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Im Lande des Mahdi II

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»Nein,« antwortete der Gefragte, indem er Platz nahm.

»Nicht? Dann hast du mich falsch berichtet. Sie kommen entweder später als morgen oder wohl gar nicht.«

»Sie kommen!« behauptete der Scheik mit Bestimmtheit. »Ich habe ihre Fährte gesehen.«

»Hat man die Fährte, so hat man bald auch den Mann. Du hättest nicht ruhen sollen, bis du sie wirklich sahst.«

»Es war zu spät, denn es wurde dunkel. Der Effendi hatte mit seinem Ben Nil eine sehr sichtbare Fährte gemacht. Ich folgte ihr. Sie lief immer schnurgerade fort und bog dann plötzlich mehr nach Süden. Er muß nach dem Bir Safi geritten sein. Heute früh paßte ich auf. Sie mußten kommen, aber sie kamen nicht. Ich wartete bis gegen Mittag, und da ich sie auch bis dahin nicht gesehen hatte, nahm ich an, daß sie ganz unerwartet eine andere Richtung eingeschlagen hatten. Dies konnte nur die nördliche sein. Wenn ich gerade nach Norden ritt, mußte ich also auf ihre Spur stoßen, da sie sich später doch östlich wenden mußten. So geschah es auch. Der Abend war nahe, als ich auf die Fährte traf, welche nach Osten führte.«

»Natürlich gerade auf den Dschebel Arasch Qol zu?«

»Nein, sonderbarerweise nicht. Wenn sie von da aus immer in gerader Richtung geritten sind, haben sie den Dschebel weit südlich von sich liegen lassen.«

»Warum das? Der Effendi hat bei dem Geringsten, was er thut, seine Absicht!«

»Hier liegt keine besondere Absicht vor. Sie haben sich einfach geirrt. Es ist ja niemand aus dieser Gegend bei ihnen. Der Fessarah, welcher ihnen als Führer dient, kann unser Gebiet unmöglich genau kennen.«

»Aber der Effendi selbst! Aus allem, was er dir gesagt hat, geht hervor, daß er den Dschebel und auch den Maijeh kennt.«

»Er ist ein Fremder, ein Christenhund, von soweit her, daß er wohl nur ein einziges Mal dort gewesen sein kann. Da ist es ja gar nicht zu verwundern, wenn ein Irrtum vorkommt. Sie werden schon noch nach Süden eingebogen sein.«

»Sie werden – —! Mir wäre es lieber, wenn du sagen könntest: Sie sind – —! Dann hätte ich Gewißheit. Du hättest ihnen weiter folgen sollen!«

»Das war unmöglich, denn ich hätte, da der Abend nahe war, ihre Spur nicht mehr sehen können. Auch mußte ich unbedingt hierher zu dir, da du auf Nachricht wartetest. Bedenke, welche Strecken ich in dieser kurzen Zeit habe zurücklegen müssen! Ein gewöhnliches Kamel hätte dies unmöglich leisten können. Es war nur gut, daß du mir erlaubtest, deine Dschebel-Gerfeh-Stute zu besteigen. Die ist wie ein Sturm mit mir über die Steppe gegangen.«

Also er hatte die berühmte weiße Kamelstute des Sklavenjägers geritten, die Stute, welcher Ibn Asl das Gelingen so vieler Unternehmungen zu verdanken hatte! War es ihm doch auch nur durch ihre unvergleichliche Schnelligkeit gelungen, mir damals am Wadi el Berd zu entkommen! Aber das Kamel, welches der Scheik jetzt mitgebracht hatte, besaß die gewöhnliche Farbe der ordinären Kamele. Wie war das zu erklären? Hatte er kurz vor seiner Ankunft hier die weiße Stute mit einem andern Hedschihn vertauscht? Ich wurde sogleich über diesen Punkt aufgeklärt, denn Ibn Asl fragte:

»Wenn der Giaur gewußt hätte, daß meine Kamelstute bei dir steht, daß ich stets, wenn ich zu Schiffe gehe, sie bei dir lasse, da ich sie dann unmöglich mitnehmen kann! Er hat sie doch nicht etwa gesehen?«

»Nein. Und wenn er sie gesehen hätte, so hätte er sie doch nicht erkannt, denn so oft du sie mir übergiebst, wird sie gefärbt, damit niemand weiß, welches berühmte Tier ich bei mir habe. Schau sie an! Ist sie von einem gewöhnlichen Hedschihn zu unterscheiden?«

