Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

5. §§ 1 ff. KSchG und § 626 BGB als für alle geltende Gesetze



Das deutsche Kündigungsschutzrecht bildet eine für das kirchliche Selbstbestimmungsrecht bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen maßgebliche Schranke. Die §§ 2 ff. KSchG sowie § 626 BGB sind Gesetze i.S.d. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.

144

 Die in ihnen enthaltenden unbestimmten Rechtsbegriffe („sozial ungerechtfertigt“ bzw. „wichtiger Grund“) eröffnen den Spielraum für die richterliche Güterabwägung.

145






6. Das AGG als ein für alle geltendes Gesetz



Das AGG

146

 verbietet gem. §§ 1, 7 AGG eine Diskriminierung von Arbeitnehmern oder Bewerbern aus Gründen der Religion oder Weltanschauung.

147

 Insoweit schränkt das Gesetz kirchliche Arbeitgeber bei der Aufstellung von kündigungsrelevanten Loyalitätsanforderungen ein, die hinsichtlich der Konfession des Betroffenen differenzieren.

148

 Das Gesetz wirkt in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als Schrankenregelung i.S.d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV.

149






7. Verfassungsimmanente Schranken



Die Freiheiten des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV werden durch die Grundrechte und Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt, die eine verfassungsimmanente Schranke bilden.

150

 Diese Begrenzung tritt neben die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Sie bedarf eines förmlichen Gesetzes.

151

 Zur Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts ist also nur der Gesetzgeber ermächtigt.

152

 Der Gesetzesvorbehalt folgt dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.

153

 Es handelt sich um die Einschränkung einer Rechtsposition, die in den ausschließlichen Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fällt (sog. „Wesentlichkeitsvorbehalt“).

154






8. Schranken aus Konkordaten und Kirchenverträgen



Soweit die Kirchen sich gegenüber dem Staat vertraglich zu Einschränkungen ihres Selbstbestimmungsrechts verpflichtet haben, steht diesen Beschränkungen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV nicht entgegen.

155

 Durch die vertragliche Übernahme von wechselseitigen Gewährleistungen bewirken Staat und Kirche die Harmonisierung ihres Verhältnisses.

156

 Die Reichskonkordaten und neueren Kirchenverträgen erkennen die „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ verbindlich an.

157






IV. Das Verhältnis von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zu Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG



Es wird mit vielen Nuancierungen eine Auseinandersetzung darüber geführt, inwieweit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 GG gegenüber Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG

158

 einen eigenständigen Sachverhalt regelt. Die umfassende Beleuchtung der Bedeutung des Art. 137 Abs. 3 WRV für die deutsche Verfassung gebietet eine Stellungnahme zu seiner Regelungsfunktion.






1. Der Streitstand im Überblick

a) Die Rechtsprechung des BVerfG



Das BVerfG weist in seiner Rechtsprechung auf eine eigenständige Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV hin:



„Die Garantie freier Ordnung und Verwaltung eigener Angelegenheiten ist eine notwendige, rechtlich selbstständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 4 Abs. 2 GG) die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt .“

159



Im

Chefarzt

-Urteil des BVerfG heißt es:



„Sie sind – mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG – untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes.“

160



Zwischen der Religionsfreiheit i.S.v. Art. 4 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV bestehe nach Auffassung des BVerfG ein solch enger „organischer“ Zusammenhang, dass die Schutzgehalte des Art. 137 Abs. 3 WRV durch eine auf Art. 4 GG gestützte Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten.

161

 Diese betrachtet das Verfassungsgericht umfassend, d.h. auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV.

162

 Soweit sich der Schutzbereich von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und der korporativen Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG decke, finde Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zwar aufgrund der speziellen Schrankenbestimmung vorrangig Anwendung.

163

 Den schrankenlosen Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG werde jedoch im Abwägungsprozess dadurch Rechnung getragen, dass dem Selbstbestimmungsrecht in der Abwägung mit konkurrierenden Rechten ein „besonderes Gewicht“ beizumessen sei.

164






b) Institutionelle Freiheitsgarantie



Nach einer an die historischen Weimarer Wurzeln des Selbstbestimmungsrecht anknüpfenden Betrachtung wird Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV eine institutionelle Dimension beigemessen, die unabhängig von dem durch Art. 4 GG gewährleisteten Freiheitsgrundrecht zu betrachten sei.

