Häuser des Jahres 2020

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Häuser des Jahres 2020
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Inhalt

Vorwort

Katharina Matzig

Einleitung

Nicola Borgmann

Die Jury

Die Partner

1. Preis

Das Langhaus

Aretz Dürr Architektur

Auszeichnungen

Das Holzhaus

pedevilla architekten

Über den Dächern von Linz

HERTL.ARCHITEKTEN ZT GMBH

Anerkennungen

Leben im Ensemble

JSWD Architekten

Hinter grünen Mauern

bergmeisterwolf architekten

Der Solitär

Think Architecture

Das Steinhaus

wespi de meuron romeo architekten bsa

Das schiefe Haus

Lukas Lenherr Architektur

Ausgewählte Projekte

Der Findling

Renato Maurizio Architekten

Das Haus der Möglichkeiten

Hammerschmid, Pachl, Seebacher – Architekten

Sommerhaus, farbig

Schuberth und Schuberth ZT-GmbH

Das Haus am Wald

Berktold Weber Architekten

Aufgestelzt

Querkopf GmbH & Co. KG

Das Elternhaus

BAYR GLATT GUIMARAES ARCHITEKTEN PartG mbB

Der Wille zur Villa

Beer Bembé Dellinger Architekten GmbH

Haus im Hang

LOVE architecture and urbanism ZT GmbH

Klein, stark, schwarz

STEINBAUER architektur+design

Das Thermohaus

Praeger Richter Architekten

Kunst am Haus

Davide Macullo Architects

Das schwarz-weiße Haus

RP Architects STP SRL

HomeWorking

Steiner Weißenberger Architekten BDA

Neue Heimat

LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co. KG

Das Land-Haus

Anne Lampen Architekten BDA

Aufgefächert

bergmeisterwolf architekten

Haus mit Flügeln

WANNERPARTNER ARCHITEKTEN GmbH

Das Dreifamilien-Haus

studioRAUCH

Das Musterhaus

su und z Architekten BDA Stefan Speier, Reinhard Unger, Florian Zielinski Partnerschaftsgesellschaft mbB

Bauen mit Bestand

Michael Aurel Pichler Architekten

Das Tageszeiten-Haus

architektur.terminal hackl und klammer

Das Bauernhaus

Käferstein & Meister Architekten AG

Den See im Blick

RP Architects STP SRL

Das Haus mit drei Augen

Innauer Matt Architekten

Dreiecksbeziehungen

Pool Leber Architekten BDA

Isabella Leber, Martin Pool

Der Dreiseithof

Karsten Schubert Architekt

Leben in Leichtbeton

baurmann.dürr architekten

Das Patchwork-Haus

swa.studio

Mit Kanten ohne Ecken

augustinundfrank/winkler ARCHITEKTEN

Das Tiny-Haus

Architekten Luger & Maul

Die Raupe

Tempesta Tramparulo

Haus auf dem Land

Wolf Architektur ZT GmbH

Das Zweihaus

Architektur I Baumanagement Jürgen Haller

Das Hybridhaus

transstruktura

Das rote Haus

SoHo Architektur

Das Pförtnerhaus

Baumschlager Hutter GmbH

Hofleben

Architekt Torsten Herrmann

Der Streckhof

Juri Troy Architects

Die Burg im Blick

Dipl.-Ing. Wolfgang Ott

Das kleine Haus

Architekten Mahlknecht Comploi: Igor Comploi, Thomas Mahlknecht

Komfort hinter Kupfer

L/A Liebel/Architekten BDA

Das Haus am Berg

Berktold Weber Architekten

Das beste Produkt 2020

Ausgewählte Produkte

Hier bin ich Zuhause – hier darf ich’s sein

Interhyp

Beton. Für große Ideen.

InformationsZentrum Beton GmbH

New Monday – Die Jobbörse für ArchitektInnen und BauingenieurInnen

Baumeister

Longlist

Architekten

10 Jahre Häuser des Jahres

Impressum

Vorwort

von Katharina Matzig

„Architecture is an expression of values.” Gut sechs Jahre ist dieses Zitat von Sir Norman Foster alt. Gültigkeit hat es heute noch. Oder besser, um es mit dem bereits 1941 erfundenen Werbespruch einer ein wenig aus der Zeit gefallenen, mit Alkohol versetzten Kräuterrezeptur namens Klosterfrau Melissengeist zu sagen: „Nie war er so wertvoll wie heute.“ Respektive sie, die Architektur.

