kleine ihren Vater an. Der strich ihr über den Kopf, stand dann auf, ging zum Telefon und rief seinen Kumpel Moritz an.

Wenig später fuhr der mit seinem riesigen Kühlwagen auf den Hof. Moritz holte einen großen Rodel, die beiden Männer hievten den Schneemann darauf und brachten ihn in das Innere des Lastwagens. Der war voll Eis und augenblicklich fühlte sich Snowbert wieder wie neugeboren.

Der Lkw fuhr in Richtung Norden, das Mädchen und sein Vater fuhren mit. Er fuhr über die Brücke des Flusses, durch den dunklen Tannenwald bis zum Dorf. Da blieb Moritz mit dem Lkw stehen und Snowbert war wieder zu Hause.

Dankbar winkte er dem Mädchen nach. Bald fand er auch die Straße, wo das Haus von Sven stand. Glücklich stellte er sich auf seinen alten Platz im Garten und schlief selig ein.

Sven war inzwischen wieder völlig gesund, aber sehr traurig, dass sein Snowbert weg war. Als er am Samstag nach dem Frühstück in den Garten lief, sah er plötzlich den Schneemann wieder. Überrascht und überglücklich umarmte er ihn. „Ach, Snowbert, wo bist du nur gewesen? Ich habe dich so vermisst.“

Jetzt konnte er wieder täglich im Garten mit ihm spielen. Snowbert war zufrieden. Und manchmal glaubte Sven, dass ihm sein eisiger Freund mit einem Auge zuzwinkerte.

Gabriele Grausgruber, geboren 1957, verheiratet, wohnhaft in Gurten/Oberösterreich, Schriftstellerin. Kinderbücher, Gedichte und Kurzgeschichten in Hochdeutsch wie auch in Mundart.

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Die Weihnachtselfe

Sabrina war eine Elfe. Sie war in der Menschenwelt groß geworden und wollte nun ihre Aufgabe als Weihnachtselfe wahrnehmen. Denn jeder Elf und jede Elfe sollte sich auf den Weg zum Weihnachtsmann machen, um ihm zu helfen.

Der Weg war weit, aber sie war frohen Mutes. Er führte sie über Berge, Täler und Wälder. Sowie durch Städte und Dörfer. Schritt für Schritt, immer ein Auge auf die Uhr gerichtet, denn bald würde die Pforte geschlossen sein. Diese musste sie erreichen. Wenn sie das nicht schaffte, durfte sie dem Weihnachtsmann nicht helfen und würde zu einem Menschen werden.

Sabrina war gut in der Zeit, hatte schon das Schneereich erreicht, das in der Nähe des Durchgangs lag, als sie das Wimmern eines Babys hörte. Sie sah sich um und folgte dem Geräusch.

Sie fand das Kind hinter einem Baum, in Decken eingepackt. Niemand sonst war hier, niemand reagierte auf Sabrinas Rufe. Es führten keine Spuren im Schnee zu dem Kind, nur ihre eigenen waren deutlich zu sehen.

„Wie lange liegst du denn schon hier?“, fragte sie leise und hob das Baby hoch. „Was mache ich jetzt nur mit dir?“ Ihr Blick wanderte in Richtung des kleinen Dorfes, das sie vor ein paar Stunden hinter sich gelassen hatte. Sie sah auf die Uhr und machte sich auf den Weg.

Am Abend erreichte sie endlich das Dorf, aber dort war niemand. „Hallo?“, rief sie immer wieder. Inzwischen war das Baby in ihren Armen eingeschlafen.

Sabrina betrat ein Gasthaus. Hier rief sie wieder laut: „Hallo?“, aber als Antwort erhielt sie nichts als Stille.

Sie ging in die Küche und machte dem Baby Milch warm. Dann schürte sie das Feuer. Sie packte das kleine Bündel aus und machte ihm eine frische Windel. Zu ihrem Glück fand sie hier genug Tücher. Nachdem sie dem Kind die Flasche gegeben und es pappsatt gerülpst hatte, wickelte Sabrina es wieder ein. Ein Blick auf ihre Uhr ließ sie traurig seufzen, selbst wenn sie sofort losginge, würde sie nicht mehr rechtzeitig ankommen. Außerdem konnte sie schlecht das Kleine hier alleine lassen. Das brächte sie nicht über ihr Elfenherz. So blieb sie und spielte mit dem Baby.

Stunden verstrichen, bis plötzlich die Tür aufging. Mehrere Leute, dick eingepackt, kamen in den beheizten Raum.

„Nils!“, rief eine Frau erleichtert aus. Sofort streckte das Baby seine Hände nach ihr aus.

„Ich habe ihn im Wald gefunden.“ Sabrina war glücklich und traurig zugleich.

„Wie können wir Ihnen danken?“, fragte ein Mann.

„Dass Sie glücklich sind, ist alles, was ich brauche“, antwortete Sabrina und ging zur Tür. „Passen Sie auf ihn auf.“

Der Mann und die Frau drückten die Elfe, während beide vor Freude weinten.

