Buch lesen: «Achims Ring», Seite 2

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Achim begab sich auf die Terrasse der Brasserie, die zum Hotel Ahlbecker Hof gehörte. Er wollte seine Gedanken sammeln und bestellte einen Espresso und Mineralwasser.

„Also, Sie sind Jahrgang 1930“ hörte er eine Männerstimme. Ein Mann und eine Frau traten aus dem Restaurant und nahmen auf der Terrasse an einem Tisch in seiner Nähe Platz.

Der Mann nannte jetzt seinen eigenen Jahrgang und anschließend die seiner sämtlichen Brüder.

Der Mann und die Frau waren eine Zufallsbekanntschaft. Wie Achim heraushörte waren beide Hotelgäste und hatten sich beim Frühstück kennengelernt.

„Wo wohnen Sie denn?“ wollte die Frau wissen.

„Ich lebe in Quedlinburg.“ „Warum Quedlinburg?“

„Wegen der guten Luft“ antwortete der Mann und zündete sich eine weitere Zigarette an.

Achim wollte dem Gespräch gar nicht zuhören, wurde aber von dem jetzt anhebenden Redeschwall des Mannes abgelenkt. Worte und Satzfetzen drangen zu ihm.

„...war Journalist und Fernsehkorrespondent, ...wurde gefragt, ob ich nicht der CDU beitreten wolle und habe Helmut Kohl im Wahlkampf unterstützt. ...Bin jetzt Europaabgeordneter für die CDU. ...Mutter erhielt 1982 das Bundesverdienstkreuz.“

Die Frau unterbrach den Redeschwall und machte eine Bemerkung über Düsseldorf; den Zusammenhang hatte Achim nicht mitbe-kommen.

Der Europaabgeordnete: „Kenne Düsseldorf, Bruder Markus, Jahr-gang 36, Arzt in Düsseldorf, manchmal besuche ich ihn, ...bin finanziell unabhängig, nicht so wie andere Abgeordnete, die um ihre Wiederwahl und somit um ihr Einkommen zittern.“

Und so ging das weiter, von der Frau war nichts mehr zu hören, wahrscheinlich schwieg sie aus Ergriffenheit. Achim war genervt. Der Typ schwadronierte weiter, als sei er ein ERWÄHLTER und kein GEWÄHLTER. Achim winkte der Bedienung und machte sich vom Acker.

Sein Bedarf an Politikern, egal welcher Partei sie angehörten, war gedeckt.

Erbesann mich auf den Zweck meines Besuches in Ahlbeck:

Hannis Geburtstag!

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Achim bog links ab in Richtung Zentrum. Rechter Hand befindet sich das Fischgeschäft. Er studierte die mit Kreide beschriftete Tafel mit den aktuellen Angeboten.

Dorsch für heute und Lachs für Sonntag zum Geburtstag entschied er sich. Dann ging er weiter zum Fachgeschäft „Heiden Schmuck und Uhren“. Eine Bernsteinbrosche schien ihm das Richtige. Hanni war von Bernstein fasziniert, so er ich auch. Achim musste sich ent-scheiden in welchem Supermarkt er einkaufen würde. Seine Wahl fiel auf den großen Supermarkt an der Chaussee nach Swinemünde. Er kaufte Leibnitz-Kekse, dunkle Schweizer Schokolade mit einem Kakaoanteil von siebzig Prozent, eine Flasche Grand-Marniere, mehrere Flaschen Rieslingsekt Fürst Metternich, ein Glas Seehasen-rogen und frischen Dill. Eine Dose Sevruga-Caviar hatte Achim von einem Delikatessengeschäft schicken lassen. Als Hanni die Rech-nung für den Caviar sah, fragte sie, ob er verrückt geworden sei. Aber er meinte, dass ihm für ihren Geburtstag nur das Beste ins Haus käme und da ja auch noch ihre Mutter käme, soll es doch auch nicht knapp werden; darum auch eine größere Dose Caviar.

„Und was kochst du nun für mich?“ versuchte es Hanni erneut.

Achim ging darauf aber nicht ein und sagte „Warte ab“.

