Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

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2. Überblick über den Regelungsgehalt kündigungsrelevanter Loyalitätsobliegenheiten

Im Folgenden wird ein Überblick über die Grundlagen der Loyalitätsanforderungen der katholischen und Evangelischen Kirche gegeben. Hinsichtlich der Tatbestände der GrOkathK und der EKD-RL, deren Erfüllung die kirchlichen Arbeitgeber zu einer Kündigung berechtigen. Dabei wird die Rechtslage vor und nach der Reform jeweils gegenübergestellt.

a) Katholische Kirche
aa) Grundlagen

Das Grundprinzip des kirchlichen Dienstes liegt gem. Art. 1 GrOkathK in dem Zusammenschluss von Kirche und Mitarbeitern zu einer Dienstgemeinschaft243, die zum Zweck der Erfüllung des Sendungsauftrags244 der Kirche gemeinschaftlich Beiträge leistet. Mitglieder der Dienstgemeinschaft können damit gegebenenfalls auch Nichtchristen sein, solange diese in Gemeinschaft mit der Kirche und unter Beachtung ihrer Besonderheiten an deren Sendungsauftrag mitwirken.245

Die Grundordnung ist nach Art. 2 Abs. 3 GrOkathK nicht auf Mitarbeiter anzuwenden, die auf der Grundlage eines Klerikerdienstverhältnisses oder ihrer Ordenszugehörigkeit tätig werden, da für diese besondere Regeln gelten, die über die Loyalitätsobliegenheiten für die übrige Dienstgemeinschaft hinausgehen.246 Der geistliche Dienst muss indes nicht zwingend durch Kleriker ausgeübt werden247, weshalb die Grundordnung trotz Art. 2 Abs. 3 GrOkathK teilweise Sonderregeln für Mitarbeiter, die einen solchen Dienst ausüben, postuliert. Im Übrigen findet die Grundordnung nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GrOkathK auf alle Arbeitsverhältnisse in kirchlichen Dienststellen und Einrichtungen – ungeachtet ihrer Rechtsform oder der Selbstständigkeit ihrer Leitung – Anwendung.248

bb) Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten, die zu einer Kündigung berechtigen

Soweit sich die Kirchen der arbeitsvertraglichen Gestaltung von Dienstverhältnissen bedienen, unterliegen ihre Dienstverhältnisse kraft Rechtswahl dem staatlichen Arbeitsrecht.249 Demnach muss eine außerordentliche Kündigung den Anforderungen des § 626 BGB genügen und bei einer ordentliche Kündigung sind die Bestimmungen des KSchG zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung zu beachten.250 Einfallstore für die Berücksichtigung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts sind der unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB und die Kriterien der sozialen Rechtfertigung einer typischerweise personenbedingten251 Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG einschließlich der damit verbundene Gewichtung des Fehlverhaltens im Rahmen der Interessenabwägung.252

Die vereinheitlichende Gewichtung möglicher Pflichtenverstöße hat die katholische Kirche durch die Kodifizierung in Art. 5 GrOkathK vorgenommen.253 Art. 5 GrOkathK differenziert dabei hinsichtlich der Rechtsfolgen, die die einzelnen als schwerwiegend eingestuften Loyalitätsverstöße nach sich ziehen. Eine Kündigung ist auch nach der Novellierung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 3 GrOkathK nur als ultima ratio auszusprechen. Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GrOkathK ist zunächst zu prüfen, ob nicht durch mildere Maßnahmen, wie etwa eine Abmahnung oder Versetzung, auf den Loyalitätsverstoß reagiert werden kann. Zu beachten ist, dass Art. 5 Abs. 1 S. 1 GrOkathK den kirchlichen Dienstgeber grundsätzlich verpflichtet, vor der Erhebung einer Maßnahme zunächst mit dem Mitarbeiter ein klärendes Gespräch zu führen. Es handelt sich insoweit um eine bindende Verfahrensnorm, da eine Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, ohne zuvor ein solches Gespräch geführt zu haben, „regelmäßig“ den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.254