Sabrina rannte los, so schnell war sie noch nie gelaufen. Sie sah die schimmernde Barriere, die immer kleiner wurde. Doch sie schaffte es nicht, traurig hämmerte sie dagegen. Tränen liefen ihr über die Wange.

„Warum weinst du?“, fragte ein Mann.

„Ich habe es nicht geschafft.“

„Aber du hast den Eltern ihr Kind zurückgebracht, es beschützt und aufgepasst, bis es vollkommen in Sicherheit war. Ist das nichts wert?“

„Sehr viel sogar, aber es war meine Aufgabe hierherzukommen und ...“ Es tat ihr weh, darum konnte sie nicht weiterreden.

„Aber ist nicht das, was du getan hast, deine Aufgabe?“ Sabrina hob überrascht ihren Kopf und erblickte den Weihnachtsmann. „Du hast mir geholfen, ein Weihnachtswunder zu ermöglichen.“

„Aber ich habe es nicht rechtzeitig geschafft.“

„Du hast deine eigenen Ziele für jemand anderen zurückgestellt, du brauchtest es nicht mehr zu schaffen.“ Der Weihnachtsmann streckte seine Hand aus und Zauberstaub bedeckte die Elfe. „Willkommen im Weihnachtsland.“

Wieder weinte Sabrina, aber dieses Mal vor Freude, sie streckte ihre Hand aus und konnte das Portal durchschreiten.

Und wenn du gut aufpasst, siehst du sie vielleicht in der Adventszeit, wie sie zu dir kommt und nach dir sieht. Also, sei immer schön brav, du weißt nie, wann du beobachtet wirst.

Luna Day wurde 1982 in Wertigen geboren und wuchs in Augsburg auf, wo sie immer noch lebt, mit ihrem Mann und ihren Zwei Kindern. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie durch Harry Potter und Roll-Play-Games schreiben in Foren. Sie tippt Kindergeschichten, aber auch Fantasy- und Liebesgeschichten. Hofft darauf, ihren ersten Fantayroman bald zu veröffentlichen.

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Der Weihnachtsmann

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,

wenn Kirchturmglocken so früh schon läuten?

Ich las es im Spiegel – oder war es im Stern? –,

dass Weihnachten ist gar nicht mehr so fern.

Da sitzt man im trauten Familienkreis,

erst gibtʼs Pastete, danach meistens Eis.

Dann wird ungewollt mehrstimmig gesungen manch Lied,

undʼs Kind, das die Geschenke unterm Tannenbaum sieht,

es schreit: „Ich will die Geschenke jetzt endlich sehʼn!“

Und ehe sich die Eltern noch versehʼn,

ist es um die Geschenke schon geschehʼn.

Ausgepackt sind sie so schnell wie der Wind

von dem vorlauten, ungeduldigen Kind.

Aber, aber, aber heute

seh ich nur erwachsene Leute.

Nur einer ist zum Kind mutiert

und bekennt es hier ganz ungeniert.

Ich binʼs, der liebe Weihnachtsmann,

der immer Geschenke brachte und nie welche bekam.

Ich schaue mich um – etwas verstohlen –,

will Geschenke heute nicht bringen, sondern holen.

Habt ihr jemals an mich,

den Weihnachtsmann, gedacht,

der nie was bekommen hat,

der immer nur hat was gebracht?

Ich habe ertragen euer furchtbares Singen,

euer Süßer die Glocken, die erklingen,

hatte schwer zu tragen an meinem Sack voller Geschenke,

kaputt davon sind inzwischen meine Gelenke.

So, nun packt die Geschenke auf meinen Wagen,

dann werd ich auch nie mehr kommen und klagen.

Aber eines will und muss ich noch sagen:

Es klingt vielleicht ein bisschen verrückt,

aber die Agenten von der Agentur für Arbeit

haben mich nicht geschickt.

Ich bin ein Weihnachtsmann mit viel Herz,

muss noch nicht leben von Hartz vier,

das ist kein Scherz.

Ich bin vermummt und autonom,

von Ratzinger, also dem Papst, bin ich der Sohn.

Ich soll sammeln Geschenke und die Kollekte

für die katholische Weihnachtsmännersekte.

So, nun verlasse ich dieses Haus

und geh zu meinem Freund, dem Nikolaus.

Christian Müller ist 66 Jahre alt und pensioniert. Davor war er einige Jahre als Rechtsanwalt, als Familienrichter sowie fast 30 Jahre lang als Professor an einer Fachhochschule für Soziale Arbeit tätig. Während seines Berufslebens hat er mehrere Fachbücher sowie zahlreiche Fachaufsätze geschrieben. Nach seiner Pensionierung veröffentlichte er einen Roman mit dem Titel „Wir schaffen das, aber nicht jeder ist Wir“. Zudem tritt er seit über 30 Jahren gelegentlich auf Kleinkunstbühnen auf.

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Das arme Christkind

Man schrieb das Jahr 1945, in dem am 8. Mai endlich der schreckliche Krieg mit Millionen von Toten vorbei war.