Als er zu Hause ankam machte er sich daran das Dessert her-zustellen. Eine Kekstorte gehört zu Hannis Geburtstag. Dieses Mal würde es eine neue Kreation, kalorienärmer und ohne Fett.

Zuerst stellte Achim eine Schokoladen-Chantilly her.

In einer Metallschüssel ließ er Schokolade mit einer Tasse Espresso und einem Glas Grand-Marniere schmelzen. Dann stellte er die Schüssel in ein Becken mit kaltem Wasser und schlug die Masse mit einem Schneebesen so lange, bis sie cremig wurde. Eine Cakeform schlug er mit Küchenfolie aus. Dann folgte eine Schicht mit der Chantilly, wieder eine Schicht Kekse und ein Schicht Chantilly und so weiter. Mit Schokolade wurde das Werk abgeschlossen. Die Kekstorte kam bis zum Geburtstag in den Kühlschrank. Achim beschäftigte sich weiter mit den Vorbereitungen für seine „Lachs-variationen“.

Er löste den Lachs von der Haut und prüfte, ob noch Gräten zu entfernen wären und teilte das Lachsfleisch in Rückenfilet und Bauchseite. Das Fleisch der Bauchseite verwendete er für das Tartar, das Filet wird in Folie eingeschlagen und dann bei Niedertemperatur

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gegart. Am Geburtstagsmorgen schöner Sonnenschein und ein wol-kenloser Himmel. Achim weckte Hanni mit einem Kuss.

Das allmorgendliche Ritual begann. Hanni fragte, ob er gut geschla-fen und ob er etwas geträumt habe.

Achim bejahte den ersten Teil der Frage und verneinte beim zweiten. Anfänglich, zu Beginn ihres Zusammenlebens hatte er sich über die Fragen nach den Träumen mokiert, manchmal nervte ihn die Fragerei auch. Das legte sich, als er merkte, dass es für Hanni von Bedeutung war. Wenn er nichts geträumt hatte oder er sich nicht erinnern konnte, was er geträumt hatte, erfand er auch kleine Geschichten, die er dann als Traum erzählte. Achim zeigte Hanni die Bernsteinbrosche. Sie betrachtete das Geschenk gründlich und sagte strahlend „Danke sie ist wunderschön.“

Auf Kaffee und Frühstück verzichteten sie und machten sich sofort auf zum Strand. Ein bis zwei Stunden Strandwandern verbunden mit Baden. Während sie in Richtung Bansin marschierten konzentrierte Achim sich darauf Bernsteine zu finden. Aber es gab keine Funde und so machten sie sich auf den Nachhauseweg.

Ein erster Schluck Champagner und Toast mit Räucherlachs; so gestärkt würden sie den näher rückenden Besuch von La belle-mère besser überstehen.

Achim bereitete das Tartar vor. Mit einem schweren Messer schnitt er den Lachs in kleine Würfel, nicht zu fein, denn das Tartar sollte noch Biss haben und nicht zu einer breiigen Masse werden. Vor-sichtig würzte er mit Meersalz und ein paar Drehungen weißem Pfeffer aus der Mühle. Einige Tropfen Nussöl für den Geschmack. Dann füllte er das Tartar in Metallringe, die er auf die Teller verteilt hatte, und jetzt wieder entfernte. Das Resultat war für seinen kriti-schen Blick zufriedenstellend. Während Achim mit dem Messer am Lachs hantierte kam ihm der Gedanke dass man La belle-mère auch so zerlegen sollte. Ihm wurde richtig warm ums Herz bei diesem Gedanken.

Achim öffnete das Glas mit dem Seehasenrogen und verteilte eine großzügige Portion auf das eine Tartar. Diese Portion war für La belle-mère bestimmt „und da wollen wir doch nicht kleinlich sein“ dachte er hämisch.

Dann öffnete er die Dose mit dem Sevruga-Caviar und rief Hanni „Komm probieren!“

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Mit einem Perlmuttlöffel nahm Achim eine Portion Caviar aus der Dose und reichte sie mit einem Glas Champagner Hanni.