Dieses Vorwort entstand im Mai 2020, nach acht Wochen coronabedingtem Shutdown, zu einer Zeit, in der Thesen zu lesen sind, die von „Alles wird sich mit Corona verändern“ bis zu „Nichts wird sich verändern mit Corona“ reichen. Ob und wie sich unser Zusammenleben, unsere Wirtschaft und Mobilität, die Architektur und die Stadtplanung in den kommenden Monaten und Jahren verändern werden – wer weiß das schon?

Sicher jedoch ist: Die „Häuser des Jahres 2020“ sind aktueller, und ja, wohl auch relevanter denn je: Wie wertvoll eine Architektur ist, die die individuellen Wohn- und Lebenswünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse ihrer Nutzer manifestiert, haben wir wohl alle in letzter Zeit am eigenen Leib erfahren. Ein Privileg war das Einfamilienhaus immer. Ein komfortabler Rückzugsraum, der bei Bedarf als Büro, Klassenzimmer, Fitnessstudio, Spielplatz, Heimkino, Ersatzrestaurant … genutzt werden kann: Nie war er so wertvoll wie heute.

 

Einen ersten Preis, zwei Auszeichnungen und fünf Anerkennungen, insgesamt 50 Häuser des Jahres aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol hat die Jury im Februar ausgewählt, sie werden ausführlich vorgestellt. 48 weitere sehenswerte Werke wurden in die sogenannte Longlist aufgenommen, 18 Produkte überzeugten die Produktjury und erhielten das Label ‚Produkt des Jahres 2020‘.

All das präsentieren wir Ihnen auch in diesem Jahr wieder, wie gewohnt sorgfältig gestaltet von der Münchner Agentur Rose Pistola. Die Grundrisse und Schnitte der 50 besten Einfamilienhäuser des Jahres – in der Regel im Maßstab 1:400 – und die Lagepläne überwiegend im Maßstab 1:2000 wurden hierfür von den Architekturbüros ebenso zur Verfügung gestellt wie die professionellen Fotos.

Die Bandbreite der ausgewählten Bauwerke spricht für sich: Das kleinste kommt mit 42 Quadratmetern Wohnfläche aus, das größte bietet 652. Häuser in der Stadt sind darunter ebenso wie im Dorf oder auf dem Land, am See, im Weinberg, am Hang, auf der Wiese. Neubauten sind dabei ebenso wie An- und Umbauten, die mal radikal, bisweilen innovativ und immer respektvoll auf das Vorhandene reagieren. Manche der Häuser sind luxuriös und kostspielig, manche reduziert auf das Nötigste und staunenswert günstig. Sie sind gefertigt aus Beton, Stahl, Stein, Glas und Holz, das in diesem Jahr gerne karbonisiert die Fassaden verkleidet. Das kontrollierte Verkohlen sorgt für Witterungsbeständigkeit. Es sieht großartig aus und zeigt: Nachhaltigkeit und Ästhetik sind längst kein Widerspruch mehr und für Architekten ebenso wie für Bauherren selbstverständlich. Immer häufiger taucht in den Erläuterungen zudem der Begriff der sozialen Nachhaltigkeit auf: die baulich geplante Möglichkeit, ein Haus an sich wandelnde Wohnbedürfnisse anzupassen, es zu verkleinern oder zu vergrößern, es barrierefrei zu nutzen oder in Teilen vermieten zu können.

„Die Planung eines Einfamilienhauses ist eine große Ehre, da man Lebensräume für Menschen schafft“, erzählen die Kollegen von LOVE architecture. Dafür ausgezeichnet zu werden, ist ein schöner Lohn. So sehen es auch die ehemaligen Preisträger, die wir um ihre Erinnerungen gebeten haben, denn tatsächlich werden dieses Jahr die begehrten blauen Betonwürfel für das Haus des Jahres, für Auszeichnungen und Anerkennungen zum zehnten Mal vergeben! „Ich hoffe daher“, meint Simon Frommenwiler von HHF Architekten, deren Haus in Nuglar 2013 zum Haus des Jahres gekürt wurde, „dass die Buchreihe fortgesetzt wird: Wenn solche Wettbewerbe und Bücher Bauherren dazu ermutigen, Architekten Aufträge anzuvertrauen, dann ist das eine gute Sache.“ Architektur ist Ausdruck unserer Werte. Nie war sie so wertvoll wie heute!

