Neuroanatomie

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Pyramide 61

Pyramidenbahn 61

R

Reizdarmsyndrom 36

Rhombencephalon 44

Rostrum 60

S

Sagittalebene 40

Schmetterling 31

Sehrinde 52

Sylvische Fissur 52

Somato-Afferenz 33

Somato-Efferenz 33

Splenium 60

subkortikale graue Substanz 30

subkortikale weiße Substanz 28

Substantia alba 28, 58

Substantia grisea 28

Substantia nigra 42

Sulcus calcarinus 52

Sulcus lateralis 51 f

Sulcus parietooccipitalis 50

Sympathikus 37

T

Tectum 43

Tegmentum mesencephali 42

Telencephalon 32, 38, 47

Temporallappen siehe Lobus temporalis

Thalamus 30, 46

Tractus corticospinalis 61

Tractus thalamocorticalis 62

trophotrope Wirkung 37

Truncus cerebri 43

U

u-Faser 58

V

Velum medullare 44

Vierhügelplatte siehe Lamina quadrigemina

viszerales Nervensystem

siehe Nervensystem: vegetatives

Viszero-Afferenz 33

Viszero-Efferenz 33

W

Wernicke-Sprachzentrum 52

Z

Zentralnervensystem 32 f.

Zirbeldrüse siehe Epiphyse

Weiterführende Literatur

1.Aboul-Enein F, et al. (2003) Preferential loss of myelin-associated glycoprotein reflects hypoxia-like white matter damage in stroke and inflammatory brain diseases. J Neuropathol Exp Neurol 62(1): 25–33

2Kipp M, et al. (2008) Brain-region specific astroglial responses in vitro after LPS exposure. J Mol Neurosci 35(2): 235–43

3Scheib J, Hoke A (2013) Advances in peripheral nerve degeneration. Nat Rev Neurol 9(12): 668–76

4Ramer LM, Ramer MS, Bradbury EJ (2014) Restoring function after spinal cord injury: towards clinical translation of experimental strategies. Lancet Neurol 13(12): 1241–56

5Camilleri M (2014) Physiological underpinnings of irritable bowel syndrome: neurohormonal mechanisms. J Physiol 592(14): 2967–80

6Buckner RL (2013) The cerebellum and cognitive function: 25 years of insight from anatomy and neuroimaging. Neuron 80(3): 807–15

7Bosch OJ, Neumann ID (2012) Both oxytocin and vasopressin are mediators of maternal care and aggression in rodents: from central release to sites of action. Horm Behav 61(3): 293–303

8Schmahmann JD, et al. (2008) Cerebral white matter: neuroanatomy, clinical neurology, and neurobehavioral correlates. Ann N Y Acad Sci 1142: 266–309

* Sowohl Globus pallidus als auch der Thalamus gehören zum Zwischenhirn (s. u.) und sollten deswegen nicht als subkortikale graue Substanz bezeichnet werden.

* Entwicklungsgeschichtlich entsteht die Medulla oblongata aus dem 5. Hirnbläschen, dem Myelencephalon. Das Myelencephalon bildet zusammen mit dem Metencephalon (4. Hirnbläschen, entwickelt sich zum Pons und zum Cerebellum) das sogenannte Rautenhirn (Rhombencephalon, siehe unten).

* Einige Autoren verwenden statt des Begriffes Hirnstamm den Begriff Stammhirn. Das Stammhirn setzt sich zusammen aus Medulla oblongata, Pons, Mesencephalon und Diencephalon. Um keine Verwirrung zu stiften werden wir in diesem Buch diesen Begriff jedoch nicht verwenden.

* aus http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag7792.html. [Aufgerufen am 23.01.2017, 16:41]

