Echnatons Wahn

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Eje trat in die Nähe des Bettes und warf sich vor Teje und vor dem Pharao, der bei ihr stand, zu Boden, wie auch alle andern dies getan hatten. Auf einen Wink des Pharaos erhob er sich. Eine kurze Weile ruhten seine Augen auf Teje. Sie wich seinem Blick nicht aus, bis Eje zurücktrat und sich zu den andern gesellte, die in der entfernten Ecke des Raumes beisammen standen und bei jedem Einsetzen der Wehen mit der Großen Königsgemahlin mitlitten.

Diesmal ging es schneller als beim kleinen Amenhotep. Als der erste Schrei des Kindes ertönte, löste sich bei den Anwesenden die Spannung in einem gedämpften Jubel auf.

Der erste königliche Arzt Neb-Amun erklärte das Kind als gesund und lebensfähig. Es war ein Sohn. Er erhielt den Namen Semenchkarê.

Giluchepa

Suppiluliuma, der junge König der Hethiter war ein ehrgeiziger Herrscher. Schon einmal hatte der Pharao dem König von Gubla, Rib-Addi, Hilfe leisten müssen. Nachdem in jener Gegend Friede und Ruhe eingekehrt war, hatte Suppiluliuma seinem „Bruder“ Amenhotep III. Freundschaft geschworen. Noch sahen der Pharao und seine Berater, Amenhotep, Sohn des Hapu, und Eje, keine Ver­anlassung, Suppiluliuma nicht zu trauen. Jedoch Tus-Ratta, der König der Churriter von Mitanni fühlte sich von der Streitmacht der Hethiter erneut be­droht und wandte sich an den Pharao.

Als die Botschaft von Mitanni eintraf, berief der Pharao eine Ministersitzung ein. Im Audienzsaal des Palastes wurden die Abge­sandten, die kostbare Geschenke mitbrachten, empfangen. Horus Neb-maat-Re Amenhotep saß im vollen Ornat auf dem Thron. Er trug über dem Nemes-Kopftuch mit der aufgerichteten Kobra die Doppelkrone, die rote Krone Unterägyptens mit der aufge­setzten weißen Krone Oberägyptens, auf dem Haupt, und am Kinn den Königsbart. Sein gefälteltes Gewand reichte bis zu den Knö­cheln, die Ärmel fielen ihm lose von den Schultern über die Ober­arme. In den Händen hielt er gekreuzt den königlichen Krummstab und den Wedel. Zu seiner Linken saß die Große Kö­nigsgemahlin. Auch sie trug ein fein gefälteltes, knöchellanges weißes Kleid mit einem breiten, farbig bestickten Halskragen. Ihr eigenes Haar hatte sie unter einer Perücke verborgen, auf der die Krone der Großen Kö­nigsgemahlin mit der Sonnenscheibe und zwei hoch aufragenden Straußenfedern ruhte, eine Krone, die vor ihr noch keine Königin getragen hatte und die ihre Teilhabe an der Macht des Pharaos un­terstreichen sollte.

Die Abgesandten schilderten die Lage und ihre Befürchtung, vom mächtigen Nachbar aus den unwirtlichen nördlichen Bergen angegriffen zu werden.

Am Abend fand ein großes Bankett zu Ehren der Abgesandten Tus-Rattas statt, zu dem weitere hohe Beamte mit ihren Frauen ge­laden wurden. Den Gesandten, Eje und dem Sohn des Hapu wurde die Ehre zuteil, am Tisch des Pharaos und der Großen Königsge­mahlin auf dem Podium Platz zu nehmen. Die übrigen Gäste saßen unten im großen Saal an kleinen Tischen. Frauen und Männer hat­ten ihre besten Gewänder angezogen. Ein betörender Duft von den im Raum zerstreuten Blumen und von den durchlöcherten Näpf­chen auf den Perücken der Damen, aus denen langsam parfümierter Wachs niedertropfte, erfüllte die Luft und vermischte sich bald einmal mit dem würzigen Geruch der Speisen, die von luftig bekleideten Dienerinnen hereingetragen wurden. Während des Es­sens wurde Musik gespielt, und später traten nackte Tänzerinnen auf.

