Buch lesen: «Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich», Seite 5

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2.2.1 Italien

Grundstruktur

Bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts basierte Italiens Gesundheitswesen auf einem Sozialversicherungssystem. Der Versicherungsschutz wurde durch ca. 100 verschiedene Krankenkassen sichergestellt, die allerdings Leistungen in unterschiedlichem Umfang gewährten. Mit einer umfassenden Gesundheitsreform im Jahr 1978 wurde dies geändert: Um das große Nord-Süd-Gefälle im Versorgungsniveau zu beseitigen und ein landesweit einheitliches Leistungsangebot zu erreichen, erfolgte damals eine Umstellung auf einen zentralen staatlichen Gesundheitsdienst („Servizio Sanitario Nazionale – SSN“), der seitdem alle Einwohner Italiens erfasst. Mit mehreren Reformen Ende der 1990er-Jahre und im Jahr 2001 wurde die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung dezentralisiert. Seither sind die 19 Regionen bzw. die zwei autonomen Provinzen für die Organisation der Gesundheitsversorgung vor Ort verantwortlich und übernehmen einen Großteil der Finanzierung. Die Regionen erstellen alle drei Jahre regionale Gesundheitspläne, die u.a. vorgeben, wie die finanziellen Mittel an die lokalen Gesundheitsbehörden und Krankenhäuser verteilt werden. Die Gesundheitsversorgung vor Ort wird dann von den lokalen Gesundheitsbehörden organisiert, von denen es rd. 200 gibt und die für jeweils zwischen 50.000 und 200.000 Einwohner zuständig sind. Leistungen bei Mutterschaft und Krankengeld sind in Form einer (einheitlichen) Sozialversicherung organisiert. Dennoch hat auch der Zentralstaat weiterhin erheblichen Einfluss auf die Gesundheitspolitik: Er sorgt nicht nur für die finanzielle Ausstattung des SSN, sondern definiert auch das Basis-Leistungspaket und übt die Aufsicht über den nationalen Gesundheitsdienst aus.

Finanzierung

Mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in Höhe von 8,8 Prozent (2017) liegt Italien mehr als einen Prozentpunkt unter dem Durchschnittswert aller EU-Mitgliedstaaten. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf lagen in Italien im Jahr 2017 bei 3.376 US-Dollar und damit rd. 10 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Infolge der Finanzkrise sind die italienischen Gesundheitsausgaben pro Kopf bis 2013 gesunken und in den folgenden Jahren nur sehr moderat gestiegen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch bei der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der Pro-Kopf-Ausgaben zwischen 2007 und 2017 wider: Mit einem jährlichen Zuwachs von 1,2 Prozent liegt diese Kennzahl weit unter dem EU-Durchschnitt und ist vergleichbar mit der Entwicklung in Portugal, das ebenfalls stark von der Finanzkrise betroffen war. Der Anteil der öffentlichen Finanzierung an den gesamten Gesundheitsausgaben Italiens lag im Jahr 2017 bei rund 74 Prozent und damit nahe am Durschnitt aller OECD-Länder (73 Prozent). Obwohl das Leistungspaket des SSN breit angelegt ist, ist der durch die privaten Haushalte finanzierte Anteil der Gesundheitsausgaben in Italien mit 23 Prozent im EU-Vergleich sehr hoch. Die private Krankenversicherung spielt in Italien kaum eine Rolle; ihr Anteil an den Gesamtausgaben liegt aktuell bei nur rund 2 Prozent.

