Buch lesen: «Galaxy Kids 2», Seite 3

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Kapitel 7

Kapitel 7

Die Simulation war beendet. Nicole saß in ihrem klammen Fluganzug im Simulator und war völlig außer Atem. Ihr Rücken war so krumm wie der Buckel einer Katze. Der Blick leer. Aber das Gesicht sprach Bände. Sie war enttäuscht, weniger, weil sie diesen verdammten Generator diesmal nicht erreicht hatte, sondern vielmehr, weil sie schon wieder versagt hatte. Wie oft nun schon? Sie hatte nicht mitgezählt. Es war auch so frustrierend genug. Dutzende Male versuchte sie es schon, immer wurde sie abgeschossen.

Wütend schlug sie sich auf die Schenkel, dass es trotz des Stoffes laut klatschte und ihr sogar die Haut etwas schmerzte. Verdammt, warum kam sie nicht durch? Sie war auf sich selbst wütend, nur auf sich selbst, auf niemanden sonst. Sie war überzeugt gewesen es zu schaffen. „Es ist doch nur eine Simulation“, hatte sie noch vor dem ersten Versuch getönt. Ganz selbstbewusst, fast schon verächtlich war sie in das Cockpit geklettert. Und nun saß sie hier drinnen, war total niedergeschlagen und enttäuscht.

Dieser verdammte Generator …

„Bist du okay“, wollte eben Marcel über die Comm wissen. Seine Stimme riss sie wieder in die Gegenwart zurück.

„Geht so“, gab sie kleinlaut zu. Was wirklich schmerzte war der verletzte Stolz, ansonsten ging es ihr gut.

In den Cockpitscheiben war die Schwärze des Alls verschwunden, jetzt leuchteten hunderte Lampen und grelle Strahler ins Cockpit. Sie musste blinzeln, die Helligkeit tat in den Augen weh.

„Ich komme jetzt raus“, sagte sie mehr zu sich selbst. Und als sie aufstand, fuhren die Simulatorsysteme selbstständig herunter.

„Na, das war ja nicht so toll.“

„Klappe!“

„Mach dir nichts draus!“

„Klappe!“

„Das nächste Mal wird es besser.“

„Ich sagte, Klappe halten!“

Das nächste Mal? So ein Blödsinn. Dutzende Male hatte sie es versucht, jedes Mal gescheitert. Warum sollte es beim nächsten Mal anders sein? Sie mussten sich der Tatsache stellen; so kommen sie niemals an einen der Generatoren heran. Schon gar nicht hinein.

Nicole lief mit schlaksigen Schritten auf Oxo zu, der immer noch genau dasaß, wo er auch schon gesessen hatte, als sie vor Stunden mit der Simulation begannen. Selbst die Körperhaltung war noch dieselbe. Leicht vornübergebeugt, den Blick auf die Monitore vor sich.

Endlich drehte er sich zu ihr um. Seine Augen strahlten sie an. Er lächelte, als hätte es die letzten Stunden nicht gegeben. „Hallo Nicole“, sagte er mit fröhlicher Stimme.

Und Nicole bremste ihren Schritt. Warum lächelte er so? Dafür gab es keinen Grund. Sie hatte versagt, sogar mehr als einmal. Sie starrte ihn erwartungsvoll an und setzte jetzt nur noch langsam einen Fuß vor den anderen. Dann stand er auf, stürmte ihr regelrecht entgegen, wie ein Verliebter seiner Angebeteten. Erst direkt vor ihr bremste er und kam schließlich zum stehen.

„Ich habe versagt“, begann sie mit weinerlicher Stimme. „Bist du sehr enttäuscht?“

„Nein, keineswegs“, und seine Augen strahlten sie weiterhin so enthusiastisch an. „Du hast auch nicht versagt.“

„Aber ich …“

„Kein aber, Nicole. Es war ein Testlauf. Wir haben viele Versuche gemacht. Weißt du, die Simulation war jedes Mal ein wenig anders justiert. Eine Veränderung hier, eine Veränderung da. So konnten wir Informationen sammeln. Wir haben unser gesamtes Wissen über die Generatoren in jede Simulation gelegt. Eigentlich müsste ich mich bei dir entschuldigen. Du warst unser Versuchskaninchen.“

Nicole starrte ihn nur an, sagte aber nichts. Das verlief gar nicht so wie sie es erwartet hatte.