»Allerdings! Ich würde mich schämen, wenn sie einem solchen ähnlich sähe. Siehe doch nur die Formen! Ein Kenner merkt doch sofort, welch ein Tier sie ist. Aber das ist jetzt Nebensache. Wir haben nicht von meinem Kamele, sondern von diesem Effendi und seinen Leuten zu sprechen. Warum soll übrigens die Stute hier hungrig liegen! Sie hat einen weiten Weg gemacht und mag fressen. Fesselt ihr die Vorderbeine kurz, damit sie sich nicht weit entfernen kann!«

Einer von den beiden Männern, weiche bei ihm saßen, stand auf, um diesen Befehl auszuführen. Die herrliche Stute durfte weiden. Ich beobachtete ihre Bewegungen fast mit noch mehr Aufmerksamkeit als derjenigen, mit welcher ich auf die Worte ihres Herrn hörte. Dieses Kamel, ah, es mußte mein werden! Lieber wollte ich Ibn Asl selbst entkommen als seine Stute laufen lassen!

Er war sichtlich von dem Resultate, welches der Scheik el Beled ihm brachte, enttäuscht. Er fuhr fort:

»Da du die Stelle nicht kennst, an der die Gefangenenkarawane lagert, so ist unser erster Plan nicht auszuführen. Jammerschade! Zwanzig Asakerhunde! Und wir zählen fünfmal mehr! Wie leicht hätten wir sie draußen auf der freien Steppe umzingeln können!«

Ah, da hörte ich es ja! Ich hatte ganz richtig gedacht. Wie gut, daß ich diesen Umweg nach Norden, Osten und endlich Süden gemacht hatte. Wären wir in gerader Richtung geblieben, so hätte Ibn Asl uns überfallen, heute abend schon, bevor wir den Dschebel Arasch Qol erreichten! Der Scheik antwortete auf den ihm gemachten Vorwurf:

»Wahrscheinlich ist es gut für uns, daß dies nicht geschehen ist. Du kennst den Effendi. Er ist wachsam und versäumt keine Vorsicht. Ueberraschen hätten wir ihn unmöglich können.«

»Aber eingeschlossen wäre er worden, eingeschlossen von hundert Mann! Bedenke das! Er hätte sich auf Gnade oder Ungnade ergeben müssen, ohne die Hand rühren zu können!«

»Glaube das nicht! Der und sich ergeben! Du kennst ihn ja noch besser als ich. Ich bin überzeugt, daß du an der Wahrheit deiner eigenen Worte zweifelst. Es wäre gewiß zum Kampfe gekommen. Rechne, daß jeder Askari nur einen von uns erschossen hätte! Auf den Effendi aber mußt du mehrere rechnen. Ich bin sogar überzeugt, daß der Giaur sich sofort persönlich gegen dich gewendet hätte.«

»Mich hätte er gar nicht gesehen. Ich weiß, was ich mir schuldig bin. Ich bezahle meine Leute gut; dafür müssen sie kämpfen. Meine Sicherheit aber ist allzu wichtig für sie, als daß sie verlangen könnten, daß ich mich selbst am Kampfe beteilige. Das ist nicht Mutlosigkeit, sondern Berechnung, Vorsicht von mir. Meinst du, ich hätte mich dahin gestellt, wo die Kugeln pfeifen mußten? Aber wenn sie wirklich kommen, so werden sie unser, ohne einen Schuß thun zu können.«

»So triff die Vorbereitungen ja nicht etwa zu spät. Der Effendi sagte, daß er eine Stunde nach dem Gebete der Morgenröte am Dschebel Arasch Qol ankommen werde, und er hält gewiß Wort. Also muß die Abteilung, welche du nordwärts senden willst, spätestens um Mittei nacht hier abgehen.«

»Ich sende sie schon vorher ab. Du bist also der Ueberzeugung, daß sich diese Leute im Regenbette verstecken können, ohne bemerkt zu werden?«

»Ja. Geht man nur einige Minuten in diesem Bette aufwärts, so erweitert es sich und ist da mit Kittr-Büschen angefüllt, die eine prächtige Deckung bieten. Wenn dann, wenn der Tag anbricht, einer auf den Felsen steigt, kann er die Karawane kommen sehen. Man läßt sie vorüber, um ihr dann langsam und unbemerkt zu folgen, bis sie sich zwischen den steilen Wänden des Dschebel und den Krokodilen des Maijeh auf dem schmalen Wege befindet. Diese unsere Abteilung befindet sich hinter der Karawane; unsere anderen Leute stehen schon vor derselben bereit, und gerade dann, wenn die Gefangenen in den Sumpf geworfen werden sollen, lasse ich als Führer der ersteren Abteilung den ersten Schuß hören. Das Ergebnis ist nicht zweifelhaft. Der Effendi muß einsehen, daß er von einer übermächtigen Anzahl Feinde eingeschlossen ist und daß Widerstand der reine Wahnsinn sein würde. Er wird sich ergeben. Um ihm dies zu erleichtern, kannst du ja auf Bedingungen eingehen, welche du dann nicht zu halten brauchst.«

Das war ja ganz vortrefflich! Dieser Scheik el Beled wollte nach demselben Regenbette, in welches ich mich in Hinterhalt hatte legen wollen. Die Falle, welche mir gestellt werden sollte, war genau diejenige, welche ich ihnen legen wollte. Wie gut, daß ich gegen den Willen des Emir herbeigeschlichen war, um zu lauschen.