165

 Diese Ansicht wird teilweise dahingehend modifiziert, dass eine gemeinsame Betrachtung von institutionellem Recht und Freiheitsrecht zu erfolgen habe.

166






c) Auffangfunktion



Demgegenüber vertritt ein großer Teil der aktuelleren Literatur die Auffassung, dass sich die Schutzbereiche beider Normen weitgehend decken würden und im Nebeneinander beider Normen der schutzintensivere Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG regelmäßig vorrangig anzuwenden sei, wobei im Falle des Handelns von Religionsgemeinschaften die spezielle Schranke des Art. 137 Abs. 3 WRV greife.

167

 Das Religionsverfassungsrecht wird insoweit aus der Perspektive des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG betrachtet.

168

 Lediglich im Rahmen von organisationsrechtlichen Fragen der Struktur und Mitgliedschaft verbleibe Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV eine eigenständige Bedeutung.

169



Hieran wird kritisiert, dass nicht alle über Art. 140 GG inkorporierten Rechte lediglich von Art. 4 GG ableitbar seien, auch wenn Art. 4 GG als „zentrale Grundentscheidung“

170

 oder sogar „religionsrechtliche Grundnorm“

171

 betrachtet werden könne. Soweit sich die Regelungen von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV nicht direkt aus Art. 4 GG ableiten ließen, handle es sich um „spezifische Ausprägungen der Schutzpflichtendimension der Religionsfreiheit“ für das deutsche Religionsverfassungsrecht.

172






d) Kollisionsfunktion



Die eigenständige Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV soll auch nach Auffassung eines Teils der Literatur in dessen besonderer Funktion liegen. Die Vorschrift diene der Auflösung der Kollision einer sich gegenseitig ausschließenden staatlichen wie kirchlichen Rechtsetzung in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand.

173

 Mithilfe von Art. 137 Abs. 3 WRV könne in den seltenen Fällen, in denen sich die gleichzeitige Anwendbarkeit von kirchlichem und staatlichem Recht ausschließe, bestimmt werden, welche Regelung Anwendung finde.

174

 Der Staat akzeptiere insoweit die Regelungszuständigkeit der Kirche im Rahmen der Schrankenregelung.

175



Die Einordnung der Religionsgemeinschaft als eine dem Staat ebenbürtige Inhaberin von Rechtsgewalt begegnet in der Literatur heftigem Widerspruch. Sie lasse sich mit dem heutigen Verständnis der Unterordnung der Kirche unter das Grundgesetz

176

, dem Prinzip staatlicher Souveränität

177

 sowie der Übertragung der Gemeinwohlverantwortung auf den Staat

178

, nicht vereinbaren. Dem halten die Vertreter der Kollisionsfunktion entgegen, der Staat erkenne die Kirche als

„societas perfecta“

 an, „ die nicht nach seinem, sondern nach eigenem Recht lebt “.

179



Auch geht die Rechtsprechung davon aus, der Verfassungsgeber habe durch die Inkorporation des Selbstbestimmungsrechts zum Ausdruck gebracht, dass die Religionsgemeinschaften „ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten“.

180

 Ferner sei eine den aktuellen staatlichen Präferenzen ggf. widersprechende, wesentliche Grundentscheidung zu Gunsten der Stellung der Kirche getroffen worden.

181

 Die gesonderte Verankerung des Selbstbestimmungsrechts diene dazu, die Anerkennung des Verhältnisses von Religionsgemeinschaft und Staat festzuschreiben.

182






2. Stellungnahme



Das Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV steht unstreitig in engstem Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und ist demnach im Lichte der Religionsfreiheit auszulegen.

183

 Einzelne Aspekte des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bedingen nach hier vertretener Auffassung die Freiheit der kollektiven Religionsausübung der Gläubigen und ergeben sich demgemäß bereits aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG.

184

 Insofern tritt Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV hinter den schutzintensiveren Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG zurück.

185

 Mit Blick auf die Subsumtion von Sachverhalten unter die Rechtsvorschrift ist demnach zu differenzieren, inwiefern die Angelegenheit lediglich einen administrativen Charakter hat oder einen Bezug zur Religionsfreiheit aufweist.

