Neuroanatomie

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Bei der Unterscheidung von Mikro-und Makroglia hatten die alten Neurohistologen, ohne davon zu wissen, ein glückliches Händchen. Wie heute bekannt ist, haben Mikrogliazellen und Makrogliazellen entwicklungsgeschichtlich nichts miteinander zu tun. Makrogliazellen, also Oligodendrozyten, Astrozyten und Ependymzellen entstammen allesamt dem Neuroektoderm. Bei Mikrogliazellen handelt es sich im Gegensatz dazu um eingewanderte Blutzellen; sie entstammen also dem Mesoderm.

Zur peripheren Glia zählt man die Schwann-Zellen und die Satellitenzellen (siehe unten). Mit der Unterteilung des Nervensystems in einen peripheren- und einen zentralen Anteil werden wir uns im nächsten Kapitel noch beschäftigen. Hier wird aber schon deutlich, dass beide Anteile durch verschiedene zelluläre Komponenten gebildet werden.

Astrozyten

Die häufigsten Gliazellen im Gehirn sind die Astrozyten. Sie werden zu den Makrogliazellen gerechnet. Eine wichtige Funktion der Astrozyten besteht darin, das chemische Milieu des Extrazellulärraums zu regulieren. So umhüllen Astrozyten beispielsweise die Synapsen im Gehirn und begrenzen dadurch die Ausbreitung von freigesetzten Neurotransmittermolekülen. Spezielle Transporter-Proteine in den Membranen von Astrozyten entfernen Neurotransmitter aktiv aus dem synaptischen Spalt. Vor kurzem hat man entdeckt, dass Astrozytenmembranen nicht nur Transporter, sondern auch Rezeptoren für Neurotransmitter exprimieren können, die wie die Rezeptoren der Neuronen im Inneren der Gliazellen biochemische Reaktionen auslösen können.4, 5 Nervenzellen und Gliazellen können dadurch miteinander kommunizieren.

Morphologisch können zwei Arten von Astrozyten unterschieden werden: protoplasmatische (Astrocytus protoplasmaticus – auch: Kurzstrahler) und fibrillenreiche (Astrocytus fibrosus – auch: Langstrahler) Astrozyten. Protoplasmatische Astrozyten kommen vor allem in der grauen Substanz des Zentralnervensystems vor, fibrillenreiche überwiegend in der weißen Substanz (Abb. 1.9).


Abb. 1.9

Astrozyten

Astrozyten sind die häufigsten Gliazellen im Gehirn. Ihre Aufgabe besteht in der chemischen Regulation des Extrazellulärraums. Dies erreichen sie beispielsweise durch isolierende Eigenschaften oder das Ausbilden von Rezeptoren für Neurotransmitter. Man unterscheidet protoplasmatische Astrozyten, die größtenteils in der grauen Hirnsubstanz vorkommen, von fibrillenreichen Astrozyten, die in der weißen Substanz zu finden sind.

Astrozyten sind über Nexus (Gap junctions) verbunden und besitzen viele verzweigte Fortsätze, von denen einige an Blutgefäßen enden und hier eine Schicht aus Gliafüßchen aufbauen, die sogenannte Membrana limitans gliae perivascularis. Sie ist am Aufbau und der Funktion der Blut-Hirn-Schranke beteiligt (einer Struktur, welche verhindert, dass Blutbestandteile ohne weiteres in das Gehirn eindringen können). Astrozyten der grauen Substanz sind darüber hinaus am Aufbau der sogenannten Membrana limitans gliae superficialis beteiligt. Diese Grenzmembran, aufgebaut aus einer dichten Schicht von astrozytären Zellfortsätzen und einer direkt daran angrenzenden Basalmembran, stellt die äußere Grenzfläche des Hirngewebes dar. Jenseits der Basalmembran beginnt die weiche Hirnhaut (Pia mater, Abb. 1.10).


Abb. 1.10

Astrozyten übernehmen viele Aufgaben im Gehirn. Man unterscheidet die der weißen (fibrillären) und der grauen (protoplasmatischen) Sub-stanz. Unter anderem bilden sie isolierende Barrieren nach außen hin, entweder in Richtung Hirnoberfläche (Glia limitans superficialis, a) oder um Gefäße herum (Glia limitans perivascularis, b). Färbung gegen GFAP (Glial fibrillary acidic protein).