»Wieviel Mann giebst du mir mit?« fragte der Scheik weiter.

»Wieviel brauchst du?«

»Die Hälfte von deinen hundert wäre eigentlich richtig, aber ich brauche sie nicht und begnüge mich mit weniger.«

»Ich gebe dir vierzig, so bleiben mir sechzig. Ihr marschiert eine Stunde vor Mitternacht ab, also vielleicht in einer Stunde. Ist es notwendig, daß wir in gegenseitiger Verbindung bleiben?«

»Nein. Es wäre überhaupt schwer, dieselbe zu unterhalten. Sie müßte um den langen Maijeh herum stattfinden, und das würde viel zu viel Zeit erfordern. Der Plan ist ja so einfach. Sobald es Tag wird, besetzest du die Südseite des Busens. Die Karawane kommt von Norden her, und ich folge ihr. Sobald ihr meinen Schuß hört, ist die richtige Zeit gekommen. Welch ein Glück, daß der Effendi zu spät nach Hegasi kam! Der Reïs Effendina war soeben fort. Hätten sie sich getroffen, so wäre der Emir dageblieben, und wir hätten es ruhig geschehen lassen müssen, daß dein Vater mit den übrigen Gefangenen in den Sumpf geworfen wurde. Jetzt haben wir alles Nötige besprochen, und ich will versuchen, ein wenig zu schlafen, denn ich bin von dem langen Ritte ermüdet. Wecke mich, wenn meine Abteilung zum Marsche bereit steht!«

Er legte sich nieder, und ich konnte mich entfernen. Es war klar, daß ich nichts Wichtiges mehr zu hören bekommen würde. Darum benutzte ich einen Augenblick, in welchem zwischen meinem Baume und dem Feuer sich wieder eine Rauchwolke niedersenkte, schwang mich herab, legte mich zu Boden und kroch schnell zurück. Ich kam, ohne bemerkt zu werden, bei dem Emir an, welcher noch auf derselben Stelle hinter dem Busche stand.

»Effendi, ich habe fast um dich gezittert!« meinte er. »Diese Verwegenheit konnte dir ans Leben gehen.«

»O nein! Du wirst sogleich hören, daß sie mir außerordentliche Vorteile gebracht hat. Ich kenne den ganzen Plan der Leute.«

 

Ich teilte ihm mit, was ich erlauscht hatte. Als ich zu Ende war, flüsterte er mir erregt zu:

»Sie gehen in die Falle; sie gehen hinein, Effendi! Aber durch welche List bekommst du den Scheik mit seinen vierzig Mann vor dich, anstatt daß er dir folgt?«

»Durch die List ist da nichts zu erreichen. Ich muß sie gefangen nehmen.«

»Das ist gefährlich, da es nicht ohne Angriff und Gegenwehr geschehen kann!«

»Gar nicht gefährlich! Ich besetze den Platz, ehe diese Leute kommen. Sie müssen sich entweder ergeben oder bis auf den letzten Mann erschießen lassen.«

»Aber du hast nur zwanzig Asaker bei dir!«

»Diese brauche ich unter den jetzigen Verhältnissen freilich alle zur Bewachung der Gefangenen. Kannst du mir auch vierzig Köpfe mitgeben?«

»Ganz gern!«

»Dir bleiben immer noch genug. Wenn es Tag geworden ist, besetzt Ibn Asl den schmalen Paß. Du folgst ihm.. Ich komme, indem ich die Gefangenen unter guter Bewachung zurücklasse, von Norden her, und so haben wir die Gegner zwischen uns. Ich sage jetzt ganz dasselbe, was vorhin der Scheik sagte: Wenn du den ersten Schuß hörst, ist die Zeit gekommen.«

»Gut, dann werfe ich mich auf den Feind.«

»Aber eins muß ich dir sehr ans Herz legen: Ich hörte, daß Ibn Asl sich nie am Kampfe zu beteiligen pflegt. Vielleicht bleibt er auch hier zurück. Sorge ja dafür, daß er nicht entkommt. Beauftrage lieber eine kleine Abteilung von vielleicht zehn Mann, speziell auf ihn zu sehen und ihn nicht entwischen zu lassen!«

