Buch lesen: «Galaxy Kids 2», Seite 4

Schriftart:

Kapitel 10

Kapitel 10

Es dauerte doch sehr viel länger, bis Oxo zwei von diesen Anzügen mit jeweils einem Hyperraumflugtriebwerk ausgestattet hatte. Problem eins war: es gab noch keinen dieser Antriebe in einer solchen Größe. Bisher waren sie für Raumschiffe, bestenfalls für kleinere Shuttles konstruiert wurden. Problem zwei und das war sogar noch schwieriger zu lösen, es musste so mit dem Anzug verbunden werden, dass es sich nicht bei dieser immensen Beschleunigung losreißen konnte. Darauf verwendete Oxo die meiste Zeit, immerhin fast zwei Tage.

Eigentlich grenzte es an ein Wunder, das er es überhaupt schaffte. Der Zustrom an zu bewältigenden Problemen wollte nicht abreißen. Ganz anders als der Antrieb selbst. Es wollte ihm einfach nicht gelingen diese beiden Komponenten unlösbar miteinander zu verbinden.

Schließlich konzipierte er es komplett neu. Zusammenfügen funktionierte nicht. Also integrierte er den Antrieb gleich in den Anzug. Was aber auch nicht ohne Probleme funktionierte. Zunächst einmal fand er keinen geeigneten Platz für die Antriebskomponente. Anfänglich schwebte ihm der Rücken vor, doch da erwies sich die Steuerung als zu schwerfällig. Also verlegte er ihn in die Anzugbeine. Das war gut, dadurch konnte er wie eine Rakete gesteuert werden. Allerdings musste er dafür den Antrieb ein zweites Mal umbauen. Noch kleiner, als beim ersten Mal. Und für jedes Bein eins. Das hatte aber auch einen Vorteil. Jedes Triebwerk für sich brauchte gar nicht so leistungsstark zu sein. Die Hälfte der Power genügte völlig, denn da war ja noch das zweite. Als er das gemeistert hatte, musste er noch kleine Flügel, nicht viel größer als Stumpen an den Anzügen konzipieren, um den Flug ruhig zu halten und die vorgegebene Richtung beizubehalten. Auch das gelang nach wenigen Anläufen.

Und dann stand sie endlich vor ihnen, die fertige Konstruktion. Wäre er ein Mensch gewesen, oder ein Yxianer, er wäre vor Stolz geplatzt …

Kapitel 11

Kapitel 11

„Meine Fresse, was für Hammerteile“, Robin machte ganz große Augen, dann lief er pfeifend um die beiden Anzüge herum.

„Himmel, Arsch und Zwirn“, kam es auch von Mike. „Das sind ja Raketen auf zwei Beinen.“

Tatsächlich muteten die Anzüge ein bisschen wie Raketen an. Der spitz zulaufende Helm, die Hülle, in dem der Pilot steckte, kaum dicker als der Pilot selbst, an den Hüften wie die Seitenflossen bei Fischen vier kleine Flügel, dann die Beine, die schließlich in den Unterschenkeln kräftiger wurden, dort steckten im Anzug eingebettet die Triebwerke.

„Ja, verdammt“, stimmte Jenni zu, „damit hängen wir euch lahme Schnecken ab.“ Sie grinste bis über beide Ohren. Eben trat Nicole neben sie, legte ihr den rechten Arm über die Schultern und sagte, „die machen wir kaputt.“ Laut schallend lachten beide, auch die Jungs lachten. Sie neckten sich gegenseitig, ohne böse Absichten, wie Freunde das eben tun.

Oxo ließ sie feixen, denn er ahnte ihre Anspannung. Er fühlte sie ja selbst, auf seine Art. Er hatte keine Angst, er zweifelte auch nicht an seinen Rechenergebnissen. Es war nur ein merkwürdiges Gefühl in seinen Systemen. Und die Frage ob er alles berücksichtigt hatte. Eigentlich wusste er, dass er das hatte. Dennoch ließ ihn dieses bange Gefühl nicht los und nagte sich wie eine Ratte durch Kartonage.