Einleitung

von Nicola Borgmann

Zum Zeitpunkt der Jurysitzungen für diese Auswahl war nicht absehbar, welch existenzielle Bedeutung das Wohnen wenig später für die alltägliche Lebenssituation aller Menschen haben würde. Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise hat das Zusammenleben für eine gewisse Zeit radikal verändert und die soziale Bedeutung des Wohnens neu thematisiert. Jetzt im Frühsommer 2020 ist noch schwer vorherzusagen, welche Fragen überdauern.

Was bleiben wird, sind Bilder, die es so nie gab: von leergefegten Straßen und Plätzen, leeren Regalen, geschlossenen öffentlichen Einrichtungen, maskierten Mitmenschen auf Mindestabstand. Tragische und bedrückende, fremde und skurrile Eindrücke werden in die kollektive Erinnerung eingehen. Vor allem wird die individuelle und persönliche Erinnerung an die Zeit der sozialen Isolation bleiben: im Haus, in der Wohnung, im Zimmer.

Innerhalb kürzester Zeit wurde der öffentliche Raum zur No-go-Area, die Begegnung mit Menschen außerhalb des engsten familiären Umfeldes als Risiko deklariert. Per Verfügung wurde die Wohnung für viele Menschen zum einzig legalen Aufenthaltsort. Viel Zeit, das gewohnte Lebensumfeld auf diese unvorhergesehenen Anforderungen vorzubereiten, blieb nicht. Qualitäten wie Mängel einer Wohnung, insbesondere im vielgeschossigen Wohnungsbau, im dichten städtischen Gefüge, auf engem Raum, bekamen eine nie dagewesene Bedeutung. Ohne lebendige Infrastruktur und das gemeinschaftliche Leben vor der Haustür musste sich die Wohnung an ihren grundlegenden Eigenschaften messen lassen: Versorgung mit Tageslicht und Frischluft, Entfernung zum nächsten Einzelhändler und zur nächsten Grünanlage. Missstände, die sich unter normalen Umständen durch die Lage, das Wohnumfeld, kulturelle und soziale Angebote kompensieren ließen, traten nun offen zutage.

Auch wenn die gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Situation während der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 – so ist zu hoffen – eine Ausnahme bleibt und keine neue Normalität definiert und die Rückkehr zu den vorherigen Lebensverhältnissen weitgehend gelingt, so wird sich die in Fachkreisen permanente Diskussion über „das Wohnen“ mit neuen Aspekten zu befassen haben. Noch vor kurzer Zeit stand die Wohnraumschaffung ganz oben auf der Liste: viel, schnell und billig war die Devise, unter Zeit- und Kostendruck am besten zu realisieren in vorfabrizierten, modularen und typisierten Einheiten, hoch gestapelt und dicht gepackt. Ging es in den Diskussionen vor allem um Standards und Bezahlbarkeit, um Energieeffizienz, Flächenverbrauch und Dichte, so sind es nun Fragen der Wohnqualität und des sozialen Raumes, die in den Fokus rücken. Die Qualität des Wohnens – und damit ist eben nicht allein die physische Wohnung gemeint – wurde über Monate zum entscheidenden Faktor von Lebensqualität.

Städtische Dichte und beengter Wohnraum wurden in dieser sozialen Krisensituation für viele Menschen zur zusätzlichen Belastung, zumal dann, wenn Räume für die häusliche Berufsausübung und die Kinderbetreuung fehlen. Bleibt also festzuhalten, dass die Veränderungen und Beschränkungen des alltäglichen Lebens zu einschneidend waren, um daraus keine Konsequenzen zu ziehen und nun Qualität in der Quantität zu fordern. So stellen sich alte Fragen in neuer Dringlichkeit: Was taugen unsere Wohnungen? Muss und darf Wohnraum monofunktional, minimiert und unflexibel sein? Ist es zu akzeptieren, dass eine Wohnung ihre Bewohner einschränkt, statt ihnen die Möglichkeit zur Entfaltung und Erholung zu gewähren? Ist eine Wohnung nicht viel mehr als ein belichtetes und belüftetes Volumen? Etwa ein gut gestaltetes, geschütztes und doch frei nutzbares, anpassbares Ensemble von Räumen in einem anregenden und fürsorglichen sozialen Umfeld?

An dieser Stelle ist die Diskrepanz zwischen der Auffassung der Fachwelt und der Wunschvorstellung großer Bevölkerungsanteile anzuführen: die Diskussion um die Wohnform. Das Eigenheim, speziell das Einfamilienhaus und noch präziser das freistehende, wird mehrheitlich als ideale Wohnform betrachtet, auch wenn es für Bauherren oder Käufer oft eine wirtschaftliche Lebensaufgabe darstellt und für viele für immer unerschwinglich bleibt.

