Buch lesen: «Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich», Seite 7

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2.3.2 Finnland

Grundstruktur

Finnland verfügt über ein Gesundheitssystem, das auf zwei Säulen basiert: Neben dem öffentlichen Gesundheitsdienst, der der gesamten Bevölkerung zur Verfügung steht und für die Bereitstellung der Primär- und Sekundärversorgung zuständig ist, gibt es auch eine nationale Krankenversicherung. Sie stellt ebenfalls Gesundheitsleistungen sowie Geldleistungen bei Krankheit bereit. Diese Struktur bringt es mit sich, dass sich das finnische Gesundheitssystem auf vielfältige Finanzierungsquellen stützt (s.u.).

Seit den 1990ern ist das finnische Gesundheitssystem in hohem Maße dezentralisiert: Nicht der Nationalstaat sondern die Kommunen sind für die Bereitstellung und auch die (Teil-)Finanzierung der Gesundheitsleistungen zuständig. Dabei gab es in den letzten Jahren wiederholt politische Versuche, die zentralstaatliche Ebene zu stärken bzw. die für die Leistungserbringung zuständigen Einheiten – ähnlich wie in Dänemark – zu vergrößern. Mehr als eine moderate Reduzierung der Kommunen um ein Viertel auf rd. 300 konnte dabei allerdings bisher nicht erreicht werden. Zuletzt ist die finnische Regierung 2019 daran gescheitert, Leistungen der Primär- und der Sekundärversorgung sowie soziale Dienstleistungen unter dem Dach einer neuen, regionalen Gesundheitsbehörde zu integrieren. So bleibt es vorerst dabei, dass die gesundheitspolitischen Aktivitäten des Nationalstaats grundsätzlich begrenzt sind und die finnischen Kommunen einen hohen Grad an gesundheitspolitischer Autonomie besitzen.

Finanzierung

Von den vier skandinavischen Ländern ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Finnland am geringsten. Mit 9,2 Prozent (2017) liegt der Wert etwas unter dem EU-Durchschnitt (9,8 Prozent) und leicht über dem Durchschnitt aller OECD-Staaten (8,8 Prozent). Die kaufkraftbereinigten Gesundheitsausgaben pro Kopf liegen in Finnland mit knapp 4.127 US-Dollar nahe am Durchschnitt aller EU-Staaten. Das jährliche Wachstum der Pro-Kopf-Ausgaben in den vergangenen 10 Jahren liegt mit einem Plus von 3,1 Prozent im unteren Mittelfeld der hier betrachteten Länder.

Das finnische Gesundheitswesen wird überwiegend öffentlich finanziert: Im Jahr 2017 wurden ca. 76 Prozent der Gesundheitsausgaben aus öffentlichen Mitteln getragen. Dieser Wert liegt leicht über dem Schnitt aller OECD-Staaten (73 Prozent), aber unter dem Anteil der drei anderen skandinavischen Staaten. Von der Summe der öffentlichen Ausgaben werden rund 35 Prozent durch die Kommunen, rund 26 Prozent durch den Zentralstaat und rd. 13 Prozent durch die die nationale Krankenversicherung aufgebracht.

Die Finanzierung des kommunalen Gesundheitsdienstes erfolgt aus dem Steueraufkommen des Zentralstaates und der Kommunen. Da den Kommunen die Schlüsselrolle in der finnischen Gesundheitsversorgung zukommt, erhalten sie für ihre diesbezüglichen Aufgaben Zuweisungen der nationalen Ebene. Diese orientieren sich am Versorgungsbedarf der betreffenden Kommune bzw. des jeweiligen Krankenhausbezirks (d.h. an der demografischen Struktur, der Morbiditätsstruktur bzw. der Arbeitslosenquote etc.) – sowie an der Finanzkraft der Kommune. Daher gibt es in Bezug auf die tatsächliche Höhe des Staatszuschusses eine sehr große Varianz zwischen den einzelnen Kommunen.

Die nationale Krankenversicherung wird über einkommensabhängige Beiträge finanziert: Arbeitnehmer, Selbstständige und Rentner führen zwischen 1,5 und 1,7 Prozent ihres Einkommens an die finnische Sozialversicherungsanstalt (KELA) ab. Die Arbeitgeber 2,12 Prozent des Bruttolohns. Ferner erhält die nationale Krankenversicherung einen Steuerzuschuss i.H.v. 40 Prozent ihres Gesamtbudgets.