»Ich werde mein möglichstes thun. Wann soll ich dir die vierzig Männer geben?«

»Gleich! Gehe zurück und stelle sie mir bereit! Ich werde dir bald folgen.«

»Du willst nicht gleich mit mir gehen? Warum?«

»Weil ich mir die weiße Dschebel-Gerfeh-Stute des Sklavenhändlers holen will.«

»Laß sie doch! Du könntest dadurch alles verderben. Wenn man dich dabei erwischt, sind wir verraten.«

»Mich erwischen? Pah!«

»Aber wenn man merkt, daß sie fehlt, muß man auf einen Dieb, also darauf schließen, daß Menschen anwesend sind. Das muß doch jedenfalls Mißtrauen erwecken.«

»Man wird zunächst meinen, daß die Stute schlecht gefesselt worden und zu weit fortgelaufen ist, sich aber morgen leicht wieder finden lassen wird. Ich habe außer dem hohen Werte dieses Kameles noch einen andern triftigen Grund, mich seiner zu bemächtigen. Wenn nämlich Ibn Asl sich nicht direkt am Kampfe beteiligt, so kann er dir trotz aller Vorsicht, die du anwendest, entschlüpfen. Hat er dann die Stute, so kann kein Mensch ihn einholen; habe ich sie, so ergreife ich ihn, er mag dagegen machen und versuchen, was er will.«

»Das ist richtig; aber ich befürchte nur, daß du bemerkt wirst.«

Er widerstrebte nur noch kurz und entfernte sich dann. Ich schlich mich in einem Bogen jenseits des Feuers hinüber. Das Hedschihn stand im Dunkeln bei einem Busche, dessen Blätter es knusperte. Es ließ mich ganz ruhig herankommen. Dieser Ibn Asl verstand es nicht, ein solches Tier zu erziehen; es hätte bei meiner Ankunft fliehen oder wenigstens laut schnauben müssen. Ich band ihm die Vorderfüße los, schlang den Leitstrick vom Halfter und führte es fort. Es folgte so gutwillig, als ob es mir gehörte. Auf einem Umwege kehrte ich nach meinem früheren Standorte zurück und schritt dann dem Hegelikwalde zu, wo der Reïs Effendina mich in großer Spannung erwartete. Die vierzig Mann standen schon bereit.

»Allah! Es ist gelungen,« sagte er. »Effendi, du bist ein sehr gefährlicher Kameldieb; man sollte dich lebenslänglich einsperren lassen!«

»Verzeihe mir, hoher Vertreter der ägyptischen Gerechtigkeit; ich stehle nur bei Dieben und Räubern!« lachte ich. »Ich werde sofort aufbrechen. Aber, sind diese Leute mit Material versehen? Wir werden sehr wahrscheinlich vierzig Gefangene zu binden haben.«

»Es ist alles da. Wir haben das Nötige vom Schiffe mitgebracht.«

»So lebe wohl, und morgen früh ein siegreiches, fröhliches Wiedersehen!«

»Allah gebe es!«

»Laß Ibn Asl nicht entkommen!« warnte ich ihn noch; dann ging es vorwärts; einer der Asaker führte mein Kamel, ein anderer hatte das weiße Hedschihn am Halfter.

Erst den einzelstehenden Hegelik aufsuchend, schlug ich dann denselben Weg ein, den ich gekommen war. Natürlich ging es jetzt viel langsamer als vorher, da ich ritt. Es vergingen mehrere Stunden, ehe wir das Nordende des Sumpfes erreichten und dasselbe dann westlich umschritten. Jetzt sahen wir die dunkle, kompakte Masse des Berges vor uns liegen. Ich nahm meine Erinnerung zusammen, um das Regenbett nicht zu fehlen. Zweimal ging ich irre, fand es dann aber doch.

Jetzt galt es zunächst, die beiden Kamele, welche wir nicht weiter mitnehmen konnten, zu verstecken. Ich führte sie eine genügende Strecke fort, pflockte sie da fest und ließ einen Wächter bei ihnen zurück. Dann stiegen wir das Regenbett empor, bis wir den Kessel erreichten.

