Buch lesen: «Zu nah am Abgrund», Seite 5

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„Nein, du hast Recht, Peter, wir benötigen zwei Männer von der Operation Group hier bei uns. Wer ist verfügbar?“

„Was ist passiert, wolltest doch, dass euer Aufenthaltsort geheim bleiben sollte.“

„Ja, stimmt. Aber es treiben sich hier zwei Typen herum und es macht mir den Eindruck, dass sie gezielt nach uns gesucht haben.“

„O.K., ich sage Manfred Bescheid, er ruft dich dann gleich an und sagt dir, wer frei ist und kommt. Wie geht es Eva und wie ist das Wetter bei euch, lohnt es sich, dort Urlaub zu machen?“

„Danke der Nachfrage, Eva geht es auch gut und sie lässt dich grüßen. Wir haben es hier siebenundzwanzig Grad und genießen die Ruhe, bis jetzt jedenfalls. Damit es so bleibt, benötige ich zwei Männer, die ein Auge auf unser Grundstück und vor allem auf die beiden Typen werfen. Gut Peter, ich warte dann mal auf den Anruf von Manfred, einen schönen Tag noch und Tschüss.“

Ich unterbrach die Verbindung und wartete auf den Rückruf von Manfred, unserem Leiter der Operation Group. Es dauerte auch nicht lange und das Handy klingelte, ich nahm das Gespräch an:

„Pronto?“

„Hi Carlo, hier ist Manfred. Peter sagte mir gerade, dass ihr ein Team braucht, reicht denn eins? Gibt es Probleme oder ist gar Gefahr im Verzug? Wie geht es Eva?“

Das war mal wieder typisch Manfred, sobald es im Dunstkreis von Eva Probleme gab, hätte er am liebsten seine ganze Armee geschickt.

„Hallo Manfred, ja, es reicht ein Team. Eva geht es auch gut.

Es geht nur darum, dass sich hier zwei Männer herumtreiben und ich möchte auf Nummer sicher gehen und kein Risiko eingehen. Wann können die beiden hier auf Sardinien sein und wen schickst du uns?“

„Es kommen Pit und Josef, ich lass sie sofort mit dem Learjet runter fliegen und mit dem Heli zu euch bringen. Dann sind sie in spätestens fünf Stunden unten.“

„Gut, das reicht aus. Bis dahin sind wir auch wieder im Haus.“

„Gut, ich veranlasse jetzt alles. Noch schöne ruhige Tage da unten und grüße Eva von mir. Tschüss.“

„Ja danke, das mache ich. Tschüss.“

Ich unterbrach die Verbindung. Unterdessen waren wir auch schon bei Betti angekommen. Betti war eine ganz liebe Freundin von uns, sie kam aus Hamburg und hatte hier unten eine Hundezucht aufgebaut. Sie züchtete verschiedene Rassen, aber alle hatten eines gemeinsam, es waren Hunde, die für den Schutz- und Sicherheitsdienst eingesetzt wurden. Sie bildete sie selbst aus, aber alles ohne Gewalt. Blacky haben wir damals auch von ihr bekommen.

Wir stiegen im Hof ab, banden die Pferde fest, lösten die Sattelgurte und sahen uns um, wo konnte sie stecken? Eva ging zu Haustür und betätigte die Klingel, ich schlenderte zur Scheune um zu sehen, ob sie sich dort aufhielt. Eva hatte Glück, Betti öffnete die Haustür und sagte erfreut:

„Hallo, ihr beiden! Was führt euch zu mir? Kommt rein auf einen Wein oder lieber einen Grappa?“, fragte sie lachend.

„Hallo Betti. Nein, nein lieber einen Wein. So früh trinken wir nichts Scharfes“, antwortete Eva und wir gingen durchs Haus auf die Terrasse und setzten uns in die bequemen Korbstühle. Betti schenkte uns aus einer Karaffe ein Glas Wein ein und sah uns fragend an.