Ironischerweise erwies sich in der eingangs beschriebenen Krise vor allem das Einfamilienhaus mit Garten als überaus geeignete Wohnform, um trotz Ausgangsbeschränkung nach draußen zu gehen, die geforderte soziale Distanz einzuhalten, das home office, ja sogar das garden office einzurichten, im engeren Familienkreis und über den Gartenzaun hinweg der versprochenen Lockerungen zu harren und dabei weiterhin die Annehmlichkeiten zu genießen, die gutes Wohnen zu bieten hat. Lediglich die Möglichkeit, all diese Vorzüge gesellig im Freundeskreis zu erleben, blieb aufgrund der weitreichenden Reise- und Besuchsverbote verwehrt. Zu schade, dass das Einfamilienhaus seine unbestreitbaren Qualitäten in einer Krisensituation unter Beweis stellen musste, der nur Unverzagte und Weise etwas Positives abgewinnen konnten. Immerhin: Die Krise wirft ein weiteres Schlaglicht auf die eklatanten Qualitätsunterschiede, Wünsche und Bedürfnisse im Bereich des Wohnens. Ganz oben auf der Liste rangiert nach wie vor: das eigene Haus, das Einfamilienhaus.

Die Qualität des Wohnens wurde über Monate zum entscheidenden Faktor von Lebensqualität.

Das Einfamilienhaus ist jedoch seit geraumer Zeit von den verschiedensten Seiten unter Beschuss geraten. Sein Flächenverbrauch, seine Erschließung ebenso wie der Energieverbrauch des Erstellens und Betreibens setzen es dem Vorwurf der elitären, egoistischen Wohnform aus. Klimaschutz, Ressourcenschonung, bezahlbares Wohnen für alle und sozialgerechte Bodenpolitik sind gewiss nicht leicht mit dem Einzelhaus zu vereinbaren. Engagierter, landschafts- und sozialverträglicher Städtebau ist mit diesem Siedlungstyp ebenfalls schwer zu leisten. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten ist das Einfamilienhaus seinem Eigentümer keineswegs eine „sichere Festung“. Die Abhängigkeit von Energie-, Mobilitäts- und Infrastrukturkosten, Instandhaltungsdruck, Modernisierungsauflagen und nicht zuletzt die Risiken des Immobilienmarktes haben schon manchen Kreditnehmer in ernsthafte Bedrängnis gebracht. Und schließlich ist das Leben in der Kleinfamilie nur eine überschaubare Lebensphase, nach deren Ablauf viele Häuser den geänderten familiären Verhältnissen nicht mehr gerecht werden.

Einfamilienhäuser können und dürfen experimentell sein, da ihre Bauherren in den meisten Fällen ganz persönlich verantworten und bewohnen, was sie und ihre Architekten zusammen erschaffen haben.

Die Zukunft des Wohnungsbaues liegt aktuell demnach in verdichteten Wohn- und Siedlungsformen, geschlossenen urbanen Bauweisen, der Vielgeschossigkeit bei reduzierten Abstandsflächen, Nachverdichtung im Bestand etc. Und doch bricht all das nicht die Faszination und Begeisterung für Einfamilienhäuser, wenn sie die Qualitäten der 50 Beispiele in diesem Buch aufweisen. Es ist die Verbindung von Lebenstraum und Risikobereitschaft, Kreativität und Handwerkskunst, Eigentum und Individualität und nicht zuletzt die gelungene Selbstdarstellung des Bauherrn und des Architekten, die den Reiz und die Überzeugungskraft eines jeden dieser Einzelstücke ausmacht.