Die Gesandten staunten über den Luxus und die Pracht. Das Dach des Saales wurde von Papyrusbündelsäulen getragen, der Bo­den bestand aus farbiger glasierter Keramik. Ihre Füße waren solch glatten Untergrund nicht gewohnt. Balancierend hatten sie sich vor­sichtig auf ihm bewegt. Das Podium, auf dem sie zusammen mit dem Königspaar saßen, trug goldene Verzierungen. Die Wände waren bemalt mit Gastmahlszenen. Ihre Blicke folgten den Regis­tern, übereinander angebrachten Bändern, auf denen ganze Ge­schichten in Bildern dargestellt waren. All das, was sie hier erleb­ten, das Auftragen der Speisen, den Verzehr von Fisch, Fleisch und Geflügel, von Gemüsen und Früchten und das Ausschenken von Wein aus kostbaren Krügen in goldene Becher, die Lautenspieler und die Tänzerinnen, fanden sie hier abgebildet wieder.

Und erst die Menschen, die hier oben auf dem Podium und unten im Saal an den Tischen aßen und sich im Gespräch unterhielten: Außer den wenigen jungen Töchtern der vornehmen Familien, de­nen noch ihre Jugendlocke über die Schulter fiel, und die Blumen in ihr Haar gesteckt hatten, trugen alle Frauen schwarze Perücken. Doch nicht nur die Frauen, auch die Männer hatten Perücken auf­gesetzt und waren geschminkt. Mit schwarzer Farbe hatten sie ihre Augen umrandet, die Lider grün bemalt, die Lippen rot und selbst die Hände geschminkt. Die Gesandten aus dem raueren Norden kamen sich ganz nackt unter den kostümierten und mit goldenen Armreifen und Ketten behangenen Ägyptern vor.

Nach dem Essen verließ der Pharao als Erster den Saal. Als nach ihm die andern aufbrachen, waren auch die Leute aus Mitanni satt, nicht nur von den köstlich mundenden Speisen, sondern auch von den Eindrücken, die durch Augen und Ohren in sie eingedrungen waren.

Am nächsten späteren Vormittag wurde ohne die Abgesandten Tus-Rattas über das Anliegen des Mitanni-Königs beraten.

Als Erster richtete der Pharao, wie es die Tradition vorschrieb, das Wort an die Versammelten:

„Wir verstehen die Befürchtungen Tus-Rattas, doch wir müssen auch unsere Interessen wahren. Wir dürfen den Frieden an unserer Nordgrenze nicht gefährden. Suppiluliuma ist stark. Es wäre falsch, den Löwen zu reizen durch unüberlegte Entsendung einer Streit­macht. Anderseits wäre es gefährlich, die Hethiter glauben zu las­sen, es wäre uns gleichgültig, was mit Mitanni geschieht. Was rätst du, Huy Amenhotep, Sohn des Hapu?“

„Du sprichst weise, Majestät“, antwortete Huy. „Den Frieden zu erhalten ist das Wichtigste. Wir können uns keinen unnötigen Krieg leisten. Doch wir müssen Suppiluliuma zu verstehen geben, dass Tus-Ratta unser Freund ist und wir ihn nicht im Stich lassen.“

„Dem pflichte ich bei“, fuhr Eje fort. „Suppiluliuma muss wis­sen, dass er nicht ungestraft einen unserer Freunde angreifen kann. Unser Heer ist stark genug, um ihn von einem solchen Schritt ab­zuhalten.“

„Männer, ihr alle habt Recht“, ergriff nun auch Teje das Wort. „Ägypten braucht den Frieden. Aber ich fürchte, dass sich Suppiluliuma nicht lange aus Furcht vor unserer Heeresmacht abschrecken lässt. Wir müssen unsere Beziehungen zu den Babyloniern und Assyrern en­ger gestalten. Erst wenn sich diese beiden Völker mit uns und mit Mitanni verbünden, wird Suppiluliuma an unsere Bereitschaft, ihn nicht gewähren zu lassen, glauben.“

„Das ist ein kluger Vorschlag, den wir unbedingt in die Tat um­setzen sollten“, wandte sich nun Huy an die Große Königsgemah­lin. „Doch gestatte mir, Majestät, die Bemerkung, dass wir dazu Zeit brauchen. Wir dürfen die Abgesandten Tus-Rattas nicht mit leeren Händen nach Hause gehen lassen. Sie sollen nicht nur mit einem Versprechen, sondern mit einem sichtbaren Zeichen heim­kehren können. Was meinst du zu diesem Vorschlag, Majestät?“, fragte er den Pharao. „Du hast einen Harem, aber du hast offiziell keine der Frauen deines Vaters als Nebenfrau übernommen. Nie­mand, auch die Priesterschaft, kann etwas dagegen sagen, wenn du den König von Mitanni bittest, dir eine seiner Töchter zur Neben­frau zu geben. Eine solche Heirat wäre das sichtbare Zeichen und würde das Bündnis zwischen Ägypten und Mitanni besiegeln, so dass auch Suppiluliuma erkennen müsste, dass es uns mit dem Ver­spre­chen, Tus-Ratta beizustehen, ernst ist.“