Jenseits der öffentlichen Quellen tragen die privaten Haushalte einen Anteil von rund 20 Prozent und die private Krankenversicherung etwas mehr als 2 Prozent der Gesamtausgaben. Dabei machen Zuzahlungen einen nicht unerheblichen Anteil an der Finanzierung der finnischen Gesundheitsausgaben aus. So sind beim Besuch eines Arztes des kommunalen Gesundheitszentrums jeweils 20,50 Euro zu bezahlen, jedoch maximal drei Mal im Jahr. Alternativ können einmalig 41 Euro für das gesamte Jahr vorab entrichtet werden. Wird die Notfallambulanz eines Gesundheitszentrums aufgesucht, fallen wochentags zwischen 20 und 8 Uhr bzw. an Samstagen sowie Sonnund Feiertagen 41 Euro Praxisgebühr an. Für fachärztliche Untersuchungen sind ebenfalls 41 Euro zu entrichten, für zahnmedizinische Untersuchungen werden zwischen 10 und 20 Euro plus Sachkosten fällig. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind von Zuzahlungen bei der Konsultation eines Gesundheitszentrums befreit. Für ambulante Behandlungen im Krankenhaus fallen bis zu 135 Euro Zuzahlungen an. Bei stationärer Behandlung sind pro Tag 49 Euro zu entrichten. Insgesamt dürfen die Zuzahlungen für sämtliche Leistungen des kommunalen Gesundheitsdienstes einen Betrag in Höhe von 638 Euro im Jahr nicht überschreiten (die Zuzahlungen für Arzneimittel und das Krankenhaustagegeld bleiben dabei allerdings unberücksichtigt). Fallen in diesem Zeitraum höhere Kosten an, trägt diese die jeweilige Kommune. Die Kosten von Arzneimitteln werden nicht vom öffentlichen Gesundheitsdienst der Kommunen, sondern von der nationalen Krankenversicherung teilfinanziert. Im Regelfall erstattet die Krankenversicherung 40 Prozent der Kosten erstattungsfähiger, ärztlich verordneter Medikamente. Bei schweren oder chronischen Erkrankungen werden für bestimmte Medikamente höhere Anteile (65 bis 100 Prozent) übernommen. Die Höhe der Selbstbeteiligung für Arzneimittel ist auf 572 Euro p.a. limitiert.

Leistungen

Nach der finnischen Verfassung ist der Staat verpflichtet, adäquate Gesundheitsdienstleistungen für alle Bürger sicherzustellen. In Finnland gibt es allerdings keinen definierten Leistungskatalog. Die Grundversorgung durch den kommunalen Gesundheitsdienst umfasst alle allgemein- und fachärztlichen, ambulanten, stationären und teilstationären Behandlungen, sowie Leistungen der Rehabilitation und der allgemeinen Prävention. Allerdings haben die Kommunen weitreichende Autonomie bei der Ausgestaltung der angebotenen Leistungen – was durchaus zu regionalen Unterschieden in der Leistungserbringung führt.

Die obligatorische nationale Krankenversicherung finanziert das Krankenund Mutterschaftsgeld sowie Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Außerdem übernimmt sie zum Teil die Kosten von Medikamenten (s.o.), Krankentransporten und der privatärztlichen Behandlung und trägt die Kosten der beruflichen Rehabilitation. Die nationale Krankenversicherung tritt somit insbesondere dort ein, wo der öffentliche Gesundheitsdienst Lücken oder Defizite aufweist. 2017 kam die nationale Krankenversicherung für rund 40 Prozent der gesamten Arzneimittelkosten, rund 16 Prozent aller privaten ärztlichen Leistungen sowie für 90 Prozent der Transportkosten auf.

Von beiden Systemen nicht finanziert werden dabei Sehtests und Brillen, Alternativmedizin sowie die zahnärztliche Versorgung.