„Was führt euch denn so früh am Tage zu mir?“

„Der Grund ist, wir hätten gern noch zwei Hunde bei dir gekauft. Hast du denn noch welche, so kurzfristig, für uns da?“

„Oh ha, so schnell noch zwei Hunde? Ist was bei euch passiert und wie geht es Blacky? Ihr wisst, wie viel einer kostet?“, sagte sie und sah uns beide an.

Natürlich war die Frage schon berechtigt, denn die Hunde von Betti waren bestimmt nicht kostengünstig zu nennen. Aber sie waren auch jeden Euro wert. Sie wurden zwar für den Wach-, und Sicherheitsdienst ausgebildet, aber sie waren Tiere mit Herz und Verstand.

„Blacky geht es sehr gut, wir haben ihn nur zu Hause gelassen, damit er aufs Haus aufpasst. Bei uns haben sich heute zwei Männer herumgetrieben. Das machte uns klar, dass Blacky alleine für das Grundstück nicht ausreicht und es auch schön wäre, wenn er Spielkameraden hätte. Deshalb wollen wir noch zwei dazu kaufen.“

„Ich habe gerade vier hier. Zwei davon sind schon mit der Ausbildung fertig, die habe ich aber eigentlich schon einem Kunden in der Schweiz versprochen. Für die anderen zwei würde ich noch vier Wochen für die Ausbildung benötigen. Er wollte ja sowieso erst in fünf Wochen kommen und sie abholen, das würde dann ja auch noch reichen. Dann kann er ja die zwei bekommen.“

Bei Betti bestellte man die Tiere und man sagte ihr, wofür man sie einsetzen wollte. Dann wurden sie von ihr ausgebildet und dressiert. Waren sie fertig ausgebildet, musste man sie selbst abholen und etwas Zeit mitbringen. Sie hatte mehrere Zimmer zum Vermieten und da konnte man sich auch einquartieren. Dann begann die Gewöhnungsphase zwischen Hund und dem neuen Besitzer.

„Gut“, sagte ich, „das wäre toll, dann könnten wir ja schon morgen mit der Eingewöhnung beginnen. Was sind es denn für Tiere?“

„Ich kann euch nur Curly und Red geben. Curly ist ein Curly Coated Retriever, die sind robust und witterungsunempfindlich.

Sie sind ausgezeichnete Schwimmer und vielseitig einsetzbar. Als Jagdhunde, Rettungshunde oder Schutzhunde. Haben einen eigensinnigen Charakter und benötigen eine konsequente Erziehung. Curly ist temperamentvoll und benötigt Familienanschluss und viel Platz zum Austoben, was ja bei euch gegeben ist. Er ist achtundsechzig Zentimeter groß und wiegt vierzig Kilo, seine Farbe ist schwarz. Dann ist da noch Red, ein Rhodesian Ridgeback. Sie werden auch Löwenhunde genannt, weil sie zur Löwenjagd genommen werden. Sie sind intelligent, lernfreudig, lebhaft, mutig und reaktionsschnell. Red ist ein ausgezeichneter Wach- und Schutzhund, aber er will die Befehle, die man ihm gibt, verstehen und denkt nach, bevor er sie ausführt. Er ist freundlich und benötigt sehr viel Einfühlungsvermögen. Seine Größe ist neunundsechzig Zentimeter und er wiegt fünfundvierzig Kilo. Die Fellfarbe ist rotweizenfarben, deshalb auch der Name Red“, zählte sie die Vorteile der beiden Hunde auf.

„Kommt doch mit rüber zu den Stallungen, dann könnt ihr sie euch ja mal ansehen“, sagte sie und stand auch schon auf. Wir gingen über die Terrasse zum Hundezwinger und sahen uns die Tiere an. Eva war von den beiden sofort begeistert, vor allem von Red.

„Oh ja! Die nehmen wir“, sagte sie schwärmerisch.

„Gut, dann komme ich morgen früh mit den beiden rüber und wir fangen mit der Gewöhnung an.“

Wir verabschiedeten uns von Betti und ritten zurück zum Haus. Wir mussten noch ein paar Vorbereitungen für die beiden Jungs aus Deutschland treffen.

In Sichtweite unseres Hauses pfiff ich und schon kam ein schwarzer Blitz aus dem Stall gefegt und lief uns entgegen. Blacky freute sich, uns wiederzusehen.

