Machtspiel

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Sogleich nahm er sie mit seiner grossen Männlichkeit von hinten. Während er immer und immer wieder in sie stiess, streichelte er mit seinen Fingern ihre Klitoris. Es dauerte nicht lange bis beide ihre Erlösung fanden und mit voller Befriedigung aufeinander zu liegen kamen.

Nach einigen Minuten, die sie engumschlungen auf dem Sofa verbrachten, zogen sie sich die Kleider wieder zurecht. Chloe lief zur Küche. „Möchtest du etwas zu essen? Ich könnte Spaghetti kochen.“

„Ich habe einen Bärenhunger. Es war ein anstrengender Tag.“ Kaum waren diese Worte ausgesprochen, bereute sie Raul schon. Er wollte nicht schon jetzt über den Verlauf der Suche nach Dana beginnen. Viel lieber hätte er mehr über Chloe erfahren.

Wie konnte sie sich nur so Vergnügen, während Dana womöglich in Lebensgefahr schwebte? Das durfte nicht sein. Sie musste diese Affäre beenden. Je eher desto besser.

Wie erstarrt fragte sie Raul „Seid ihr weitergekommen? Habt ihr irgendwelche neue Anhaltspunkte?“

Während Raul berichtete, was sie heute alles enthüllt hatten, kochte Chloe ihre beliebten Spaghetti. Nach dem Essen räumte Chloe den Tisch ab und Raul stapelte alles in den Geschirrspüler. Sie harmonisierten miteinander, als wäre es eine alte Gewohnheit.

Chloe musste sich eingestehen, dass es sich sehr angenehm anfühlte, nicht alleine in der Wohnung zu sein. Sie genoss immer mehr Rauls Gesellschaft.

Am Montagmorgen war viel Betrieb bei der Kripo. Finn war als erster da, um seine Aussage zu protokollieren. Im Laufe des Tages kamen ebenfalls die Freundinnen, mit denen Dana letzten Freitag unterwegs war, um ihre Aussagen zu machen.

Gleichzeitig sollte Switch Tanner um neun Uhr bei der Kriminalpolizei eintreffen. Jetzt war es aber schon nach halb zehn und von ihm keine Spur.

Raul und Finn wurden langsam nervös. Finn schritt in Lunardis Büro auf und ab, um sich von seinen Gefühlen abzulenken.

„Noch fünf Minuten, dann werden wir eine Fahndung nach ihm auslösen.“ hörte er Raul von seinem Arbeitsplatz her verlauten.

„Ich will diesen Mistkerl so rasch als möglich hier haben. Wenn er mit dem Verschwinden meiner Frau etwas zu tun hat, bringe ich ihn um!“ rief Finn aus.

Nach drei Stunden konnten die Polizisten Switch Tanner endlich ausfindig machen. Zurück bei der Kriminalpolizei, nahmen ihn Raul und Finn in die Mangel. Er war ein Mann mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und hatte einen gut gebauten Körper. Er war von beeindruckender Grösse und kräftiger Statur. Jedoch liess seine momentane Erscheinung darauf deuten, dass er eine Dusche nötig hatte.

„Herr Tanner, warum erschienen Sie heute Morgen nicht um die Zeit, die wir Ihnen für die Anhörung gestellt haben?“ erkundigte sich Raul.

„Hatte keine Lust?“

„Und was bringt Ihnen das, wenn Sie sich weigern der Polizei fernzubleiben?“

„Genugtuung.“ ein Grinsen fand den Weg auf Tanners Gesicht.

„Wir können Sie für kurze Zeit in Haft nehmen, wenn Sie sich den Befehlen widersetzten. Wussten Sie das?“ Jetzt war Raul, der ein Lächeln um seinen Mund bekam und Switch das Grinsen verging.

„Ich bin ja jetzt da. Was wollen Sie überhaupt von mir.“

„Herr Tanner, wo waren Sie letzten Freitag den 28. Juli?“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht?“

„Wir können auch anders, wenn Sie wünschen!“ brüllte Finn Switch an.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf Switchs Gesicht. Er genoss es, wie sich der Staatsanwalt nur mit Mühe beherrschen konnte.