Aber damit war noch lange nicht das Leid der Überlebenden vorbei, vielmehr fing es nun erst richtig an, da die Häuser und Wohnungen fast alle zerstört waren, wiederaufgebaut und renoviert werden mussten und Lebensmittel Mangelware waren.

Zu dieser Zeit lebte Mäxchen, fünf Jahre alt, mit Mama und Oma in zwei Zimmern, vielmehr Zimmerchen, denn ihre schöne große Wohnung hatte eine Bombe getroffen und alles war verbrannt, auch sein geliebter Bär. So hatte man sie in das Haus von Herrn Friedlich eingewiesen, dem es aber gar nicht passte, dass er Mäxchen, Mama und Oma hatte aufnehmen müssen, obwohl er so viele Zimmer und ein so tolles Anwesen hatte.

Er hieß zwar Herr Friedlich, war es aber nicht, denn er hatte immer etwas an Mäxchen auszusetzen. Mal war der Kleine zu laut, mal lief er zu schnell die Treppe hinunter, aber am meisten ärgerte ihn, wenn er Mäxchen dabei erwischte, wie dieser am Treppengeländer hinunterrutschte, um schneller unten zu sein. Dann schimpfte er wie ein Rohrspatz.

Für Mäxchen aber war das Schlimmste, dass sie schon seit Monaten nichts mehr von seinem geliebten Papa gehört hatten.

Es begann die Adventszeit, alle sprachen von Weihnachten und dass das Christkind kommen und den lieben Kindern schöne Geschenke bringen würde. Ob das Christkind auch an Mäxchen denken würde? Er sollte mal Mama fragen.

„Mama, kriege ich auch was vom Christkind? Ich bin doch immer brav.“

„Mäxchen, das mit dem immer bezweifele ich zwar, aber natürlich kommt das Christkind auch zu dir, doch ich fürchte, es wird dir nicht viel bringen können, es ist dieses Jahr sehr arm.“

„Wieso ist es denn arm?“

„Weil es so viele Kinder gibt, die es beschenken muss, und sicher auch nicht weiß, wo es all die Sachen herbekommen soll, die die Kinder sich wünschen.“

„Ich wünsche mir doch nur meinen Bären zurück.“

„Ach, Mäxchen, dein Bär ist verbrannt, den kannst du nicht wiederbekommen, und ob das Christkind dir einen neuen schenken kann, das weiß ich nicht. Sei also bitte nicht allzu traurig, wenn dein Wunsch nicht in Erfüllung geht.“

Dabei war die Mutter selbst ganz traurig, da sie schon überall vergebens nach einem neuen Bären Ausschau gehalten hatte, aber es gab nichts, die Leute waren hauptsächlich damit beschäftigt, nach Lebensmitteln Ausschau zu halten, denn die Hungersnot war groß.

Was sollte sie bloß Mäxchen zu Weihnachten schenken?

Aber da hatte die Oma eine Idee. „Hör mal, was hältst du davon, wenn ich ihm eine Puppe aus Lappen mache? Ich brauche dafür nur ein paar Stoffreste, die werden wir doch wohl auftreiben können. Du weißt ja, ich bin sehr geschickt, was Handarbeiten angeht, ich glaube, das kriege ich hin.“

Und tatsächlich zauberte die Oma eine wunderschöne Puppe aus bunten Stofflappen, die zu beschaffen allerdings nicht so ganz einfach gewesen war. So konnten Mutter und Oma getrost dem Fest entgegensehen.

Es kam der Heilige Abend, die Mutter hatte auch einen kleinen Tannenbaum mit richtigen Kerzen organisiert, und als alles schön geschmückt war, sah das bescheidene Zimmerchen wirklich gemütlich aus. Und unter dem Bäumchen lag die Lappenpuppe.

Mäxchen staunte nicht schlecht, als er ins Zimmer kam und den Baum sah, die Puppe fiel ihm gar nicht auf, denn in dem Moment klopfte es an der Tür.

„Das ist bestimmt das Christkind“, rief er aus und riss die Zimmertür auf.

Nein, es war nicht das Christkind, aber es war der Papa, den man aus der Gefangenschaft entlassen hatte.

Was war das für ein schönes Weihnachtsfest!

Und Mäxchen verkündete strahlend: „Ich habe zwar keinen Bären bekommen, aber dafür ist mein Papa wieder da, das ist viel, viel besser.“

Aber auch die Lappenpuppe gefiel ihm, er fand sie wunderschön und meinte zu seiner Mutter: „Du hast gesagt, dieses Jahr wäre das Christkind arm, aber nein, es ist nicht arm, es ist ganz reich, denn es hat mir nicht nur die tolle Puppe geschenkt, es hat mir auch meinen lieben Papa zurückgebracht.“

Renate Hemsen wurde 1940 in Köln geboren und lebt auch heute noch dort. Reisen, Lesen und Schreiben sind ihre Hobbys und so wurden ihre Beiträge auch schon in zahlreichen Anthologien veröffentlicht.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
302 S. 4 Illustrationen
ISBN:
9783960743347
Rechteinhaber:
Bookwire
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