Der öffentliche Gesundheitsdienst Italiens finanziert sich zum größten Teil über nationale und regionale Steuern, zu einem Teil aber auch über Zuzahlungen der Patienten. Die Steuerfinanzierung erfolgt über eine regionale, von den Arbeitgebern zu entrichtende, bei privaten Unternehmen auf den Umsatz und bei öffentlichen Arbeitgebern auf die Lohnsumme bezogene Produktionssteuer sowie über einen regionalen Aufschlag auf die Einkommensteuer, Zuweisungen an die Regionen aus Bundessteuern und durch weitere Landes- bzw. Kommunalsteuern. Die Verteilung der Bundesmittel an die Regionen wird im nationalen Gesundheitsplan festgelegt und orientiert sich insbesondere an den Einwohnerzahlen und der Gesundheitsinfrastruktur. Zur Finanzierung des Krankengeldes der Arbeiter ist von den Arbeitgebern zusätzlich ein Beitrag von ca. 3 Prozent des Einkommens zu entrichten. Eine Beitragsbemessungsgrenze gibt es nicht.

Zuzahlungsverpflichtungen existieren für diagnostische Maßnahmen, vermeidbare Inanspruchnahme von Notfallleistungen in Krankenhäusern und vor allem für fachärztliche Behandlungen. Ohne das Vorliegen einer Überweisung müssen die Kosten hier sogar komplett privat getragen werden, ansonsten fallen für jede Facharztbehandlung Gebühren in Höhe von rd. 36 Euro an. Die Zuzahlungen für Arzneimittel machen 30 Prozent aller privat finanzierten Gesundheitsausgaben aus. Da die Regionen die Zuzahlungsregelungen und die zahlreichen Ausnahmen für bestimmte Gruppen der Bevölkerungen festlegen, sind Arzneimittelzuzahlungen nicht einheitlich geregelt. In der Regel werden die Kosten von Arzneimitteln nur in voller Höhe übernommen, wenn diese auf der nationalen Positivliste verzeichnet sind und der Behandlung sehr ernster Krankheiten dienen. Nicht verschreibungspflichtige Medikamente müssen vollständig selbst finanziert werden; ebenso Preisdifferenzen zwischen Generika und Originalprodukten. Bei Verschreibungen fallen zudem Rezeptgebühren an.

Leistungen

Alle Einwohner Italiens haben Anspruch auf Sachleistungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Auch illegale Zuwanderer haben seit 1998 Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst. Das Basis-Paket des SSN wird zentralstaatlich reguliert. Die Regionen haben die Möglichkeit, zusätzliche Leistungen anzubieten, die sie allerdings selbst finanzieren müssen. Eine Zunahme der interregionalen Patientenmobilität in den vergangenen Jahren deutet darauf hin, dass die Regionen hiervon durchaus Gebrauch machen und dass diese Option zu regionalen Ungleichheiten in der Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen führt.

Voraussetzung für die Leistungsinanspruchnahme im SSN ist die Einschreibung bei der jeweils zuständigen lokalen Gesundheitsbehörde. Die Leistungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes sind deutlich weniger umfangreich als der Leistungskatalog der deutschen GKV. So ist eine zahnärztliche Behandlung generell nicht im Leistungspaket enthalten, nur für Kinder und vulnerable Bevölkerungsgruppen. Mit Ausnahme der Lieferung von Prothesen für bestimmte Gruppen von Invaliden zählen auch Hilfsmittel sowie diverse Heilmittel nicht zum Leistungskatalog. Zudem müssen Transportoder Fahrtkosten selbst getragen werden. Das maximal sechs Monate lang gezahlte Krankengeld erhalten nur Arbeiter. Angestellte haben im Krankheitsfall Anspruch auf eine gesetzliche Lohnfortzahlung von mindestens drei Monaten. Rund 10 Prozent der Bevölkerung haben eine ergänzende private Zusatzversicherung, um die oben genannten Lücken abzudecken.