186

 



Eine eigenständige Bedeutung bei gleichzeitiger Anerkennung der Verknüpfung beider Artikel liegt nach überzeugender Ansicht ferner in der Kollisionsfunktion des verfassungsrechtlich gesondert verankerten Selbstbestimmungsrechts. Eingewendet wird, der vorstehende Ansatz biete keine Vorgaben für die Auflösung des Kollisionsverhältnisses, da das Vorrangverhältnis nicht festgelegt werde.

187

 Die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts und damit einhergehend der Anwendungsvorrang können aber auf der Ebene des Schutzbereichs sowie insbesondere der Schrankenbestimmung hinlänglich konkretisiert werden. Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV gibt diesbezüglich einen hinreichend ausdifferenzierten „Ausgleichsmechanismus“

188

 vor.

189



Ein die Bedeutung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in das Deklaratorische verschiebender Ansatz vermag nicht zu überzeugen. Verfassungsrechtliche Normierungen weisen im Zweifelsfall eine eigenständige Bedeutung auf und sind dementsprechend auszulegen.

190

 Richtigerweise muss die Durchsetzung jeglichen Rechts in weltlichen Angelegenheiten dem staatlichen Gewaltmonopol obliegen und der Staat selbst hat die kirchlichen Normen mit unmittelbarem Geltungsrang auszustatten, soweit Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV dies gebietet. Dies stellt die Annahme einer Kollisionsfunktion aber nicht infrage. Im Falle einer vorrangigen Anwendung kirchlicher Regelungen in weltlichen Angelegenheiten hat der Staat diesem Anwendungsvorrang gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zur Geltung zu verhelfen und ggf. den erforderlichen Rahmen für die insoweit gelebte Religionsfreiheit zu schaffen

191

. Dieses Durchsetzungsgebot ermächtigt den Staat indes nicht zu einer inhaltlichen Kontrolle kirchlicher Regelungen und ist nicht auf deren Genehmigung ausgelegt.

192

 Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben eine der staatlichen Säkularisierungstendenz gegenüber „witterungsbeständige“ Entscheidung zugunsten einer Sonderrolle der Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Gefüge gefällt.

193






B. Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen als „eigene Angelegenheiten“ der Kirchen



Nachdem geklärt wurde, unter welchen Voraussetzungen das Grundgesetz das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bei der Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten sichert, soll nunmehr der verfassungsrechtliche Schutz des Selbstbestimmungsrechts kirchlicher Arbeitgeber im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen näher betrachtet werden. Hierfür ist zunächst ein Grundverständnis vom Wesen des kirchlichen Dienstes erforderlich. Ferner müssen die Loyalitätsanforderungen der Kirchen als Ausprägung des kirchlichen Selbstverständnisses untersucht werden. Da vorliegend anhand der katholischen Loyalitätsanforderungen die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts untersucht wird, ist die Darstellung der Besonderheiten des evangelischen Dienstes auf einen Überblick beschränkt. Nachdem die Grundlagen des kirchlichen Dienstverhältnisses erarbeitet sind, kann die Einordnung des Selbstbestimmungsrechts kirchlicher Arbeitgeber bei der Kündigung von Arbeitsverhältnisses in der Rechtsprechung des BVerfG gewürdigt werden.






I. Transzendenzschutz statt Tendenzschutz



In der Literatur wird darüber gestritten, ob die für sog. „Tendenzbetriebe“

194

 geltenden arbeitsrechtlichen Grundsätze auf Religionsgemeinschaften übertragen werden können oder ob es mit Blick auf ihre spezielle verfassungsrechtliche Stellung besonderer Regeln bedarf.



Ein Teil der Literatur verneint einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Religionsgemeinschaften und Tendenzträgern mit dem Argument, dass ein „gewisser Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ auch in der kirchlichen Dienstgemeinschaft nicht geleugnet werden könne.

195

 Es sei kein gravierender Unterschied zwischen Grundrechten und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht festzustellen, zumal das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zunehmend in einem Funktionszusammenhang mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit gesehen werde.

196

 Auch sei die Unterscheidung zwischen Religionsgemeinschaft und Tendenzbetrieb wegen des staatlichen Neutralitätsgebots sowie des Gleichheitssatzes problematisch.