„Dank dir wissen wir jetzt viel mehr als vorher.“

„Ja? Was wissen wir denn?“, fragte sie trotzig. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er es ernst meinte. Sie glaubte, er wolle sie auf den Arm nehmen.

„Wir wissen jetzt, wie wir auf gar keinen Fall hineinkommen. Aber wir wissen auch, welche Möglichkeiten eine weitere Betrachtung verdienen. Du hast so viel getan, sodass wir jetzt eine ganze Reihe an Vorgehen abhaken können, andere sind dagegen sehr viel interessanter geworden.“

„Aha“, war ihre knappe Antwort. Mehr brachte sie nicht raus.

Oxo schien es tatsächlich so zu meinen wie er es sagte. Er stand vor ihr, sah ihr direkt in die Augen, zwinkerte ihr sogar aufmunternd zu. Ein schwaches Lächeln kam ihr dabei über die Lippen.

„Und du bist mir echt nicht böse?“

„Wo denkst du hin? Ich bin dir dankbar.“

Dankbar?

Allmählich besserte sich ihre Stimmung. Sie hatte also nicht versagt. Erst jetzt, da ihr das bewusst wurde, merkte sie, wie ihr das gefuchst hatte. Auch ihr Selbstvertrauen kehrte zurück.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, wollte Marcel wissen, der eben an die beiden herangetreten war. Die drei anderen schlossen jetzt auch zu Nicole und Oxo auf. Oxo drehte seinen Kopf unnatürlich weit nach rechts, denn aus dieser Richtung kamen die restlichen drei. Ihm machte dass nichts aus, einem Menschen oder einem Yxianer wäre es dabei aber schlecht ergangen.

„Nun werden wir die Versuche auswerten. Wir speisen sämtliche gesammelten Daten in unseren Rechner und gucken mal ob er uns nicht eine viel versprechende Taktik vorschlägt.“

Jetzt schwiegen alle. Sie starrten Oxo an, warteten, ob da noch etwas kommt. Um sie herum summten leise die Monitore, Instrumente klickten schwach. Kühle Luft wehte von den Deckenbelüftungen herunter. Sie bereitete ihnen eine Gänsehaut, aber machte sie dank der frischen Luft munter.

„Wie lange wird das dauern?“, unterbrach Jenni endlich das Schweigen.

„Nicht sehr lange. Vielleicht wissen wir morgen schon mehr.“

Oxo trug noch immer dieses grinsen im Gesicht. Seine Augen strahlten wie zwei Lampen. Konnten Androiden so etwas wie Spaß empfinden? Falls ja, dann hatte er jetzt welchen.

„Wie geht es dann weiter?“

„Das entscheidet sich, wenn es soweit ist. Momentan können wir nur abwarten!“

Kapitel 8

Kapitel 8

Schon früh am Morgen kehrten die Kids in die Steuereinheit zurück. Sie hatten nicht gut geschlafen und waren schon beizeiten wach. Ihre Gesichter wirkten zerknittert und verschlafen. Oxo nicht, er sah noch genauso aus wie sie ihn am Abend zuvor verlassen hatten. Er hatte die ganze Nacht am Rechner gesessen, Zahlen ausgewertet, Informationen eingegeben, Daten verändert. Er war immer noch bei den Simulationsauswertungen, als sie mit müden Gesichtern hinter ihm traten und über seine Schultern auf den Bildschirm starrten. Außer ewig lang erscheinenden Zahlenreihen und Messungen konnten sie nichts erkennen. Aber für Oxo schien es enorm aufschlussreich zu sein. Er war völlig hin und weg, hatte bei ihrer Ankunft nur kurz aufgesehen, dann aber seinen Blick wieder auf die Datenmengen geworfen.

„Das ist sehr interessant, ja wirklich. Aus der Vielzahl an Daten erkennen wir, dass ein Direktflug von Yxus zu einem Generator völlig ausgeschlossen ist. Wir wären vernichtet, noch bevor wir nah genug dran sind. Vom betreten ganz zu schweigen. Nein, ein Direktflug fällt völlig aus.“ Dann verstummte er für einige Sekunden, wobei er unentwegt auf die Datenmengen starrte, die in einer unglaublichen Geschwindigkeit über den Bildschirm rasten.