Katalogverstöße gem. Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. schlossen, abgesehen von Härtefällen, eine Weiterbeschäftigung aus, wenn diese durch pastoral oder katechetisch tätige Mitarbeiter begangen wurden oder durch Mitarbeiter in leitender Funktion oder solche, die für eine Missio canonica tätig waren. Im Übrigen war eine Interessenabwägung mit Blick auf die Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Kirche vorzunehmen (Art. 5 Abs. 4 GrOkathK a.F). Gem. Art. 5 Abs. 5 S. 1 GrOkathK a.F. schied eine Weiterbeschäftigung allerdings im Falle eines Austritts aus der katholischen Kirche stets aus. Bei der Eingehung einer nach katholischem Selbstverständnis ungültigen Ehe galt dies jedenfalls dann, wenn die Umstände, unter denen eine solche Ehe geschlossen wurde, ein öffentliches Ärgernis darstellten oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigten (z.B. böswilliges Verlassen von Ehepartner und Kindern), Art. 5 Abs. 5 S. 2 GrOkathK a.F.

(1) Der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe, Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F.

Da die streitgegenständliche Kündigung im IR-Verfahren des EuGH255 aufgrund der Wiederheirat des gekündigten Dienstnehmers ausgesprochen wurde, soll dieser Kündigungsgrund vorliegend näher betrachtet werden.

(aa) Die Ehe als „res sacra“

„Das christliche Eheverständnis geht von der Schöpfung aus“256, denn nach dem biblischen Schöpfungsbericht ist die Ehe selbst gottgemacht. Der göttliche Schöpfer hat hiernach bestimmt, dass der Mensch die Gemeinschaft aus Mann und Frau bildet und „ein Leib“ werde (Gen. 2,24), denn es sei „nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (Gen. 2,18).

Gem. c. 1055 § 1 CIC liegt der Zweck der Ehe aufgrund ihrer natürlichen Eigenart in dem Wohl der Ehegatten, der Zeugung der Nachkommenschaft sowie deren Erziehung. Der Umstand, dass die Ehe im Besonderen der Weitergabe von Leben dient, bewirkt ihre Ungültigkeit, wenn sie von vornherein bewusst nicht auf die Zeugung von Nachkommen ausgerichtet ist.257 Gem. c. 1055 § 1 CIC ist die Ehe unter Getauften stets zugleich ein Sakrament, da sie nach der katholischen Glaubenslehre die Teilnahme an dem Geheimnis der Einheit zwischen Christus und Kirche bewirkt.258

(bb) Gründe für die Ungültigkeit einer Ehe nach der kirchlichen Rechtsordnung

Das kanonische Recht differenziert hinsichtlich sog. „Trennender Hindernisse“ (cc. 1083 – 1094 CIC), des „Gültigen Ehekonsenses“ (cc. 1095 – 1107 CIC) sowie der gültigen „Eheschließungsform“ (cc. 1108 – 1123 CIC) mit Sonderregelungen zur Gültigkeit sog. „Mischehen“ (cc. 1124 – 1129 CIC), also Eheschließungen zwischen Katholiken und Angehörigen einer anderen Konfession oder konfessionslosen Personen (matrimonium mixtum259).

Die Vorschriften über den für die Eheschließung notwendigen Ehekonsens schließen die Gültigkeit der Ehe beim Vorliegen bestimmter Erkenntnismängel (z.B. mangelnde Urteilsfähigkeit, Irrtum, arglistige Täuschung) oder Willensmängel (wie z.B. innere Vorbehalte) aus.260 Die Vorschriften über die Eheschließungsform wiederum geben vor, wo, wie und durch wen der Ehekonsens der Brautleute entgegengenommen wird.261

Die „Trennenden Hindernisse“ sind Umstände, die zur Ungültigkeit der Ehe führen können, soweit nicht in Ausnahmefällen ein Dispens erteilt werden kann. Die Erteilung eines Dispenses schließt konsequenterweise das Vorliegen eines Kündigungsgrundes aus.262 Als grundsätzlich nicht dispensable Hindernisse werden die fehlende Zeugungsfähigkeit, die Blutsverwandtschaft sowie das einem neuen Eheschluss entgegenstehende, bereits geschlossene Eheband gewertet.263

Das der erneuten Eheschließung entgegenstehende „Eheband“, das insbesondere den Chefarzt-Fall264 des BVerfG bzw. die EuGH-Rechtssache IR265 auslöste, wird besonders weit ausgelegt, was der Unauflöslichkeit des Ehebandes nach dem katholischen Glauben geschuldet ist.266 Zwar kann eine Ehe sogar nach kirchlichem Recht geschieden werden, allerdings müssen die Betroffenen den schmalen Pfad des Ehenichtigkeitsverfahrens beschreiten, der den Nachweis der anfänglichen Nichtigkeit der zuvor geschlossenen Ehe erfordert.