Organisation der Versorgung

Die ambulante medizinische Versorgung ist in Form eines Hausarztsystems organisiert. Die Behandlungen beim Hausarzt sind zuzahlungsfrei, wobei jede Person zunächst einen Hausarzt in ihrer Region wählen muss. Die Hausärzte arbeiten entweder in den Ambulanzen der lokalen Gesundheitsbehörden oder freiberuflich; im letzteren Fall bestehen vertragliche Vereinbarungen mit den regionalen Gesundheitsbehörden. Die Vergütung der Leistungserbringer erfolgt überwiegend in Form von Pauschalen. Der Zugang zur weitergehenden medizinischen Versorgung erfolgt durch Überweisung, wobei der Patient eine freie Facharzt- und Krankenhauswahl nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs seiner lokalen Gesundheitsbehörde hat. Auch die fachärztliche Versorgung wird von den Gesundheitsbehörden oder vertraglich gebundenen Fachärzten geleistet und findet meist in Krankenhäusern statt.

Die Krankenhausversorgung liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Regionen und lokalen Gesundheitsbehörden. Diese betreiben i.d.R. auch die Krankenhäuser. In jeder Region gibt es darüber hinaus Krankenhäuser der Maximalversorgung, die – wie die Privatkliniken – einen unabhängigen Status haben und über Verträge mit den lokalen Gesundheitsbehörden an den staatlichen Gesundheitsdienst angebunden sind. 2012 waren rund 25 Prozent der Krankenhausbetten in privater Trägerschaft. Die Zahl der Betten in italienischen Krankenhäusern liegt mit 3,2 Betten je 1.000 Einwohner deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 5,0 Betten (2017).

Im internationalen Vergleich fällt auf, dass es in Italien pro 1.000 Einwohner deutlich mehr Ärzte, aber deutlich weniger Pflegekräfte gibt als im Durchschnitt aller EU-Staaten (4,0 zu 3,6 Ärzte bzw. 5,8 zu 8,5 Pflegekräfte – Werte jeweils 2017). Insbesondere in den Krankenhäusern gibt es häufig einen Mangel an Pflegekräften.

Zuständige Behörde im Internet

Ministerium für Gesundheit: www.salute.gov.it

Vertiefende Literatur

Donatini, A. 2017: The Italian Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems, 2017. Commonwealth Fund. Washington, 97–106.

Ferré, F. et al. 2014: Italy. Health systems review. Health Systems in Transition. 2009, Copenhagen.

OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Italy: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels

2.2.2 Spanien

Grundstruktur

Spanien verfügt seit Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts über einen für die gesamte Bevölkerung zugänglichen öffentlichen Gesundheitsdienst („Sistema Nacional de Salud“, SNS). Zuvor basierte das spanische Gesundheitssystem auf einer beitragsfinanzierten Sozialversicherung, die allerdings nur etwa 80 Prozent der Bevölkerung absicherte. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist seit 2002 vollständig regionalisiert. Seit diesem Zeitpunkt liegt die Verantwortung für die Planung, die Bereitstellung und die Qualitätssicherung der Versorgung bei den 17 Regionalregierungen bzw. den 17 regionalen Gesundheitsbehörden. Diese treten gleichermaßen als Versicherungs- wie als Finanzierungsträger auf und sind für diese Aufgabe mit einer weitgehenden Finanzautonomie ausgestattet. Der interregionale Rat, dem neben dem spanischen Gesundheitsminister auch die Gesundheitsminister der 17 autonomen Regionen angehören, koordiniert, reguliert und überwacht auf zentralstaatlicher Ebene die Ergebnisse des SNS. Ferner obliegt der Zentralregierung die Rahmengesetzgebung für den SNS.

Neben dem öffentlichen Gesundheitsdienst existieren für die 2,2 Mio. Versicherten des öffentlichen Dienstes bzw. der Armee noch obligatorische, ergänzende Versorgungssysteme, die eine Reihe von Privilegien in der medizinischen Versorgung mit sich bringen.