„Aber es gibt eine Möglichkeit …“

Die Kids starrten ihn erwartungsvoll an, allen voran Nicole. Doch Oxo war erneut in Schweigen verfallen. Diesmal hielt es sogar noch länger vor. Er starrte auch wieder nur die Monitore an.

„Und die wäre“, wollte Nicole ungeduldig wissen, nachdem sie fast eine Minute gewartet hatte.

„Wir nutzen den Hyperraum“, sagte er endlich, ohne aufzusehen.

Den Hyperraum? Marcel zog hörbar Luft ein. Die Blicke der anderen waren sofort auf ihn gerichtet.

„Den Hyperraum“, wiederholte Marcel flüsternd.

„Was ist damit?“

„Den Hyperraum nutzt man theoretisch um gigantische Entfernungen in einer gigantischen Geschwindigkeit zurückzulegen. Auf der Erde haben wir keine Ahnung davon.“

„Aber auf Yxus sind wir weiter“, fuhr Oxo an seiner Stelle fort. Marcel dankte ihm mit einem flüchtigen Blick. „Wir experimentieren seit vielen Runden damit, allerdings aus ganz anderen Beweggründen. Wir benötigen es nämlich nicht für die Überwindung riesiger Distanzen. Wir ihr wisst erreichen unsere Raumschiffe mehr als nur Lichtgeschwindigkeit. Sie fliegen mit Hyperlicht. Das ist das Tausendfache der normalen Lichtgeschwindigkeit. Wir forschen am Hyperraum aus ganz anderen Interessen. Wir benötigen ihn für relativ kurze Distanzen.“

„Moment bitte. Das verstehe ich nicht“, warf Robin ein. „Wenn ihr doch bereits eine effiziente Möglichkeit für große Distanzen habt, warum braucht ihr dann etwas für kurze Strecken?“

„Weil das völlig verschiedene Dinge sind. Wenn wir mit Hyperlicht fliegen, brauchen wir eine gewisse Anlaufzeit um überhaupt auf diese Geschwindigkeit zu kommen. Erinnert euch, als wir euch zu uns holten! Es dauerte sehr lange bis wir dieses Tempo erreichten. Ebenso verhält es sich, wenn der Bremsvorgang eingeleitet wird. Schon Stunden vorher beginnen wir damit. Manchmal sogar schon Tage vorher, wenn wir besonders schnell und lange im Hyperlicht waren.

Aber genau das ist bei kurzen Etappen das Problem. Da nützt uns die Hyperlichtgeschwindigkeit gar nichts. Da brauchen wir etwas völlig anderes. Und das ist der Flug durch den Hyperraum. Jedoch ist unsere Forschung auf diesem Gebiet noch nicht so weit wie beispielsweise die auf dem Hyperlichtreisen. Die genauen Berechnungen bereiten uns Schwierigkeiten. Vielmehr ist die korrekte Navigation unser Sorgenkind. Wir müssten einen Hyperraumflug auf eine Entfernung von vergleichsweise wenigen Kilometern programmieren. Der kleinste Fehler käme einer Katastrophe gleich. Wir verlassen den Hyperraum und materialisieren uns inmitten eines Planeten oder einer Sonne, oder wo auch immer. Alles kann passieren.“

„Durch diesen Hyperraum wollen wir zu einem dieser Generatoren fliegen, habe ich das richtig verstanden“, Marcels Stimme schwankte.

„Ja, es scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein.“

„Welche einzige Möglichkeit? Etwa uns umzubringen?“ Jenni schlug die Hände über den Kopf zusammen. Sie wollte das nicht sagen, aber ihre Zunge war schneller gewesen.

Oxo starrte sie mit großen Augen an. Sein Blick war fassungslos. „Nein, nein, wir wollen euch nicht umbringen.“ Mit Ironie schien er nicht recht klar zu kommen. „Wir müssen natürlich ganz genaue Berechnungen anstellen. Anschließend die Ergebnisse hunderte Male überprüfen. Und erst dann werdet ihr den Hypersprung wagen.“

Diesmal sagte sie nichts. Stattdessen war es an ihr mit großen erschrockenen Augen aus der Wäsche zu gucken. Gegen einen Gegner zu kämpfen, war das eine. Aber als Versuchskaninchen zu dienen und sich dabei auf andere zu verlassen, etwas völlig anderes. Sie wusste nicht, ob sie das konnte. Auch die anderen dachten so. Ihre Leben in die Hände Fremder zu legen, war eine ganz andere Kiste als Yxyndor mutig entgegen zu treten.