Die Funktion der Membrana limitans gliae superficialis besteht darin, das Eindringen von Erregern von außen zu verhindern.

Darüber hinaus sind Astrozyten an der sogenannten neurovaskulären Kopplung beteiligt. Die neurovaskuläre Kopplung ist ein physiologischer Mechanismus zur Regulierung der Blutversorgung des Gehirns, um den Mehrbedarf von aktivem Nervengewebe an Sauerstoff und Glukose durch lokale Steigerung des Blutflusses zu decken. Was genau kann man sich unter dem Begriff neurovaskuläre Kopplung nun vorstellen? Wie funktioniert dieser Mechanismus, und welche Rolle spielen hierbei die Astrozyten? Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass eine Synapse aus exakt zwei Elementen besteht: der Axonterminalen der präsynaptischen Nervenzelle, und den Dornen (Spines) der postsynaptischen Nervenzelle. Man nannte dieses Modell bi-partite Synapse („bi“ steht hierbei für die Tatsache, dass zwei Partner beteiligt sind; eine solche Synapse ist in Abb. 1.5 dargestellt, s. o.). Weitere Studien konnten zeigen, dass Fortsätze von Astrozyten einen sehr engen Kontakt mit diesen Synapsen eingehen, sie strecken quasi einen ihrer Fortsätze in bzw. um den synaptischen Spalt (Abb. 1.11).


Abb. 1.11

Mechanismus der neurovaskulären Kopplung, vermittelt durch Astrozyten:

1Glutamat wird freigesetzt.

2Glutamat bindet u. a. an metabotrope Rezeptoren (mGluR) von umliegenden Astrozyten.

3Dies bewirkt die Aktivierung einer Signalkaskade im Innern der Astrozyten.

4Die Signalkaskade hat eine Ausschüttung von NO an einem peri-arteriellen Fortsatz zur Folge.

5NO ruft dort eine lokale Vasodilatation hervor.

Freigesetzter Neurotransmitter (hier dargestellt für eine erregende = exzitatorische Nervenzelle, welche Glutamat als Neurotransmitter benutzt) wird in Folge dessen nicht nur von der postsynaptischen Membran, sondern auch vom Fortsatz des Astrozyten gebunden und aktiviert dort einen metabotropen Glutamatrezeptor (mGluR). Die Aktivierung des metabotropen Glutamatrezeptors bewirkt innerhalb des Zellleibes der Astrozyten die Aktivierung verschiedener Signalkaskaden, welche schlussendlich dazu führen, dass an einem peri-arteriellen Fortsatz Stickstoffmonoxid (NO) ausgeschüttet wird. Das freigesetzte Stickstoffmonoxid führt zu einer lokalen Erweiterung (Vasodilatation) der Arteriole, und damit verbunden zu einem lokal begrenzten Anstieg des Blutstroms. Astrozyten koppeln über diesen Mechanismus neuronale Aktivität mit vaskulärer Dilatation, kurz neurovaskuläre Kopplung.6 Dieser von Astrozyten vermittelte Mechanismus macht durchaus Sinn: Aktive Nervenzellen benötigen lokal mehr Sauerstoff und Glukose und sind deswegen auf eine vorübergehende Steigerung des Blutflusses angewiesen. Nicht zwei, sondern vielmehr drei Strukturen sind also am Aufbau einer Synapse beteiligt: Man spricht deswegen von einer tri-partiten Synapse.

Astrozyten haben, je nachdem in welchem Teil des Nervensystems sie sich befinden, eigene Namen. Bergmann-Glia nennt man eine spezialisierte Astrozytenpopulation in Kleinhirn. Sie spielen dort unter anderem eine wichtige Rolle für die Migration der Nervenzellen während der Entwicklung.7 Müller-Zellen sind die Gliazellen der Retina. Diese versorgen die Ganglienzellen der Retina mit Nährstoffen und entfernen deren katabole Stoffwechselprodukte. Sie regulieren den pH-Wert und die Konzentration der Ionen im Extrazellulärraum. So nehmen sie z. B. Kaliumionen auf, welche die Bipolarzellen bei der Depolarisation in den Extrazellulärraum ausschütten und setzen sie bei Bedarf an anderer Stelle wieder frei („Kalium-Siphoning“). Ihnen wird darüber hinaus eine wichtige Funktion in der Entwicklung und bei regenerativen Prozessen zugeschrieben.8 Zu guter Letzt gibt es noch die Pituizyten. Dies sind spezifische Gliazellen des Hypophysenhinterlappens (Neurohypophyse).