Hätten Tejes Blicke töten können, der Sohn des Hapu wäre auf der Stelle umgefallen und hätte sein Leben ausgehaucht. Doch erst als der Pharao seinem Vorschlag mit sichtlichem Wohlgefallen zu­stimmte, erreichte ihr Hass in ihr seinen Siedepunkt. Doch sie be­herrschte sich. Nur ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten und ihre Lippen erinnerten an den Schmollmund, der ihr als Kind eigen war, wenn sie mit sich und der Welt unzufrieden war.

Eje hatte seinen Blick der Freundin zugewandt. Er las ihr die ge­zügelte Auflehnung gegen dieses Vorhaben vom Gesicht ab. Doch gegen die allgemeine Zustimmung mochte er nichts einwenden. Es war ja nichts Ungewöhnliches, dass der Pharao sich Nebenfrauen nahm. Jeder seiner Vorfahren hatte sich einen Harem gehalten, und die eine oder andere Haremsdame war neben der Großen Königs­gemahlin zur Königin ernannt worden. Auch Teje hatte früher oder später damit rechnen müssen. Nicht zuletzt dachte er auch daran, dass sich so sein Umgang mit Teje in Zukunft etwas entspannter entwickeln könnte.

Am Nachmittag wurden die Abgesandten aus Mitanni wieder in den Audienzsaal gebeten. Wieder saß der Pharao im königlichen Ornat auf dem Thron, neben ihm die Große Königsgemahlin.

Der Pharao verkündete den Beschluss und bat die Gesandten, seinem Bruder, dem König von Mitanni, den Wunsch zu überbrin­gen, dass er eine Prinzessin nach Ägypten schicken wolle, wo er sie mit allen Ehren empfangen und sie als seine Gemahlin in den Ha­rem aufnehmen werde, wo sie unter der Obhut und dem Schutz der Großen Königsgemahlin stehen und alle Privilegien, die einer Prin­zessin zustehen, genießen werde.

Teje hörte sich die Worte ihres königlichen Gemahls regungslos an, und nur ihr Mund verriet Eje, der sie beobachtete, ihre gehei­men Gedanken.

„Als Schirmherrin des königlichen Harems“, sagte Eje zu ihr, als er sie später allein traf, „wirst du wohl die kleine Prinzessin in Schranken halten können.“

Doch Teje nahm seine Worte ziemlich unwirsch entgegen. Sie wusste zwar wohl, dass es nicht in seiner Macht gestanden hatte, dem Pharao den Vorschlag vom Sohn des Hapu auszureden. Aber dass er es jetzt vor ihr als etwas Selbstverständliches hinzunehmen schien, verdross sie.

 

Als einige Zeit später Prinzessin Giluchepa in Ägypten eintraf, machte der Pharao dieses Ereignis mit der Ausgabe von weiteren Skarabäen im ganzen Land bekannt, auf denen er verkündete:

„Ein Wunder geschah seiner Majestät, Leben, Gesundheit und Stärke, als Giluchepa, die Tochter des Königs Tus-Ratta von Mi­tanni, mit dreihundertvierzehn Dienerinnen eintraf.“

Pharao besänftigt die Königin

Teje wachte eifersüchtig über den Harem. Amenhoteps Gelüste schienen auf einmal nur noch auf Giluchepa gerichtet zu sein, die ihn mit ihrer exotischen Schönheit betörte. Auch die andern Frauen des Harems, die der König vorher ab und an beglückt hatte, fühlten sich vernachlässigt. Teje wollte den Beteuerungen ihres Gemahls, er liebe sie nach wie vor, keinen Glauben schenken. Auch wenn er nachts in ihr Gemach kam und sie in seine Arme schloss, ließ sie ihn ihre Zweifel spüren.

„Wie soll ich dir beweisen, dass meine Liebe nicht geringer ist als am Anfang, als du noch das scheue Mädchen aus Ipu, die kleine Tochter meines treuen Beamten Jujas warst? Habe ich nicht dir und deinen Eltern die größten Ehren erwiesen? Habe ich nicht deinem Vater den Titel ‚Gottesvater’ verliehen?“

„Ja, du hast mich zur Großen Königsgemahlin gemacht. Ich bin die Gemahlin eines Gottes geworden, und mein Vater und meine Mutter wurden Schwiegereltern eines Gottes. Du liebst mich wie ein Gott, aber ich möchte von dir wie von einem Menschen, von einem Mann geliebt werden, so wie du Giluchepa liebst.“

„Ich liebe sie nicht anders als dich“, antwortete er ihr. „Im Ge­genteil, ich liebe nur ihren Leib. Dich würde ich auch ohne deinen liebreizenden Körper lieben.“

„Manchmal denke ich tatsächlich, du liebst nicht meinen Körper, sondern nur meinen Ka. Ja, zuweilen weiß ich überhaupt nicht, was du an mir liebst. Ich bin nicht so schön wie Giluchepa.“

Sie hoffte, dass Amenhotep ihr widersprechen würde. Doch er schwieg.