Jedes dieser Häuser ist ein Experiment im besten Sinne. Einfamilienhäuser können und dürfen experimentell sein, da ihre Bauherren in den meisten Fällen ganz persönlich verantworten und bewohnen, was sie und ihre Architekten zusammen erschaffen haben. Gute Einfamilienhäuser müssen experimentell sein. Schon längst haben sich zeitgemäße Einfamilienhäuser über diese unzulängliche Bezeichnung hinaus entwickelt. Sie dienen Lebensgemeinschaften aller Art, wechselnden Familienkonstellationen, dem Wohnen, der Arbeit, der Kunst. Manche sind nicht nur Häuser, sondern Kompositionen aus ineinander verschränkten Innen- und Außenräumen. Das private Bauvorhaben ist unverzichtbar als Experimentierfeld für Bauherren und Architekten, die sich ihrer Verantwortung und eventueller Risiken bewusst sind. Jedes dieser Häuser hat seinen individuellen Ort, den es gestaltet, und seine Umgebung, die es prägt. Viele der vorgestellten Häuser mögen sich in ausgesucht guter Lage befinden, aber die, denen dies nicht vergönnt ist, verbessern durch ihre Präsenz den Ort, an dem sie stehen. Ein Stück Land zu bebauen, bedeutet, mit der begrenzten Ressource Fläche verantwortungsvoll umzugehen: das Beste für die Bewohner daraus zu machen und einen schönen, anregenden Anblick zu bieten, die Gesamtheit der Häuser mit ihren Gärten zu einem Stück Kulturlandschaft zu machen, Situationen zu erkennen und zu verbessern, statt sie auszunutzen oder gar zu zerstören. Bedauerlich ist es, wenn wie so oft das Ergebnis der privilegierten Bauaufgabe nicht gerecht wird. Wie schade um ein Grundstück, auf dem von unbekannter Hand eine in Dämmschaum gehüllte und nur von ihren eigenen Abstandsflächen umgebene Wohnschachtel mit ihrer unverzichtbaren Begleiterin, der Doppelgarage, abgestellt wird. Gerade weil diese anonyme Architektur (oder ist es nur anonymes Bauen?) den Ruf des Einfamilienhauses ruiniert hat und weiter ruiniert, ist es so wichtig, die herausragenden Beispiele zu publizieren und damit die Vielzahl der guten Ideen in das alltägliche Bauen einfließen zu lassen.

In dieser Auswahl von Einfamilienhäusern steckt ein breites Spektrum differenzierter Qualitäten. Auch wenn die Solitäre in freier Lage mit ihrem großzügigen Raumgefüge und Ausblicken, ihren skulpturalen Formen und ausgesuchten Materialien zunächst die Blicke auf sich ziehen – die Arbeit im Bestand mit Nachverdichtungen, Aufstockungen, Anbauten und raffinierten Umnutzungen ist ebenso vertreten. Nachhaltige Materialverwendung und Energieffizienz sind Qualitätsmerkmale auch bei großzügigen Baubudgets. Hier kommen die vermeintlich exklusiven den vermeintlich alltäglichen Bauaufgaben näher: komplexe Fragen des Entwerfens und Gestaltens verantwortungsvoll, mit hohem Anspruch, gestalterischer und konstruktiver Phantasie zu lösen.

 

Um das Feld nicht dem anonymen wie ideenlosen Planen und Bauen zu überlassen, ist es dringend notwendig, sich kreativ mit Diskrepanz zwischen den Wohnidealen der Gesellschaft und ihrer Geringschätzung durch die Fachwelt zu befassen. Immer wieder gab und gibt es Ansätze, die Qualitäten des Einfamilienhauses in gemeinschaftliche verdichtete Wohnformen zu übertragen und im Gegenzug das Einfamilienhaus als Teil eines städtebaulichen Gefüges zu begreifen, als Beitrag zum sozialen Raum, der auch in weniger verdichteten Siedlungsformen existiert. Immer wieder wurde und wird beklagt, dass die angebotenen Wohnformen der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht werden. Man darf gespannt sein, ob die gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie tatsächlich zu dem Entwicklungsschub führen, der Mitte 2020 unter dem unmittelbaren Eindruck der Krise gefordert wird.

Die Entwürfe und die Auswahl der 50 schönsten Häuser für dieses Buch sind nicht unter dem Eindruck der Corona-Krise entstanden, aber durch ihre Zukunftsorientierung und ihren Ideenreichtum werden auch sie einen wertvollen Beitrag für die Zeit danach leisten: Unbefangenheit und Mut zum Experimentieren, Optimismus und Freude am Gestalten sind an all den Häusern und Gärten in dieser Zusammenstellung abzulesen. Jedes dieser Häuser trägt eine Idee vom guten Wohnen und Leben in sich und sendet Denkanstöße aus, die sich in das alltägliche Bauen und Planen übertragen mögen.

Nicola Borgmann hat Kunstgeschichte und Architektur studiert. Sie leitet die Architekturgalerie München, organisiert weltweit Ausstellungen, Projekte und Veranstaltungen, verfasst Publikationen und lehrt an internationalen Universitäten.