Klinik

Der Mechanismus der neurovaskulären Kopplung kann klinisch für die Darstellung neuronaler Aktivität (PET; Positronen-Emissions-Tomographie) ausgenutzt werden. Die Positronen-Emissions-Tomographie beruht im Wesentlichen auf einem lokalen Anstieg der zerebralen Durchblutung bei Gehirnaktivität, vermittelt durch Astrozyten. Eingesetzt wird diese Methode unter anderem bei der Diagnose des M. Parkinson. Hierbei handelt es sich um eine Störung dopaminerger Zellen. Radioaktiv markiertes Dopa hilft zusätzlich, die metabolische Störung im Striatum (dem beim M. Parkinson unter anderem betroffenen Gehirnteil) quantitativ darzustellen.

Oligodendrozyten und Schwann-Zellen

Oligodendrozyten und Schwann-Zellen bilden Myelin. Es handelt sich hierbei um eine lipidreiche Biomembran, welche die Axone der meisten Nervenzellen von Wirbeltieren spiralförmig umgibt und somit elektrisch isoliert. Myelin wurde 1854 von dem Pathologen Rudolf Virchow (1821–1902) mittels Lichtmikroskopie an Gewebeschnitten entdeckt. Er fand in Nervenfasern eine Markscheide und schlug vor, sie Myelin (griech. μυελός - „Mark“) zu nennen (Abb. 1.12).

 

Abb. 1.12

Myelinscheiden

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines myeliniserten Axons im Bereich des Corpus callosum. Die Myelinscheide stellt sich in dunkelgrauen Schichten dar, die um das hellere Axon gewickelt sind.

Im Vergleich zu anderen Biomembranen weist Myelin einen besonders hohen Lipidgehalt (70 %) und einen relativ geringen Proteinanteil (30 %) auf. Daher erscheint Myelin in der makroskopischen Sicht weiß, weshalb stark myelinisierte Regionen im Zentralnervensystem auch als „weiße Substanz“ bezeichnet werden, im Gegensatz zur gering myelinisierten „grauen Substanz“. Darauf werden wir im nächsten Kapitel noch genauer eingehen. Myelinscheiden findet man nicht nur um die Axone des zentralen sondern auch des peripheren Nervensystems. Sowohl im zentralen als auch peripheren Teil des Nervensystems sind die Myelinscheiden entlang der Axone regelmäßig von den Ranvier-Schnürringen unterbrochen (siehe Lehrbücher der Physiologie). Nur an den Ranvier-Schnürringen entstehen Aktionspotenziale, nicht aber in den myelinisierten Bereichen des Axons (Internodien). Dieser Aufbau ermöglicht die saltatorische Erregungsleitung, welche deutlich schneller als die kontinuierliche Erregungsleitung nicht-myelinisierter Fasern ist. Außerdem spart diese Art der Erregungsleitung Energie, da ein Aktionspotenzial nur am Ort der Schnürringe und nicht kontinuierlich entlang eines Axons aufgebaut werden muss. Myelin wird im Zentralnervensystem von Oligodendrozyten, im peripheren Nervensystem von Schwann-Zellen gebildet. Ein wichtiger Unterschied bei den myelinbildenden Zellen besteht darin, dass eine Oligodendrogliazelle mehrere Axone mit Myelin versorgt, während jede Schwann- Zelle nur ein einziges Axon mit Myelin umgibt (Abb. 1.13).


Abb. 1.13

Myelinisierung von Axonen

In der Peripherie werden die Myelinscheiden von Schwann-Zellen produziert. Im Zentralnervensystem übernimmt diese Funktion der Oligodendrozyt.

Durch die Myelinscheide springt ein Aktionspotenzial von einem Ranvier-Schnürring zum nächsten.

Die schnelle Weiterleitung des Aktionspotenzials ist funktionell von großer Bedeutung. Um die Geschwindigkeit dieses Impulses zu erhöhen, hat die Evolution zwei unabhängige Mechanismen entwickelt. Ein Mechanismus besteht darin, den Axondurchmesser zu vergrößern, wie es z. B. beim Tintenfisch der Fall ist (hier gilt: je größer der Durchmesser eines Axons, desto schneller die Leitungsgeschwindigkeit). Er beträgt hier fast einen Millimeter! Der zweite Mechanismus ist die Myelinisierung, also das Umwickeln des Axons mit den Membranen von Oligodendrozyten oder Schwann-Zellen. Funktionell wird durch die Myelinisierung die Membrandicke des Axons erheblich vergrößert und die Leitungsgeschwindigkeit stark erhöht.