Die Belüftung summte leise vor sich hin und blies kühle Luft in ihre erhitzten Gesichter. In den großen Schweißperlen spiegelten sich die Beleuchtung und die vielen Dutzenden Monitore.

Die Kids schwiegen, wagten nicht laut zu atmen und starrten weiterhin zu Oxo.

Toll, dachten sie, wir haben also die Möglichkeit entweder auf dem Weg zu einem der Generatoren abgeschossen zu werden, oder während des Austritts aus dem Hyperraum uns in einer Sonne zu materialisieren. Oder auf hundert anderen Wegen zu sterben.

Oxo bemerkte davon nichts. Er hatte ihnen den Rücken zugedreht, steuerte zielstrebig der Schleuse entgegen, war schon fast aus der Simulationszentrale heraus, als er sich doch noch einmal umdrehte. Erst da registrierte er, dass sie ihm nicht folgten. Ihm nur sprachlos hinterher sahen.

Er drehte sich um, kam ihnen wieder ein Stück entgegen. Aber sie blieben wo sie waren.

„Was ist mit euch? Stimmt etwas nicht?“

Allerlei Sachen gingen ihnen durch den Kopf. Darüber sprechen konnten sie aber nicht. Jeder jagte für sich seinen eigenen Gedanken nach. Allen voran beschäftigte sie die Frage, warum Oxo sie so hetzte. Es bestand doch keine akute Gefahr, oder? Beim letzten Mal drohte der Mond auf Yxus zu stürzen. Das war diesmal nicht der Fall. Seit dem Gefecht in Yxyndors Bergfestung hatten sie nichts mehr von ihm gehört. Warum also hetzte er sie so?

„Eigentlich wollen wir das auch von dir wissen!“, beendete Marcel endlich das Schweigen.

„Wie?“ Oxo verstand nicht.

„Was ist mit dir los?“, fragte Nicole und trat auf ihn zu. Abrupt blieb er stehen.

„Ja, was ist mit dir? Du jagst uns hierhin, dahin, dorthin. Und gibst uns nicht einmal die leiseste Erklärung. Warum? Was soll das?“

„Ich …“

„Wir folgen dir überall hin. Du bist unser Freund, unser Vertrauter. Aber du musst uns auch vertrauen und uns sagen was du machen willst!“

Er starrte ihnen entgegen. Diesmal war es an ihm still zu stehen, die anderen auf sich zukommen zu lassen. Zwei Sekunden dauerte es, dann waren sie bei ihm. Jetzt nahmen sie ihn in ihre Mitte.

„Du glaubst, wir sind die Auserwählten …“

„Davon bin ich überzeugt“, fiel er Mike ins Wort.

„… dann behandele uns auch so! Sag uns, was dir durch den Kopf geht! Sag, was du planst! Dann werden wir dir auch helfen.“

„Dann werden wir Yxus helfen“, schlossen Nicole und Jenni an.

Endlich erkannte Oxo was sie wollten. Sie wollten nicht im dunklen tappen. Er hatte sie von der Erde geholt. Ganz Yxus setzte seine Hoffnung in diese fünf Kids. Darum wollten sie wissen, was er plante, was er als nächstes machen wollte.

„Sorry“, kam es da von ihm, „mein Gefühlschip ist wohl noch nicht auf hundert Prozent, was?“

„Schwamm drüber. Nun sag uns was Sache ist!“

„Wir gehen ins Raumfahrtzentrum und stellen weitere Berechnungen an.“

Kapitel 9

Kapitel 9

Was die Komplexität dieser Aufgabe angeht hatte Oxo wahrlich nicht gelogen. Schon seit Tagen waren sie hier, warteten in dieser Zeit geduldig bis Oxo seine Berechnungen fertig hatte, spielten sie anschließend in den Hyperflugsimulator ein und mussten dann dabei zusehen wie der Jäger crashte. Ein ums andere Mal.

Die Laune sank allmählich in den Keller. Bei allen. Selbst die Techniker stellten trübsinnige Gesichter zur Schau. Anfangs waren sie noch hellauf begeistert. Die Aussicht mit den Auserwählten zusammen zu arbeiten, ließ sie zuversichtlich und optimistisch ans Werk gehen. Aber mit den Tagen wurde es weniger, seit heute stand es ihnen überdeutlich in den Blicken. Sie hatten die Hoffnung aufgegeben. Die Barriere war einfach nicht klein zu kriegen.