„Er will dich nur ärgern, Finn. Beruhige dich.“ Raul blickte abermals zu Tanner. „Sie können es uns allen leichter machen und unsere Fragen ohne Umschweife beantworten oder wir werden noch einige Stunden hier sitzen und sie ausfragen. Vielleicht finden wir noch irgendwas, was wir Ihnen anlasten könnten. Wäre Ihnen das angenehm?“

Verunsichert schaute Switch von Raul zu Finn und zurück. „Ich war mit einer heissen Braut unterwegs.“ liess er nach einem Augenblick verlauten. „War es das?“

„Wie heisst diese Frau?“

„Weiss ich nicht mehr.“

„Und das sollen wir Ihnen glauben?“

„Ich habe Sie in einem Pub getroffen und später mit ihr weitergezogen, bis wir in ihrer Wohnung gelandet sind.“ wieder schmunzelte Switch.

„Was wissen Sie über das Verschwinden von Dana Winter?“

„Wer? Was?“

„Was wissen Sie über das Verschwinden von Dana Winter?“

„Nichts. Und wer soll das überhaupt sein? Diese Person kenne ich nicht.“

Raul Lunardi gestand sich ein, dass das halbwegs nach der Wahrheit klang. Jedoch war dieser Kerl so hochnäsig und kannte keinen Skrupel vor der Polizei, dass er ihnen auch gut etwas vorspielen oder verleugnen konnte.

Die Befragung lief über zwei Stunden so weiter. Raul und Finn mussten ihm alles aus der Nase ziehen. Sie merkten, dass er es genoss die beiden Herren zu schikanieren, doch durften der Beamte und der Staatsanwalt die Beherrschung nicht verlieren, ansonsten würde Switch nichts mehr preisgeben und ihnen würde eine Klage drohen. Gegen Abend mussten sie Tanner gehen lassen. Sie hatten keine Beweise, dass er irgendwie in den Fall Dana Winter verwickelt war.

Wenigstens fand Raul heraus, wo sich die Wohnung der besagten Frau, mit der Switch am Freitag unterwegs war, befand. Wie es sich herausstellte hiess die Dame Odetta Meier.

Raul und Pepe fuhren sogleich mit dem Dienstwagen zum Appartement dieser Frau. Zu ihrem Glück war sie soeben von der Arbeit nach Hause gekommen, als die beiden Kriminalpolizisten bei ihr ankamen. Raul fing sie gerade noch ab, bevor sie im Wohnhaus verschwinden konnte.

„Guten Abend Frau Meier. Dürfen wir kurz Ihre Zeit beanspruchen?“ Raul zeigte gleichzeitig seinen Ausweis, der er aus seiner Hosentasche gezogen hatte.

Genervt liess Odetta Meier die beiden Herren in ihre Wohnung. „Was wollen Sie von mir?“

„Kennen Sie einen Herrn Switch Tanner?“

„Ich habe ihn kürzlich kennengelernt. Warum?“

„Können Sie uns genau sagen, wann das war?“

„Letzten Freitag. Wir haben uns in einer Bar kennengelernt und verbrachten anschliessend die ganze Nacht miteinander.“

Raul fand, dass sich Odettas Wangen leicht rot färbten.

„Ist er Ihnen irgendwie nervös oder angespannt vorgekommen?“

„Nein überhaupt nicht. Warum wollen Sie das alles wissen?“

„Wir ermitteln in einem Entführungsfall.“

„Und was hat Switch damit zu tun?“

„Er ist unser Hauptverdächtiger.“

„Wie? Was? Aber…. warum?“

„Leider können wir Ihnen nichts Genaueres dazu sagen.“

„Ich… ich… verstehe nicht. Er war den ganzen Abend über so charmant. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu solch einer Tat fähig ist.“

„Den meisten Verbrechern sieht man nicht an, dass sie etwas Schlechtes im Schilde führen.“

„Er… war… es aber nicht oder?“ stotterte Odetta Meier vor Entsetzten.