(cc) Kirchliche Bewertung einer ungültigen Ehe

Die Eingehung einer ungültige Ehe wird von der katholischen Glaubenslehre als schwerer Sündenfall erkannt. Sie bewirkt insbesondere die Verweigerung der Eucharistiegemeinschaft gem. c. 915 CIC, sodass den „[…] hartnäckig in offenkundiger Sünde verharrenden […]“ Betroffenen die Spende der Kommunion zu verweigern ist.267

Die katholische Bewertung einer ungültigen Ehe unterscheidet sich erheblich von der Verfehlung in Gestalt außerehelichen Zusammenlebens in bestehender Ehe, da durch das außereheliche Verhältnis nicht der durch die Wiederehe erreichte „[…] Grad an Publizität, Festigkeit und Rechtsförmlichkeit […]“ des Fehlverhaltens erreicht wird.268 Eine Verweigerung der Kommunionsspende ist gerade nicht vorgesehen. Um die Aussöhnung der Ehegatten nicht zu gefährden, halten sich katholische Arbeitgeber daher sogar mit der Sanktionierung außerehelicher Beziehungen bewusst zurück.269 Der Erhalt des Ehebandes ist von derart zentraler Bedeutung, dass für kirchliche Ehenichtigkeitsprozesse das Amt des Ehebandverteidigers (defensor vinculi) geschaffen wurde, der zur Sicherung des Bestands des Ehebandes mit diversen Prozessrechten ausgestattet ist (c. 1432 CIC) und damit gewissermaßen zum Gegenspieler der klagenden Parteien avanciert.270

 

(dd) Spannungsverhältnis zu Art. 6 Abs. 1 GG

Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe ganz allgemein, das heißt auch die nach kirchlichem Recht ungültige Ehe, unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Um diesen Schutzauftrag zu erfüllen, muss der Staat gegebenenfalls Gesetze erlassen, die im Widerspruch zu den kirchlichen Vorgaben stehen. Insoweit kann es sich bei diesen Regelungen um ein „für alle geltendes Gesetz“ handeln, das an der Schrankenregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zu messen ist.271

Diese Kollision wirkt sich unter anderem auch im Bereich des Arbeitsrechts aus, da die Arbeitsgerichte bei der Überprüfung von Kündigungsentscheidungen kirchlicher Arbeitgeber aufgrund einer ungültigen Zivilehe die divergierenden Rechtspositionen im Sinne der Abwägungslehre in einen schonenden Ausgleich zu bringen haben.272 Dabei muss das kirchliche Eherecht nicht zwingend als Antagonist des grundrechtlichen Eheschutzes gesehen werden. Vielmehr befand das BAG bereits im Jahr 1978, dass die Institutionalisierung der Ehe gem. Art. 6 Abs. 1 GG durch die „Unauflöslichkeitsformel“ des kirchlichen Eherechts sogar gestärkt werde.273

Die Grundrechte wirken – wie Art. 1 Abs. 3 GG herausstellt – unmittelbar nur im Verhältnis des Einzelnen zum Staat.274 Soweit daher durch die mittelbare Grundrechtswirkung des Art. 6 Abs. 1 GG über die unbestimmten Rechtsbegriffe des Privatrechts in die Rechte der Kirche als nichtstaatliche Institution eingegriffen wird, hat das einschränkende Gesetz den Anforderungen der Schrankenregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zu genügen.275 Somit muss im Arbeitsrecht bei der Auslegung der Rechtsbegriffe des „wichtigen Grundes“ i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB und der sozialen Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sichergestellt sein, dass die Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 GG nicht die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt.276