„Wenn ich so schön wäre wie sie, würdest du öfter zu mir kom­men“, schalt sie ihn und fuhr ihm dabei liebkosend über die Brust.

Es tat ihm weh, dass sie seinen Worten nicht glaubte. Giluchepa gab ihm Kraft, eine Kraft, die er bei Teje lange nicht mehr gespürt hatte. Doch jetzt, seit die mitannische Prinzessin Königin geworden war, übertrug sich diese Kraft auch auf Teje. Wenn er mit ihr zu­sammen war, war es wieder wie früher. Aber mit Gilu­chepa war es dennoch anders, atemberaubend. Giluchepa war eine Lehrmeisterin der Liebe. Vielleicht müsste er tatsächlich auch Tejes Körper so lieben können wie den Giluchepas. Bisher hatte er sich gescheut, ihr auf die gleiche Weise zu begeg­nen. Würde es nicht ihre Eifer­sucht anstacheln, wenn er sie mit der gleichen Leidenschaftlichkeit liebte, wenn sie zusam­men in das gleiche versengende Feuer ge­stürzt würden, wie er es nur von der Vereinigung mit Gilu­chepa kannte?

Im Grunde konnte Amenhotep nicht verstehen, dass Teje unzu­frieden war. Sie war die Große Königsgemahlin. Er sah doch, wie stolz sie war, an der Seite des mächtigsten Herrschers der Welt auf dem Thron zu sitzen. Bei den Oped-Festen und allen öffentlichen Anlässen galten die Ehrenbezeugungen der Menge auch ihr. Sein Glanz fiel auch auf sie. Er wusste, Teje war ehrgeizig. Ihr gefiel, dass er sie an den Staatsgeschäften Teil haben ließ. All das besaß Giluchepa nicht. Doch wie viele andere selbstsüchtige, ruhmes­hungrige Männer vergaß er dabei, dass die Gemahlin, auf die er ihrer Schönheit und ihrer Klugheit willen stolz war, nicht nur ein Vorzeigeobjekt, sondern auch Frau aus Fleisch und Blut war, die geliebt werden wollte.

Ich will ihr ein großartiges Geschenk machen, dachte er, eines, von dem sie wissen muss, dass ich es keiner andern Frau machen würde. Und von diesem Geschenk soll ganz Ägypten erfahren. Vielleicht glaubt sie dann meinen Worten.

Amenhotep wusste, wie sehr Teje an ihrer alten Heimat in Ipu hing. Sollte er ihr hier einen Tempel bauen, vielleicht einen noch größeren als jenen, den er in Nubien bauen wollte, der Heimat ihrer Eltern und Ahnen? Nein, es sollte etwas viel Größeres, Ausgefalle­neres, etwas Einmaliges werden. Machte der Nil nicht dort bei Ipu eine große Schleife? Hier wollte er einen großen See für sie anle­gen.

Schon am nächsten Tag ließ er Techniker kommen, mit denen er den Plan besprach.

Ein halbes Jahr verging. Amenhotep hatte in dieser Zeit Großes getan. In der königlichen Werft hatten die Arbeiter ein prachtvolles Schiff gebaut mit vergoldeten Planken. Am Bug prangte der Name „Prachtvoller Glanz Atons“. Teje staunte, als es eines Morgens am Kai vor dem königlichen Palast anlegte und der Pharao sie bat, es mit ihm zu besteigen. Es legte ab mit dem königlichen Paar und niemand sonst als der Schiffsmannschaft und den Köchen und Die­nern.

Es war die Zeit der Überschwemmung. Nach mehreren Tagen fuhren sie bei Ipu vorbei. Irgendetwas hatte sich verändert. Auf der Ostseite des Flusses erhoben sich hohe Dämme. Amenhotep war erfreut, als er sah, dass Teje es bemerkte. Doch was hatte das zu be­deuten? Das Schiff drehte weiter oben, nachdem es die große Schleife hinter sich gelassen hatte, ab und wendete und ließ sich mit der Strömung gegen einen Damm treiben. Als sie näher kamen, sah Teje, dass in dem Damm eine Lücke war, durch die das Schiff in einen riesigen See geschleust wurde.