„Beeindruckend“, kam es von Marcel. Er starrte die Anzüge mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an. Anders als die anderen vier hatte er sie schon gesehen. Er hatte Oxo die ganze Zeit beim herumwerkeln beobachtet, war selbst in der Nacht nicht in sein Bett gegangen, sondern war dortgeblieben, hatte ihn weiter beobachtet. Und wenn es ihm möglich war, hatte er sich sogar beim zusammensetzen beteiligt.

„Beeindruckend, sagst du? Ich sage, das Ding ist der Hammer. Der Oberwahnsinn“, Robin war aus dem Häuschen und auch ein bisschen neidisch. Wie gern würde er sich in diesen Anzug zwängen und mit ihm fliegen? Doch das war das Ding der Mädchen; sie waren die Pilotinnen … aber träumen wird man ja mal dürfen.

Endlich näherten sich auch die anderen den Anzügen, umstreiften sie ehrfürchtig, begutachteten sie aus allen Richtungen, fassten sie an. Ihr Stoff fühlte sich ein bisschen wie der einer Jeans an. Sie bezweifelten nicht, dass sie sich so in All wagen konnten. Sie glaubten Oxo wenn er sagte der Anzug sei für einen Raumflug geeignet. Sie hatten nur Zweifel was den Hyperraumflug anging. Würden sie ihn steuern können? Waren ihre fliegerischen Fähigkeiten dafür geeignet?

Nach einigen Augenblicken drehte sich Jenni zu Oxo um, sah ihn nachdenklich an und fragte dann, „wie geht es jetzt weiter?“

„Jetzt kümmern wir uns um die Barriere!“

Ihre Herzen schlugen wie wild, die Münder staubtrocken, dafür die Haut schweißnass. Die Anzüge waren sogar noch enger, als sie aussahen. Ein einziger Kraftakt sie anzuziehen. Aber als sie sie endlich anhatten, fühlte es sich an als seien sie nackt. Die beiden mussten erst einmal an sich hinuntersehen und davon überzeugen, dass sie es nicht waren. Nur die Handschuhe waren klobig, blieben es auch noch nachdem sie sie übergestreift hatten. Als letztes zogen sie den Helm über den Kopf. Sofort wurden alle Geräusche wie mit einer Schere abgeschnitten. Es herrschte absolute Stille, als schauten sie bei einem Stummfilm zu. Nicole und Jenni sahen die Mundbewegungen ihrer Freunde, es kam aber nichts zu ihnen durch. Fast machte sich ein leiser Anflug einer Klaustrophobie breit. Und als sie endlich Oxos Stimme in der Comm hörten, waren sie erleichtert.

„Nun? Wie fühlt es sich an?“

Sie schilderten ihre Eindrücke. Oxo nickte zustimmend, als hätte er es erwartet.

„Wie sieht es mit den Luftvorräten aus?“

Nicole und Jenni konnten sich sämtliche Funktionen auf das Helmvisier projizieren lassen, steuerbar über ihre Stimme oder den Augen, was ein bisschen gruselig war. Für die Jungs sah es so aus als rollten diese unkontrolliert in ihren Höhlen herum.

„Alles gut“, sagte Nicole als erste. „Luft reicht für zwölf Stunden. Das sollte genügen.“

„Energievorrat bei einhundert Prozent“, schloss sich Jenni an. „Plus Reserve.“

„Wie lange reicht das?“, wollte Marcel wissen und drehte sich zu Oxo um.

„Kommt darauf an wie sie haushalten. Der größte Teil geht für den Antrieb drauf. Ungefähr sechzig, siebzig Prozent. Dann die Heizung mit knappen zwanzig. Die Instrumente nehmen dagegen den geringsten Teil, etwa fünf bis acht Prozent. Ein paar Stunden schaffen sie auf jeden Fall. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, das die Energie eher verbraucht ist als die Luft.“

„Also etwas weniger als zwölf Stunden, richtig?“

„Richtig.“

„Ich habe nicht vor so lange durchs All zu sausen. Wenn ihr mich fragt, ist das ausreichend“, schloss Nicole.

„Also gut“, kam es von Oxo. „Habt ihr Lust auf einen Ausflug?“

„Ich dachte schon du würdest nie fragen.“

Oxo und die Jungs traten beiseite als sich das Hallendach öffnete. Wie zwei Fahrstuhltüren fuhren die beiden Hälften auseinander. Es war kaum ein Meter Platz dazwischen, als Jenni sagte, „die letzte ist eine lahme Schnecke.“ Dann stiegen beide pfeilschnell in die Höhe. Ein kurzes grelles pfeifen begleitete ihren Abflug, dann herrschte Ruhe.