Eben sauste einer vorbei. Er rannte so schnell, dass sein Kittel hinter seinem Rücken wie eine Fahne im Wind wehte. Sein Kopf war hochrot und seine Augen den Tränen nahe.

Oh nein, sie zweifelten nicht an den Auserwählten, von denen waren sie überzeugt. Sie glaubten, wenn sie scheiterten, musste es an ihnen liegen, nur an ihnen. Die Auserwählten tragen keine Schuld. Das waren ausnahmslos sie selbst.

Nicole und Jenni sahen ihm nach, wie er eben aus einer Schleuse trat, scharf nach rechts schwenkte und aus ihrem Sichtfeld verschwand.

„Was sollen wir machen?“, fragte Jenni aufs Geratewohl. Niemand antwortete ihr. Nicht einmal Oxo, der zum gefühlt tausendsten Male Zahlen in den Rechner hämmerte.

Ihr Blick verharrte noch einige Momente auf der Schleuse, erst dann wendete sie ihn ab und sah wieder zu Oxo runter.

Er saß immer noch an der Computerkonsole; seit Tagen schon, starrte den Zahlenreihen nach, die er eigenhändig eingegeben hatte, hoffte darauf, dass die Berechnungen erfolgsversprechender waren als die letzten, die Kids eine Chance hätten, während diese ihn wie Geier das Aas umkreisten und abwarteten.

„Wir können nichts machen“, sagte Marcel nach einer gefühlten Ewigkeit. „Uns sind die Hände gebunden. Wir müssen noch warten!“

„Worauf denn“, bellte Mike los. Ihn machte diese Situation am meisten zu schaffen. „Das Oxo durch Zufall einen Weg findet? Da können wir warten bis zum Sankt Nimmerleinstag.“

„Mike hat recht. Wir vertrödeln hier nur Zeit. So kriegen wir die Barriere nicht klein. Es muss einen anderen Weg geben.“

„Nein, Robin“, sagte Nicole mit ernstem Blick, „den gibt es nicht. Ihr habt gesehen, wie oft ich scheiterte. Es muss dieser Weg sein! Anders kommen wir nicht ran.“

„Wir kommen hier aber auch nicht weiter“, Robins Stimme war ungeduldig. Er verschränkte die Arme vor der Brust, den Blick finster vor sich ins Nichts gerichtet.

„Und ein Schuss ins Blaue ist unser Todesurteil“, entgegnete Nicole mit fester Stimme.

Darauf konnte Robin nichts entgegen. Sein Blick sank zu Boden, die Schultern hingen durch. Sie hatte ja recht, aber Geduld war nun mal nicht seine Stärke

„Das ist es“, brüllte auf einmal Oxo unvermittelt los. Er sprang von seinem Hocker hoch, auf dem er die letzten Tage gesessen hatte, selbst mitten in der Nacht, wenn die Kids und die anderen Techniker schliefen, saß er da. Bis eben. Jetzt stand er kerzengerade da und wiederholte noch einmal, „das ist es.“ Das hätte es nicht gebraucht. Jeder im Raum war sofort hellhörig, angefangene Arbeiten wurden unterbrochen, jeder näherte sich Oxo und den Kids.

„Was ist?“, schallte dutzende Male durch die Luft.

Nach nur wenigen Sekunden hatten sich alle um ihn versammelt. Die vielen hundert Schritte dahin waren gegangen, es herrschte wieder Stille. Alles hatte sich eingefunden, bildete einen Kreis, in dessen Mitte Oxo stand, der wie ein Verrückter auf seinen Monitor starrte. Er ließ sich sogar zu einem Händeklatschen mitreißen. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Doch davon hatte er noch nichts mitgekriegt; sein Blick war einzig auf die Zahlenreihen vor sich gerichtet.

„Was ist“, wiederholte Marcel. Aus den vielen Stimmen war jetzt eine geworden.

Endlich sah er ihn an, sein Blick war irgendwie verhangen.

„Ich habe es“, antwortete dieser nur, sein Blick immer noch so seltsam verschleiert, wurde aber allmählich schärfer. Als erwache er langsam aus einem tiefen Schlaf. „Jetzt weiß ich wie wir es machen.“ Dann war sein Blick gänzlich klar, er wurde sich der Massen, die ihn belagerten gewahr und blickte sich verdattert um. Drehte sich einmal im Kreis, sah jeden der Umstehenden an. „Wir nehmen einen Raumfluganzug“, fuhr er endlich fort.