Die Wände desselben waren nicht allzu steil. Dreißig Mann mußten hinauf und sich dort rundum verteilen. Sie erhielten den Befehl, sich völlig laut- und geräuschlos zu verhalten, bis ich selbst den Angriff beginnen würde. Sie sollten möglichst hinter Steinen Deckung suchen, um, falls die Feinde sich verteidigen würden, von deren Kugeln nicht getroffen zu werden. Sollte einer der Gegner noch während der Dunkelheit hinaufgestiegen kommen, so war er von zweien oder dreien zu empfangen, am Halse festzuhalten, um nicht schreien zu können, und mit dem Messer unschädlich zu machen.

Mit den vierten Zehn ging ich eine kurze Strecke zurück und erstieg dann die halbe Höhe des Ufers des Regenbettes. Dort setzten wir uns nieder, um den Scheik el Beled mit seiner Schar vorüber zu lassen und dann zu folgen.

Elf Uhr nachts hatte er aufbrechen wollen; unser Marsch hatte kurz nach zehn Uhr begonnen. Wir hatten also höchst wahrscheinlich eine Stunde zu warten; aber es dauerte länger, viel länger. Er kam erst kurz vor Tagesgrauen. Er hatte sich nicht zu sehr beeilt, da er ja wußte, daß meine Karawane erst eine Stunde nach der Morgenröte kommen werde. Wir hörten sie an uns vorüberschreiten, stiegen dann leise von der Höhe herab und folgten ihnen. Nahe am Eingang des Kessels blieben wir halten. Die Sklavenjäger glaubten sich natürlich allein und sprachen laut miteinander. Sie lagerten sich um und zwischen die Büsche und bewiesen durch ihr munteres Lachen, daß sie sich in sehr guter, siegesgewisser Stimmung befanden.

Der Scheik war in Beziehung auf die Lustigkeit trotz der Würde, welche er eigentlich zu bewahren hatte, allen voran. Er scherzte übermütig und sprach von der Beute, welche zu machen sei, und von der Verteilung derselben. Wie ich später erfuhr, war ihm für seine Mitwirkung ein reicher Anteil versprochen worden. Der brave Mann hatte sich verspekuliert; er bekam etwas ganz anderes.

Der Tag mußte in ganz kurzer Zeit anbrechen, da hörte ich ihn sagen, daß er nach der Morgenröte ausschauen wolle. Ich glaubte, er werde innen, an der Wand des Kessels, emporsteigen, aber er kam durch den Ausgang heraus und auf uns zu.

»Bückt euch nieder!« raunte ich meinen Leuten zu, indem ich mich selbst schnell niederkauerte. Der Scheik sollte uns nicht zu früh bemerken. Er kam in langsamen Schritten heran; fast stieß er schon an mich, da fuhr ich vor ihm auf und nahm ihn mit beiden Händen am Halse.

»Nur die Hände binden, nicht die Füße!« befahl ich den Asakern. Sie gehorchten.

Ich drückte ihm den Hals nicht so fest zu, daß er die Besinnung verlor, und drohte ihm leise an das Ohr.

»Ein Laut von dir, und das Messer fährt dir in das Herz! Willst du schweigen, so nicke!«

Er nickte. Es war von ihm kein Widerstand zu fürchten; der Schreck war mächtiger als die Energie, und es zeigte sich später, daß er ein Feigling war, der nur für den Verrat, nicht für den Kampf paßte und die Führung der vierzig Sklavenjäger nur übernommen hatte, weil er überzeugt war, bei uns keinen Widerstand zu finden.

Acht Mann ließ ich stehen; zwei mußten mit mir den Scheik im Regenbette zurückführen, bis soweit, daß unsere Stimmen im Kessel nicht gehört werden konnten. Die beiden Asaker hielten ihn hüben und drüben fest.

Ich hatte mein Messer in der Hand, ließ ihm die Spitze desselben auf der Brust fühlen und fragte ihn:

»Kennst du mich?«

»Ja. Du – du bist der – der Effendi,« stammelte er. »Warum behandelst du mich wie einen Feind? Du hast mir ja gesagt, daß du die Obrigkeit in mir achtest.«

»Und du hast das geglaubt! O du größter und oberster aller Dummköpfe! Nur ein so hirnloser Mensch wie du durfte glauben, daß er mich täuschen könne. Aber während du überzeugt warst, mich zu übervorteilen, habe ich dir einen Fuß gestellt, über den du nun stürzest.«

»Du bist nun im Irrtume, bei Allah, im Irrtume! Ich bin als dein Freund, als dein Gönner und Bewunderer gekommen.«

»Und die vierzig Männer, welche du bei dir hast, sind sie auch meine Bewunderer, Gönner und Freunde?«

»Ja. Ich habe sie in der Umgegend von Hegasi gesammelt und hierher geführt, um dir gegen deine Feinde beizustehen.«