Am Küchenfenster tauchte ein Kopf mit schwarzen Haaren auf, das war Anna, unsere gute und fleißige Seele. Sie kam jeden Tag und half im Haus und wenn wir Gäste hatten, kochte sie auch gute sardische Küche.

Wir winkten ihr zu und sie winkte freudestrahlend zurück. Im Stall sattelten wir die Pferde ab, striegelten sie und gaben ihnen noch ein paar Möhren. Dann gingen wir zum Haus.

„Mein Lieber, jetzt machen wir Folgendes: du setzt dich jetzt auf die Terrasse und spannst ein wenig aus und ich informiere Anna, dass Besuch kommt und sie so gut sein soll, das Gästehaus herzurichten. Dann besorge ich uns noch ein kaltes Getränk, etwas zum Knabbern und du erzählst dann noch ein wenig aus deiner Vergangenheit, bis unsere beiden Männer ankommen.“

„Du hast immer gute Ideen, mein Schatz“, sagte ich und ging zur Terrasse, um mich schon einmal in die Sitzgruppe zu setzen, die Beine hochzulegen und auf Eva zu warten. Sie brachte uns eine Karaffe mit schön gekühltem Wasser mit, eine Schale mit Dolci Sardi und setzte sich zu mir.

„So, jetzt haben wir alles, was wir brauchen, jetzt kannst du anfangen zu erzählen. Ich bin schon ganz gespannt wie die Geschichte weitergeht.“

Kapitel 9
1967

Wir hatten mittlerweile unsere Kontakte ausgebaut und so blieb es nicht aus, dass Wolfgang eines Tages zu mir sagte:

„Organisator, du solltest mal nach Hongkong und Manila fahren, hier gibt es für uns noch viel zu tun. Wir machen es wie immer. Du zeigst den Chinesen, wie wir den Ablauf organisiert haben und wie es funktioniert. Wenn sie dann mitmachen und interessiert sind, setzen wir wieder unsere Jungs auf dieser Route ein.”

Gesagt getan, ich heuerte auf einem Schiff für Ostasien an und fuhr die Route Mittelmeer, Rotes Meer, Aden und weiter ins ostasiatische Gebiet über Singapur bis Hongkong. Horst fuhr nicht mit, wir mussten uns trennen, um mehrere Gebiete abzudecken und neue Mitarbeiter einzuarbeiten.

Horst fuhr mit einem neuen Mann noch einmal die Südamerikaroute. Der Albino war ja nicht mehr an Bord. Bei mir war es in jedem Hafen der normale Ablauf, Briefkasten aufsuchen, nachdem ich die Gegend erst gesichert hatte, dann die Nachricht holen, die Telefonnummer anrufen, Treffen ausmachen und dann die Ware übergeben oder übernehmen.

Das ging so weit gut, bis Manila. Hier gab es auch eine Übernahme, nur mit dem Unterschied, dass ich das starke Gefühl hatte, nach der Übernahme und auf dem Weg zum Schiff beobachtet zu werden. Ich hatte selbst nach diversen Abschütteltricks immer noch das Gefühl, beobachtet zu werden, konnte aber niemanden entdecken. Es sollte sich aber später noch fürchterlich rächen, dass ich nicht noch mehr versucht hatte, um eventuelle Verfolger los zu werden.

Ich ging an Bord und verstaute meine Päckchen in den Zwischenraum der Bordwand, indem ich die Abdeckplatten abschraubte und alles in den Hohlraum legte.

Natürlich tat ich das nicht in meiner Kabine, denn falls die schwarze Gang, der Zoll, kam und das Versteck entdecken würde, wäre ich ja in den Verdacht gekommen, also tat ich das in der Toilette.

In der Messe ging ich noch ein Bier trinken und meine Kollegen fragten, ob wir heute Abend gemeinsam in die Hafenkneipe gehen wollten, was freudig angenommen wurde. Na ja, Kneipe war vielleicht die falsche Bezeichnung, es war ein Amüsierlokal mit tollen, süßen Asiatinnen. Da ich alles erledigt hatte, sagte ich, wir sollten uns um zweiundzwanzig Uhr an der Gangway treffen. Dann ging ich in meine Kabine um zu duschen und machte mich für den Landgang fertig. Pünktlich um zweiundzwanzig Uhr waren wir an der Gangway und gingen mit vier Mann in das Lokal im Hafen.