Der Ausflug dauerte eine Stunde.

Die Mädchen gingen dabei bis ans äußerste, jedoch nicht in den Hyperflug. Sie beschleunigten bis ans Maximum, flogen enge Kurven, bremsten abrupt und beschleunigten wieder.

Hinterher grinsten beide bis über die Ohren. Sie hatten eine Menge Spaß gehabt. Mal schauen ob der Hyperraumflug auch so spaßig wird.

Kapitel 12

Kapitel 12

„So“, bremste Oxo die beiden Mädchen, trat auf sie zu, schnappte nach ihren Handgelenken, an denen die Computer angebracht waren und gab Befehlssequenzen ein. Erst bei Nicole, anschließend bei Jenni. Nach wenigen Sekunden war er fertig, machte wieder einen Schritt zurück, sah sie mit ernstem Blick an und sagte dann, „der Hyperflug ist programmiert.“

„Okay“, entgegneten sie mit schwachen Stimmen. Es klang, als würden sie aus einem sehr tiefen Loch heraus sprechen, kaum zu verstehen. Ihre Blicke hafteten sich an seinen.

„Ich möchte das ihr folgendermaßen vorgeht: Ihr fliegt zu diesen Koordinaten, die ich eingegeben habe“, sofort riefen die beiden diese auf. Sie führten sie an Yxus Nordpol, „dort angekommen aktiviert ihr den Hyperantrieb. Einen Kurs habe ich auch schon eingegeben. Dieser bringt euch zu einem der Generatoren. Ich habe einen aufs Geratewohl ausgewählt. Ich glaube nicht, dass es dabei irgendwelche Unterschiede gibt. Bitte hört mir genau zu! Der Kurs ist so programmiert, dass er euch bis auf weniger als einen Meter an den Generator bringt. Ihr befindet euch dann in so etwas wie einem toten Winkel. Er sieht euch buchstäblich nicht, weil ihr nicht auf seinen Sensoren auftaucht. Und so werden die Abwehrmaßnahmen nicht aktiviert. Wenn ihr dort seid, nähert euch trotzdem nur sehr langsam, nehmt euch soviel Zeit wie ihr braucht. Ich weiß leider nicht, wie er auf Erschütterungen reagiert. Wenn ihr angedockt seid setzt ihr euch mit mir in Verbindung! Ich leite euch dann weiter. Ich sage euch, was ihr zu tun habt!“

Sie hatten ihm aufmerksam zugehört, auch die Jungs. Die Mädchen waren gar nicht erst aus den Anzügen gekrochen, noch während Oxo sie unterwies wurden die Sauerstoff und Energievorräte aufgefüllt.

„Seid ihr bereit?“

„Ich denke schon“, antwortete Nicole, die Stimme war immer noch ein flüstern.

„Ja“, schloss sich Jenni an, auch bei ihr klang es nicht viel lauter.

Sie waren angespannt, aber Angst verspürten sie keine mehr. Sie waren vorbereitet. Sie beherrschten die Flugmanöver, glaubte die Anzüge steuern zu können und wussten, was sie machen sollten.

„Fangen wir an!“, forderten sie ihn auf. Diesmal klangen sie wesentlich kräftiger.

Oxo trennte die Anzüge von den Ladestationen, vergewisserte sich das alles bei einhundert Prozent war, kontrollierte ein letztes Mal den Kurs und nickte ihnen dann zu. Die Mädchen schlossen die Helme, während sich die anderen langsam von ihnen entfernten.

Mit einem kurzen zischen sausten sie durch die geöffnete Dachkuppel davon.

Kapitel 13

Kapitel 13

Für einen winzigen Moment konnten ihre Blicke ihnen folgen, dann verloren sie sie aus den Augen.

Oxo drängte schon wieder zur Eile. „Schnell, wir müssen zum Shuttle!“ Damit drehte er sich um und lief los.

Die Jungs ihm nach.