Forschung

Der Durchmesser des Axons und die Dicke der Myelinschicht stehen in einem direkten Zusammenhang. Je dicker ein Axon, desto dicker auch seine Myelinschicht und desto schneller seine Leitungsgeschwindigkeit. Dieser Umstand kann in der Forschung ausgenutzt werden. Axone, die im Rahmen einer demyelinisierenden Erkrankung, wie etwa der Multiplen Sklerose, ihre Myelinschicht verlieren, können sich regenerieren: man spricht von Remyelinisierung. Dieser Regenerations-Mechanismus ist jedoch nicht ganz so effektiv wie die Myelinisierung im Rahmen der Entwicklung. Die Folge ist, dass die Dicke der Myelinschicht im Verhältnis zur Dicke des Axons dünner als gewöhnlich ausgebildet ist. So kann erkannt werden, ob eine Remyelinisierung stattgefunden hat oder nicht.

Saltatorische Erregungsleitung

Die Reizweiterleitung durch elektrische Impulse ist eine Gemeinsamkeit, die alle Lebewesen miteinander teilen. Dennoch gibt es z. B. bei der Erregungsweiterleitung Unterschiede:

Bei einer kontinuierlichen Erregungsleitung wird die Erregung durch das Axon mittels einer fortlaufenden Bildung des Aktionspotenzials weitergeleitet. Folglich muss an jeder Stelle des Axons eine Depolarisation stattfinden. Eine kontinuierliche Erregungsleitung ist vor allem bei wirbellosen Tieren wie Tintenfischen oder Regenwürmern die Form der Erregungsweiterleitung. Tintenfische besitzen besonders dicke Axone (Riesenaxon), zurückzuführen auf evolutionäre Gründe: Die Geschwindigkeit der Erregungsleitung lässt sich bei der fortlaufenden Bildung eines Aktionspotenzials nur durch eine Vergrößerung des Durchmessers steigern. In Folge dessen sinkt der Innenwiderstand des Axons und das Aktionspotenzial kann schneller gebildet werden.

Wirbeltiere besitzen im Gegensatz zu den eben genannten Tintenfischen nach außen hin eine Isolierung des Axons. Fettreiche Lipide und Eiweiße bilden die sogenannte Myelinscheiden und umhüllen fortlaufend das Axon. Diese sind lediglich an den Ranvier-Schnürringen unterbrochen. Auf diese Weise kann ein Aktionspotenzial nur an den nicht isolierten Ranvier-Schnürringen gebildet werden. Im Vergleich zur kontinuierlichen Erregungsleitung läuft die saltatorische um ein Vielfaches schneller ab. Die Erregung ‚springt‘ innerhalb des Axons von Ranvier-Schnürring zu Ranvier-Schnürring und überbrückt die nach außen hin isolierenden Myelinscheiden. Eine Depolarisation kann nur an den unisolierten Schnürringen erfolgen. Bei der kontinuierlichen Erregungsleitung gibt es keine Myelinscheiden. Die Axone müssen fortlaufend depolarisiert werden, was mehr Zeit und Energie in Anspruch nimmt.


Kontinuierliche ErregungsleitungSaltatorische Erregungsleitung
Anzutreffen bei:WirbellosenWirbeltieren
Geschwindigkeit:bis zu 30 m/sbis zu 100 m/s
Größe derAxons:bis zu 2 mmvom Durchmesser deutlich dünner
Axonale Isolierung:lediglich die natürliche Isolierung des Axons (wenig wirkungsvoll)lipidreiche Myelinscheiden isolieren das Axon
Ort der Depolarisation:fortlaufend am gesamten Axonnur an den Ranvier-Schnürringen

Mikrogliazellen

Als Mikroglia oder Mesoglia bezeichnet man eine Gruppe von Immuneffektorzellen des Zentralnervensystems. Sie werden zwar formal zur Familie der Gliazellen gerechnet, im eigentlichen Sinn handelt es sich jedoch um Zellen des mononukleär-phagozytären Systems. Es wird davon ausgegangen, dass sie im Laufe der Entwicklung in das Zentralnervensystem einwandern (ganz ähnlich wie etwa die Kupffer-Zellen der Leber). 9, 10 Wie aus ihrem Namen bereits abgeleitet werden kann, handelt es sich bei der Mikroglia um die kleinste Gliazellpopulation. Mikroskopisch sieht man schmale, lang gestreckte Zellen, die einen irregulären, länglichen Zellkern mit dichtem Chromatin besitzen. Die Zellfortsätze können fein und sehr verzweigt sein (ramifizierte, ruhende Mikroglia; Abb. 1.14).