Das Paar stand auf dem Deck, und der König hatte seinen Arm um die Schultern seiner Gemahlin gelegt. Er strahlte über sein gan­zes Gesicht. Teje konnte vor Verwunderung nur ein Ah hervorbrin­gen. Fragend schaute sie Amenhotep an.

„Ja, das habe ich für dich getan, um dir meine Liebe zu bewei­sen.“ Und er überreichte ihr einen Skarabäus. Sie nahm ihn in die Hand und drehte ihn um. Auf seiner Unterseite waren Hierogly­phen eingegraben, und sie las:

„Pharao Neb-maat-Re Amenhotep hat in fünfzehn Tagen des dritten Monats der Überschwemmung, seiner geliebten Großen Königsge­mahlin bei Ipu einen See von 3700 Ellen Länge und 700 Ellen Breite gebaut.“

„Ich habe viele solcher Skarabäen herstellen lassen“, sagte der Pharao voll Stolz zu Teje. „Und ich werde sie in ganz Ägypten verteilen las­sen, damit jedermann weiß, wie sehr ich dich liebe.“

Über Tejes Angesicht glitt ein Lächeln. Er ist immer noch ein großer Junge, dachte sie. Aber ich glaube, er weiß immer noch nicht, was wahre Liebe ist.

„Der See gehört dir“, sagte Pharao. „Aber es ist noch nicht alles. Auch das Land gehört dir.“

„Welches Land?“, fragte Teje erstaunt. „Ich sehe nur Wasser.“

„Das Land unter dem Wasser“, erklärte Amenhotep. „Wenn die Überschwemmung vorbei ist, wird das Wasser aus dem See abge­lassen. Bauern werden das fruchtbare Land bebauen, und der ganze Ertrag gehört dir.“

Der Ertrag, dachte Teje, besteht aus Korn. Und aus Korn wird Gold. Habe ich nicht schon genug Ländereien und Gold und Schmuck? Cheriuf, der Verwalter meines Besitzes wird sich freuen. Aber ich? Soll ich mich freuen, wenn die Liebe meines Gemahls nur aus hartem Gold besteht?

Teje legte ihre Hand auf seinen Arm, hob ihr Gesicht traurig lä­chelnd zu ihm auf, und er, dieses Lächeln als Dankbarkeit missver­stehend, küsste sie lange auf den Mund.

Zweiter Teil

Die Königsfamilie

Die Jahre vergingen. Teje wachte über den Harem, der sich weit außerhalb von Memphis, am Eingang zur Oase Fajjum befand. Nachdem Giluchepa mit ihrer Gefolgschaft im Harem eingezogen war und der Pharao sehr zum Leidwesen Tejes an der schönen Prinzessin Gefallen gefunden hatte, besuchte er seinen Harem immer öfter. Da sich auch die Herrscher von Arzawa in Kleinasien und von Assur durch die Hethiter bedroht fühlten, machten sie dem Pharao Angebote, ihm eine Prinzessin als Gemahlin zu schicken. Amenhotep nahm diese Angebote freudig auf, stärkten solche Verbindungen doch seine Macht und mehrten seinen Reichtum. Und nicht zuletzt vergrößerten sich dadurch sein Harem und die Auswahl bei seinen Besuchen.

So sehr war der Pharao bestrebt, Macht, Reichtum und Harem zu vergrößern, dass er auch dem König Kara-Indasch von Babylon eine Botschaft sandte, er möge ihm doch eine Prinzessin schicken. Doch der verlangte eine ägyptische Prinzessin als Gegengeschenk. Aber Amenhotep war nicht gewillt, ihm seine Tochter Sat-Amun zu geben, der er besonders zugetan war. Und die jüngeren Töchter schienen ihm doch noch zu klein. Er ließ dem Herrscher eine höfliche Antwort mit wertvollen Geschenken zukommen. Dem König von Babylon jedoch genügten die Geschenke nicht als Tausch gegen eine Prinzessin. Er dankte dem Pharao, und der musste sich mit den nicht minder kostbaren Gegengeschenken zufrieden geben.