Mit vergleichsweise langsamen achthundert Stundenkilometern näherten sich die Mädchen dem Nordpol. Sämtliche Instrumenteneinstellungen wurden von innen auf das Visier projiziert. Alles sah sehr gut aus. Luftvorrat ausreichend. Und der Energievorrat wurde bei dieser Geschwindigkeit kaum weniger.

Weder Nicole noch Jenni sagte ein Wort. Sie flogen in einer Höhe von knappen achttausend Metern über Yxus und schwiegen sich an. Unter ihnen zogen riesige Städte lang hin. Die Hauptstadt hatten sie längst hinter sich gelassen. Sie sahen aber auch die Verwüstungen, die bei der Annäherung des Mondes entstanden waren. Einige der Küstenregionen schienen mit einem Messer abgeschnitten zu sein; dort hatten gewaltige Tsunamis gewütet. Aus dieser Höhe hatten sie es noch nie gesehen. Ein katastrophaler Anblick. Zum Glück hatten sie den Sturzflug des Mondes beenden können und so noch mehr Zerstörung verhindert.

In den Anzügen herrschte totale Stille. Nicht einmal das arbeiten der eigenen Triebwerke war zu hören. Allerdings spürten sie sie an den Beinen.

Unter ihnen wurde die Oberfläche karger. Der Wald wuchs nicht mehr so dicht, die Städte wurden kleiner. Irgendwann waren nur noch vereinzelt ein paar Häuser zu sehen, Farmen vielleicht, schließlich verschwanden auch die. Jetzt erstreckten sich nur lange, ausgedehnte Ebenen unter ihnen, auf denen nur noch vereinzelt Baumgruppen standen. Das Klima wurde rauer. Hier oben bemerkten sie nichts davon. Es blieb bei den Minus vierzig Grad, die schon die ganze Zeit über vorherrschten.

Der Anzug hielt sie ab. Noch nicht einmal die interne Heizung musste anspringen.

Oxo führte sie zum Shuttle. Er lief schnell, mit ausladenden Schritten. Er wollte den Shuttle startklar machen und zumindest schon Yxus verlassen haben, bevor die Mädchen in den Hyperflug gingen. Vielleicht konnten sie ja sogar die Startphase miterleben? Er wusste schließlich, wo ihr Trip beginnt. Außerdem musste er bereit sein. Wenn die Mädchen das Ziel ihrer Reise erreichen, muss alles ganz schnell gehen.

Die Jungs hielten mit ihm mit und sagten kein Wort. Sie hatten ihm völlig die Kontrolle übertragen.

Noch eine Biegung, ein letztes Mal durch eine Schleuse, dann stand es vor ihnen, im Hangar, halb im dunklen, nur spärlich beleuchtet.

Oxo verlor keine Zeit. Mit immer größeren Schritten rannte er fast auf den Shuttle zu. Noch im laufen kommunizierte er mit dessen Computer und ließ die Türen öffnen.

Dann war er drinnen, die Jungs hinterher.

Sämtliche Systeme waren bereits im Standby. Gut so. Es ersparte ihm eine Menge Arbeit und Zeit.

Mittlerweile waren sie am Nordpol angekommen. Die Landschaft hatte sich drastisch verändert. Hier wuchs überhaupt nichts mehr, nicht einmal mehr Gras. Der Boden war karg, ausgedörrt und von vielen Trockenheitsrissen durchzogen, die von hier oben wie gigantische Spinnweben aussahen.

Sie standen in der Luft, wie zwei Kolibris, unter ihnen fast achttausend Meter freier Fall, über ihnen ein strahlend blauer Himmel und um sie herum, in allen Richtungen nichts als der Horizont. Kurz hatten sie das Gefühl allein auf dieser Welt zu sein.

„Wie geht’s dir“, fragte Nicole, wie um diesem Gefühl gleich entgegen zu wirken.

„Oh, sehr gut. Und dir?“

„Phantastisch.“

Sie nahmen sich einige Momente Zeit für diesen Ausblick. Eingestehen würden sie es sich nie, aber sie brauchten das um sich auf ihr Vorhaben einzustellen. Angst hatten sie keine, aber eine gehörige Menge Respekt.