„Na? Wie findest du ihn?“

Hanni verdrehte pflichtschuldig die Augen und stöhnte:

„PHANTASTISCH!“

Nun probierte auch Achim, grunzte zufrieden und verteilte den Sevruga auf die Tartarportionen, die für Hanni und ihn bestimmt waren. Den üppigen Rest naschten sie auf und spülten mit reichlich Champagner nach.

Es war an der Zeit den Hauptgang zu kreieren. Achim hatte sich für eine kalte Kräutersauce entschieden, die zum Lachs bestens passen würde. Außerdem ließ sich die Sauce gut vorbereiten.

Der Lachs kam in eine verschließbare Plastiktüte und wurde in 45° warmem Wasser gegart. So konnte der Fisch langsam garen, er behielt seine rosa Farbe, so dass man meinen könnte er sei noch roh. Der Lachs bleibt bei dieser Garmethode wunderbar saftig und behält seinen Eigengeschmack. Als Beilage plante Achim mehlig kochende Kartoffeln; die gegarten Kartoffeln werden mit der Gabel zerdrückt, mit weißem Pfeffer, wenig Meersalz und mit Leinöl angereichert.

Es war kurz vor der vereinbarten Zeit. Wenn es ums Essen ging war La belle-mère mehr als pünktlich. Und tatsächlich, Achim hörte wie die Türklinke bewegt wurde. Das war eine weitere Unsitte von La belle-mère einfach ohne zu klingeln oder anzuklopfen in das Haus zu kommen. Achim hatte dies geahnt und darum die Haustür abge-schlossen. Nun ging er zur Tür und machte auf.

„Ich habe gar nicht gehört, dass du geläutet hast; die Türglocke ist sicher defekt.“

La belle-mère knurrte ihn an: „Habt wohl Angst geklaut zu werden.“ „Auch ich wünsche dir einen schönen Tag“ hielt Achim dagegen. Immer wenn er die Queen im Fernsehen sah amüsierte er sich köstlich über die königliche Garderobe.

Er hielt sie schlicht für katastrophal, eine Geschmacksverirrung und es war für ihn unvorstellbar, dass es Menschen geben könnte, die sich ähnlich kleiden. Aber seine Schwiegermutter toppte dies ohne Mühe. So auch heute. Alles in allem sah sie aus wie ein überdimen-sioniertes Erdbeereis mit Sahnehaube.

Rosa das Kleid und oben drauf der wohlfrisierte, weißbehaarte Kopf.

La belle-mère ging, in eine ungeheure Parfümwolke gehüllt, in die Wohnung und ließ sich der Einfachheit halber gleich am Esstisch nieder.

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„Was gibt’s?“ wollte sie wissen und meinte damit das Essen.

„Lachs“ sagte Hanni kurz angebunden.

Achim betrachtete seine Schwiegermutter. Bräsig saß sie da, verpes-tete mit ihrem Billigparfüm die Luft, verdarb die bis dahin gute Stimmung. Er war jetzt entschlossen La belle-mère von ganzem Herzen nicht zu mögen.

Achim bat Hanni Platz zu nehmen und servierte den Rieslingsekt Fürst Metternich als Apéritif. Zum Essen würden sie diesen Sekt auch trinken.

La belle-mère gab Hanni ein Couvert. „Für dich“ sagte sie extra betont, dann trank sie ihr Glas aus und rülpste leise.

Achim war genervt, die Frau konnte einfach nicht genießen und vor allem hat sie keinerlei Stil; sie ist schlicht und einfach vulgär.

Sie genossen das Lachstartar. Die Mutter fraß es kommentarlos in sich hinein.

„Was macht ihr nachher?“ wollte La belle-mère wissen.

„Wir fahren nach Ahlbeck, ein bisschen promenieren.“

La belle-mère quittierte die Auskunft mit eisigem Schweigen.

Achim war über das heutige Verhalten seiner Schwiegermutter stinksauer und auch verletzt. An Hannis Miene sah er, dass es ihr genauso erging.

Die Zeit verging nur schleppend.