Organisation der Versorgung

Die hausärztliche Versorgung im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes wird durch die kommunalen Gesundheitszentren erbracht, in denen die Ärzte als Angestellte beschäftigt sind. Diese kommunalen Gesundheitszentren bilden den Kern der finnischen Primärversorgung; ihre Entstehung geht bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Im Jahr 2016 gab es in den 300 finnischen Gemeinden 350 Gesundheitszentren. Zu ihren Aufgaben gehört nicht nur die allgemeinmedizinische Versorgung, sondern auch Prävention und Gesundheitsförderung sowie Beratung bei der Familienplanung, psycho-soziale Unterstützung etc. In diesen Zentren arbeiten neben Ärztinnen und Ärzten auch Pflegekräfte. Diese führen bei den Patientinnen und Patienten einen Vorabcheck durch und entscheiden dann, ob anschließend ein Arzt zu konsultieren ist. Die Zenten sind grundsätzlich personell und technisch gut ausgestattet, 226 Gesundheitszentren verfügen sogar über eine angeschlossene teilstationäre Einrichtung. Alle Gesundheitszentren bieten einen ärztlichen Notdienst außerhalb der regulären Sprechzeiten an.

Eine freie Arztwahl gibt es in Finnland nicht; die Patienten sind vielmehr auf die Ärzte in ihrem lokalen Zentrum angewiesen. Im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes gibt es ein Hausarztsystem, die Versicherten haben zudem nur begrenzte Möglichkeiten zur Wahl des behandelnden Arztes. Die Hausärzte fungieren als Gatekeeper: Die fachärztliche Behandlung im öffentlichen Gesundheitsdienst setzt somit eine Überweisung durch den Hausarzt voraus. Sie erfolgt in den öffentlichen Krankenhäusern. De facto gibt es allerdings einen hohen Anteil an Patienten, die diesen Gatekeeping-Prozess durch Selbsteinweisung in die Krankenhausambulanzen umgehen.

Historisch wurden die finnischen Krankenhäuser überwiegend von den Kommunen getragen – inzwischen sind die meisten Krankenhäuser in der Trägerschaft von Krankenhausbezirken – und damit von Zusammenschlüssen mehrerer Kommunen. Aktuell gibt es in Finnland 20 dieser Krankenhausbezirke. In der Regel verfügt jeder dieser Bezirke über mindestens ein Krankenhaus der Zentralversorgung. Seit 2014 haben die Patienten freie Krankenhauswahl. Mit 3,3 Krankenhausbetten je 1.000 Einwohner weist Finnland eine deutlich niedrigere Bettendichte auf als der Durchschnitt der OECD- bzw. EU-Länder (4,7 bzw. 5,0 Betten – Werte des Jahres 2017).

Die Arztdichte lag 2017 mit 3,2 Ärzten pro 1.000 Einwohner etwas unter dem EU-Durchschnitt, dafür kann Finnland seit den 2000ern auf die beste Pflegekraft-Patienten-Relation in der EU verweisen (14,3 Pflegekräfte pro 1.000 Einwohner, bei einem EU-Durchschnitt von 8,5).

Zuständige Behörden im Internet

Ministerium für soziale Angelegenheiten und Gesundheit: www.stm.fi

Sozialversicherungsbehörde: www.kela.fi

Vertiefende Literatur

Hämel, K./Schaeffer, D. 2014: Kommunale Gesundheitszentren in Finnland – Entwicklung und aktuelle Herausforderungen in der ländlichen Primärversorgung, in: Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften, Nr. 49.

Keskimäki; I. et al., 2019: Finland. Health system review. Health Systems in Transition, Copenhagen.

OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Finland: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

2.3.3 Norwegen

Grundstruktur

Norwegens Gesundheitssystem wird von einem öffentlichen Gesundheitsdienst dominiert, der auf regionaler sowie auf lokaler/kommunaler Ebene umgesetzt wird. Die Absicherung im Krankheitsfall umfasst dabei obligatorisch alle Einwohner. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist sowohl zentralstaatlich als auch kommunal organisiert. Hinsichtlich der zu Beginn des Abschnittes 2.3 erwähnten Tendenz zur Re-Zentralisierung (auch) des Gesundheitswesens in den skandinavischen Ländern war Norwegen der Vorreiter: Bereits seit dem Jahr 2002 ist der Zentralstaat für die Krankenhausversorgung verantwortlich, die von den regionalen Gesundheitsbehörden organsiert wird; die Kommunen tragen die Verantwortung u.a. für die ambulante Versorgung. Die Absicherung über private Krankenversicherungen ist in Norwegen vergleichsweise unbedeutend; weniger als fünf Prozent der Bevölkerung verfügen über eine ergänzende private Zusatzversicherung.