„Können Sie uns die genaue Zeit nennen, als sie mit ihm zusammen waren?“

„Es muss vor Mitternacht gewesen sein, als er mich angesprochen hatte und verliess meine Wohnung ungefähr um zehn Uhr am nächsten Morgen.“

„Wir danken Ihnen für Ihre Zeit, die Sie für uns genommen haben. Bitte bleiben Sie für uns erreichbar, falls wir noch weitere Fragen haben.“ und gab ihr seine Visitenkarte. „Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte.“

Raul und Pepe verabschiedeten sich von ihr und stiegen die drei Treppen zum Ausgang hinab.

Sie setzten sich in den Streifenwagen und fuhren zurück zur Kripo.

„Was meinst du, sagt sie die Wahrheit?“ wollte Raul von seinem Arbeitskollegen wissen.

„Ich sah keine Anzeichen dafür, dass sie gelogen haben sollte. Ausserdem wirkte Sie ziemlich schockiert, als du erwähnt hast, in was für einem Fall wir ermitteln.“ entgegnete Pepe.

Somit kam Switch Tanner für die Entführung nicht in Frage. Aber warum wurden die Spuren zu ihm gelegt? Oder hatte Raul etwas übersehen, gar falsch gedeutet? Wurden sie im Fall Maisie Haige absichtlich auf die Spur von Switch Tanner geführt?

Finn las die Aussagen von Danas Freundinnen durch, die während des Tages gemacht worden waren. Er wollte wissen, ob jemand der vier Frauen, an jenem Abend, als seine Frau verschwunden war, irgendwas Ungewöhnliches an ihr bemerkt hatte.

Bei keiner Stellungnahme las er etwas Seltsames, ausser dass Dana für Ihren Charakter überaus ruhig war.

War der Streit zwischen ihr und Finn der Auslöser, dass Dana so schweigsam war oder gab es noch einen anderen Grund?

Winter fühlte sich erschöpft und ausgehungert. Er musste an die frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen. Vor dem Gebäude bog er nach links ab und lief durch die Luzerner Altstadt, um an den Vierwaldtstättersee zu gelangen.

Nun waren schon über drei Tage vergangen, als Finn seine Frau das letzte Mal gesehen hatte. Lösegeld wurde bis anhin nicht gefordert, was der Staatsanwalt ohnehin ausgeschlossen hatte. Wo konnte sie bloss sein? Warum gerade Dana?

Ohne gross darauf zu achten, wohin es ihn trieb, befand er sich auf einmal an der Stelle, an der er oft mit seiner Frau den Tag ausklingen liess.

Am See angekommen, setzte er sich auf eine Bank und starrte auf das Wasser hinaus. Er bemerkte gar nicht, als ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte. Erst die Stimme riss ihn aus seiner Starre.

„Hallo mein Schwager. Was tust du denn hier?“

Blinzelnd schaute Finn ins Gesicht von Chloe. „Ich war fast den ganzen Tag bei der Kriminalpolizei. Ich habe gehofft, dass mich das sommerliche Wetter und die See ein wenig ablenken und beruhigen können. Die Angst um meine Frau kann ich leider nicht so einfach ausblenden, wie ich es mir wünsche.“

 

„Wart ihr erfolgreich? Gibt es neue Hinweise?“

„Alles ist eine Sackgasse. Heute Nachmittag haben Raul und ich eine verdächtige Person vernommen. Wir mussten ihn allerdings wieder laufen lassen, da wir keinen stichhaltigen Beweis gegen ihn hatten. Ich hoffe, dass Raul in der Zwischenzeit auf neue Hinweise gestossen ist. Und was tust du hier?“

„Ich habe einem Kunden eine Wohnung hier in der Gegend gezeigt und war nun auf dem Weg zurück ins Büro. Durch meine Arbeit konnte ich mich wenigstens ein bisschen von meinen Gedanken an Dana abwenden. Ausserdem…“

Finn war wie ein Bruder für sie. Trotzdem konnte Chloe ihrem Schwager nicht erzählen, dass sie soeben an Raul denken musste. Finn hatte genug andere Probleme und schwerwiegendere als sie.

„Ausserdem was?“ hakte Finn nach.

„Ach nichts. Ist nicht so wichtig.“

„Du kannst mir alles sagen, das weisst du oder?“

Chloe war nicht bereit mit Finn über die Affäre mit Raul zu reden und lenkte das Thema geschickt in eine andere Richtung, bei dem ihre Bedenken ebenfalls ausgeräumt werden mussten.