Der Lachs war köstlich und harmonierte perfekt mit der kalten Kräutersauce. Kaum war der Hauptgang beendet servierte Achim auch schon die Kekstorte. Dieses Mittagessen sollte so schnell wie möglich beendet werden.

Endlich machte La belle-mère Anstalten sich zu verabschieden. Hanni sah verstohlen auf ihre Uhr, während Achim alle Zurückhal-tung fallen ließ und demonstrativ auf die Uhr schaute:

„So, dann wollen wir mal, sonst bekommen wir keine Sonne mehr ab, wenn wir auf der Promenade sind.“

Die zwanzigminütige Fahrt nach Ahlbeck verlief schweigsam, beide waren bedrückt. Achim sagte: „Ich verstehe die Frau nicht, aber vergessen wir das am besten.“ Hanni schaute ihn dankbar an und meinte „Freuen wir uns auf den Espresso.“

Die Terrasse des Ahlbecker Hof war gut besetzt, aber sie hatten Glück und fanden einen freien Zweiertisch.

Ein handbeschriftetes Schild an der Treppe zur Terrasse kündigte an: LIVE KLAVIERMUSIK!

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Ein Knabe saß am Klavier und versuchte sich an alten Schlagern. Ein uniformierter Subalterner des Hotels stand bei einem Gast am Tisch und sonderte eine Lobeshymne auf das Können des Knaben ab. Aus dem Verhalten des Angestellten schloss Achim, dass es sich bei dem Knaben um einen Abkömmling des Hotelbesitzers oder einer höheren Charge handeln müsse. Das Kind hatte keine Ahnung vom Klavierspiel. Entweder war es zu faul zum Lernen und Üben oder aber es war gnadenlos unbegabt. Achim neigte zur letzteren Annah-me. Die katastrophale Darbietung ging ihnen dermaßen auf den Geist, dass sie die Terrasse verließen und zum Lokal von Elke Lau dislozierten. An einem sonnigen Platz genossen sie ein Köstrizer.

„Ist auch schwarz wie Espresso“ meinte Hanni.

Sie räkelten sich wohlig in der Sonne; plötzlich war es für den Bruchteil einer Sekunde ganz still, als ob alles den Atem anhielt. Ein eisiger Windhauch war zu spüren. Und schon war der Spuk vorüber und die Sonne wärmte wieder.

Gelächter und Stimmengewirr bestimmten wieder die Szene. Sie sahen sich an; sie wussten was das gerade Erlebte zu bedeuten hat: Der Herbst hat sich angekündigt. Dieses Phänomen wiederholte sich jedes Jahr und wurde nur von Einheimischen wahrgenommen.

Sie schlürften genüsslich ihr Köstrizer. Hanni mochte Bier gern, sie benutzte immer den Deminutiv „Bierchen“. „Was hältst du von einem Bierchen?“ war eine häufig gestellte Frage.

Hanni sagte, dass sie demnächst zu ihrem traditionellen Besuch nach Thüringen aufbrechen wolle. Achim nickte. Hanni besuchte jedes Jahr nach der Sommersaison im September ihre Freundin Gerda. Eine Schulfreundin, an die er sich nur flüchtig erinnern konnte. Nachdem sie auf die Insel zurückgekehrt waren, hatte Hanni Gerda zufällig getroffen und, was für Achim völlig unverständlich war, beide hatten sich nach fast einem halben Jahrhundert sofort wieder-erkannt. Gerda hatte ins Thüringsche geheiratet und Hanni und Achim zu einem Besuch in Mahnebach eingeladen. Zu Achims Erstaunen sagte Hanni ohne Umschweife zu. Sie freue sich riesig sagte sie und meinte es auch so. Achim empfand die Einladung als Belästigung und Eingriff in seine Privatsphäre beziehungsweise seinen geplanten Jahresablauf.

„Ich freue mich ebenfalls“ heuchelte Achim und täuschte als Entschuldigung ein Riesenpensum Arbeit vor, so dass man meinen könnte er sei ein Großunternehmer.

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Und so fuhr Hanni regelmäßig im September alleine nach Thüringen. Hanni sah Achim erwartungsvoll an. Der bequemte sich zu einem Kommentar und meinte, dass er lieber hier auf der Insel bleiben möchte.