Finanzierung

Norwegen hatte im Jahr 2017 kaufkraftbereinigt mit umgerechnet 6.064 US-Dollar die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in der EU und nach den USA und der Schweiz die dritthöchsten aller OECD-Staaten. Auch bezogen auf das durchschnittliche jährliche Wachstum dieses Indikators über die letzten zehn Jahre liegt Norwegen mit einem Plus von 4 Prozent p.a. im europäischen Spitzenfeld. Beim Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP liegt Norwegen mit einem Wert von 10,4 Prozent ebenfalls über den Vergleichswerten der EU bzw. der OECD, allerdings im Ranking nicht ganz so weit vorne wie bei der Kennzahl „Gesundheitsausgaben pro Kopf“. Mit rund 85 Prozent hat Norwegen darüber hinaus auch den höchsten öffentlichen Finanzierungsanteil aller OECD-Staaten; dort beträgt der Anteil der öffentlichen Finanzierung im Durchschnitt rund 73 Prozent. Der privat finanzierte Anteil der gesamten Gesundheitsausgaben in Norwegen hat sich hingegen in den letzten Jahren sogar rückläufig entwickelt. Er liegt aktuell bei 15 Prozent und geht nahezu ausschließlich auf die Ausgaben privater Haushalte zurück. Die private Krankenversicherung spielt bei der Finanzierung der Gesundheitsausgaben hingegen keine substanzielle Rolle.

Die Finanzierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes erfolgt aus allgemeinen, nicht zweckgebundenen Steuermitteln des Zentralstaats und der Kommunen sowie aus dem Sozialversicherungsbeitrag. Dieser wird als Globalbeitrag für alle sozialen Sicherungssysteme erhoben, ist nicht zweckgebunden und hat damit ebenfalls steuerähnlichen Charakter. 2019 betrugen die Beitragssätze zur Nationalen Sozialversicherung 8,2 Prozent für Arbeitnehmer, 11,45 Prozent für Selbstständige und 5,1 Prozent für Rentner. Der Arbeitgeberanteil variiert regional zwischen 0 und 14,1 Prozent. Im Ergebnis werden 74 Prozent aller Gesundheitsausgaben Norwegens aus Steuern und rund 11 Prozent aus Mitteln der Sozialversicherung getragen. Das Parlament entscheidet jeweils im Dezember, wie hoch die öffentlichen Gesundheitsausgaben im Folgejahr maximal sein dürfen. Die Kommunen verfügen über ein gewisses Ausmaß an eigener Steuerhoheit und können bzw. müssen so bei unterjährig steigenden Gesundheitsausgaben entsprechend reagieren.

In Norwegen ist nur bei stationärer Versorgung keine Selbstbeteiligung fällig. Bei der Konsultation eines Hausarztes hingegen fallen umgerechnet 15 Euro an Gebühr an. Im Falle eines Facharztbesuchs sind es umgerechnet rund 34 Euro. Für die grundsätzlich verordnungsfähigen, verschreibungspflichtigen Medikamente, die auf einer Positivliste geführt werden, ist zudem eine Zuzahlung von 39 Prozent der Kosten bis zu einer Grenze von umgerechnet rund 50 Euro im Quartal erforderlich. Für alle Selbstbeteiligungen im ambulanten Bereich gilt dabei eine Jahreshöchstgrenze von 227 Euro (alle Zahlen 2020); diese Grenze der wird jährlich vom Parlament neu festgesetzt. Nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel sind üblicherweise vollständig selbst zu bezahlen – ebenso wie die zahnärztliche Versorgung für Erwachsene bis zu einer Jahreshöchstgrenze von 200 Euro. Bezieher von Mindestrenten sowie Kinder bis zum Alter von 16 Jahren sind von den meisten Zuzahlungen befreit. Ausnahmen sind zudem für Patientengruppen mit bestimmten Krankheiten (z.B. HIV) vorgesehen.

Leistungen

Auch in Norwegen gibt es keinen festgeschriebenen Leistungskatalog des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dieser bietet jedoch eine große Bandbreite an Versorgungsleistungen; sie reichen von Präventionsmaßnahmen über die ambulante und stationäre Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung bis zu Heilmitteln wie beispielweise Physiotherapie. Zahnärztliche Behandlung ist nur bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 20 Jahren Teil des Leistungskatalogs. Bei Erwachsenen hingegen wird sie nur in Ausnahmefällen finanziert. Auch Zahnersatz und Sehhilfen sind im Regelfall nicht im Leistungskatalog enthalten; begrenzte Leistungen gibt es in einigen medizinisch begründeten Ausnahmefällen.