Kapitel 3

Rückenmark und Spinalnerven

Grundlagen

Verbindungen des Rückenmarks zum peripheren Nervensystem

Aszensus des Rückenmarks

Rückenmarkshäute

Mikroskopischer Aufbau des Rückenmarks

Absteigende Bahnen

Aufsteigende Bahnen

Spinalnerven und periphere Nerven

Prinzipieller Aufbau eines Reflexbogens

Das vegetative Nervensystem im Rückenmark

Zusammenfassung

Was das IMPP wissen möchte

Index

Weiterführende Literatur

Rückenmark und Spinalnerven

Grundlagen

Das Rückenmark gehört neben dem Gehirn zum Zentralnervensystem. In ihm treffen ankommende Nervenbahnen (Afferenzen) und wegführende Nervenbahnen (Efferenzen) zusammen. Sie sorgen über Nervensignale (Aktionspotenziale) u. a. für den den Informationsaustausch zwischen dem Gehirn auf der einen Seite und Skelettmuskulatur, Sinnesorganen sowie inneren Organen auf der anderen Seite. Das Rückenmarksgewebe ist zusammen mit dem Gewebe des Gehirns das empfindlichste des menschlichen Körpers. Der Wirbelkanal und die Rückenmarkshäute sorgen dafür, dass es gut geschützt ist. Einen weiteren Schutz bietet außerdem der Liquor cerebrospinalis. Er umgibt nicht nur das Gehirn, sondern auch die Gesamtheit des Rückenmarks. Gehirn und Rückenmark „schwimmen“ somit quasi im Liquor cerebrospinalis.

Nach Entfernung der Wirbelbögen, welche bogenförmig die Rückseite des Wirbelkanals (Canalis vertebralis) umschließen, erhält man einen Blick auf das Rückenmark.


Abb. 3.1

Eröffneter Wirbelkanal mit Blick auf das gesamte Rückenmark

Im Hals- und im Lendenbereich lassen sich Verdickungen (Intumeszenzen) ausmachen. Sie sind Ausdruck der intensiven nervalen Versorgung der Extremitäten, da hier besonders viele motorische Nervenfasern aus- und sensible Nervenfasern eintreten.

1Medulla spinalis, Intumescentia cervicalis

2Medulla spinalis, Intumescentia lumbosacralis

 

Abb. 3.2

Zervikales Rückenmark

Weichteile des Hinterhaupts unddes oberen dorsalen Halses entfernt; Schädeldecke oberhalb der Schädelbasis sowie Wirbelkanal eröffnet; Ansicht von dorsal

1Cerebellum

2Cerebellum, Tonsilla cerebelli

3Atlas, Arcus posterior, Anschnitt

4Nervi spinales, Fila radicularia posteriora

5Axis, Arcus, Anschnitt

6Vertebrum C3, Arcus, Anschnitt

7Sinus transversus, eröffnet

8Dura mater encephali, Falx cerebelli

9Arachnoidea mater encephali über der Cisterna cerebello-medullaris

10rechte Arteria vertebralis

11Vena spinalis posterior in der Pia mater spinalis auf dem Rückenmark

12Medulla spinalis, Anschnitt

Das Rückenmark verläuft als etwa fingerdicker Strang vom Hals bis zur Lende und setzt sich histologisch aus Faserbündeln, Nervenzellen und Gliazellen zusammen. Kranial geht es etwa auf Höhe des großen Hinterhauptlochs (Foramen magnum) ohne scharfe Grenze in das verlängerte Mark des Hirnstamms, Medulla oblongata, über. Willkürlich kann eine Grenze am Abgang des ersten zervikalen Spinalnervenpaares gezogen werden. Bezogen auf die das Rückenmark knöchern umgebenden entsprechenden Wirbel kann ein zervikaler, thorakaler, lumbaler und sakraler Anteil unterschieden werden (siehe Abb. 3.5).

Ventral-mittig scheint das Rückenmark durch die Fissura mediana anterior in eine rechte und eine linke Hälfte geteilt zu sein. An der Dorsalfläche ist diese Zweiteilung weniger stark ausgeprägt, wir sprechen hier lediglich vom Sulcus medianus posterior. Dieser Unterschied hilft bei der ventro-dorsalen Orientierung am histologischen Rückenmarkspräparat.


Abb. 3.3

Arterielle Versorgung des Rückenmarks

Querschnitt auf Höhe der BWS; Ansicht von kranio-ventral

Dorsal verläuft beidseits des Sulcus medianus posterior eine A. spinalis posterior. Ventral verläuft innerhalb der Fissura mediana anterior die unpaare A. spinalis anterior.

Beidseits des Sulcus medianus posterior verläuft je eine Arteria spinalis posterior. Ihr Hauptzufluss erfolgt im Halsbereich über die Arteria vertebralis, darüber hinaus erhält sie segmentale Zuflüsse von umgebenden Arterien.