197

 Dem gegenüber vertritt ein großer Teil der Literatur den Standpunkt, die Religionsgemeinschaft sei bereits dem Grunde nach nicht mit einem Tendenzbetrieb zu vergleichen und unterliege daher gänzlich anderen Regeln.

198



Die letztere Auffassung verdient Zustimmung. Zwar kann es zu Interessenkonflikten zwischen kirchlichem Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommen.

199

 Der Unterschied zu einem Tendenzarbeitsverhältnis liegt aber darin, dass sich der umfassende religiöse Sendungsauftrag auf sämtliche Lebensbereiche und nicht nur auf Teilaspekte hiervon erstreckt.

200

 Die Unterscheidung berührt daher nicht das Gleichbehandlungsgebot.

201

 In einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde sich das Gericht bei der Übertragung der Grundsätze für Tendenzbetriebe kirchliche Arbeitsverhältnisse sogar vielmehr in die Gefahr begeben, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln. Das staatliche Neutralitätsgebot ist nicht mit einer Pflicht zur „kritischen Distanz“ verbunden

202

, sondern erfordert Toleranz und Offenheit für sämtliche religiöse oder weltanschauliche Ansichten

203

. Insofern verstößt die Berücksichtigung der Besonderheiten der Religionsgemeinschaft nicht gegen das Neutralitätsgebot, sondern sichert dieses erst ab. Dass die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV im Kündigungsschutzprozess Transzendenz- statt Tendenzschutz voraussetzen, bekräftigte das BVerfG im Übrigen in seinen Leitentscheidungen

Stern

 und

Chefarzt

.

204






II. Die Dienstgemeinschaft als Grundlage kirchlicher Arbeitsverhältnisse



Als „Dienstgemeinschaft“

205

 wird im kirchlichen Arbeitsrecht die besondere Beziehung zwischen der Kirche und den Personen, die sich zur Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrages arbeitsteilig zusammenschließen, bezeichnet.

206

 Sie bildet eine „Brücke“ zwischen weltlichem (Arbeits-)Recht und theologischem Glaubensauftrag.

207

 Der Begriff der „Dienstgemeinschaft“ als solcher ist mit Blick auf seine erstmalige Verwendung im „Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben

 vom 23. März 1934

208

 von seinem theologischen Fundament zu unterscheiden. Die Begrifflichkeit wurde von der Kirche 1936 unter Bezugnahme auf die NS-Regelung erstmalig aufgegriffen

209

 und in den 50er Jahren in kirchenrechtlichen Regelungen beider Kirchen normativ verankert

210

. Der historisch problematische Hintergrund des Wortes „Dienstgemeinschaft“ ist Quelle beständiger Kritik an dessen Verwendung.

211

 Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern eine alternative Begriffsform wünschenswert wäre. Das hinter dem Begriff der „Dienstgemeinschaft“ liegende Konzept der „Gemeinschaft des Dienstes“ (siehe 2 Kor 8, 4) weist nach kirchlichem Verständnis jedenfalls keinerlei Bezug zum nationalsozialistischen Gefolgschaftssystem auf.

212






1. Katholische Kirche



In c. 211 CIC heißt es: „Alle Gläubigen haben die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt.“ Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche gehen von einem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen aus.

213

 Anders als die evangelische Kirche

214

 unterscheidet die katholische Kirche allerdings hinsichtlich der Stellung im kirchlichen Dienst zwischen Laien und Klerikern.

215

 Letztere übernehmen nehmen eine herausragende Rolle im kirchlichen Dienst ein (vgl. cc. 273 ff. CIC)

216

, wobei der Zweite Vatikanische Konzil die Differenzierung dahingehende relativierte, dass zwar „ in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung “ bestehe

217

. Unerheblich ist jedenfalls die Rechtsform des Anstellungsverhältnisses für die Zugehörigkeit zur Dienstgemeinschaft.

218

 Obgleich die „Dienstgemeinschaft“ inzwischen als maßgebliche Argumentationsbasis für die Eigenart des kirchlichen Dienstes fungiert, verkompliziert die Überblendung des theologischen Fundaments mit der wirtschaftlichen Praxis die Bestimmung einer genauen Definition.