Sat-Amun war in den vergangenen Jahren zur Frau herangereift, Thutmes war Truppenführer im Heer. Sein Vater Amenhotep hatte seine militärische Ausbildung Eje übertragen, dem Jugendfreund seiner Gemahlin, dessen wachen Geist, seinen Willen und seinen ehrlichen Rat er nach wie vor genau so schätzte wie den Rat von Amenhotep, dem Sohn des Hapu. Semenchkarê war mit seinen zwölf Jahren noch zu jung, als dass sein Vater sich viele Gedanken über ihn machte. Sat-Amun war ihm von allen Töchtern, drei weitere hatte ihm Teje bisher geschenkt, besonders ans Herz gewachsen, und Thutmes liebte er mit väterlichem Stolz seines Mutes und seiner Abenteuerlust wegen. Genau so war er selber gewesen, als er sich noch im Wettstreit bei den Wagenrennen mit seinen Kameraden maß und später, als er mit dem Vizekönig und andern Fürsten von Kusch Löwen und Leoparden jagte. Eines Tages würde Thutmes sein Nachfolger werden, ein Pharao mit der Klugheit von Huy und dem Scharfblick und dem Willen von Eje, die beide einen wesentlichen Anteil an der Erziehung seines Sohnes hatten. Nur der andere Sohn, der junge Amenhotep, der inzwischen sechzehn Jahre alt geworden war, hatte ihm anfänglich Sorgen bereitet. Er war ein Schwächling seit seiner Geburt. Zwar versuchte er, seinem Bruder nachzueifern. Als Jungen hatten sie sich oft im Ringkampf gemessen, doch Thutmes hatte stets obsiegt. Erst als er älter und vernünftiger geworden war, hatte er manchmal den Kampf mit dem jüngeren Bruder abgebrochen und als unentschieden erklärt. Später hatte Amenhotep gelernt, Wagen zu lenken. Und in seinem krankhaften Ehrgeiz, forderte er auch hier seinen Bruder heraus. Da es dabei weniger auf die eigene Kraft als auf die Geschicklichkeit ankam, konnte er manchmal den älteren Thutmes besiegen, was ihm eine große Genugtuung verschaffte. Doch es gelang ihm nie, seinen Körper zu stählen. Seine Arme und Beine blieben mager, seine Brust eingefallen. Sein ganzes Aussehen war kränklich, hatte etwas Bemitleidenswertes an sich.

Der Pharao hatte es längst aufgegeben, sich Sorgen um ihn zu machen. Zum Glück war nicht er, sondern Thutmes der Horus im Nest. Ägypten brauchte einen starken Herrscher, keinen Weichling. Nur in einem konnte der Junge Pharaos Anteilnahme gewinnen.

Nördlich von Memphis, dort wo der Nil sich teilt und ein Delta riesigen Ausmaßes bildet, an der Spitze jenes fruchtbaren Dreiecks, in der goldenen Stadt Iunu, im religiösen Zentrum Unterägyptens, wurde der Gott Atum verehrt. Er war der Urgott, der Gott, der war, als noch nichts war, und aus dem alles Sein, das Vollkommene entstand. Die Priester in Iunu sahen in Atum den Sonnengott Re, der hier in Iunu, im Benben, einer obeliskenförmigen Granitsäule, seinen Lieblingssitz hatte. Kündete sich der Sonnengott nicht jeden Tag, bevor er den Menschen Iunus sichtbar wurde, an, indem er das goldene Pyramidion auf der Spitze des Obelisken erglänzen ließ? Und gleißten, sobald er sich nur ein wenig über den Horizont erhob, nicht die goldenen Falken über den Hieroglyphen auf den polierten Flächen des Obelisken, die von der Herkunft des Benben berichteten, so dass die Bewohner der Stadt die Hände schützend vor ihre Augen halten mussten, weil sie den Gott nicht schauen konnten, ohne von seinem gewaltigen Licht geblendet zu werden?

War es nicht richtig, Atum und Re als eine einzige Gottheit, als Atum-Re zu verehren? War nicht Re, die Sonne, das Licht, der Ursprung des Lebens? Ohne Re würde alles wieder zu nichts werden. Hierher kam Pharao besonders gern, um Atum-Re in seinem Heiligtum zu opfern. Karnak, wo Amun verehrt wurde, war weit entfernt. Und Amenhotep hegte eine feindliche Abneigung gegen die Priester Amuns in Karnak, die ihre Macht mit ebensolchem Eifer vergrößerten wie ihre Schätze an Gold, Edelsteinen und Elfenbein. Zwar war Amun sein göttlicher Vater, den er für Ägypten sichtbar verkörperte. Doch war Amun, der sich in Vereinigung mit dem Erzeugergott Min selbst gezeugt hatte, zugleich Ur- und Schöpfergott wie Atum-Re. Deshalb verehrte man Amun ja auch in Karnak als Amun-Re. Warum sollte er also nicht Atum-Re in der Sonnenstadt Iunu verehren?