Ventrale Gebiete des Rückenmarks werden von der unpaaren Arteria spinalis anterior mit Blut versorgt. Als vordere Rückenmarksarterie bildet sie sich aus den beiden Arteriae vertebrales in Höhe der Pyramidenbahnkreuzung (Decussatio pyramidum) und verläuft entlang der Fissura mediana anterior an der Vorderseite des Rückenmarks nach kaudal. Auch sie erhält zahlreiche segmentale Zuflüsse. Die Arteria spinalis anterior anastomosiert über wiederum zahlreiche, um das Rückenmark verlaufende Äste mit den beiden Arteriae spinales posteriores.

In seinem zervikalen und lumbalen Bereich ist das Rückenmark makroskopisch verdickt, man spricht von der Intumescentia cervicalis und der Intumescentia lumbosacralis. Auf Ebenen der Intumeszenzen (lat. tumor – „Schwellung“) liegen besonders viele Nervenzellen zur motorischen und sensiblen Versorgung der Extremitäten. Entsprechend treten hier auch viele motorische Fasern aus dem Rückenmark aus bzw. ziehen viele sensible Fasern in das Rückenmark hinein. Die beiden Intumeszenzen sind also Ausdruck der intensiven nervalen Versorgung der Extremitäten. Am kaudalen Ende verjüngt sich das Rückenmark kegelförmig zum Conus medullaris (Markkegel), dessen Spitze fadenförmig in einem Filum terminale (Endfaden) endet.

Verbindungen des Rückenmarks zum peripheren Nervensystem

Betrachten wir den Aufbau des Rückenmarks im Querschnitt, so fällt zuallererst die innen liegende graue Substanz, umgeben von weißer Substanz auf (Abb. 3.4). Noch einmal soll darauf hingewiesen werden, dass in der grauen Substanz die neuronalen Zellkörper, in der weißen Substanz deren Fortsätze (vor allem Axone) zu finden sind. Das Rückenmark verlassen vorne und hinten mehrere Nervenfaserbündel, die Wurzeln genannt werden (Radix anterior et posterior; auch Fila radicularia). Aufgrund ihrer Funktion spricht man auch von einer motorischen Vorderwurzel und einer sensorischen Hinterwurzel. Funktionell betrachtet verlassen demnach nur die Vorderwurzeln das Rückenmark, denn sie transportieren motorische Impulse vom Rückenmark in die Peripherie. Im Gegensatz dazu leiten die Hinterwurzeln dem Rückenmark sensible Impulse zur weiteren Verarbeitung zu, sie treten also in das Rückenmark von hinten ein. In Abb. 3.4 ist die „Flussrichtung“ der Aktionspotenziale mit zwei Pfeilen hervorgehoben.


Abb. 3.4

In dieser Abbildung sind die Rückenmarkshäute entfernt, man sieht nun deutlich das Spinalganglion als Verdickung der sensiblen Hinterwurzel.

Die jeweilige Verlaufsrichtung der Aktionspotenziale ist mit einem Pfeil hervorgehoben.

Die motorischen Vorderwurzeln treten am Sulcus lateralis anterior aus dem Rückenmark aus, die sensiblen Hinterwurzeln treten am Sulcus lateralis posterior in das Rückenmark ein.

Letzterer beherbergt auch die beiden hinteren Rückenmarksarterien.

Das Rückenmark lässt eine zentral gelegene graue Substanz erkennen (Schmetterlingsfigur), allseits umgeben von weißer Substanz. Man unterscheidet in der grauen Substanz ein motorisches Vorderhorn von einem sensiblen Hinterhorn. Die größten Zellen des motorischen Vorderhorns nennt man α-Motoneurone. Die Gesamtheit ihrer Axone innervieren die quergestreifte Skelettmuskulatur. Nicht dargestellt ist das vegetative Seitenhorn.

Die weiße Substanz kann in drei Faszikel untergliedert werden. In ihnen verlaufen aufsteigende und absteigende Bahnsysteme. Dazu und zu den hier bereits dargestellten Rückenmarkshäuten später mehr.

Merke

Vorderwurzeln = motorische Efferenzen des Rückenmarks

Hinterwurzeln = sensible Afferenzen des Rückenmarks

Mehrere Vorder- und Hinterwurzeln vereinigen sich im Bereich eines jeden Foramen intervertebrale zu einem Spinalnerven (Nervus spinalis). Die knöcherne Begrenzung der Foramina intervertebralia wird durch die Wirbelbogenfüßchen (Pediculi arcus vertebrae) gebildet, die nach oben und unten etwas eingezogen sind, so dass sich die Incisurae vertebrales inferior et superior ausbilden. Je zwei Inzisuren bilden dann die Öffnung zum Durchtritt der Spinalnerven (siehe Lehrbücher der Osteologie). Die Spinalnerven werden relativ zur Höhe ihrer Durchtrittsstelle benannt. Um aber die Nomenklatur der Spinalnerven verstehen zu können, werfen wir zuerst einen Blick auf die Nomenklatur und die Anzahl der knöchernen Wirbelkörper.