Finanzierung

Im Jahr 2017 lag der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in Spanien bei 8,9 Prozent und somit unter dem Schnitt aller EU-Länder (9,8 Prozent) und nahezu exakt beim Durchschnitt aller OECD-Staaten. Bis 2010 war dieser Wert in Spanien noch deutlich höher. Im Zuge der Finanzkrise kam es zwischen 2009 und 2015 jedoch zu einem Rückgang der öffentlichen Gesundheitsausgaben um 12 Prozent. Auch die Gesundheitsausgaben pro Kopf liegen in Spanien mit 3.224 US-Dollar unter dem Schnitt aller EU-Staaten (rd. 4.050 US-Dollar). Die Austeriätspolitik der letzten Jahre spiegelt sich auch in dem durchschnittlichen jährlichen Wachstum der realen Gesundheitsausgaben pro Kopf zwischen 2007 und 2017 wider, dieses fällt mit einem jährlichen Plus von 1,7 Prozent im internationalen Vergleich sehr moderat aus.

Mit einem Anteil der öffentlichen Ausgaben an den Gesamtausgaben für Gesundheit in Höhe von rund 71 Prozent liegt Spanien 2017 nahe am Durchschnitt aller OECD-Staaten (73 Prozent). Direktzahlungen der privaten Haushalte finanzierten 2017 weitere 24 Prozent der Gesamtausgaben, dieser Anteil lag deutlich über dem Durchschnitt aller EU-Staaten (15,8 Prozent). Die privaten Krankenversicherungen trugen ihrerseits rd. 5 Prozent zu den Gesamtausgaben bei.

Die Finanzierung des spanischen Gesundheitswesens erfolgte bis weit in die 1980er-Jahre dominant durch Sozialversicherungsbeiträge, wird aber mittlerweile hauptsächlich (zu 95 Prozent) über allgemeine Steuern sowohl auf zentralstaatlicher als auch auf regionaler Ebene sichergestellt: Der Zentralstaat stellt den Regionen zur Erfüllung ihrer gesundheitspolitischen Aufgaben steuerfinanzierte Zuweisungen zur Verfügung, die anhand einer – am Versorgungsbedarf orientierten – Verteilungsformel für jede Region kalkuliert werden. Die Regionen finanzieren ihre Aufgaben überdies aus verschiedenen Steuern, für die sie eine eigene Erhebungshoheit haben bzw. aus ihnen zustehenden Anteilen aus dem Einkommen- und Umsatzsteueraufkommen. Eine direkte Zweckbindung der Steuereinnahmen für Gesundheitsdienste existiert nicht, aber es gibt indikatorengestützte, bedarfsorientierte Vorgaben zum Mindestumfang der Mittel, die dem Gesundheitssektor zur Verfügung gestellt werden müssen.

Krankengeld und Mutterschaftsleistungen werden über die Sozialversicherung finanziert, die darüber hinaus die Risiken Alter, Invalidität und Arbeitsunfälle absichert. Die Finanzierung erfolgt über einen Globalbeitrag auf die Löhne in Höhe von 28,3 Prozent; davon tragen die Arbeitgeber 23,6 Prozent und die Arbeitnehmer 4,7 Prozent. Diese Beitragssätze gelten bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze von 3.751 Euro im Monat (alle Werte 2019).

Die ergänzenden Versorgungssysteme des öffentlichen Dienstes werden zu rd. 85 Prozent staatlich und zu rd. 15 Prozent aus Beiträgen der Beschäftigten finanziert (diese liegen zwischen 20 und 50 Euro pro Monat). Rund ein Fünftel der spanischen Bevölkerung verfügt zudem über eine private Krankenversicherung, die einen schnelleren Zugang zur Versorgung gewährleisten soll, bzw. Leistungen versichert, die der öffentliche Gesundheitsdienst nicht – oder aus Sicht der Betroffenen – nur unzureichend bereitstellt. Das gilt insbesondere für die zahnmedizinische Versorgung, die nicht Teil des Leistungspaketes des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist.