„Ich frage mich dauernd, was geschehen wäre, wenn ich Chloe bei dir abgesetzt hätte und nicht am See.“

„Bitte mach dir keine Vorwürfe. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wenn es nicht letzten Freitag passiert wäre, wäre es zu einem anderen Zeitpunkt geschehen. Nur wüsste ich gerne warum es Dana treffen musste und was für einen Grund dahinter steckt.“

Beide sassen, in ihren Überlegungen versunken, auf der Bank und sahen auf das Wasser hinaus, wo die Schiffe ihre Route fuhren. Als es anfing zu dämmern, entschieden sie sich nach Hause zu gehen.

Chloe Kramer befand sich zu Hause in ihrem Arbeitszimmer. Sie hatte derzeit einen anspruchsvollen Kunden, dem sie unbedingt eine Wohnung vermitteln wollte, aber es gab vieles zu beachten, denn sein neues zu Hause musste wie für ihn zugeschnitten sein.

Sie liebte solche Aufträge, aber an diesem Abend konnte sie sich nicht hundertprozentig auf die Arbeit konzentrieren. Heute Morgen schaute sie bei ihrem Chef vorbei und erklärte ihm, was sich in ihrem Privatleben gegenwärtig abspielte. Chloe wusste, dass Haydn ihr kein Feuer unter dem Hintern machen würde, wenn sie für mehrere Tage oder sogar Wochen nicht all ihre Fähigkeiten in ihren Job investieren würde. Andererseits wollte sie weiterhin ihren vollen Einsatz erbringen und sich nicht von ihren privaten Problemen leiten lassen.

Sie sass auf ihrem Ledersessel, hinter ihrem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster auf den Rasen hinunter. Normalerweise genoss sie die Ruhe in ihrer Wohnung, wobei im Hintergrund leise Musik oder die Tagesschau im Fernseher lief. Doch Heute fühlte sie sich auf seltsame Weise leer und alleingelassen.

Entsetzt musste Chloe feststellen, dass sie sich wünschte, Raul wäre nun bei ihr. Ihr Herz wurde eng, als würde sich eine Klammer darum legen. War sie dabei, sich in ihn zu verlieben? Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste vorsichtig sein, damit sie nicht noch einmal so verletzt werden konnte, wie vor einigen Monaten.

Verdutzt sah Chloe auf, als sie die Klingel an der Haustür hörte. Einen Blick auf ihre Uhr, an der Wand gegenüber, zeigte bereits nach zehn. Ihr Herz fing wie wild an zu pochen. Für einen kurzen Moment konnte sie sich nicht aus dem Stuhl erheben. Sie fühlte sich wie gelähmt, bei der Vorstellung, dass es Raul sein könnte.

Es läutete schon zum zweiten Mal, als sich Chloe endlich von ihrer Vorfreude erholt hatte. Erwartungsvoll und nervös stand sie auf, um die Tür zu öffnen. Da stand sie nun und blickte in die wundervollsten, blauen Augen, die sie je gesehen hatte.

„Störe ich?“

„Nein.“ hauchte sie verlegen.

„Wie bezaubernd du aussiehst.“ ohne weitere Worte ging Lunardi auf Chloe zu, nahm sie in die Arme und gab ihr einen langen, zärtlichen Begrüssungskuss.

Zu Rauls Überraschung erwiderte sie seinen Kuss genau so leidenschaftlich, wie er es erhofft hatte, aber nicht damit rechnete. Chloe nahm seine Hand und führte ihn in ihr Schlafzimmer.

8.

Wieder stand er vor dem Tor, das den Zugang zur Villa versperrte. Er schaute zum grossen Haus hinauf und fand erneut, dass der Staatsanwalt so ein Leben in Luxus nicht verdient hatte. Es juckte ihm in den Fingern, wenn er an sein Vorhaben dachte. Er wollte Finn Winter leiden sehen, um einiges mehr, als er es musste.