Es war jedes Jahr das gleiche Ritual. Hanni fand es schade, dass er nicht mitkam, insistierte aber nicht und ersparte ihm damit faden-scheinige Ausreden. Achim war’s zufrieden, denn wenn Hanni abwe-send war gestaltete er sein eigenes Programm.

Sie tranken ihr Bier aus und beschlossen nach Hause zu fahren. Eine Überraschung erwartete sie. Die Bewohner der Wohnung im ersten Stock, das Haus hat eine Einliegerwohnung, erwarteten sie und baten um eine kurze Unterredung. Sie wollten auf das kommende Frühjahr den Mietvertrag kündigen, weil sie eine kleine Wohnung in einem Seniorenheim beziehen könnten. Es täte ihnen leid, sagten sie und sie hätten sich immer so wohl gefühlt und es sei immer so nett gewesen und ob sie behilflich sein könnten bei der Suche nach geeigneten Nachfolgern. Achim ergriff das Wort und versicherte ihrerseits wie unglaublich leid es ihnen tut so angenehme Mieter zu verlieren und wie schade es sei, dass man sich in der vergangenen Zeit nicht näher gekommen sei, und nein, es wäre nicht nötig nach neuen Mietern Ausschau zu halten. Und sie wünschen alles Gute, vor allem aber Gesundheit, denn die sei ja schließlich das Wichtigste. Sie verabschiedeten sich nach weiterem Austausch von Höflichkeits-floskeln.

Hanni sah Achim an und fragte: „Was meinst du dazu?“ Er zuckte mit den Schultern: „Mir kommt das ganz gelegen. Auf die Mieteinnahmen sind wir nicht angewiesen; wir könnten die Räume renovieren und ein Büro für uns und ein Fotostudie einrichten. Das Wichtigste für mich aber wäre, dass wir niemanden mehr in unserem Haus haben, auf den wir Rücksicht nehmen müssen. Wir sind endlich unsere eigenen Herren.“ Hanni überlegte einen Moment: „Das sind sehr gute Gedanken und Ideen, das gefällt mir; ich denke wir machen das so.“

„Das wollen wir begießen!“

Achim verschwand in die Küche und kam mit einer Flasche Fürst Metternich und zwei Gläsern zurück. Er füllte die Gläser und legte eine CD von Miles Davis auf; „Sketches of Spain“

Früher besaßen sie noch alle Platten von den großen Jazzmusikern,

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aber im Laufe der Jahre war die Qualität der Platten immer schlechter geworden und so hatten sie sich schweren Herzens von Platten und Plattenspieler getrennt und CD’s gekauft.

Der unverwechselbare Sound von Miles Davis’ Trompete erfüllte den Raum. Sie kuschelten auf ihrem Sofa und genossen den Sekt, die Musik, ihre Zweisamkeit, die Harmonie ihres gemeinsamen Lebens und die friedliche Stimmung. Achim prostete Hanni zu und wünschte nochmals alle Gute und Liebe für das neue Lebensjahr.

So saßen sie eng beieinander bis Mitternacht und hingen ihren Gedanken nach. Achim sagte noch: „Bevor du nach Thüringen abreist mache ich noch unser traditionelles Schnäpelessen, damit du auch genügend Fisch auf Vorrat essen kannst, denn in Thüringen wirst du sicher wieder mit fetter Wurst und Klößen malträtiert.“

Hanni lächelte und fragte wie ich den Schnäpel anlegen würde.

„Da ja unvermeidlicherweise deine Mutter dabei sein wird, koche ich eine rustikal anmutende, aber dennoch leichte Fischsuppe, damit kann ich sie am besten ärgern. Er hörte sie jetzt schon lamentieren „nur eine Suppe, da wird man doch nicht satt davon“.

Hanni lachte und meinte: „Du bist gemein, aber es gefällt mir jemanden zum Essen einzuladen um ihn zu ärgern.“

Endlich gingen sie zu Bett.