„Einen Raumanzug?“, fragten Nicole und Jenni wie aus einem Mund.

„Nein“, korrigierte sie Oxo, „einen Raumfluganzug.“

Ein leises Stöhnen ging durch die Reihen der Techniker. Auch flüsterndes tuscheln war darunter. Jedoch zu leise, als das die Kids es hätten verstehen können. Dafür redete Oxo laut und deutlich. Ist es möglich, dass er die anderen Stimmen damit übertönen wollte?

„Ein Raumfluganzug ist sehr viel fortschrittlicher als ein Raumanzug. Eigentlich ist es gar kein richtiger Anzug, sondern vielmehr ein Ein-Mann-Raumshuttle.“

Die Kids blickten ihn fragend an. Vergessen war die Frage, ob er die anderen übertönen wollte. Das hier klang viel zu phantastisch, um ihm nicht gebannt an den Lippen hängen zu können.

Wieder kam tuscheln aus den Reihen der Techniker, diesmal überhörten sie es jedoch völlig.

„Allerdings ist es auch kein Shuttle, zumindest nicht im weitesten Sinne.“

Was? Was denn nun? War es eins, oder war es das nicht?

„Es ist ein Raumanzug, mit einem Triebwerk.“

„Du meinst, man hat so etwas wie ein Triebwerk auf den Rücken geschnallt?“

„Etwa wie einen Rucksack?“

„Ja und nein.“

Jetzt schwiegen die Kids, ließen Oxo Zeit, sich zu erklären. Die Techniker in ihrem Rücken gingen allmählich wieder ihren Tätigkeiten nach. Sie begannen damit die gesammelten Daten auf den Raumfluganzug zu übertragen.

Oxo war mit seinen Erklärungsversuchen noch immer nicht weiter. Er druckste noch etwas herum, aber dann sagte er endlich, „folgt mir bitte! Ich möchte euch etwas zeigen.“

Sie verließen den Raum, ließen die Techniker zurück und schritten einen langen Korridor entlang.

Mit leisem zischen öffnete sich eine Schleuse und offenbarte eine tiefschwarze Finsternis vor ihnen. Oxo trat zuerst hindurch und hinein in die Schwärze, die Kids hinterher. Mit einem weiteren zischen fuhr sie wieder zu. Erst dann schaltete sich das Licht ein; flackernd erhellten sich die Wände, der Boden, die Decke. Wie mit einem Dimm Schalter geregelt, wurde es merklich heller, steigerte sich sogar bis ins grelle hinein.

Die Kids blinzelten ins Licht. Sie brauchten einige Sekunden, sich daran zu gewöhnen. Dann fanden sie sich in einem schneeweißen Raum wieder. Der Boden, die Wände, die Decke, alles war schneeweiß und strahlte in diesem grellen Licht.

„Wo sind wir hier?“

„Oh, das ist nur ein weiterer Raum in unserem Raumfahrtzentrum. Das wirklich interessante, der Grund unserer Anwesenheit befindet sich hinter einer der Wände. Computer, öffne bitte die Fächer eins bis vier!“

An der Wand ihnen direkt gegenüber bildeten sich tiefe Spalten. Zuerst waren es nur minimale Helligkeitsunterschiede, die wie flache Schattierungen anmuteten, dann erlosch das Licht dort völlig und offenbarte dunkle Flächen. Die sofort in die Wand eingefahren wurden, sodass sich den verblüfften Kids jetzt so etwas wie Schränke darboten. Schränke, in denen besagte Raumfluganzüge standen. Wie in einem Modegeschäft aufgereiht präsentierten sie sich der kaufbereiten Kundschaft.

Marcel trat einen Schritt darauf zu, dann einen weiteren. Schließlich entwich ihm ein beeindrucktes pfeifen. Er hatte mit plumpen, schwerfälligen, riesigen Anzügen gerechnet. Tatsächlich waren sie jedoch ganz anders. Sie wirkten so dünn und leicht, als könnten sie in ihnen joggen. Der Stoff hauchdünn, wirkte federleicht. Sollten sie etwa mit diesen dünnen Dingern durchs All fliegen?