 

Amenhotep, der Sohn des Pharaos, begleitete seinen Vater besonders gern nach Iunu. Hier glänzte alles vom Gold. Nicht nur vom Tempel des Sonnengottes, von allen Häusern herab funkelten in der Sonne die goldenen Embleme des Gottes. In den Straßen sah er die Priester, die sich mit den Menschen unterhielten. Gerne hätte er mit ihnen über den Gott gesprochen. Doch dem Sohn des Pharaos, wenn er mit seinem Vater die Stadt besuchte, wurde die gleiche Ehrfurcht entgegengebracht wie dem Pharao selbst, eine Ehrfurcht, die Distanz und Unnahbarkeit schaffte. Deshalb suchte der Knabe oft das Gespräch mit seinem Vater, der ihm von den Göttern erzählen musste, vor allem von dem Gott, von dessen Stadt er so fasziniert war. Wenn Pharao Zeit hatte, war er stets gerne auf die Fragen des Jungen eingegangen und erklärte ihm die Zusammenhänge von Atum, Re und Amun. Es waren die einzigen wenigen Augenblicke, in denen er eine gewisse Zuneigung zu seinem Sohn empfand.

Thutmes war anders. Er dachte kaum über die Götter nach. „Warum kümmert es dich, ob Re und Atum verschiedene Götter sind oder nur ein und derselbe?“, fragte er eines Tages seinen jüngeren Bruder, als sie zusammen mit Sat-Amun, Semenchkarê und ihrer Mutter Teje zusammen saßen.

„Es sind so viele Götter“, antwortete Amenhotep. „Manche sind sich ähnlich und manche sind verschieden. Warum kann es nicht einen einzigen Gott geben? Das wäre doch einfacher.“

„Ich finde es gut, dass es viele Götter gibt“, mischte sich Sat-Amun ein. „So hat jeder eine besondere Aufgabe, die seinem Charakter entspricht. Stell dir vor, der schreckliche Seth, der Osiris ermordet hat, wäre zuständig für die Liebe oder die Geburt der Kinder. Da ist mir doch lieber, meine Opfer der Göttin Hathor darzubringen.“

„Aber Hathor“, erwiderte Amenhotep, „wird als Kuh dargestellt, die zwischen ihren Hörnern die Sonnenscheibe trägt. Das weist doch darauf hin, dass sie Teil des Re oder vielleicht seine Tochter ist. Vielleicht ist sie auch eins mit ihm. Wenn alle Götter eins mit Re wären, dann könnte man in Re oder in Atum alle andern Götter auch verehren. Oder noch besser, dann brauchte es die andern Götter gar nicht mehr. Dann gäbe es auch keinen Ptah, keinen Osiris, keine Isis, keine Hathor.“

Sat-Amun machte ein nachdenkliches Gesicht. „Nein, das kann nicht sein. Wenn es nur noch einen Gott gäbe, dann wäre der ja verantwortlich für Leben und Tod, für Gut und Böse. Einen solchen Gott kann es nicht geben.“

„Wenn du das Leben mit Gut und den Tod mit Böse gleich-setzt“, griff nun auch Teje in das Gespräch ein, „dann hast du Recht. Aber der Tod ist nicht böse, nicht schlecht. Es gibt eine andere Welt, die Duat, auch sie ist vom Urgott geschaffen worden, damit wir nach unserm Tod ein Zuhause haben. Also ist auch der Tod gut. Das Böse wird nicht von den Göttern erschaffen. Das Böse ist in uns.“

„Warum hat denn Seth Osiris ermordet? Die Götter sind nicht nur gut, es gibt auch böse Götter. Die einen schaffen das Gute, die andern das Böse. Kein Gott kann gleichzeitig Gutes und Böses schaffen“, erklärte Sat-Amun mit großer Bestimmtheit.

Thutmes hörte gelangweilt zu. Er schnitt ein hämisches Gesicht. „Was streitet ihr euch über die Götter? Die Götter sind wie sie sind. Mich kümmert das nicht.“

„Mich schon“, gab Amenhotep etwas unwirsch zurück. „Für mich ist Re der Höchste. Er ist so groß und mächtig, dass ich auf alle andern Götter verzichten könnte.“

„Sag so etwas nicht“, flehte Sat-Amun, „die Götter könnten dich dafür strafen.“

„Welche Götter?“, fragte er zurück. „Wenn Re der mächtigste und vielleicht der einzige Gott ist, dann wird er mich beschützen. Vielmehr müsste sich Thutmes, der verächtlich von allen Göttern spricht, vor ihnen fürchten.“

Das Gespräch schien beendet. Thutmes hatte keine Lust, auf eine Fortsetzung zu warten. Er wolle in den Stall zu seinen Pferden gehen, sagte er und verließ seine Mutter und die Geschwister.