Abb. 1.14

Ruhende (li) und aktivierte (re) Mikroglia

Mikrogliazellen können als Fresszellen des Zentralnervensystems angesehen werden. Ruhend haben sie einen kleinen Zellkörper und schlanke, verzweigte Fortsätze. Im aktivierten Zustand schwellen sie an und ziehen ihre Fortsätze ein (Färbung gegen das Protein Iba-1).

Mikrogliazellen sind dazu in der Lage, sich amöboid fortzubewegen. Bei einer Gewebeläsion werden sie in große, phagozytierende Zellen (Makrophagen) umgeformt (Abräumzellen). Als Teil des Immunsystems erfüllen Sie wichtige Aufgaben wie Antigenpräsentation, Zytokin-Sekretion und die Eliminierung apoptotischer Zellen. Mikroglia spielt für die Entwicklung des Gehirns und bei zahlreichen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Die Zellen entfernen zum Beispiel während der Hirnentwicklung überflüssige Nervenzellen und deren Synapsen. Außerdem sollen sie bei der Entstehung von Krankheiten des Zentralnervensystems beteiligt sein, etwa beim Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson, bei Hirn- und Hirnhautentzündungen sowie bei Multipler Sklerose.

Ependymzellen

Ependymzellen kleiden die Hirnventrikel des Gehirns und den Zentralkanal des Rückenmarks aus. Morphologisch handelt es sich um kubische oder prismatische Epithelzellen, die ebenso wie Nervenzellen, Astrozyten und Oligodendrozyten aus dem embryonalen Neuroepithel hervorgehen. Ependymzellen besitzen im Allgemeinen zahlreiche Kinozilien und sind nur durch Nexus und Zonulae adhaerentes miteinander lose verbunden. An ihnen vorbei ist somit ein reger Flüssigkeitsaustausch zwischen Hirngewebe und Ventrikellumen möglich – beide Kompartimente stehen in Kontakt. Die Zusammensetzung des Liquors spiegelt also die Zusammensetzung des extrazellulären Raumes im Gehirn wieder. Diese Durchlässigkeit der Ependymzellen für eine Vielzahl von Substanzen hat große klinische Bedeutung. Entzündungen, Infektionen oder aber metabolische Störungen innerhalb des Gehirngewebes können sich teilweise oder auch ganz in den Liquor ausbreiten. Nicht alle Krankheiten, die das Zentralnervensystem betreffen, können durch eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden. In solchen Fällen kann man sich der Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) bedienen. Der zu untersuchende Liquor wird meist durch eine Lumbalpunktion der Wirbelsäule unterhalb des dritten Lendenwirbelkörpers gewonnen. Anschließend wird er im Labor auf verschiedene Parameter wie Anzahl der Zellen, Proteine, Enzyme, Elektrolyte und Zucker, Antikörper, Bakterien und Pilze, Blutgerinnsel, Eiter und Verfärbungen untersucht. Charakteristische Veränderungen weisen auf Erkrankungen des Gehirns hin. Spezielle Ependymzellen bilden das Epithel der Plexus choroidei und spielen so eine Rolle bei der Bildung des Liquor cerebrospinalis (Hirnwasser). All die genannten Strukturen werden wir später noch genauer besprechen.

Zusammenfassung

In der Neurohistologie unterscheidet man zwei Zellpopulationen: Neurone (Nervenzellen) und Gliazellen.

Von den Neuronen existieren verschiedene Typen, ihr Grundaufbau ist jedoch immer gleich: Sie bestehen aus einem Zellkern (Soma), einem Axon und beliebig vielen Dendriten. An den Dendriten werden Aktionspotenziale aufgenommen und über das Axon weitergeleitet. Im Axon kann sowohl anterograder als auch retrograder Transport stattfinden. Auch die Schnelligkeit der Weiterleitung von Aktionspotenzialen innerhalb der Axone kann – abhängig von der Myelinisierung – variieren. Das Axon endet in einer Synapse, die stets aus einem präsynaptischen und einem postsynaptischen Anteil besteht. Hier wird die Information einer Nervenzelle an eine weitere oder an ein Erfolgsorgan übertragen.