(2) Kirchenaustritt

Der Kirchenaustritt ist zwar „theologisch unmöglich“277, die Abgabe einer Austrittserklärung vor der zuständigen staatlichen Stelle jedoch ein von der Kirche scharf sanktioniertes Fehlverhalten. Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 4 GrOkathK differenzierte Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. bis zur Überarbeitung im Jahr 2015 nicht hinsichtlich der Kirche, aus der der Betreffende austritt. Die Literatur plädierte mit teleologischen Argumenten dafür, Austritte zum Zwecke der Konversion nicht unter den Sanktionstatbestand zu fassen.278 Vor der Neuregelung war insbesondere streitig, ob der Kirchenaustritt aus der katholischen Kirche einen absoluten Kündigungsgrund darstellte.279

(3) Öffentliches Eintreten gegen die tragenden Grundsätze der katholischen Kirche

Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. benannte das öffentliche Eintreten gegen die tragenden Grundsätze der katholischen Kirche als weiteren schweren Loyalitätsverstoß. Als Beispiel führte die Grundordnung das öffentliche Propagieren der Abtreibungsmöglichkeit für Schwangere auf. Gem. Art. 4 Abs. 4 GrOkathK haben alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen, sodass das öffentliche Befürworten von Abtreibungen nach der Abwägungsentscheidung des Art. 5 Abs. 4 GrOkathK a.F. zu einer Kündigung für konfessionslose Mitarbeiter führen konnte.280

(4) Schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen

Bis zur Novellierung der Grundordnung war es problematisch zu bestimmen, inwieweit schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. eine Kündigungsmöglichkeit für konfessionslose Mitarbeiter eröffneten. Die Vorschrift war mit Blick auf die abgestuften Anforderungen an die persönliche Lebensführung in Art. 4 GrOkathK a.F. zu bewerten. Von konfessionslosen Mitarbeitern durfte die Kirche gem. Art. 4 Abs. 4 GrOkathK a.F. nur eine private Lebensführung erwarten, die die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht gefährdete oder ihr feindlich gesinnt war. Somit musste entweder der Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. hinsichtlich konfessionsloser Mitarbeiter restriktiv ausgelegt werden oder es war den Wertungen des Art. 4 GrokathK a.F. in besonderer Weise bei der Interessenabwägung des Art. 5 Abs. 4 GrOkathK a.F. Rechnung zu tragen.281

(5) Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind

Art. 5 Abs. 2 GrOkathK a.F. benannte einige Verhaltensweisen, die nach katholischem Selbstverständnis eine eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche offenbarten und damit eine Kündigungsmöglichkeit eröffnen konnten. Hierzu zählten „vor allem“ und daher nicht abschließend Fälle des Glaubensabfalls, der Verunehrung der Eucharistie, der Gotteslästerung, des Hervorrufens von Hass und Verachtung gegen die Religion sowie bestimmte, gegen die Kirche gerichtete Straftaten.

(6) Auswirkungen der Überarbeitung vom 27. April 2015
(aa) Reformierung der Tatbestände schwerer Loyalitätsobliegenheitsverstöße

Die schweren Loyalitätsverstöße des Art. 5 Abs. 2 GrOkathK n.F. wurden im Rahmen der Überarbeitung im Jahr 2015 nach der Konfessionszugehörigkeit abgestuft und tragen insofern jetzt der Systematik des Art. 4 GrOkathK Rechnung.

Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) bis d) GrOkathK n.F. zählt Verstöße auf, die glaubensunabhängig für sämtliche Mitarbeiter eine dienstliche Sanktionsmöglichkeit eröffnen. Hierzu gehört nicht mehr der Tatbestand des Kirchenaustritts. Um das zeitpolitische Beispiel „Fremdenhass“ ergänzt, wertet aber Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) GrOkathK n.F. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche nach wie vor ungeachtet der Konfession des Mitarbeiters als schweren Loyalitätsverstoß.