219

 Vor dem Hintergrund der Beschäftigung konfessionsverschiedener und konfessionsloser Mitarbeiter durch die Kirche kann die Dienstgemeinschaft schwerlich ausschließlich an das Selbstverständnis der Christen als zum Sendungsdient berufene Kinder Gottes i.S.d. cc. 204 ff. CIC anknüpfen.

220

 Eine Verengung des Begriffs auf einen Dienst, der ungeachtet der internen Motive faktisch der Erfüllung des Sendungsauftrages dient, wird zwar wiederum möglicherweise dem Prinzip des gemeinsamen Priesteramtes der Gläubigen nicht zur Gänze gerecht.

221

 Da die Dienstgemeinschaft jedoch selbst nicht als Form einer „soziologische Gemeinschaft“ zu verstehen ist oder als Rechtsgrundlage für die erbrachten Leistungen dienen kann

222

, kann die Dienstgemeinschaft nur dasjenige sein, was die Kirche nach eigenem Selbstverständnis unter kirchlichem Dienst versteht. Die katholische Kirche hat nach ihrem allein maßgeblichen Selbstverständnis in Art. 1 S. 1 der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ von 1993

223

 eine Legaldefinition für den Rechtsbegriff der „Dienstgemeinschaft“ normiert, wonach diese durch den gemeinsamen Beitrag zur Erfüllung des Sendungsauftrags der Kirche gekennzeichnet sei.






2. Evangelische Kirche



Grundlegend für die evangelische Dienstgemeinschaft ist das Verständnis des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen.

224

 Das Amt der Kirche wurzelt dabei im Amt der Apostel und stellt ein einzigartiges, auf die Repräsentation Christi gerichtetes Amt dar, das im Wege der Ordination verliehen wird.

225

 Der Amtsträger steht dabei allerdings „in der Gemeinde“

226

, da die Dienstgemeinschaft trotz unterschiedlicher Aufträge durch die „ gemeinsame Verantwortung vor der allen geltenden Aufgabe “

227

 geprägt ist. Diese dienstliche Ordnung hat ihre theologische Grundlage im dreifachen Amt Christi, als Priester, Lehrer und Hirte.

228






III. Überblick über Grundlagen und Ausformungen kündigungsrelevanter Loyalitätsobliegenheiten

1. Hintergrund der kirchlichen Loyalitätsobliegenheiten



Die Kirchen unterliegen unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Sonderstellung bei der Ausgestaltung von kirchlichen Dienstverhältnissen geringeren Restriktionen als ein weltlicher Arbeitgeber.

229

 Neben den hier auszuklammernden Besonderheiten des kollektiven Arbeitsrechts

230

 betrifft dies insbesondere die Möglichkeiten kirchlicher Arbeitgeber, den Bestand von Arbeitsverhältnissen in besonderer Abhängigkeit von der außerdienstlichen Lebensführung des Mitarbeiters zu gestalten.



Für die Kirche stellt die Ausgestaltung eines Ethos-orientierten Anforderungsprofils für Ihre Mitarbeiter mit Blick auf den ersten Brief des heiligen Paulus an seinen Weggefährten Timotheus 4,12 eine ihrer Selbstbestimmung unterliegende, ureigene Angelegenheit dar.

231

 In Satz 12 heißt es in Bezug auf die Voraussetzungen für das Lehren des Wortes Gottes: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit“. Die hiermit gemeinten Verhaltens- und Persönlichkeitsanforderungen gehen erkennbar über die rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten im eigentlichen Sinne hinaus. Sie betreffen weder die Form noch die Güte der zu erbringenden Arbeit. Vielmehr wird der Wert der Arbeitsleistung für den kirchlichen Sendungsauftrag an der Einstellung und dem Lebenswandel der Person, die sie erbringt, gemessen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einklagbare Nebenpflichten i.S.v. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, sondern um Obliegenheiten, deren Nichtbeachtung für den Arbeitnehmer nachteilige Folgen in Form von Sanktionen zeitigen kann.

232

 



Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben die sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht ergebenen Freiheiten in Bezug auf die Erstellung eines Anforderungsprofils an ihre Mitarbeiter kodifizi