»Gegen meine Gefangenen, willst du sagen! Gegen sie brauche ich keine Hilfe. Und warum versteckt ihr euch hier?«

»Nur um dich da zu erwarten. Ich weiß nicht, wie du auf den Gedanken kommst, diese Männer für Leute von Ibn Asl zu halten!«

»Schweig!« unterbrach ich ihn. »Dein Doppelspiel ist durchschaut. Mit dem heutigen Tage wird ihm ein Ende gemacht. Ich habe dich erkannt, sofort als ich dich sah. Du hattest keine Ahnung, daß ich dich täuschte. Du borgtest Ibn Asl dein Pferd; das hat dich verraten. Als ich mit Ben Nil im Boote zu dir kam, war ich schon vorher bei dem Reïs Effendina auf seinem Schiffe gewesen und hatte dich angezeigt. Er war dann ebenso freundlich zu dir wie ich; wir thaten das, um Ibn Asl durch dich hierher zu locken. Es ist uns gelungen, weil deine Dummheit fast noch größer ist als deine Schlechtigkeit. Jetzt ist Ibn Asl da, der Reïs Effendina aber auch. Dieser wird jenen ebenso nehmen, wie ich jetzt dich genommen habe. Wir schließen Ibn Asl mit seinen sechzig Männern gerade so auf dem Felsenwege ein, wie ihr mich einschließen wolltet. Ich habe gestern, ohne daß ihr es wußtet, mit bei euerm Feuer gesessen und alles gehört, deinen Bericht und auch das, was darauf besprochen wurde.«

»Das ist unmöglich!« entfuhr es ihm, ohne daß er daran dachte, daß in diesen Worten ein Geständnis enthalten sei.

»Ich will es dir beweisen. Du kamst auf der gefärbten Kamelstute; sie legte sich nieder. Ibn Asl befahl einem der beiden Männer, die außer ihm, dir und den Offizieren mit dort saßen, sie aufstehen zu lassen und ihr die Vorderbeine zu fesseln, damit sie fressen könne. Ist sie dann nicht vermißt worden?«

»Ja. Sie war fort; sie hat sich verlaufen.«

»Nein, sie hat sich nicht verlaufen, denn ich habe sie mitgenommen. Das werde ich dir gleich auch beweisen.«

Und mich an den einen der beiden Asaker wendend, fragte ich ihn: »Kannst du ein Kamel reiten?«

»Ganz gut, Effendi,« antwortete er.

»Im Norden von Maijeh lagern deine Kameraden mit den Gefangenen. Hole sie alle schnell herbei. Du gehst jetzt das Regenbett hinab, wendest dich links und wirst in einiger Entfernung auf die Wache treffen, welche ich bei den beiden Kamelen zurückgelassen habe. Findest du sie nicht gleich, so kannst du rufen. Du besteigst die Dschebel-Gerfeh-Stute des Sklavenhändlers und reitest gerade ostwärts, am Ende des Maijeh vorüber. Bis dahin ist es Tag geworden, und du wirst meine Spur sehen, welche dich genau nordwärts nach dem Lager führt. Spute dich, und treibe auch die andern zur größten Eile an!«

Er ging. Ich fuhr zu dem Scheik fort:

»Jetzt hast du gehört, wo unser Lager ist. Du wolltest es gestern erforschen, damit wir auf offener Steppe überfallen würden; ich aber ahnte das und schlug einen Umweg ein. Während du mich im Westen suchtest, war ich längst im Norden von hier. Daß der ehrliche Mann stets gescheiter ist und weiser handelt als der Verbrecher, das könnt und wollt ihr nicht eher glauben, als bis es euch zu eurem Schaden bewiesen wird. Jetzt hast du genug gehört. Willst du noch leugnen?«

»Effendi, wie viele Asaker befinden sich jetzt hier bei dir?« fragte der Feigling.

»Mehr als genug, um euch zu vernichten. Wir kamen eine Stunde vor euch hier an und haben die Höhen und, wie du bemerkt hast, auch den Eingang des Kessels so besetzt, daß nicht ein einziger von euch zu fliehen vermag. Du, der Anführer, bist bereits gefangen. Wenn du deinen Leuten befiehlst, ihre Waffen auszuliefern und sich uns zu ergeben, so will ich meinen Einfluß bei dem Emir für dich verwenden, daß deine Strafe eine möglichst milde wird.«

 

»Allah ‚l Allah! Die Waffen abliefern. Sich ergeben! Vierzig Mann!«

»Ja, das klingt freilich anders als vorhin, da ihr so siegesgewiß bereits die Beute verteiltet! Beantworte meine Frage! Ich habe keine Zeit. Sage ja, so erhaltet ihr wenigstens das Leben; sage nein, so schießen wir euch alle über den Haufen!«

»Effendi, sei gütig, sei gnädig! Laß mich die Zahl deiner Leute sehen!«

»Du glaubst mir nicht? Ich lüge nicht; das muß dir genug sein.«

»O, du bist schlau! Was du nicht durch Gewalt fertig bringst, das suchst du durch List zu erreichen. So wird es auch hier sein, denn – – O Allah, o Muhammed! Da haben wir‘s! Da geht es schon los!«

Vom Kessel herab erklang ein wüstes Geschrei. Schüsse knallten; dann wurde es ebenso plötzlich ruhig.