Als wir das Lokal betraten und uns umsahen, kamen schon vier Mädels auf uns zu und hakten sich bei uns unter, brachten uns an einen runden Tisch im Hintergrund, fragten was wir trinken wollten und ob sie den Abend mit uns verbringen dürften. Natürlich sagten wir ja, denn dazu waren wir ja hierhergekommen.

Sie holten für uns und sich selbst die Getränke und setzten sich zu uns an den Tisch. Manche setzten sich auch auf den Schoß und wir plauderten und lachten. Die Zeit verging so recht schnell, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und vier Mann in das Lokal gestürmt kamen, sich umsahen und dann, gezielt auf unseren Tisch zugingen. Das verwunderte mich. Sie palaverten herum, dass wir ihre Mädchen in Ruhe lassen sollten. Bei mir gingen alle Alarmglocken an, das war doch nur ein Vorwand, um nah genug an uns heranzukommen. Ich gab ganz ruhig und im Plauderton meinen drei Kollegen die Anweisung:

„Jungs, es gibt Ärger. Benutzt die Flaschen als Waffen und den Tisch als Schutzschild.“

Wir sprangen ohne Vorwarnung auf, stießen die Mädchen zur Seite, damit sie in Sicherheit waren. Legten den Tisch als Schild um und schlugen von unseren Bierflaschen den Boden ab. Das alles ging so schnell, dass die vier total verunsichert wurden. Mit so einer schnellen Reaktion hatten sie nicht gerechnet. Jetzt standen wir uns gegenüber, den Tisch als Schutz vor uns und sie standen schutzlos im Raum. In der Zwischenzeit hatte der Wirt Wind von dem Vorfall bekommen und die Polizei alarmiert, was wir hinterher erst erfahren haben. Wir warfen die erste Lage Flaschen nach den Chinesen um sie auf Abstand zu halten und hielten jeder noch eine, als Messerersatz stoßbereit, in der Hand. Sie kamen auf uns zu und zogen dabei ihre Messer.

Jetzt muss man wissen, dass wir nicht ganz unbedarft waren, was den Umgang mit Messern oder anderen Stichwaffen betraf. Jedes Schiff hat eine Wäscherei an Bord, um die Bordwäsche und die Wäsche der Seeleute zu waschen. Diese wurde meist von Chinesen betrieben und gerade von denen kann man so allerhand lernen, Messerwerfen, Kampfsport und eben alles, was die chinesische Kampfkunst so herausgebracht hat. Jeder Chinese an Bord weiß einem etwas anderes beizubringen und so hatten wir nicht unbedingt die Hosen voll, als die vier mit Messern vor uns standen.

Unsere Selbstsicherheit machte die vier nervös und so kamen sie ins Stocken. So hatten wir Gelegenheit, uns abzusprechen, wie wir vorgehen wollten. Unser Vorteil war, es ging Mann gegen Mann, was die Sache überschaubarer machte. Als sie sich endlich gefasst hatten und sich aufrafften, uns anzugreifen, war schon alles vorbei. Wir waren schon zum Gegenangriff übergegangen, denn der Angriff ist die beste Verteidigung. Zwei von uns links und zwei rechts um den Tisch herum, jeder hatte sich den jeweiligen Gegner ins Auge gefasst, ein Stoß in die Messer haltende Hand der Chinesen, die Messer fielen zu Boden. Wir stießen die Messer mit den Füßen weg von den Gegnern und mit einem Wurfgriff und Hebelgriff legten wir die Typen auf den Boden. Ich dachte nur noch:

‚Pass auf, dass du dich nicht mit ihrem Blut beschmutzt, das geht schlecht aus deiner Kleidung raus.‘ Wir überlegten, was wir mit ihnen machen sollten, die Entscheidung wurde uns aber abgenommen. Die Tür flog auf und sechs Polizisten kamen mit gezückten Pistolen reingestürmt und legten auf uns an. Ganz ruhig hoben wir die Arme, blieben aber kniend auf den Rücken der Chinesen. Ich dachte: ‚ Jetzt nur nicht mit der Wimper zucken, denn hier in Manila gibt es eine eiserne Regel bei der Polizei, erst schießen und dann fragen, wer hier Schuld hatte.‘

Das hatte auch seinen Grund, hier gab es kein Gesetz, oder nur auf dem Papier. Hier galt die Macht des Stärkeren. Man durfte hier Waffen besitzen und wenn man damit jemanden tötete, wurde man wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt und nicht wegen Mordes.

Wir knieten also mit erhobenen Händen ganz ruhig da und ich wusste nicht, ob sie geschossen hätten oder nicht. Aber der Wirt, der hinter seiner Theke stand, ließ eine Schimpfkanonade auf die Polizisten niederprasseln. Nach dem Ergebnis zu urteilen, hat er für uns gesprochen, denn die Polizisten ließen ihre Waffen sinken und nahmen die vier Chinesen mit. Was mit ihnen weiter passierte, war uns schon klar. Erst einmal kamen sie in eine Zelle und dort wurden sie erst einmal verprügelt. Na ja, selbst schuld!

Auf Befehl vom Wirt hin kamen die Mädchen wieder zu uns, gaben jedem von uns einen sehr intensiven Kuss. Stellten dann den Tisch und die Stühle wieder hin, wischten das Blut vom Boden auf, holten neue Getränke, forderten uns zum Hinsetzen auf und setzten sich auch wieder zu uns, als wenn nichts geschehen wäre.

Der Wirt gab uns eine Runde auf Kosten des Hauses aus und es wurde noch eine sehr angenehme Nacht mit den Mädels. Nach weiteren zwei Runden zogen wir uns mit unseren Begleiterinnen zurück.

Was ich hinterher erst von Wolfgang erfahren habe war, dass man mich nach der normalen Übernahme der Ware verfolgt hatte. Warum ich das trotz größter Vorsichtsmaßnahme nicht bemerkt habe, lag wohl daran, dass die Asiaten eben für uns alle gleich aussehen. Aber ich ärgerte mich noch im Nachhinein darüber, dass ich nicht mehr aufgepasst hatte.

Die Gruppe, mit der wir zusammengearbeitet haben, wurde schon lange von der Konkurrenz beobachtet und als die Übergabe stattfand, hatte man mich ins Visier genommen und beschattet.

Man hatte mich gezielt angriffen, um mich zu ihrem Chef zu bringen, damit er alle Informationen aus mir herausholen konnte. Er wollte alles über unsere Verbindung mit den anderen asiatischen Gruppen wissen. Er wollte die Konkurrenz ausschalten um dann selbst in Erscheinung zu treten und die Preise bestimmen zu können. Was hinterher mit mir gemacht werden sollte, war ja wohl jedem klar, hier zählte kein Menschenleben.

Als das nicht funktionierte, wollte er mir auf jeden Fall so viel Angst einjagen, dass ich dort nicht mehr auftauchen würde.

Kapitel 10
Heute

Das Geräusch eines sich nähernden Helikopters riss mich aus meiner Erzählung. Eva und ich standen auf und gingen Richtung Strand, dort gab es viel Platz, der als Landeplatz genutzt werden konnte. Auf dem Weg dorthin sahen wir Anna aus dem Gästehaus kommen, die gute Seele hatte zwei Zimmer hergerichtet.

Wir sahen wie der Helikopter landete, zwei Mann heraussprangen, ihr Gepäck wurde ihnen angegeben, sie schulterten ihre Rucksäcke, nahmen eine große Kiste zwischen sich und kamen den leichten Hügel herauf auf uns zu. Der Helikopter hob ab, nicht ohne dass uns der Pilot noch zuwinkte und flog übers Meer davon.