Ambulante und stationäre Versorgung sowie Heil- und Hilfsmittel werden ohne Zuzahlungen erbracht. Dies gilt auch für verschriebene Arzneimittel, die zum Kernleistungspaket des SNS zählen. Zum Teil spürbare Zuzahlungen existieren allerdings bei Arzneimitteln, die den beiden „ergänzenden“ Leistungspaketen zuzurechnen sind (s.u.). Bei diesen fallen für Arbeitnehmer – je nach Einkommen – Zuzahlungen zwischen 40 und 60 Prozent an; ohne Belastungsgrenze. Geringere Zuzahlungsverpflichtungen gelten für Rentner: Je nach Rentenzahlbetrag liegen diese zwischen 10 und 60 Prozent des Arzneimittelpreises, hier gibt es auch Obergrenzen. Für chronisch Kranke gilt generell eine Zuzahlung von 10 Prozent bis zum Erreichen der Belastungsgrenze.

Leistungen

Der spanische Gesundheitsdienst stellt allen in den SNS eingeschlossenen Personen – d.h. 99,1 Prozent der Bevölkerung – ein relativ umfassendes Leistungspaket bereit. Dieses wird auf nationaler Ebene vom Gremium der Gesundheitsminister (s.o.) festgelegt. Es besteht aus einem Kernpaket und zwei „ergänzenden“ Leistungspaketen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit zu regionalen Erweiterungen des Leistungspakets durch die autonomen Regionen.

Geleistet wird neben der ambulanten und stationären Versorgung auch für Prävention, Gesundheitsförderung, Palliativversorgung und Rehabilitation sowie für Arzneimittel und Heil- und Hilfsmittel. Letztere unterliegen zumindest jenseits des Kernleistungspakets hohen Zuzahlungen (s.o.). Die zahnmedizinische Behandlung im einheitlichen Leistungskatalog ist nur rudimentär abgedeckt, Kuren und Psychoanalyse sind ebenso wie Zahnersatz nicht im Leistungskatalog enthalten. Krankengeld und Mutterschaftsleistungen werden für abhängig Beschäftigte über die Sozialversicherung (s.o.) gewährt.

Organisation der Versorgung

Um die o.g. Gesundheitsdienstleitungen vor Ort anbieten zu können, schließen die regionalen Gesundheitsbehörden meist Jahresverträge mit den entsprechenden öffentlichen bzw. privaten Leistungserbringern. Die finanzielle Steuerung erfolgt regelmäßig anhand von Globalbudgets, die vor allem auf die von den Leistungserbringern zu versorgende Anzahl an Patienten/Einwohnern abstellen.

Die ambulante hausärztliche Versorgung wird in Spanien im Regelfall nicht durch niedergelassene Ärzte, sondern in den lokalen, öffentlich getragenen Gesundheitszentren erbracht, in denen – neben anderen Gesundheitsberufen (z.B. Physiotherapeuten) – die Hausärzte als abhängig Beschäftigte arbeiten. In Spanien gibt es mehr als 13.000 solcher Primärversorgungszenten. Diese betreuen im Durchschnitt rund 3.500 Patientinnen und Patienten. Die Wahl des Hausarztes ist innerhalb des jeweiligen Gesundheitsgebietes frei. Den Hausärzten kommt dabei grundsätzlich die Rolle des Gatekeepers zu: Sie überweisen zur fachärztlichen Versorgung. Anschließend wird vom Patienten erwartet, dass er sich erneut zum Hausarzt begibt, damit dieser die weitere Versorgung durchführt bzw. organisiert. In der Realität umgehen allerdings viele Spanier den Hausarzt und weisen sich selbst über die Notfallambulanzen in die Krankenhäuser ein, wo die fachärztliche Versorgung dann – sowohl ambulant wie stationär – auch tatsächlich überwiegend stattfindet.

Rund 40 Prozent der spanischen Krankenhäuser befinden sich in Trägerschaft des öffentlichen Gesundheitsdienstes, alle anderen werden von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen oder privaten Unternehmen getragen. Im Regelfall sind die Krankenhäuser auch für die ambulante fachärztliche Versorgung geöffnet. Diese wird in Teilen des Landes aber auch in speziellen privaten Ambulanzkliniken erbracht, die keine Anbindung an ein Krankenhaus haben. Prinzipiell gibt es für elektive Eingriffe das Recht zur freien Krankenhauswahl; obwohl dies in der Versorgungspraxis selten in Anspruch genommen wird.