»Da hast du den Beweis der Wahrheit meiner Worte,« sagte ich. »Komm! Du wirst meinem Körper als Schild dienen. Wenn jemand auf mich schießt, trifft die Kugel dich. Das merke dir!«

Ich zog ihn mit mir fort, wieder das Regenbett hinauf. Am Eingange des Kessels standen die acht Asaker, die Gewehre schußbereit in den Händen. Der Tag graute; man konnte jetzt zur Genüge sehen. In jenen Gegenden bricht der Tag ebenso schnell herein wie die Nacht.

»Was hat‘s gegeben; warum ist geschossen worden?« fragte ich.

»Da es hell geworden ist,« antwortete man mir, »wollten einige drin im Kessel emporklettern; unsere Leute verboten es von oben herab, und da nicht gehorcht wurde, so haben sie geschossen.«

»Wie steht es drin? Es ist ja schnell still geworden!«

»Die Sklavenjäger haben sich unter die Büsche verkrochen.«

»Da siehst du, welchen Mut deine Helden besitzen,« sagte ich zu dem Scheik. »Komm mit herein! Beim geringsten Anlasse aber stoße ich dir das Messer in den Leib.«

Ich hatte das Messer in der Rechten, nahm ihn mit der Linken beim Genick und schob ihn vor mir her, in den Kessel hinein. Auf einen Wink folgten mir die neun Asaker.

»Nun schaue einmal da hinauf, und sehe dir die Flinten an!« forderte ich den Scheik auf.

Die Asaker steckten hinter Felsen oder hatten Steine vor sich aufgebaut. Man sah von ihnen nichts als die Läufe der Flinten, welche von allen Seiten nach unten gerichtet waren. Ein Blick auf die Büsche brachte mich beinahe zum Lachen, obgleich meine Lage keine ungefährliche war. Wie leicht konnte einer auf mich schießen! Aber es gab keinen, welcher den Mut dazu hatte. Sie wußten übrigens noch gar nicht, von wem sie eingeschlossen waren; sie hatten nur die Gewehrläufe gesehen und sich sofort versteckt. Als ob die Büsche sie hätten schützen können! Hier sah ein Arm, ein Ellbogen, dort ein Schuh, ein nackter Fuß unter dem Grün hervor; sie alle lagen still; keiner regte sich.

»Wo hast du denn deine Helden?« fragte ich den Scheik. »Fordere sie doch einmal auf, hervorzukommen und sich zu verteidigen!«

»Der Effendi, der fremde Effendi!« klang es unter den Büschen heraus.

»Ich gebe dir nur eine Minute Zeit,« fuhr ich fort. »Hast du sie bis dahin nicht aufgefordert, die Waffen auszuliefern, so bekommst du das Messer bis an das Heft in den Leib.«

»Werde ich begnadigt?« fragte er.

»Ich verspreche dir Milde. Mehr kannst du nicht verlangen. Die Gnade steht beim Reïs Effendina. Schnell, schnell, ehe die Minute vergeht!«

Er wandte sich unter meinem Griffe hin und her; ich hob das Messer wie zum Stoße, da schrie er voller Angst:

»Laß mich los, Effendi! Ich werde thun, was du von mir forderst.«

»Von Loslassen ist keine Rede, denn du bist mein Gefangener. Befiehl deinen Leuten, einzeln hierher zu kommen, um die Waffen abzugeben und sich binden zu lassen, sowie du auch selbst gebunden wirst. Zeigt einer nur die geringste verdächtige Bewegung oder Miene, so bekommt er von den Leuten, welche da oben liegen, eine Kugel. Nun mach rasch; ich habe keine Zeit!«

Die Todesangst veranlaßte ihn, den betreffenden Befehl zu erteilen. Seine Leute gehorchten, indem einer nach dem andern unter dem Gesträuch hervorgekrochen kam. Nach Verlauf einer Viertelstunde waren sie alle entwaffnet und gefesselt. Der erste Akt des heutigen Dramas hatte sich ganz nach meiner Erwartung und ganz so, daß wir zufrieden sein konnten, abgespielt.