Seine Hand griff nach der Tüte, die sich in seiner Hosentasche befand. Er schob sie unterm Tor durch und legte einen Stein darauf, damit sie nicht vom Wind weggetragen werden konnte. Zuerst wollte er den Beutel vor der Tür ablegen. Jedoch fand er die Vorstellung, Finn beobachten zu können, wie er den Weg mit schweren Schritten zum Portal zurücklegen musste, amüsanter. Dann noch zusehen zu können, wie Finn zu einem Häufchen Elend wurde, wenn er das Geschenk an sich nahm, liess ihn in eine Hochstimmung versetzten.

Er drückte lange auf die Klingel und versteckte sich hinter der Hecke, die das Grundstück von der Strasse abschirmte. Voller Geduld wartete er ab.

Finn sass in seine Akten vertieft, als die Klingel laut und lang ertönte. Erschrocken über den Ton, der die Stille durchbrach, fuhr er hoch. Da er sich derzeitig in seinem Arbeitsraum befand, brauchte er nur den Kopf zu heben und einen Blick auf die Bildschirme zu werfen, um nachzusehen, wer sich so um diese Zeit draussen befand.

Alle vier Kameras funktionierten zum Glück wieder. Wie versprochen, kam ein Herr Lüthi, von der Firma Oppis Sicherheitstechnik, am Nachmittag vorbei und konnte die zwei defekten Kameras ohne grosse Anstrengung reparieren.

Auf den Monitoren war nichts zu erkennen. Niemand auch kein Auto stand am Gartentor oder vor dem Eingang. Was war denn jetzt schon wieder los? Seine Neugierde war geweckt und er erhob sich aus seinem Sessel. Bevor er jedoch zur Tür ging, um sie zu öffnen, nahm er seine Waffe aus der Schublade seines Schreibtisches und lief aus dem Raum. Die Aussenlampen leuchteten sogleich auf, als er die Tür aufschloss. Kein allzu gutes Gefühl beschlich ihn, als er in die Dunkelheit starrte. Nichts war zu sehen oder zu hören. Folglich kehrte er ins Haus zurück und schloss ab. Retour in seinem Büro, warf Winter erneut ein Auge auf die Displays.

Was war das? Wie konnte er das beim ersten Mal übersehen? Beim Gartentor lag ein Gegenstand auf dem Boden.

Vor lauter Aufregung wusste er nicht einmal mehr, wo sich sein Handy befand. Er schaute sich in seinem Arbeitszimmer um, um es schliesslich unter einem Berg Akten zu entdecken. Mit zitternden Händen griff er danach und wählte Rauls Nummer.

Das Klingeln eines Natels riss ihn aus einem traumlosen Schlaf. Raul stellte nach einigen Sekunden fest, dass es sein Handy sein musste und suchte schlaftrunken nach seiner Hose, in der er sein Telefon vermutete. Letztlich lagen die Kleider am Ende des Bettes. Er schnappte sich sein Handy und ging auf den Flur hinaus. Kaum hörbar zog er die Schlafzimmertür zu, denn er wollte nicht, dass Chloe das Telefonat mitanhören konnte. Wer auch immer um diese Uhrzeit anrief, überbrachte mit grosser Wahrscheinlichkeit keine gute Neuigkeit.

„Ja?“ fragte Raul mit leiser Stimme.

„Raul, kannst du so schnell wie möglich bei mir vorbeikommen? Vor wenigen Minuten klingelte jemand an meiner Tür. Aber es war niemand zu sehen. Als ich auf den Bildschirmen der Überwachungskameras nachsah, entdeckte ich irgendwas beim Eingangstor das am Boden lag. Um nichts zu verwischen oder zu riskieren, dachte ich mir, dass ich besser dich benachrichtigen sollte.“

„Bin schon unterwegs.“

Als sich Raul zum Schlafzimmer umdrehte, stand Chloe in der offenen Tür. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie aufgestanden war.

„Was ist los?“ fragte sie mit verschlafener Stimme.

„Ich muss weg.“

„Ist was mit meiner Schwester? Chloe schaute ihn nun mit grossen und besorgten Augen an.

„Nein.“ Raul beschlich ein schlechtes Gewissen, weil er soeben Chloe angelogen hatte. Aber er wollte sie nicht unnötig verunsichern. Schliesslich wusste er selbst nicht, was ihn erwartete. Lunardi sammelte seine Kleider zusammen und zog sich schnell an.