Daneben gibt es in Norwegen auch Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft sowie bei berufsbedingten Unfällen. Diese Leistungen verantwortet und finanziert die nationale Sozialversicherung.

Organisation der Versorgung

Für die Sicherstellung und Organisation der ambulanten medizinischen Versorgung in Norwegen sind grundsätzlich die Kommunen zuständig, die im Hinblick auf diese Aufgabe eine große Gestaltungsfreiheit genießen, die zuletzt auch nochmals bekräftigt bzw. gestärkt wurde.

Im Regelfall schließen die Kommunen für die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung Verträge mit selbstständigen Allgemeinärzten ab, die in der Regel in Gemeinschaftspraxen arbeiten. Jeder Bürger soll sich für einen Hausarzt entscheiden und sich bei diesem einschreiben; er hat dabei die freie Arztwahl (allerdings höchstens zwei Mal im Jahr). Einen Zwang zur Einschreibung in dieses Hausarztsystem gibt es zwar nicht, wohl aber finanzielle Anreize, weil Personen, die nicht daran teilnehmen, höhere Zuzahlungen beim Hausarztbesuch entrichten müssen. De facto sind über 99 Prozent der Bevölkerung bei einem Hausarzt eingeschrieben. Den Hausärzten kommt die Gatekeeperfunktion zu, denn eine Übernahme der Kosten der fachärztlichen Behandlung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst erfolgt grundsätzlich nur, wenn dieser eine Überweisung durch den Hausarzt vorausgegangen ist (Ausnahme ist die Notfallambulanz). In den vergangenen Jahren gab es auch in Norwegen Bemühungen, den integrierten bzw. interdisziplinären Ansatz in der Primärversorgung zu stärken – um so insbesondere den Bedarfen von chronisch kranken und alten Menschen im Versorgungsalltag besser Rechnung tragen zu können.

Die ambulante fachärztliche Versorgung findet in Norwegen meist in den Krankenhäusern statt. Nur rund ein Viertel der gesamten ambulanten fachärztlichen Behandlungen wird von niedergelassenen Spezialisten durchgeführt, die einen Vertrag mit der jeweiligen regionalen Gesundheitsbehörde haben. In Norwegen gibt es vier dieser regionalen Verwaltungseinheiten, die direkt dem Gesundheitsministerium und damit dem Zentralstaat unterstellt sind. Bei ihnen liegt der Sicherstellungsauftrag für die stationäre/fachärztliche Versorgung. Die Krankenhäuser sind im Regelfall als öffentliche Stiftungen organisiert und rechtlich selbstständig, unterliegen aber der Aufsicht der jeweiligen regionalen Gesundheitsbehörde. Zudem gibt es auch einige wenige private bzw. gemeinnützige Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit einer der vier regionalen Gesundheitsbehörden abgeschlossen haben. Norwegische Patienten können frei zwischen den Krankenhäusern wählen. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, die norwegischen Krankenhäuser in Netzwerken zusammenzuschließen, um so mehr Kooperation in der stationären Versorgung bzw. zwischen den Häuser verschiedener Versorgungsstufen zu etablieren.

Im europäischen Vergleich fällt die Bettendichte in Norwegen – ebenso wie in den anderen skandinavischen Ländern – eher unterdurchschnittlich aus: Während es 2017 im Durchschnitt aller EU-Staaten 5,0 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner gab, waren es in Norwegen 3,6 Betten. In Bezug auf die Arztdichte und die Versorgungsdichte mit Krankenpflegepersonal liegt Norwegen jeweils weit über dem europäischen Durchschnitt; bei der Arztdichte nimmt Norwegen mit 4,7 Ärzten je 1.000 Einwohner einen OECD-Spitzenplatz ein.

Zuständige Behörden im Internet

Ministerium für Gesundheit und Pflege: www.regjeringen.no

Norwegische Gesundheitsbehörde: www.helsedirektoratet.no

Vertiefende Literatur

Morgan, D./Gmeinder, M./Wilkens, J. 2017: An OECD Analysis of Health Spending in Norway. OECD Health Working Paper. OECD Publishing, Paris.

Lindahl, A.K. 2017: The Norwegian Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington. 133–141.

OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Norway: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

Sperre Saunes, I. et al. 2020: Norway. Health system review. Health-Systems in Transition, Copenhagen.