„Okay“, begann Jenni. „Lass uns noch einmal alles checken!“

Schnell fuhren alle Systeme aus dem Standby hoch. Die Triebwerke verteilten ein gleichmäßiges zittern im ganzen Shuttle, als es sich langsam vom Hangarboden abhob. Allmählich gewann es an Höhe, näherte sich der Dachschleuse, durchflog es und stieg hinauf in den Himmel. Das alles dauerte nur wenige Momente.

Schon stieß es in die Wolkendecke, beschleunigte und steuerte den Rendezvouskoordinaten entgegen.

„Dann mal los.“

Nachdem der Check keine Auffälligkeiten ergeben hatte, wollten sie endlich beginnen. Dieses buchstäbliche in-der-Luft-hängen machte sie nur nervös. Da war es schon besser zu starten.

Auf dem Visier wurden noch einmal die Flugdaten projiziert. Die Beschleunigungsphase wird genau eins Komma vier Sekunden andauern. In dieser Zeit erreichen sie eine Höhe von zweitausenddreihundert Kilometern über Yxus. Während dieses Wimpernschlages hatten sie noch Zeit den Flug zu unterbrechen. Wenn dieses Fenster erst geschlossen war, wird es nicht mehr möglich sein. Mit ihren Augen steuerten sie durch die Anzeigen. Dann hatten sie den knallroten Button direkt vor Augen.

„Bist du soweit?“

„Ja.“

„Also bei drei!“

„Bei drei!“

„Eins!

Zwei!

Drei!“

Die Beschleunigung war immens. Sie zog und zerrte an ihren Beinen. Wäre der Anzug an dieser Stelle nicht absolut steif und unbeweglich, es hätte ihnen höchstwahrscheinlich die Beine ausgerissen. So aber spürten sie es bis tief in ihre Knochen rumoren. Unter ihnen entfernte sich der Boden immer schneller.

Dann waren sie aus der Atmosphäre. Unter ihren Füßen war Yxus im Ganzen zu sehen. Der komplette Planet erstreckte sich unter ihnen. An seinem Nordpol waren sie steil nach oben geflogen, sodass sie jetzt seine Nordhalbkugel sehen konnten, bis zu seinem Äquator.

Die Beschleunigung riss und zerrte wie verrückt. Klickend schaltete sich die Anzugheizung ein. Die projizierten Anzeigen wiesen ihre Geschwindigkeit aus, die Höhe, den Kurs.

In weniger als zwei Sekunden, so hatte es Oxo errechnet, dringen sie in den Hyperraum ein.

Nicole und Jenni hielten den Atem an.

Auch das Shuttle hatte die Atmosphäre verlassen. Es näherte sich seinen Endkoordinaten. Noch konnte es mithalten, aber hatten die Mädchen erst die Hyperflugphase erreicht, schaffte es das nicht mehr.

Die Jungs und Oxo standen im Cockpit, waren eng beisammen gerückt und starrten auf das Ortungssystem. Die kleinen roten Punkte, die die Position ihrer beiden Freundinnen darstellen, waren direkt vor ihnen, gewannen jedoch immer mehr an Geschwindigkeit. Aber noch holte das Shuttle auf und verkürzte zusehends den Abstand.

„Sieh mal! Links von dir!“

Nur mühsam gelang es Jenni den Kopf zu drehen. Und sah erst einmal nur die gähnende Finsternis des Alls. Erst beim zweiten Blick sah sie den Shuttle. Es was nur ein kleiner Punkt, befand sich in niedriger Höhe über Yxus.

„Da vorn. Dort sind sie“, brüllte Marcel. Sein Arm deutete nach vorn. Auch die anderen sahen sie jetzt. Zwei winzig kleine Punkte, mehr waren sie nicht.

Oxo manövrierte den Shuttle etwas, passte ihren Kurs dem der Mädchen an. So sahen sie sie deutlicher.

„Hi, wie geht’s euch da drüben“, fragte Robin, doch als Antwort bekam er nur ein rauschen.

„Das ist die Eintrittsphase“, beruhigte Oxo sie. „Sie können uns nicht hören.“

Dann gab es einen hellen Blitz, der greller als die Sonne war. Reflexartig schlossen sie die Augen, nur Oxo starrte weiterhin auf diese Stelle. Aber auch er sah die Mädchen nicht mehr. Sie waren im Hyperraum verschwunden.

Kapitel 14

Kapitel 14

Nicole und Jenni hatten mit allem gerechnet.