Achim stand früh auf, es war noch nicht sechs Uhr. Der Himmel war glasklar, leicht grünliche Färbung mit einem Stich Orange im Osten. Heute würde ein Schönwettertag werden.

Das Achterwasser und ein Fischer war Achims Ziel. Zu dem Fischer hatte er eine lockere Beziehung aufgebaut um dort Schäpel zu kaufen. Von den Insulanern wurde der Steinlachs Schnäpel genannt. Fischer hatten ihm erzählt, wenn Fremde kämen und Fisch kaufen wollten, die Fischer aber nichts verkaufen wollten, aus welchen Gründen auch immer, dann antworteten sie die Frage was das für Fische seien mit „Schnäpel“. Die meisten Kunden verzichteten dann auf den Kauf. Wenn die Fischer aber verkaufen wollten, dann wurde aus dem Schnäpel Steinlachs.

Steinlachse gab es nach der Wende wieder genügend. Fischerei-vereine hatten sich um die Aufzucht gekümmert und die Fänge waren jetzt wieder zufriedenstellend.

Achim war mit dem Fahrrad unterwegs. Als er die Fischerhütte betrat stand der Fischer am Tisch auf dem ein Stück Bückling lag. Der Fischer stocherte mit einem Messer in seinen Zähnen herum.

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„Zahnpflege auf Insulanerart“ dachte Achim. „Tach Uwe“ begrüßte er den Fischer. „Drei schöne Schnäpel sollen es sein, schon filetiert, wenn’s genehm ist.“ Uwe nickte mit dem Kopf; reden war nicht seine Stärke.

Achim hatte eine Milchkanne bei sich und ging damit zum Ufer um Wasser zu schöpfen. Dann ging er zum wartenden Uwe zurück.

„Fischsuppe?“ fragte er mit einem Blick auf die Kanne. Achim nickte. „Ich geb dir noch die Fischabfälle mit. Kannst nen prima Sud damit kochen.“ Achim bedankte sich und sagte „Na denn.“

„Tschüß nech“ meinte Uwe.

Achim radelte gemächlich nach Hause. Unterwegs sah er ein Pferde-fuhrwerk beladen mit Strandkörben und die Eckkneipe in Koserow hatte draußen die Tische und Stühle weggeräumt. Die Strandkorbver-mieter und Wirte beendeten die Sommersaison weil der September begonnen hat. Dabei herrschte das schönste Sommerwetter und ein Ende des Hochs war nicht abzusehen. Man konnte absolut noch draußen seine Zeit verbringen. Achim verstand seine Mitinsulaner nicht. Das war wie mit dem Mittagessen; um zwölf wird Mittag gegessen, egal ob man Hunger hat oder nicht. Das war schon immer so, jawoll! Ihn wunderte, dass die Insulaner nicht schon mit dicken Pullovern rumliefen, nur weil es September war.

Erwar wieder zu Hause gelandet. Die Fischsuppe wollte er schon heute kochen. Achim hatte richtig Lust darauf und freute sich etwas Feines zu kreieren. Seine Fischsuppe würde eine zeitaufwendige Angelegenheit werden.

Das Wasser aus dem Achterwasser goss er in einen großen Topf und tat die Fischabfälle hinzu. Das musste jetzt aufkochen und dann der Schaum entfernt werden. Jetzt fügte er ein Stück Mohrrübe, Lauch und Sellerie hinzu und eine mit zwei Nelken gespickte Zwiebel.

Er reduzierte die Hitze, es durfte nicht kochen. Jetzt folgten Kräuter: Thymian, Estragon, Majoran, Fenchelkraut, Kerbel und Petersilien-stängel. Lorbeerblatt und Pfefferkörner gehörten auch noch in den Sud. Bei geringer Hitze unter dem Siedepunkt ließ er das Ganze zwei Stunden lang ziehen.

Entspannt setzte er sich hin und ließ meine Gedanken schweifen.

Die Aussicht, dass die Mieter ausziehen würden und sie sich darauf einrichten könnten das ganze Haus für sich zu haben beschäftigte ihn. Er würde ein Konzept entwickeln und ein Budget erstellen.

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