Pit war früher bei der KSK, durchtrainiert, braun gebrannt und lächelnd kam er auf uns zu. Josef, ein ehemals französischer Fremdenlegionär, hager, dunkelbraun gebrannt. Er war einer von der Sorte, dem man den Arm abhacken konnte, dann würde er ihn ohne mit der Wimper zu zucken selbst wieder annähen und weiterkämpfen. Als Pit und Josef bei uns ankamen, stellten sie die Kiste zwischen sich ab und begrüßten uns erfreut. Wir gingen mit ihnen zum Gästehaus und zeigten jedem sein Zimmer.

„Richtet euch erst einmal ein und dann kommt rüber zu uns auf die Terrasse, da können wir alles Weitere besprechen“, sagte ich und ging mit Eva zurück. Wir setzten uns auf die Terrasse und warteten bis beide kamen, was nur eine halbe Stunde dauerte.

„Hallo. Da habt ihr euch ja ein tolles Domizil ausgesucht“, sagte Pit, als sie um die Ecke kamen. Sie setzten sich zu uns an den Tisch und Eva goss ihnen kalten Saft ein.

„Was gibt es denn für Probleme? Manfred hat nicht viel erzählt und gesagt, alles Weitere erfahren wir hier direkt vor Ort. Er meinte nur, wir sollten das volle Programm mitnehmen.“

„Es geht darum, dass sich hier zwei Männer rumtreiben, die hier eigentlich nichts zu suchen haben. Die tun so, als wären sie Geschäftsleute, aber es sind keine. Ich habe mir vorgestellt, dass ihr eine Rundumsicherung mit den Videokameras aufbaut und dann die beiden Typen beobachtet. Ich werde gleich ins Dorf reiten und noch ein paar Informationen einholen. In der Zwischenzeit könnt ihr ja schon mit dem Einrichten der Sicherung beginnen.“

Pit und Josef nickten, sie wussten, was mit der Rundumsicherung gemeint war. Der Einbau von akustischen Infrarot-Funkkameras. Mit diesem System ist eine akustische, optische und Nachtüberwachung möglich. Das System enthält drahtlose Kameras mit Mikrofon und der Empfänger zeichnet alles auf Video auf.

Die Kameras wurden so installiert, dass man von der Zentrale aus alle vier Richtungen absuchen konnte. Gleichzeitig löste dieses System aber auch einen stillen Alarm aus. Die Daten wurden im Arbeitszimmer auf meinem Computer gespeichert und per Datenleitung in die Zentrale nach Deutschland übermittelt. Dann wurden die Gebäude noch mit Lichtschranken versehen, die man über einen Schaltkasten im Haupthaus einzeln ein- und ausschalten konnte.

Nachdem wir die Getränke ausgetrunken hatten, legten die beiden los. Ich ritt noch mal ins Dorf, um mir die Anmeldungen der beiden Typen anzusehen und Eva machte sich mit Anna in der Küche zu schaffen. Am Abend trafen wir uns alle wieder auf der Terrasse zum Abendessen und berichteten über den bisherigen Stand der Dinge. Pit erstattete als erster Bericht:

„Wir haben alles installiert und getestet, es funktioniert alles einwandfrei. Nach dem Essen machen wir uns auf die Suche nach den beiden und hängen uns an ihre Fersen. Mal sehen, was sie vorhaben, wir halten Kontakt über unseren internen Funkkreis. Da kann niemand mithören und wir können sicher sein, dass wir auch in abgelegenen Gebieten Kontakt halten können. Was ja hier beim Handy nicht immer zutrifft. Hast du noch ein paar Informationen über die beiden bekommen?“, fragte er mich. Ich holte die Unterlagen heraus, die ich von Luciano bekommen hatte. Kopien der Anmeldeformulare.

„Hier stehen die Adressen in Deutschland, aber ich nehme an, die sind falsch. Lasst sie aber trotzdem überprüfen. Bilder habe ich nicht, aber hier sind die Personenbeschreibungen von mir. Sie sind im Hotel „Nuraghe” abgestiegen, vielleicht nehmt ihr das Hotel als erste Kontaktaufnahme. Sie haben die Zimmer zwölf und vierzehn im ersten Stock. Schaut mal, ob ihr hier Wanzen anbringen könnt.“

„Gut, dann lass uns mal hinfahren und überprüfen, was wir tun können und ob die beiden da sind. Carlo, habt ihr zwei Motorräder für uns hier?“, fragte mich Josef.