Die zweite wichtige Zellpopulation im Gehirn sind die Gliazellen. Ursprünglich wurde ihnen lediglich eine Stützfunktion zugeschrieben. Mittlerweile weiß man, dass sie für die regelhafte Funktion des Nervensystems unersetzbar sind: Astrozyten regulieren das chemische Milieu des Extrazellulärraums, Oligodendrozyten und Schwann-Zellen synthetisieren die Myelinscheide und sind somit essenziell für die saltatorische Erregungsleitung. Mikrogliazellen sind eine wichtige Effektorzellpoluation des angeborenen Immunsystems, Ependymzellen kleiden die inneren Liquorräume aus.

 

Was das IMPP wissen möchte

Als Neurogenese wird die Bildung von Nervenzellen aus bestimmten Stamm- oder Vorläuferzellen bezeichnet. Unterschieden wird zwischen Neurogenese während der Embryonalentwicklung und nach der Geburt. Bis in die 1990er Jahre hinein galt Neurogenese im menschlichen, erwachsenen Zentralnervensystem als ausgeschlossen, selbst wenn bekannt war, dass unter anderem bei einigen Singvögeln auch nach der Geschlechtsreife weiterhin Nervenzellen gebildet werden können. Weiterführende Untersuchungen zur Neurogenese allerdings weisen nach, dass es bei Menschen, wie auch bei anderen Säugetieren, zu einer Vermehrung neuronaler Stammzellen und zur Bildung neuer Nervenzellen selbst in hohem Alter kommen kann. Am besten untersucht ist diese adulte Neurogenese im Hippocampus (Teil des Telencephalons) sowie in Bereichen um die Hirnventrikel (Subventrikularzone). Auf die Neurogenese werden große Hoffnungen für die Heilung von Krankheiten und Verletzungen des Zentralnervensystems gesetzt.

Bei vielen Erkrankungen des zentralen Nervensystems findet man eine Veränderung der Astrozyten-Morphologie. Dieser Prozess wird Astrogliose genannt. Er ist charakterisiert durch eine Induktion der Expression des Intermediär-Filamentproteins GFAP (saures Gliafaserprotein), das sich auch in der Pathologie als Marker für aktivierte Astrozyten verwenden lässt. Astrozyten im pathologischen Gehirn können ähnlich wie Mikrogliazellen Zytokine, Chemokine und Wachstumsfaktoren freisetzen und damit die Pathologie wesentlich beeinflussen. Für die Regeneration sind die sogenannten reaktiven Astrozyten, die bei einer Astrogliose auftreten, eher hinderlich. Man spricht hier auch von einer Glianarbe. Solche reaktiven Astrozyten bzw. die Astrogliose finden sich bei sämtlichen Verletzungen des Gehirns und bei Krankheiten wie z. B. der Alzheimer-Krankheit oder der Multiplen Sklerose.

Immer wieder werden die Mikrogliazellen vom IMPP hergenommen, um Verwirrung zu stiften. Wie oben erwähnt sind Mikrogliazellen dazu in der Lage, Phagozytose zu betreiben. Dies tun sie jedoch ausschließlich im Zentralnervensystem und nicht in der Peripherie. Im Auge beispielsweise sind es die Pigmentepithelzellen, die die abgenutzten Außengliedabschnitte der Photorezeptoren der Retina phagozytieren und nicht Mikroglia!

MC-Fragen

1.Welche Zellen bilden die Markscheiden innerhalb des zentralen Nervensystems?

(A)Müller-Zellen

(B)Bergmann-Glia

(C)Astrozyten

(D)Oligodendrozyten

(E)Schwann-Zellen

2.Welche(s) Struktur/Element ist nicht mit Synapsen assoziiert?

(A)Axonterminale

(B)dendritische Spines

(C)Axonhügel

(D)Astrozytenfortsatz

(E)Neurotransmitter

3.Die folgende Abbildung zeigt eine Versilberung des Cortex cerebri in mittlerer Vergrößerung. Eine Struktur ist eingekreist. Hierbei handelt es sich um eine(n)


(A)perivaskulären Astrozytenfuß

(B)dendritischen Dorn („spine“)

(C)Synapse en passant

(D)terminalen synaptischen Bouton

(E)Axonhügel

4.Welcher der folgenden Zelltypen entwickelt sich aus dem Mesoderm?