Spanien verfügt über deutlich weniger Betten je 1.000 Einwohner als der Durchschnitt der EU-Staaten (3,0 zu 5,0, Werte des Jahres 2017). Dies ist auch ein Indikator dafür, dass das spanische Gesundheitssystem trotz der jüngsten Reformbemühungen in Richtung integrierter Versorgung immer noch einen Schwerpunkt in der Primärversorgung hat.

Ähnlich wie in Italien und Griechenland ist das spanische Gesundheitssystem eher arztzentriert: Die Anzahl der Ärzte pro 1.000 Einwohner war 2017 mit 3,9 etwas höher als der EU-Schnitt, während das Verhältnis von Pflegekräften zu Einwohnern deutlich unter dem EU Durchschnitt lag (5,7 pro 1.000 Einwohner in Spanien vs. 8,5 pro 1.000 Einwohner im Schnitt der EU-Staaten).

Zuständige Behörde im Internet

Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz: www.msc.es

Vertiefende Literatur

Bernal-Delgado, E.S. et al. 2018: Spain. Health system review. Health Systems in Transition, Copenhagen.

OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Spain: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels

2.2.3 Australien

Grundstruktur

In Australien wird die Gesundheitsversorgung durch einen öffentlichen Gesundheitsdienst (Medicare) sichergestellt, der der gesamten Bevölkerung zur Verfügung steht. Die Verantwortung teilen sich die Bundesregierung und die Bundesstaaten. Der Bund steuert über seine Rahmengesetzgebung sowie über Vereinbarungen mit den Bundesstaaten. Er finanziert zudem große Teile des Gesundheitswesens, insbesondere einen Großteil der ambulanten medizinischen Versorgung, der Arzneimittelausgaben sowie einen Teil der Beiträge zu den privaten Krankenversicherungen. Die Bundesstaaten sind insbesondere für die Organisation und Finanzierung der Krankenhausversorgung zuständig und erhalten dafür Bundeszuschüsse.

Finanzierung

Mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 9,2 Prozent lag Australien im Jahr 2017 etwas über dem Durchschnitt aller OECD-Staaten (8,8 Prozent). Rund 69 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben Australiens werden öffentlich finanziert. Dieser Wert liegt knapp unter dem Durchschnittswert aller OECD-Staaten (73 Prozent). 2017 betrugen die kaufkraftbereinigten Gesundheitsausgaben pro Kopf in Australien 4.791 US-Dollar und lagen damit rd. 15 Prozent über dem OECD-Schnitt. Zwischen 2007 und 2017 belief sich das jährliche Wachstum dieser Kennzahl auf 4,1 Prozent.

Die öffentlichen Gesundheitsausgaben verteilen sich auf die Bundesregierung (43 Prozent) und die Bundesstaaten und Kommunen, die zusammen ca. 27 Prozent der Gesundheitsausgaben finanzierten. Weitere 18 Prozent der Gesamtausgaben wurden durch die privaten Haushalte, weitere 10 Prozent durch die privaten Krankenversicherungen finanziert. Von den Ausgaben der privaten Haushalte gingen rund 40 Prozent auf Arzneimittelzuzahlungen und 20 Prozent auf Ausgaben für die Zahnversorgung zurück.

Der Zentralstaat finanziert seinen Teil der Gesundheitsausgaben zum einen über das allgemeine Steuersystem, zum anderen über eine zweckgebundene Gesundheitsabgabe (Medicare Levy), die rd. 18 Prozent der Bundesausgaben für Gesundheit abdeckt. Die Gesundheitsabgabe beträgt seit 2014 i.d.R. 2 Prozent des steuerpflichtigen Einkommens. Personen mit geringem Einkommen sind von der Zahlung befreit, Besserverdienende müssen hingegen eine zusätzliche Abgabe von (einkommensabhängig) zwischen 1 und 1,5 Prozent schultern, wenn sie keine private Krankenversicherung für die Behandlung im Krankenhaus abgeschlossen haben. Die Arbeitgeber beteiligen sich nicht an der Finanzierung der Gesundheitsabgabe.