Aber dass bei der Übergangsphase fast gar nichts passierte, schockierte sie umso mehr. Ihr Flug war mit zunehmender Geschwindigkeit unruhiger, turbulenter geworden. Dadurch fürchteten sie auf einen holprigen Wechsel zuzusteuern. Doch das passierte nicht. Mit einem Mal flogen sie absolut ruhig dahin, als segelten sie auf einem See. Auch von dem Übergang bemerkten sie nichts. Weder den grellen Blitz, noch die immense Beschleunigung.

Deutlich sahen sie jedoch, dass sie eine Grenze überschritten hatten. Der Raum hatte sich verändert. Sterne existierten nicht mehr, die Sonne war verschwunden, ebenso sämtliche Planeten und Monde, die es in ihrer Umgebung eben noch gegeben hatte.

Sie waren in einem schwarzen Raum. Ohne Orientierung, ohne Anhaltspunkt, ohne irgendetwas. Nur anhand ihrer Instrumente sahen sie, dass sie immer noch flogen. Ihre Augen versuchten sie davon zu überzeugen absolut still zu stehen.

Zwei winzig kleine Punkte im absolut lichtleeren, lebensfeindlichen Raum.

„Nicole? Kannst du mich hören?“

„Ja.“

Beide seufzten erleichtert. Nicht auszudenken, wenn jetzt auch noch die Comm ausfallen würde.

„Hat Oxo irgendwas über die Länge dieses Fluges gesagt?“

„Glaub nicht, nein.“

„Shit. Das hatte ich befürchtet.“

„Über den Austritt aus dem Hyperraum hat er sich ausgelassen. Aber über den Flug selber, nein, kein Wort.“

Noch niemals zuvor waren sie in einer solch umfassenden, absoluten Dunkelheit. Trotz der Finsternis begann Nicole sich umzusehen. Sie bewegte ihren Kopf im Helm, streckte den Hals lang, drehte sich nach links, bis sie mit der Nasenspitze an die Scheibe stieß, drehte noch ein bisschen weiter, bis die Spitze ans Futter des Helmes stieß und es im Nacken schmerzte. Dann bewegte sie den Kopf wieder zurück, verschnaufte kurz und machte es dann auf der anderen Seite noch einmal. Jenni hörte sie dabei angestrengt stöhnen.

„Was ist?“

„Nichts, nichts. Hier muss doch irgendetwas sein“, beeilte sie sich viel zu schnell sich zu erklären.

„Hier ist nichts. Hier gibt es nur gähnende Leere.“

Jenni begann ihre Instrumente zu checken. Sie tat das nicht aus einer besonderen Angst oder einem unguten Gefühl heraus. Sie musste etwas tun. Sie fürchtete sonst den Bezug zur Realität zu verlieren. Nach kaum einer Minute in diesem Raum ging bereits ihr Zeitgefühl flöten. War es eine Minute?

War es weniger?

Mehr?

Die Triebwerke liefen einwandfrei. Der Sauerstoffvorrat lag bei mehr als neunzig Prozent, der Energievorrat war knapp darunter; sie waren also wirklich noch nicht allzu lange hier.

So was, sie hätte schwören können, schon viel länger hier zu sein. Wie man sich doch täuscht. Zufällig stolperte sie über eine Einstellung in ihren Instrumenten, die sie bisher noch nicht entdeckt hatte. Timer nannte sie sich. Und war genau das, was der Name versprach. Vor ihren Augen liefen zwei Zeitangaben ab. Die eine war die bisher verbrachte Zeit im Hyperraum. Eine Minute, zwölf Sekunden. Die andere war die noch verbleibende Zeit. Drei Minuten und achtundvierzig Sekunden.

Warum noch so lange? Hatte Oxo nicht gesagt der Hyperraumflug wäre so gigantisch schnell? Sie beschloss ihn bei nächster Gelegenheit zu fragen.

Jetzt wusste sie wenigstens woran sie war. Und nachdem sie das Nicole gesagt hatte, wurde auch diese ruhiger.

Genau drei Minuten und achtunddreißig Sekunden später begann ein mündlicher Countdown abwärts zu zählen.

„Zehn, neun, acht …“

Auch auf dem Display lief die Zahlenreihe runter.