Die „schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung“ ist nunmehr an weitere, objektivierende Voraussetzungen gebunden. Sie muss „objektiv geeignet“ sein, „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen“ (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) GrOkathK n.F.). Insoweit zieht die Vorschrift einerseits eine Parallele zu Art. 4 Abs. 4 GrOkathK n.F. und nimmt neben dem Interesse der Kirche an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit nun offenbar auch die Interessen der Dienstgemeinschaft sowie Dritter im „beruflichen Wirkungskreis“ in den Blick. Die Vorschrift setzt kumulativ voraus, dass der Verstoß einerseits geeignet ist, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu gefährden und andererseits ein „erhebliches Ärgernis“ in der Dienstgemeinschaft oder dem beruflichen Wirkkreis hervorzurufen. Insofern wurden die Anforderungen deutlich erhöht.282 Der Glaubensabfall wird in Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) GrOkathK n.F. von den Verhaltensweisen ausgenommen, die für sämtliche Mitarbeiter eine dienstliche Sanktionsentscheidung nach sich ziehen. Diese Herausnahme dient indes wohl nur der Klarstellung, da ein Glaubensabfall bereits nach altem Kirchenrecht rein logisch nur für vormals Gläubige in Betracht kam. Neu als Kündigungsgrund aufgenommen wurde hingegen das „Verunglimpfen und Verhöhnen von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen“.

Hintergrund der tatbestandlichen Erweiterung war, dass zuvor böswillige Karikaturen und Beschimpfungen nicht unter den Tatbestand der Gotteslästerung oder anderer Strafgesetze subsumiert und daher nicht sanktioniert werden konnten.283 Ferner stellt seit der Reform die Propagierung von Überzeugungen und Glaubensinhalten, die im Widerspruch zum katholischen Glauben stehen, ein schweres Vergehen dar, soweit der Aufruf während der Arbeitszeit erfolgt oder ein dienstlicher Zusammenhang besteht. In diesem Sinne tatbestandlich könnte auch das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeitszeit sein, da der 5. Senat des BAG284 in einem solchen Verhalten bereits eine nicht hinzunehmende Glaubensbekundung für eine andere Religion erkannt hat.285

Hinsichtlich ihrer katholischen Mitarbeiter stellt die katholische Kirche in Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 GrOkathK n.F. nach wie vor andere Anforderungen als an ihre übrigen Mitarbeiter: Der Austritt aus der katholischen Kirche (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK n.F.) sowie der Abfall vom katholischen Glauben (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) GrOkathK n.F.) bleiben nach katholischem Selbstverständnis schwere Treuebrüche. Da § 5 Abs. 2 S. 1 EKD-RL keinen Grund zur Kündigung annimmt, wenn der betreffende Arbeitnehmer in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen oder der Evangelischen Freikirchen eintritt, spricht sich ein Teil der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Ökumene für eine entsprechende Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK aus.286

Eine auffällige Neuerung ist, dass die kirchenrechtlich unzulässige Zivilehe gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrokathK nur dann einen schweren Loyalitätsverstoß darstellt, wenn sie „objektiv geeignet“ ist, nach den konkreten Umständen „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis“ hervorzurufen und eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche droht. Neu ist auch, dass die Anforderung an die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ehe ausdrücklich nur noch für katholische Mitarbeiter gilt und auch hier kumulativ die Interessen der Kirche und der Dienstgemeinschaft bzw. des beruflichen Wirkkreises betroffen sein müssen. Ob der ungültige Eheschluss ein „öffentliches Ärgernis“ i.S.v. Art. 5 Abs. 5 S. 2 GrOkathK a.F. erregt, ist dagegen nunmehr unerheblich. Die Gefährdungseignung des Loyalitätsverstoßes wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeitern und solchen, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet. Leitende Angestellte oder Personen im erzieherischen Dienst werden vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr erfasst.

Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stellt für katholische Mitarbeiter in Form der praktizierten Homosexualität einen Loyalitätsverstoß i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F. dar.287 Die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wurde in den Katalog der schweren Loyalitätsverstöße gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F aufgenommen und der Eingehung einer ungültigen Ehe gleichgestellt. Die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Zivilehe dürfte bereits unter Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrOkathK n.F. fallen, da die Kirchenrechtslehre homosexuell veranlagten Personen die zur Ehegültigkeit erforderliche Ehefähigkeit abspricht.288