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf drehte er sich zu Oxo um und sah ihn ernst an. Und wo befindet sich an diesen Dingern überhaupt der Antrieb?

Auch die anderen sahen ihn an. Ihre Blicke waren schwer zu definieren. War das nun nur Unglaube und Faszination, oder mischte sich da auch noch Entsetzen darunter? Einerseits waren diese Raumfluganzüge wahre Wunderwerke. Die Anzüge für die Astronauten auf der Erde waren schwerfällige, plumpe, ungelenke Ungetüme. Diese jedoch nicht. Aber andererseits vermittelte dieses robuste, dieses monströse auch Sicherheit. Sollten sie sich wirklich nur mit einem Jogginganzug bekleidet in das lebensfeindliche All wagen?

„Keine Sorge“, begann Oxo, der ihre Blicke richtig deutete; anscheinend war sein Emotionschip wieder besser justiert, „der Anzug ist absolut sicher. Nicht gefährlicher als der Aufenthalt an Bord eines Raumkreuzers.“ Dann hielt er abrupt inne.

Nicole, Mike, Jenni und Robin horchten auf. Ihnen kam es so vor als überlege Oxo wie er weitermachen sollte, als suche er nach den richtigen Worten.

„Der Antrieb?“, fragte Marcel. „Was ist mit dem Antrieb?“

Oxo blickte ihn ernst an. Deswegen hatte er eben gestockt.

„Bei meinen Berechnungen war das Gewicht des Fluggerätes immer der entscheidende Faktor für den Hyperflug. Eure Jäger sind einfach zu schwer. Es war mir unmöglich die Austrittskoordinaten exakt zu bestimmen. Scheinbar willkürlich endete der Flug an den verschiedensten Orten. Wenn ich das Gewicht jedoch drastisch reduzieren würde, wenn ich es auf euer Körpergewicht beschränke, plus dem des Antriebes und des Anzugs, dann haben wir eine Chance. Die Berechnungen gestalteten sich viel einfacher. Ich habe es mehrmals durchgerechnet. Der Hyperflug endet theoretisch immer an dem Punkt, den ich beabsichtigt habe.“

Bis eben hatte er sie. Aber nun schrillten ihre Alarmglocken laut.

„Was heißt theoretisch?“, intonierten die vier wie aus einem Mund. Nur Marcel ahnte es bereits.

„Nun, es heißt, es wurde noch nie versucht.“

Diesmal zog sich das schweigen wesentlich länger hin. Ihre Blicke schwerer zu deuten. Der Unglauben, die Faszination viel ausgeprägter, aber auch ihr Entsetzen.

Das ganze irrsinnige Vorhaben nahm immer mehr Gestalt an. Nicht nur das sie mit einem Jogginganzug bekleidet durchs All sausen wollten, sie mussten das auch noch in einer unglaublichen Geschwindigkeit machen, ohne ihr Ziel dabei zu sehen. An einem Ort im All in den Hyperflug gehen, und an einem anderen wieder austreten. Sich dabei voll und ganz auf Oxos Rechenkünste verlassen.

„Und wo ist an diesem verdammten Ding nun eigentlich der Antrieb?“, frage Marcel.

„Im Moment sind diese beiden Komponenten noch nicht miteinander verbunden. Wie gesagt, das hat es bisher noch nicht gegeben. Wenn wir uns aber wirklich dazu entschließen müssen wir den Hyperantrieb noch in den Anzug integrieren.“

„Ganz ehrlich, Oxo. Für mich klingt das hier nicht so als hätten wir eine Wahl. Eher scheint es als wäre es beschlossene Sache. Was hat denn das Orakel dazu gesagt?“

Daraufhin räusperte sich Oxo verlegen. Eine Geste, bei der sofort alle Alarmglocken läuteten. Nicole und Jenni verschränkten die Arme vor die Brust, Mike und Robin stießen die Fäuste in die Hüfte und Marcel steckte seine in die Hosentasche. Auffordernd sahen sie ihn an.

„Das Orakel wurde dazu noch nicht befragt“, antwortete Oxo ausweichend.