„Was dann? War das Finn, am Telefon?“ nervös lief sie ihm nach.

„Ich kann dir nichts Genaues sagen. Tut mir leid. Versuch weiterzuschlafen. Ich werde mich Morgen bei dir melden.“

„Erzähl mir was passiert ist!“ schrie sie ihn an. „Wie soll ich jetzt noch an Schlaf denken können?“

„Bitte beruhige dich, meine Süsse. Ich lasse dich ungern so zurück, aber es geht nicht anders.“

Resigniert lenkte Chloe ein. „Melde dich, sobald du mehr weisst.“

Raul hielt sie kurz fest an sich gedrückt, gab ihr einen langen Kuss und schon war er aus Chloes Sichtfeld verschwunden.

Er hörte in der Dunkelheit ein Auto näher kommen. Sein Gespür sagte ihm, dass er sich in Acht nehmen sollte. Ein wenig enttäuscht, marschierte er um die nächste Ecke. Leider war die Sicht von dieser Position, wo er sich jetzt befand, nicht mehr frei.

Kurz darauf kam ein dunkler Audi TT mit überhöhter Geschwindigkeit, die Strasse entlang gerast. Wie er es vermutete, hatte Finn Winter seinen Freund den Polizisten informiert. Frustriert zog er sich allmählich zurück. Er wollte diesen Staatsanwalt leiden sehen und zwar aus nächster Nähe. Dann musste er sich eben einen weiteren Schlag gegen Winter überlegen. Er ersehnte sich seinen Feind, Schritt für Schritt, zu vernichten und das würde ihm auch gelingen.

Finn wartete bei der Haustür, bis Raul herangefahren kam. Als er ihn sah, rannte er sogleich zum Gartentor hinunter. Lunardi stieg auf der anderen Seite des Tors aus seinem Wagen.

„Da bist du endlich.“

„Was hast du gesehen?“ Raul blickte durch die Stäbe zu Finn hinüber. Dieser zeigte mit dem Finger auf den Boden vor sich. Vor dessen Füssen befand sich ein Beutel, aber Raul konnte nicht erkennen, was es sein sollte.

„Öffne das Tor. Ich komme rein.“ schon hatte Raul seine Handschuhe übergestreift. Als der Durchgang offen war, näherte er sich langsam dem Gegenstand, der auf dem Boden lag und hob ihn auf. Er öffnete die Tüte und griff hinein.

„Einen Zopf. Geflochten aus Haaren.“ hauchte der Polizist vor sich hin.

„Was soll das!“ schrie Finn aus und rannte schnurstracks durch die Pforte und einige Meter die Strasse entlang. Er war sich sicher, dass ihn jemand beobachtete, konnte allerdings niemanden entdecken. Erschöpft lief er zu seinem Haus zurück. .

Raul stand noch an der gleichen Stelle, mit den Haaren in der Hand. Er schnupperte daran und stellte fest, dass sie frisch schmeckten, als wären sie erst gerade gewaschen worden.

„Riech mal.“ und hielt den Zopf Finn hin.

Finn machte grosse Augen, als er den Duft wahrnahm. „Shampoo.“ entfuhr es ihm. Er stürzte aufs Haus los und verschwand im Innern.

Raul rannte ihm nach und fand ihn schliesslich im oberen Geschoss in dessen Badezimmer wieder.

„Danas Shampoo ist weg!“ mit weichen Knien stand Winter vor der Dusche und schaute sich die verschiedenen Flaschen wiederholt durch. „Die war heut Morgen noch da! Da bin ich mir absolut sicher.“

„Aber wie sollte das Haarwaschmittel von hier fortkommen, wenn du es nicht genommen hast?“

„Ich werde morgen gleich die Haushälterin fragen, ob sie das Badezimmer geputzt und ob sie hier etwas weggeräumt hat. Mein Gefühl sagt mir jedoch etwas anderes.“

Auch Raul war von Tag zu Tag mehr davon überzeugt, dass jemand Finn zur Schnecke machen wollte. Doch wer?