Nun galt es, die Ankunft meines Ben Nil mit der Karawane zu erwarten. Ich stieg das Regenbett hinab und setzte mich draußen nieder. Es verging fast eine Stunde, ehe ich sie kommen sah. Ben Nil ritt mit dem Boten, der auf dem Kamele saß, voran. Als sie mich erblickten, trieben sie ihre Tiere an, um noch vor der Karawane bei mir anzukommen.

Effendi, wir hatten Sorge um dich,« meinte der treue Jüngling, als er sein Tier bei mir niederknieen ließ und aus dem Sattel sprang. »Du kehrtest bis zum Morgen nicht zurück, und da glaubten wir, es sei dir ein Unfall passiert. Sind die Feinde in deine Hände geraten?«

»Ja. Wissen eure Gefangenen davon?«

»Nein, denn dein Bote hat leise mit uns gesprochen. Aber sie haben die Dschebel-Gerfeh-Stute gesehen und müssen sich sagen, daß sie Ibn Asl, ihrem Herrn, abgenommen worden ist. Daraus können sie natürlich schließen, daß es ein Ereignis gegeben hat, welches demselben, wenn nicht gefährlich, so doch wenigstens unwillkommen gewesen ist. Wo sind die Leute, welche du ergriffen hast?«

»Sie stecken da oben in einer Schlucht. Wir werden deine Gefangenen zu ihnen bringen, die Kamele aber unter der Aufsicht einiger Leute hier unten lassen.«

Als die Karawane ankam, wurden die Gefangenen von den Kamelen gebunden; die Füße ließen wir ihnen frei, damit sie nach dem Kessel des Regenbettes laufen könnten. Man sah es ihnen an, daß der Anblick des Kameles sie mit Befürchtungen erfüllt hatte. Sie warfen auffällig forschende Blicke umher und tauschten leise Fragen und Antworten aus. Nur der Fakir el Fukara und Abd Asl gaben sich den Anschein, als ob sie nichts bemerkt hätten und sich ganz sicher fühlten.

»Effendi,« fragte der erstere, »warum werden wir hierher gebracht? Was sollen wir hier?«

»Ich will euch eine frohe Ueberraschung bereiten,« antwortete ich.

»Spottest du unser? Es scheint, daß wir etwas Frohes von dir nie zu erwarten haben. Ich bin durch die Schuld eines der obersten Teufel in deine Gewalt geraten, und obgleich ich dir nichts gethan habe, schleppst du mich wie ein wildes Tier mit dir herum. Du bist weder Herr meiner Person noch Besitzer meiner Rechte. Ich verlange, daß du mich losbindest und mir ein Kamel giebst, wie du mir versprochen hast, damit ich in meine Heimat reiten kann.«

»Wo ist diese Heimat?«

»Für jetzt in Chartum.«

»So gedulde dich nur noch eine kleine Weile; dann wirst du in Begleitung vieler deiner Freunde nach dort reiten können.«

»Ich mag keine Begleitung. Ich bin allein zu dir gekommen und will auch wieder allein gehen. Du mußt mich fortlassen, denn du hast keine Macht über mich.«

»Und über uns auch nicht!« behauptete Abd Asl.« Woher nimmt der Reïs Effendina die Erlaubnis, dir seine Rechte abzutreten? Und wenn er dies thun dürfte, warum schleppst du uns nach allen möglichen Richtungen hier in der Steppe herum? Ich verlange, nach Chartum gebracht zu werden!«

»Dieser Wunsch wird dir sehr bald in Erfüllung gehen,« sagte ich ihm.

»Wann aber denn? Heute haben wir einen Umweg hierher machen müssen. Meinst du etwa, daß dies klug von dir gehandelt ist? Wenn du meinem Sohne begegnest, was doch sehr leicht geschehen kann, so bist du unbedingt verloren.«

»Ich bin ihm schon wiederholt begegnet, ohne verloren gewesen zu sein.«

»Du hattest ein Glück, welches du gewiß nicht wieder haben wirst. Läufst du ihm noch einmal in den Weg, so bist du von Allah gerichtet! Du weißt, wie viele Krieger er bei sich hat. Hier in der Steppe könntest du nicht gegen ihn aufkommen. Er würde dich mit deinem Häuflein zerdrücken! Der Prophet kann unmöglich dulden, daß ein Christ sich ungestraft so über uns erhaben dünkt. Das Schwert seiner Rache flammt schon über dir. Wer weiß, nach wie wenigen Augenblicken schon es dich treffen und zerschmettern wird!«