Die knöcherne Wirbelsäule setzt sich aus sieben Halswirbeln, zwölf Brustwirbeln, fünf Lendenwirbeln, fünf Sakralwirbeln und drei bis fünf Steißwirbeln zusammen.

Über den obersten Halswirbel, dem Atlas, steht die knöcherne Wirbelsäule in Form des oberen Kopfgelenkes mit dem Os occipitale in Verbindung. Zwischen Atlas und dem zweiten Halswirbel, dem Axis, besteht eine weitere gelenkige Verbindung, das untere Kopfgelenk. Die fünf Sakralwirbel sind in der Regel miteinander verschmolzen, die Steißwirbel sind meist nur rudimentär angelegt. Das Paar der beiden obersten Spinalnerven tritt direkt unter dem Os occipitale aus, also oberhalb des ersten Halswirbels (Atlas). Da auch noch das unterhalb des siebenten Halswirbels austretende Spinalnervenpaar (C8) dem Halsbereich zugeordnet wird, gibt es acht zervikale Spinalnervenpaare bei nur sieben Halswirbeln (siehe Abb. 3.5, die Spinalnervenpaare sind hier grün hervorgehoben). Die weiter kaudal folgenden Spinalnerven tragen dann gleiche Namen und Nummern wie der jeweils darüber liegende Wirbelkörper.

Insgesamt beherbergt das Rückenmark somit 31–32 Spinalnervenpaare:

•8 zervikale Spinalnervenpaare aus dem Halsmark (lat. cervix – „Hals“)

•12 thorakale Nervenpaare aus dem Brustmark (griech. θώραξ – „Rumpf, Brustraum“)

•5 Lumbalnervenpaare aus dem Lendenmark (lat. lumbus – „Lende“)

•5 Sakralnervenpaare aus dem Kreuzbeinmark (lat. Os sacrum – „Kreuzbein“) und

•1–2 Kokzygealnervenpaare aus dem Steißbeinmark (lat. Os coccygis – „Steißbein“).

Den Ursprungsort jeder Vorder- und Hinterwurzel, die sich dann auf Höhe der Foramina intervertebralia zum Spinalnerv vereinigen, nennt man entsprechend Rückenmarksegment. Das Rückenmark besteht demnach aus acht zervikalen, zwölf thorakalen, fünf lumbalen, fünf sakralen, und ein bis zwei kokzygealen Rückenmarksegmenten. Es soll darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Rückenmarksegmente ohne anatomische Grenze ineinander übergehen, die Einteilung ist eine rein topographisch-funktionelle.


Abb. 3.5

Die Wirbelsäule besteht aus sieben Halswirbeln (C1–7), zwölf Brustwirbeln (Th1–12), fünf Lendenwirbeln (L1–5), dem Kreuz- und dem Steißbein (in der Abbildung rosa beschriftet).

Das Rückenmark beginnt auf Höhe des Foramen magnum als kaudale Fortsetzung der Medulla oblongata. Die Spinalnervenpaare werden nach ihrem zugehörigen (dem jeweils über ihnen liegendem) Wirbel benannt (in der Abbildung gelb beschriftet). Eine Ausnahme bildet die HWS: Hier tritt der Spinalnerv

C1 oberhalb des ersten Halswirbels aus. Es ergeben sich also acht zervikale Spinalnervenpaare (C1–8) bei sieben Halswirbeln. Demnach wird im Bereich der HWS ein Spinalnerv nach dem Wirbelkörper benannt, der sich unter ihm befindet.

Das Rückenmark endet als Conus medullaris (Pfeil) auf Höhe der Wirbel L1/L2. Unterhalb befindet sich im Sack der Dura mater die Cauda equina.

Unterhalb des Conus medullaris kann gefahrlos eine Nadel zur Abnahme von Liquor in den spinalen Subarachnoidalraum (Liquorraum) eingeführt werden.

Der Durasack ist kranial am Foramen magnum, kaudal am Os coccygis befestigt.