Er teilte seinem Freund mit, dass er sein Auto am Tor holen gehe und entschwand nach draussen.

Lunardi blickte sich nochmals um, als er vor dem Haus parkierte und aus seinem Fahrzeug stieg, aber in dieser Dunkelheit war rein gar nichts zu entdecken.

„Wann wurde bei dir geklingelt?“ wollte Raul von Finn wissen, als sie sich im Wohnzimmer wieder trafen.

„Kurz nach vier Uhr.“

„Ich habe Switch Tanner beschatten lassen. Daher denke ich, dass wir ihn ausschliessen können. Ausser er hat einen Gehilfen, das glaube ich jedoch nicht. Mal sehen, was die Beamten melden, die ihn observiert haben.“

 

Raul holte sein Natel hervor und rief Pepe an. „Hei Pepe. Wo seid ihr?“

„Wir stehen gerade vor Switchs Wohnblock. Warum?“

„Seit wann seid ihr da?“

„Sicher schon seit zwei Stunden.“

„Und wo wart ihr vorher?“

„Vor seinem Lieblingspub. Was ist bei dir los?“ Pepe wurde allmählich unruhig.

„Finn hat wieder eine Botschaft erhalten.“

„Wir haben Switch nie aus den Augen gelassen.“

„Ok. Danke.“ Raul legte auf.

„Wir haben es hier eindeutig mit einem Psychopathen zu tun.“ bemerkte Finn nüchtern.

Es war schon fast sieben Uhr morgens, als sich Raul von seinem Freund verabschieden wollte.

„Eines möchte ich noch wissen, Finn. Anscheinend hattet Dana und du einen argen Streit. Weshalb?“

Kaum war diese Frage gestellt, läutete es. Verdutzt blickte Lunardi in Richtung Tür.

„Das wird Noemi sein, unsere Haushälterin. Entschuldige mich kurz.“ Finn erhob sich und ging an die Tür.

Raul wollte wissen, wer diese Hausangestellte war und lief in den Flur, von wo aus er sie sehen konnte.

Eine etwas kleinere, ältere Frau mit schulterlangen, schwarzen Haaren und einem Pony trat ein. Nachdem Finn Noemi begrüsst hatte, stellte er sie Raul vor. Gleich darauf begann sie mit ihrer Arbeit.

„Warum hast du eine neue Haushälterin? Ich dachte, ihr wart mit der Anderen überaus zufrieden?“

Finn war im ersten Augenblick froh über den Themenwechsel. Bis er verstand, um was es sich eigentlich handelte. Wie sollte er seinem besten Freund erklären, warum Veronika, die letzte Haushälterin, gezwungen wurde zu gehen?

Winter stand auf, um die Tür der Bibliothek zu schliessen, damit das neue Dienstmädchen nichts mitanhören konnte. Auf dem Weg zurück zu seinem Sessel, machte er bei der Bar halt und füllte sich ein Glas mit Cognac auf.

„Finn, es ist erst sieben Uhr morgens. Meinst du nicht, dass es noch zu früh für einen solchen Drink ist?“

Nachdenklich betrachtete der Staatsanwalt sein Glas in der Hand. „Ich war noch nie so verzweifelt und ratlos wie in den letzten Tagen.“

„Ich kenne dich schon fast dein ganzes Leben lang. Finn du kannst mir nichts vormachen. Was bedrückt dich so? Warum hattet Dana und du einen Streit? Gib mir endlich eine Antwort. Schliesslich willst du auch, dass wir Dana finden oder?“

„Wie kannst du so etwas überhaupt fragen!“ schrie Finn seinen besten Freund an.

„Was soll ich denn denken, wenn du nicht mit mir redest!“ Rauls Stimme wurde zunehmend lauter.

Resigniert nahm Winter auf einem Sessel Platz. In sich zusammengesunken blieb er eine Weile sitzen ohne auf Raul einzugehen. Er musste seine Gedanken sammeln, um ihm alles erklären zu können.

„Hmhm…“ räusperte sich Finn. „Du hast Recht. Ich verschweige dir etwas. Nur fällt es mir schwer, mich darüber zu äussern. Ich bin Staatsanwalt und so was sollte mir nicht geschehen. Oder ich dachte zumindest, dass mir so ein Fehler nicht passieren könnte.“

„Sag mir…!“ Raul wurde durch ein Handzeichen von Finn gestoppt.