(A)Nervenzelle

(B)Schwann-Zelle

(C)Oligodendrozyt

(D)Mikroglia

(E)Ependymzelle

5.Welche Aussage trifft nicht zu?

(A)Mikrotubuli sind die größten Elemente des neuronalen Zytoskeletts.

(B)Neurofilamente sind die kleinsten Elemente des neuronalen Zytoskelettons.

(C)Der Axonhügel ist frei von Nissl-Substanz.

(D)Axone können sich terminal aufspalten.

(E)Kinesin vermittelt den anterograden axonalen Transport.

Index

A

α-Internexin 8

Aktionspotenzial 8, 18

anterograd 10

Astrogliose 23

Astrozyt 14

Axon 4, 8

axonaler Transport 10

B

Bergmann-Glia 16

Blut-Hirn-Schranke 15

boutons en passant 9

D

Dendrit 4, 12

Dynein 10

E

Endknöpfchen 9

Ependymzelle 21

Ergastoplasma 8

exzitatorisch 10

G

Gap junction 15

GFAP 23

Glianarbe 23

Gliazelle 3, 13

I

inhibitorisch 10

K

Kalium-Siphoning 17

Kinesin 10

L

Leitungsgeschwindigkeit 19

M

Makroglia 13

Membrana limitans gliae perivascularis 15

Membrana limitans gliae superficialis 15

Mesoglia 20

Mikrofilament 8

Mikroglia 13, 20

Mikrotubulus 6

Mikrotubulus-assoziiertes Protein 7

Morbus Charcot-Marie-Tooth 7

Müller-Zelle 16

Myelin 17

N

Nervenzelle 3

Neurit 4

Neurofilament 7

Neurogenese 23

Neuron 12

bipolares 12

multipolares 3, 12

pseudounipolares 12

unipolares 12

Neurotransmitter 9

neurovaskuläre Kopplung 15

Nissl-Färbung 3

Nissl-Schollen 3

Nissl-Substanz 6

O

Oligodendrozyt 17 f.

P

Perikaryon 4

Pia mater encephali 15

Pituizyt 17

Plexus choroideus 21

postsynaptisch 9

präsynaptisch 9

R

Ranvier-Schnürring 18 f.

retrograd 10

S

Schwann-Zelle 17 f.

Schwellenwert 10

Soma 4

Synapse 3, 8

bi-partite 15

tri-partite 16

synaptischer Spalt 9

T

Tau-Protein 7

Tracingexperiment 11

Z

Zytoplasma 5

Zytoskelett 5 f.

Zytosol 5

Weiterführende Literatur

1.Iqbal K, Liu F, Gong CX (2016) Tau and neurodegenerative disease: the story so far. Nat Rev Neurol 12(1): 15–27

2Huang F, Chotiner JK, Steward O (2007) Actin polymerization and ERK phosphorylation are required for Arc/Arg3.1 mRNA targeting to activated sites on dendrites. J Neurosci 27(34): 9054–67

3Steward O, Levy WB (1982) Preferential localization of polyribosomes under the base of dendritic spines in granule cells of the dentate gyrus. J Neurosci 2(3): 284–91

4Araque A, Carmignoto G, Haydon PG (2001) Dynamic signaling between astrocytes and neurons. Annu Rev Physiol 63: 795–813

5Porter JT, McCarthy KD (1997) Astrocytic neurotransmitter receptors in situ and in vivo. Prog Neurobiol 51(4): 439–55

6Phillips AA, Chan FH, Zhen MM, et al. (2016) Neurovascular coupling in humans: Physiology, methodological advances and clinical implications. J Cereb Blood Flow Metab 36(4): 647–64

7Xu H, et al. (2013) Bergmann glia function in granule cell migration during cerebellum development. Mol Neurobiol 47(2): 833–44

8Goldman D (2014) Muller glial cell reprogramming and retina regeneration. Nat Rev Neurosci 15(7): 431–42

9Prinz M, Priller J (2014) Microglia and brain macrophages in the molecular age: from origin to neuropsychiatric disease. Nat Rev Neurosci 15(5): 300–12

10Saijo K, Glass CK (2011) Microglial cell origin and phenotypes in health and disease. Nat Rev Immunol 11(11): 775–87