„Ja, drüben in der Garage stehen zwei BMWs, frisch gewartet und vollgetankt.“

„Wir nehmen ja lieber unsere Pferde“, sagte Eva zu den beiden.

„Gut, dann werden wir uns mal für die Nacht umziehen, wir bleiben in Verbindung. Einen schönen Abend wünschen wir euch noch. Tschüss!“

Sie standen auf und gingen ins Gästehaus. In der Zwischenzeit holte ich das Funkgerät, über das wir in Verbindung bleiben wollten, aus dem Büro und aktivierte es.

Nach fünfzehn Minuten tauchten sie wieder auf und hatten schwarze Motorradoveralls an, jeder hatte noch einen Rucksack in der Hand und sie gingen zur Garage, um die Motorräder herauszuholen, starteten sie und fuhren leise davon. Mit einer Hand winkten sie uns noch einmal zu.

Für die Mitglieder der Operation Group gab es kein Fahrzeug, das sie nicht fahren konnten. Wir wussten auch, was beide in ihren Rücksäcken hatten, wenigstens was die normale Ausrüstung betraf. Eine komplette Ausstattung von Minisendern jeglicher Art plus ein Aufnahmegerät. Eine Armbrust „Lightning”, die neue Generation hochmoderner Armbrüste. Der Bogen war mit einem Schnellverschluss ausgestattet, so dass die Fußschlaufe und das komplette Bogensystem auf Knopfdruck demontiert werden konnten. Dadurch war die Armbrust extrem handlich. Sie hatte eine Zielgenauigkeit von siebzig Metern und war mit einer Zieloptik ausgestattet. Zur weiteren Ausstattung gehörten noch Stahlpfeile für die Armbrust, Einbruchswerkzeug, Kletterhaken aus Aluminium und eine „Skorpion”- Maschinenpistole. Dieses tschechische Produkt war die kleinste Maschinenpistole, die es auf dem Markt gab, sie trug diesen Namen wahrlich zu recht. Sie war kompakt und anspruchslos hergestellt und für alle gängigen Pistolenpatronen der Neuzeit ausgelegt. Diese Waffe war lange Zeit die erste Wahl für Spezialeinsätze im Ostblock, bei afrikanischen Diktatoren und europäischen Terroristen, weil sie klein und leicht ist. Aber eben unverwüstlich und gefährlich wie ein Skorpion. Dann hatte noch jeder eine „Glock 18“, neun Millimeter, Reihenfeuerpistole mit Kompensator unter dem Motorradkombi im Schulterhalfter stecken.

Josef trug mit Sicherheit noch seine Wurfmesser Flying Knife bei sich. Diese Wurfmesser fliegen gerade durch die Luft, ohne sich zu drehen, daher sind sie besonders für weite Würfe geeignet. Sie haben ein Gewicht von zwanzig Gramm und sind einunddreißig Zentimeter lang.

„Bin gespannt was beide im Dorf herausfinden, mein Schatz“, sagte Eva zu mir, „na, willst du nach dem Essen noch etwas trinken?“

„Ja gern. Einen Grappa und einen Wein könnte ich schon noch vertragen nach dem guten Essen.“ Eva stand auf und ging Richtung Küche, um den Wein zu holen.

„Aber nur, wenn du mir noch etwas erzählst“, sagte sie lachend zu mir.

„Na gut“, sagte ich, „wenn du heute Nacht nicht ruhig schlafen willst, erzähle ich dir noch eine Horrorgeschichte.“

Sie ging lachend ins Haus und kam nach kurzer Zeit wieder mit einer Karaffe Wein und dem obligatorischen Wasser zurück, goss unsere Gläser voll und setzte sich zu mir auf die Bank.

„Na mein Lieber, dann lege mal los mit deiner Horrorgeschichte. Jetzt weiß ich auch, warum es mir bei deinem Anblick immer so gruselt“, sagte sie schelmisch lächelnd. Ich nahm sie in den Arm und gab ihr einen lieben Kuss.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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