Bei drei wappneten sie sich für den Sprung.

„Zwei, eins. Verlassen des Hyperraums. Jetzt.“

Diesmal geschah der Übergang wesentlich auffälliger. Mit einem heftigen rucken begann es. Ihre Körper fühlten sich für einen Moment ungeheuer schwer an, als wögen sie eine Tonne, obwohl sie eigentlich schwerelos waren. Dann wurde aus der Schwärze des Hyperraums das normale All. Sterne kehrten zurück. Die Sonne. Die Planeten und ihre Monde. Alles war wieder da.

„Ausweichen“, schrie Jenni unvermittelt.

Nicole überlegte nicht. Instinktiv lenkte sie eine scharfe Rechtskurve. Haarscharf ging der Laserbeschuss links an ihr vorbei. Jenni machte dasselbe, in entgegengesetzter Richtung. Auch an ihr ging der Beschuss knapp vorbei. Fast bildete sie sich die Hitze des Geschosses ein. War nicht ihre rechte Seite eine Spur heißer geworden?

„Verdammter Mist, was ist denn …“, weiter kam sie nicht. Ein neuerlicher Beschuss zwang ihr eine weitere Kursänderung auf.

Zum umsehen blieb keine Zeit. Schon kam der nächste Beschuss.

Was ist hier los? Warum …?

Laut Oxos Berechnungen sollten sie sich einen knappen Meter neben dem Generator befinden. Dort, so vermutete er, würden sie in einem für die Verteidigungssensoren toten Winkel stecken. Na gut, es war nur eine Vermutung gewesen. Aber was hier geschah, war etwas völlig Anderes. Klammheimlich hatten sie auftauchen wollen, stattdessen steckten sie inmitten einer Schlacht. Und bisher nicht einmal einen Wimpernschlag Zeit zur Orientierung.

Schon wieder so ein wildes Ausweichmanöver, diesmal schützte sie nur ein steiler Aufstieg vor einem Treffer. Was ist denn hier nur los?

Unter all den Ausweichmanövern erhaschten sie endlich einen Blick. Es war erschütternd. Sie waren nicht bei dem Generator herausgekommen.

Jenni schätzte die Entfernung auf etwas mehr als einen Kilometer. Nicht wirklich viel … aber unter dem Dauerfeuer …

Sie richtete sich aus, tarierte ihren Flug, durch die schnellen, überhasteten Manöver war sie leicht ins schlingern geraten. Erst einmal auspendeln! Durchatmen!

Auch Nicole versuchte Ruhe in ihre Bewegungen zu bringen. Den Generator aus den Augenwinkeln beobachtend, hielt sie Ausschau nach Jenni. Sie waren ein gutes Stück voneinander entfernt. Nun näherten sie sich langsam wieder an.

„Alles okay bei dir?“

„Ja, verdammt. Das war knapp.“

Knapp war gar kein Ausdruck. Es war auch noch lange nicht vorbei. Noch während sie sich aufeinander zu bewegten, wurden sie beschossen. Die Anzüge erwiesen sich als goldrichtig. Mit ihren Jägern wären sie niemals so flink gewesen.

Dann stoben sie wieder auseinander. Schließlich mussten sie noch eine Strecke von etwa tausend Metern überwinden. Sie flogen auf den Generator zu, aber nicht in einer geraden Linie. Sondern in Schlängellinien. Im Zickzack. Immer wieder scherten sie mal in die eine Richtung, dann wieder in die andere aus. Schnell kamen sie näher. Aber je weniger Abstand zwischen ihnen und dem Generator war, umso weniger Zeit blieb ihnen zum ausweichen. Irgendwann war es nicht mal mehr der Bruchteil eines Wimpernschlages. Ihre Aufmerksamkeit genügte dafür längst nicht mehr. Es wäre Wahnsinn gewesen, sich auf die eigenen Sinne zu verlassen. Sämtliche ihrer Verteidigungssysteme waren im Einsatz. Es war trotzdem viel, viel zu knapp.

Dann hatten sie das Stückchen hinter sich. Und der Generator stellte den Beschuss ein.

„End … lich“, stöhnte Jenni außer Atem. Bisher war es eine gewaltige Kraftanstrengung gewesen. Vor kurzem hatte sogar die Anzugheizung den Betrieb eingestellt, ihr Körper produzierte wirklich genug Wärme.