Der von den etwa 40 privaten Krankenversicherungen Australiens (meist Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit) stammende Finanzierungsanteil stagniert bei knapp 10 Prozent (2017). Private Krankenversicherungen werden abgeschlossen, um Lücken im Leistungskatalog oder Lücken zwischen den tatsächlichen Kosten und dem von Medicare getragenen Kostenanteil zu schließen oder um die Kosten der Behandlung in Privatkliniken zu finanzieren bzw. um schnelleren Zugang zu elektiven Gesundheitsdienstleistungen zu erhalten. Den privaten Krankenversicherungen ist es allerdings untersagt, mit ihren Versicherungsprodukten medizinische Leistungen niedergelassener Ärzte oder Zuzahlungen im ambulanten Bereich abzusichern. Im Jahr 2016 hatten 47 Prozent aller Australier eine private Krankenversicherung für Krankenhausbehandlungen und knapp 56 Prozent eine Police für allgemeine Behandlungen abgeschlossen. Die privaten Krankenversicherungen in Australien ähneln allerdings eher der deutschen GKV als der deutschen PKV: Die Beiträge werden nur nach dem Alter differenziert und sind ansonsten innerhalb einer Region identisch; auf dem Gesundheitszustand oder dem Geschlecht beruhende Beitragsdifferenzen gibt es nicht. Außerdem besteht für die Versicherungsunternehmen Kontrahierungszwang. Darüber hinaus gibt es zwischen den privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Risikostrukturausgleich.

Leistungen

Das staatliche Medicare-System folgt im stationären Bereich dem Sachleistungsprinzip und gewährt kostenlose Krankenhausbehandlung bzw. ambulante fachärztliche Behandlung in öffentlichen Kliniken. Bei der Behandlung in Privatkliniken werden nur 75 Prozent der Kosten übernommen. Die Kosten der Behandlung durch niedergelassene Hausärzte sind in der Regel kostenfrei. Die Behandlungskosten für Facharztbesuche werden i.d.R. zu 85 Prozent getragen; es gilt das Kostenerstattungsprinzip. Die Patienten müssen die Differenz bis zu einem bestimmten Betrag selbst übernehmen. Im Jahr 2011 lag die Grenze bei 65,20 australischen Dollar; der Wert wird jährlich fortgeschrieben. Eine Überforderungsregel stellt sicher, dass die in einem Jahr insgesamt für die ambulante Behandlung zu zahlende Selbstbeteiligung einen bestimmten Betrag nicht überschreitet; dieser wird ebenfalls jährlich fortgeschrieben.

Niedergelassene Ärzte können sich auch für das Sachleistungsprinzip in Form der Direktabrechnung mit Medicare (bulk-billing) entscheiden. Wenn sie dies tun, wird den Patienten der Zuzahlungsanteil erlassen. Fachärzte erhalten von Medicare dann 85 Prozent ihrer Kosten erstattet. Nachdem die Teilnahmequote der Hausärzte zwischenzeitlich deutlich gesunken war und die australische Regierung dies als problematisch für die hausärztliche Versorgung betrachtete, bekommen Hausärzte hingegen seit 2003 ein ungekürztes Honorar.

Auch Arzneimittel gehören zum Leistungsumfang des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Arzneimittelversorgung wird durch das sog. Pharmaceutical Benefits Scheme oder PBS organisiert. Unter anderem umfasst dieses eine regelmäßig überprüfte und aktualisierte Positivliste. Beim Kauf von Medikamenten fällt eine Zuzahlung an; diese betrug im Jahr 2016 im Regelfall 25 US-Dollar je Arzneimittel. Für Personen mit niedrigem Einkommen gibt es Nachlässe; sie zahlen nur 4 US-Dollar je Medikament. Um auch andere Patienten vor finanzieller Überforderung zu schützen, gibt es zudem eine Obergrenze für die in einem Jahr insgesamt zu entrichtenden Arzneimittelzuzahlungen in der Höhe von 958 US-Dollar, nach deren Überschreiten weitere Selbstbeteiligungen deutlich niedriger ausfallen.