„Ich habe das unangenehme Gefühl, dass Dana wegen mir, an jenem Freitag, nicht nach Hause kommen wollte. Sie hatte einen triftigen Grund dafür.“

„Und das wäre?“

„Dana fand mich vor einigen Wochen in einer heiklen Situation mit Veronika vor.“

„Was willst du mir damit sagen!“ rief Raul schockiert aus. Was erzählte Finn da? Der treuherzigste Mensch, den er je kennengelernt hatte.

„Eigenartigerweise kann ich mich nicht daran erinnern, was vorgefallen war. Aber anscheinend entdeckte Dana Veronika und mich in einer intimen Situation. Dana arbeitete an dem Tag in der Galerie, in der sie manchmal aushilft. Eigentlich hätte ich in der Staatsanwaltschaft sein müssen, habe aber eine Akte zuhause liegen lassen, die ich dringend brauchte. Also ging ich kurz hierher, um diese zu holen. Veronika war gerade im oberen Stock am sauber machen, als ich nach Hause kam. Ich begrüsste sie kurz und ging dann in mein Arbeitszimmer, um die Unterlagen zu holen. Nach wenigen Minuten suchte mich Veronika auf, weil sie in ein paar Wochen in die Ferien fliegen und mich fragen wollte, ob das für uns in Ordnung sei. Von da an kann ich mich an nichts mehr erinnern. Dana hatte Veronika und mich angeblich im Büro erwischt. Ich habe jedoch eine Gedächtnislücke von einigen Stunden.“

„Warum bist du nicht schon früher damit herausgerückt? Du weisst doch, wie wichtig jedes noch so kleinste Detail, für die Ermittlung, ist. Verflucht nochmal!“ schrie er ihn an.

„Ich schäme mich dafür.“

„Was denkst du, hat sich da abgespielt?“

„Das wüsste ich auch gern. Das Dienstmädchen servierte mir eine kleine Erfrischung. Ich vermute, dass sie mir irgendwas ins Getränk gemischt hat. Aber beweisen kann ich es nicht. Veronika kam fast drei Jahre lang zu uns und machte den Haushalt. Dana und ich verstanden uns gut mit ihr, daher finde ich keinen Grund für ihr Verhalten.“

„Habt ihr sie nach diesem Zwischenfall gleich entlassen?“

„Ja. Dana konnte sie nicht mehr ertragen. Wir gaben ihr den Rest des Monatslohnes und das wars. Dana riet ihr, nicht mehr in dieser Gegend aufzutauchen.“

„Hast du versucht ein klärendes Gespräch mit Veronika zu führen?“

„Nein. Ich dachte, alles würde wieder gut werden, doch darin habe ich mich anscheinend getäuscht.“

„Weisst du, wo sich diese Veronika jetzt aufhält oder arbeitet?“

„Nein. Möchte ich auch nicht.“

„Wie du sagtest, ist das nun schon einige Zeit her. Warum hattet Dana und du vergangenen Freitag eine Auseinandersetzung?“

„Obwohl ich ihr ständig versichere, dass nichts gewesen sei, kann sie mir nicht mehr vollständig vertrauen. Letzten Freitag wollte ich ihr mitteilen, dass ich am Samstag und Sonntag in der Staatsanwaltschaft zu arbeiten hätte, obwohl wir für diese zwei Tage schon ein Zimmer in einem Hotel im Südtirol gebucht hatten. Also dachte Dana, dass ich sie belüge. Wir haben uns dermassen gezankt, dass sie sich in unserem Schlafzimmer eingesperrt hatte.

Dabei bin ich ihr nie fremdgegangen, geschweige denn eine andere Frau je berührt. Ich liebe Dana und möchte niemand anders an meiner Seite.“

„Denkst du euer Streit war nur aus diesem Grund?“

„Ja. Was sollte es sonst sein? Er war ständig unser Knackpunkt.“

„Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Ich werde umgehend ins Büro gehen und das“ Raul hielt den Beutel mit den Haaren hoch „überprüfen lassen.“

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?