Auch Nicole war außer Atem. Sie schwitzte. Ihre Haut klebte und rieb unangenehm an der Innenseite des Anzugs. Sie sagte aber kein Wort, sondern versuchte eben an den Generator anzudocken.

Schnell begann sie die störrischen Handschuhe zu verfluchen. Mit den Dingern konnte sie einfach keinen Halt finden. Die Finger ließen sich nicht schnell genug schließen, um sich irgendwo festzukrallen.

„Verfluchte …“, kam es von ihr.

Jenni hatte ihr dabei zugesehen. Sie war ein kleines Stückchen hinter ihr, schwebte dort und blickte ihr über die Schulter. Erst allmählich merkten sie, dass sie schwebten. Natürlich konnten sie das, sie waren ja im All, im schwerelosen Raum. Aber bisher hatten sie das verdrängt. Zuerst hatten sie sich verteidigen müssen, jetzt mussten sie den Generator zu fassen kriegen. Da blieb für so etwas einfach keine Zeit.

„Langsam, Nicole! Langsam!“

Ja doch.

„Nimm die Triebwerke zu Hilfe! Mit denen kannst du langsam darauf zu steuern.“

„Ja doch“, aber in Gedanken schimpfte sie sich eine blöde Kuh. Bisher hatte sie immer mit einem einmaligen Schub navigiert, mit dem Ergebnis viel zu schnell zu sein. Schön blöd. Was sie brauchte war ein konstanter, minimaler Schub. Um dann mit gleichbleibender Geschwindigkeit …

Mit gerade einmal zehn Zentimetern in der Sekunde flogen sie auf den Generator zu.

Es dauerte nur drei Sekunden, bis sie einen weiteren Versuch wagen konnten. Diesmal klappte es. Trotz der sperrigen Handschuhe gelang es ihnen etwas zu greifen. Sofort stoppten sie die Triebwerke, nicht das sie sich selber wieder losrissen. Erst dann blickten sie sich genauer um. Und jauchzten vor Freude. Sie hatten buchstäblich einen Glücksgriff getan. Und was für einen. Sie waren an einem Öffnungsgriff für die Wartungsschleuse gelangt. Beide begannen zu lachen, hörten die jeweils andere freilich nur über die Comm, es tat aber dennoch gut sich selbst und die Freundin so herzlich lachen zu hören. In den letzten Sekunden seit sie den Hyperraum verlassen hatten, wurde ihnen ganz schön eingeheizt. Jetzt platzte es aus ihnen heraus.

„Okay“, begann Nicole, immer noch laut lachend. „Wie weiter?“

Jenni musste sich auch erst fangen. Kurz überlegte sie, ob das eventuell von einem Sauerstoffmangel kam. Aber nein, es war genug vorhanden, nicht einmal die Hälfte war verbraucht. „Ich weiß nicht genau“, begann sie endlich, „sollen wir auf die anderen warten oder versuchen wir’s allein?“

„Ausgemacht war zu warten.“

„Ich sage, Scheiß drauf! Wir haben uns hierher gekämpft. Wir gehen rein!“

Durch das Visier sah sie ihre Freundin an. Kein Widerstand kam. Ihr Blick verriet ihr, dass auch sie so dachte. Sie hatten das Ding erobert. Es stand ihnen zu.

„So machen wir’s. Melde den Status, dann sehen wir zu wie wir da reinkommen!“

„Sie haben es geschafft“, brüllten alle gemeinsam. Selbst Oxo.

Der Shuttle war noch tausende Kilometer von den Mädchen entfernt, aber die Erleichterung war im Cockpit spürbar. Nur langsam kehrte wieder Ruhe ein.

„Was?“, fragte Oxo. Er hatte den letzten Satz nicht verstanden. Der Jubelschrei war zu laut. „Bitte wiederholen!“

Aber die Mädchen antworteten nicht mehr.

Die Comm war nach wie vor offen. Die Mädchen antworteten nur einfach nicht mehr. Sie waren stillschweigend darüber einig geworden, dass genug Worte gewechselt wurden. Und sie jetzt versuchen wollten in das Innere des Generators zu gelangen.

1,49 €