Semenchkarê hatte sich gar nicht an dem Disput beteiligt. Was die andern miteinander redeten war ihm zu hoch. Er hörte gar nicht zu. Er saß in einer Ecke und hatte die Stellung der Schreiber eingenommen. Auf seinem straff gezogenen Leinenschurz hatte er eine Papyrusrolle ausgebreitet. Neben ihm auf dem Boden lag eine hölzerne Schreiberpalette. Er hatte eine Binse herausgezogen und malte mit dem zerkauten Ende Hieroglyphen auf das Blatt. Er wollte seiner kleinen Freundin Mutnedjemet, die er oft besuchte, um mit ihr zu spielen, einen Brief schreiben. Besonders mit Mutnedjemet war er gerne zusammen. Sie, die doch eigentlich die Tochter der stillen Ti war, war die Fröhlichere und Gesprächigere. Nofretete hingegen, Tochter der lebenslustigen Tamit, war eher ruhig. Wenn sie miteinander spielten, zog sie sich oft bald zurück und beobachtete die andern aus Distanz. Eje und Ti freuten sich immer über den Besuch des jungen Prinzen.

Als Semenchkarê seinen Brief offenbar zu Ende geschrieben hatte, steckte er die Binse in die Schreiberpalette zurück und ging hinaus. Als bald auch Sat-Amun gegangen war und Amenhotep mit seiner Mutter allein war, nahm er das Gespräch wieder auf.

„Eje hat mir einmal erzählt, dass er vor vielen Hentis, als er auf dem Rückweg von Gubla war, Hirten aus Palästina begegnet sei, die nur an einen einzigen Gott glauben. Sie gehören dem gleichen Volk an, die schon seit über hundert Jahren bei uns wohnen und meist in den Steinbrüchen und als Maurer arbeiten.“

„Ja“, erwiderte Teje, „man sagt, dass sie die Nachkommen eines Mannes sind, der einmal von seinen Brüdern an Kaufleute, die unterwegs nach Ägypten waren, verkauft wurde.“

„Eje hat mir seine Geschichte erzählt. Er hat sie von jenen Hirten aus Palästina gehört. Kennst du sie?“, erkundigte sich Amenhotep.

„Nein, ich kenne die Geschichte nicht“, gestand Teje.

„Soll ich sie dir erzählen?“, fragte Amenhotep.

„Ja, gerne“, bat seine Mutter.

Und Amenhotep begann: „Jener Usarsif ist ins Gefängnis geworfen worden, weil er von der Frau seines Dienstherrn, die ihn vergeblich verführen wollte, fälschlicherweise beschuldigt worden ist. Doch der Pharao hat ihn aus dem Gefängnis geholt, weil er vernommen hat, dass er Träume deuten könne. Weil alles eingetroffen ist, was Usarsif ihm gesagt hatte, hat ihn der Pharao zum Verwalter der Getreidespeicher gemacht. Die Brüder aber sind, als in Palästina Not herrschte, nach Ägypten gekommen und haben ihn, ohne ihn wieder zu erkennen, um Getreide gebeten. Als sie ein zweites Mal wieder gekommen sind, hat sich Usarsif zu erkennen gegeben, und die Brüder sind geblieben. Es sollen zwölf Brüder gewesen sein, und alle ihre Nachkommen leben nun hier bei uns. Ihr Gott hat keinen Namen, sie nennen ihn nur den Gott Abrahams. Mir gefällt der Gedanke, dass es nur einen Gott gibt.“

„Du solltest nicht zu viel darüber nachdenken. Du weißt, wir Ägypter sind nachsichtig gegenüber den fremdländischen Völkern und respektieren ihre Götter. Aber die Propheten Amuns und unserer anderen Gottheiten lieben es nicht, wenn wir Ägypter fremden Göttern opfern. Und ganz besonders ein Sohn des Pharaos sollte sich hüten, sich mit den Propheten anzulegen.“

„Ich habe ja keineswegs im Sinn, diesem Gott Abrahams zu opfern“, rechtfertigte sich Amenhotep. Der Gott, den ich als höchsten und vielleicht auch als einzigen Gott betrachte und verehre ist kein fremder, sondern ein ägyptischer Gott. Kein anderer als Atum-Re ist dieser Gott.“

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