Im Falle krankheitsbedingter Abwesenheit vom Arbeitsplatz wird frühestens ab dem 8. Krankheitstag ein steuerfinanziertes staatliches Krankengeld gezahlt. Voraussetzung der Inanspruchnahme ist allerdings eine Bedürftigkeitsprüfung.

In den letzten Jahren ist der Leistungsumfang des öffentlichen Gesundheitsdienstes deutlich ausgeweitet worden. So werden mittlerweile z.B. auch die Kosten häuslicher Krankenpflege und psychotherapeutischer Behandlung übernommen. Dennoch bleibt der Leistungsumfang deutlich hinter dem der deutschen GKV zurück. So werden die Kosten einer zahnärztlichen Behandlung und für Zahnersatz i.d.R. nicht getragen (Ausnahmen greifen für chronisch Kranke und Kinder); gleiches gilt für die Kosten vieler Heilmittel, für Physiotherapie, Seh- und Hörhilfen sowie für Prothesen. In einigen Fällen sind Ausnahmeregelungen für chronisch Kranke vorgesehen.

Organisation der Versorgung

In der hausärztlichen Versorgung haben Australier die freie Wahl zwischen den im staatlichen System zugelassenen Haus- und Fachärzten. Die mehrheitlich in eigener Praxis arbeitenden Hausärzte fungieren als Gatekeeper: Die Kosten der ambulanten fachärztlichen Behandlung werden von Medicare nur übernommen, wenn diese auf der Basis einer Überweisung durch den Hausarzt erfolgt ist. Die Bundesregierung fördert den Zusammenschluss von Hausärzten in lokalen Versorgungsnetzen und unterstützt die Hausärzte zudem finanziell, wenn sie z.B. Qualitätssicherung betreiben oder Präventionsleistungen anbieten. Rund 8 Prozent aller Hausärzte arbeiteten 2012 als Angestellte in gewinnorientierten Gesundheitseinrichtungen. Die meisten niedergelassenen Fachärzte bieten auch private Sprechzeiten an.

In der stationären Versorgung werden rd. zwei Drittel aller Krankenhausbetten von öffentlichen bundesstaatlichen Trägern und ein Drittel von privaten Trägern bereitgestellt. Patienten können zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern frei wählen. Letztere konzentrieren sich häufig auf chirurgische und hochtechnisierte Leistungen. Mit 3,8 Krankenhausbetten (gesamt) je 1.000 Einwohner gibt es in Australien 2017 etwas weniger Betten als im Durchschnitt aller OECD-Staaten (4,7 Betten). Alle Krankenhäuser sind für die ambulante fachärztliche Versorgung geöffnet.

Der Versorgungsgrad mit Ärzten liegt in Australien mit 3,6 Ärzten pro 1.000 Einwohner sehr nah am Durchschnitt der OECD-Länder (2017). Mit 11,3 Pflegekräften auf 1.000 Einwohner ist Australien ferner durch eine deutlich überdurchschnittliche Ausstattung mit Pflegekräften gekennzeichnet – der OECD-Durchschnitt liegt hier bei 8,8.

Zuständige Behörden im Internet

Department of Health and Ageing: www.health.gov.au

Medicare Australia: www.servicesaustralia.gov.au

Vertiefende Literatur

Glover, L. 2017: The Australian Health Care System, in: Mossialos, E. et al.: International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington, 11–19.

OECD 2015a: Health Policy Overview. Health Policy in Australia (http://www.oecd.org/australia/Health-Policy-in-Australia-December-2015.pdf).