„Was soll das heißen?“

„Das wir noch nicht dazu gekommen sind, es über diese Situation zu befragen. Erinnert euch! Unsere Rückkehr, dann war ich bis vor wenigen Tagen außer Gefecht, seither versuchen wir den Durchbruch durch die Barriere. Da war für eine Audienz noch keine Zeit.“

„Wir wissen also nichts?“

„Doch, wir wissen eine ganze Menge. Wir wissen jetzt, dass es uns möglich ist. Weiter wissen wir auch, was wir tun müssen, damit es uns gelingt.“

„Aber das Orakel …“, weiter kam Marcel nicht. Ihm fehlten die Worte. Ein hörbares schlucken entrang sich seiner Kehle.

Aha, schoss es Oxo durch den Kopf, darum geht es also. Sie haben Angst. Die Kids fürchten sich. Beim ersten Mal wussten sie was auf sie zukam. Da hatte sich das Orakel positiv geäußert. Wenn es hierbei noch nicht befragt wurde, bedeutete das, das alles passieren konnte.

„Wir brauchen es nicht mehr“, begann Oxo. „Ihr habt eindrucksvoll bewiesen, ihr seid die Auserwählten. Yxyndor hat euch unterschätzt und ihr habt ihm gelehrt, was das heißt. Jeder Bewohner Yxus kennt eure Namen. Es sind die Namen der Auserwählten.“

Wenn es nur so einfach wäre, dachte Marcel. Und ahnte gar nicht wie nah er damit an den Gedanken der anderen vier dran war. Auch sie hatten ihre Bedenken, allen voran natürlich Jenni und Nicole. Denn offensichtlich waren sie für den Hyperraumflug vorgesehen …

Oder …?

Aber seine Worte flößten ihnen auch Mut ein. Sie hatten Yxyndor schon einmal besiegt. Sie werden es wieder schaffen. Sie sind die Auserwählten.

„Wann wirst du die Anzüge konstruiert haben“, fragte Nicole, insgeheim auf einen längeren Zeitraum hoffend.

„Nur wenige Stunden“, machte ihr Oxo aber einen Strich durch die Rechnung.

„Dann ist es also abgemacht. Jenni und ich fliegen mit diesen Anzügen zu einem der Generatoren.“

„Halt! Moment! Wieso ihr? Warum nicht wir?“ Mike Stimme klang wütend.

„Ja, verdammt. Warum nicht wir“, wollte auch Robin wissen.

„Weil ihr Driver seid. Diese Aufgabe erfordert aber Piloten, nicht wahr?“ Marcel hatte zu allen gesprochen, allen voran zu Oxo.

„So ist es“, war dessen knappe Antwort.

„Was? Was soll denn dieser Mist?“

„Eine Prophezeiung des Orakels war es, dass ihr euch, sobald ihr euch für ein Fahrzeug entschieden habt, dieses beibehalten werdet. Und Nicole und Jenni haben sich nun mal für die Jäger entschieden.“

„Ja, verdammt noch mal, für die Jäger. Aber diesen Strampelanzug da“, er deutete auf einen der Anzüge, die immer noch vor ihnen standen und ihm jetzt wie eine Verhöhnung vorkamen, „kann man wohl kaum als Jäger bezeichnen.“

„Das spielt keine Rolle“, antwortete Marcel seelenruhig. „Es fliegt und damit fällt es in ihr Gebiet.“

„Das ist doch Scheiße.“

„Leute, Leute. Es ist okay. Wir kriegen das hin.“

„Das bezweifle ich doch gar nicht. Es ist nur, das …“

Ja, was? Was ist nur?

Da schaltete sich endlich auch Oxo wieder ein. Und brachte es auf den Punkt, torpedierte Robins Gedanken regelrecht.

„Ihr seid die Auserwählten“, begann er. „Es spielt keine Rolle, ob ihr Mädchen oder Junge seid. Da war das Orakel sehr deutlich.“

„Ach, dabei habt ihr also wieder seinen Rat eingeholt, was?“, antwortete er trotzig. Doch sein Widerstand schwand bereits.

„Ich will nur nicht herumsitzen“, erklärte er sich nach einigen Sekunden, „während sich die beiden in Gefahr begeben.“

„Keine Sorge. Wir werden ihren Flug überwachen. Und sobald der Generator inaktiv ist, stoßen wir zu ihnen. Ist doch so, oder?“, fragte Marcel.

„Ja“, bestätigte Oxo. Und dann wandte er sich an Robin und Mike. „Ihr werdet nicht allzu lange herumsitzen. Im Gegenteil. Ihr werdet alle Hände voll zu tun haben!“

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