Bei genauerer Betrachtung der Spinalnerven fällt im Bereich der Hinterwurzeln, kurz vor Zusammenschluss zum Spinalnerven im Foramen intervertebrale, eine Verdickung auf. Es handelt sich hierbei um die Spinalganglien. Ein Spinalganglion (siehe Abb. 3.4) ist eine Ansammlung von Nervenzellkörpern (dies ist die Definition eines Ganglions), die man an der dorsalen Wurzel (Radix posterior) jedes Spinalnerven antrifft. In ihnen liegen die Zellkörper des ersten sensiblen Neurons. Die Spinalganglien enthalten aus histologischer Sicht die Zellkörper pseudounipolarer Nervenzellen.

Zur Wiederholung: Bei einem pseudounipolaren Neuron handelt es sich um eine Nervenzelle mit zwei Fortsätzen. Der eine ist in die Peripherie gerichtet, der andere in Richtung des Zentralnervensystems. Beide Fortsätze sind in der Nähe ihres Zellkörpers (Soma) zu einem gemeinsamen Nervenzellfortsatz verschmolzen (vgl. Abb. 1.7).

Aszensus des Rückenmarks

Vergleicht man den knöchernen Wirbelkanal und das Rückenmark in seiner kranio-kaudalen Ausbreitung, fällt auf, dass es mit seinem Conus medullaris weiter oben als der knöcherne Wirbelkanal endet (Pfeil in Abb. 3.5). Denn während das postnatale Längenwachstum des Rückenmarks begrenzt ist, wächst vor allem der untere Teil des umgebenden Wirbelkanals beträchtlich. Bezogen auf den Wirbelkanal „steigt“ der Conus medullaris im ersten Lebensjahrzent quasi auf. Man spricht auch von einem Aszensus (Aufstieg) des Rückenmarks. Beim Kleinkind erreicht das Rückenmark das Ende des 3. Lumbalwirbels, beim erwachsenen Menschen den 1. oder 2. Lumbalwirbel.

 

Ab Höhe des Conus medullaris ist der Wirbelkanal mit der Cauda equina (lat. cauda – „Schwanz, Schweif“ und equus – „Pferd“, also „Pferdeschweif“) ausgefüllt. Die Cauda equina ist eine Ansammlung intradural verlaufender Spinalnervenwurzeln am kaudalen Ende des Rückenmarks. Doch wie kommt sie zustande? Beim Fötus liegen die einzelnen Rückenmarksegmente auf gleicher Höhe wie die zugehörigen Spinalnervenpaare. Die Spinalnerven gehen zunächst also beinahe rechtwinklig vom Rückenmark ab und verlaufen somit weitestgehend horizontal auf „ihr“ Foramen intervertebrale zu. Die Cauda equina entsteht nun durch das oben beschriebene ungleiche Längenwachstum von Rückenmark und Wirbelsäule, während die einzelnen Spinalnervenpaare in ihrem jeweiligen Foramen intervertebrale bereits fixiert sind. Als Folge verlaufen die Spinalnervenwurzeln der unteren Rückenmarksegmente wie ein „Pferdeschweif“ vom unteren Ende des Rückenmarks zu „ihrem“ Foramen intervertebrale, wo sie dann aus der Wirbelsäule austreten. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass es sich bei der Cauda equina um Spinalwurzeln, und nicht um Spinalnerven handelt. Spinalnerven heißen sie erst nach ihrer Vereinigung im Foramen intervertebrale.

Klinik

Mithilfe der Lumbalpunktion wird dem Rückenmark eine Probe des Liquor cerebrospinalis, kurz Liquor, entnommen. Das geschieht über einen kleinen Einstich in den Rückenmarkskanal in Höhe der Lendenwirbelsäule. Der entnommene Liquor wird u. a. auf Farbe, Zellbestandteile als auch Zusammensetzung untersucht und kann so wichtige Hinweise auf Erkrankungen des Zentralnervensystems liefern. Bei der Lumbalpunktion handelt es sich vor allem in der Neurologie und Neurochirurgie um eine Routinemethode. Es besteht jedoch die Gefahr, das Gewebe des Rückenmarks bei der Punktion zu verletzen. Deswegen muss die Nadel unbedingt unterhalb des Conus medullaris in den Liquorraum eingeführt werden. Die dort verlaufenden Vorder- und Hinterwurzeln (Cauda equina) weichen der Nadel aus und werden in aller Regel nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die relative Lage des Conus medullaris (Ende des Rückenmarks) bezogen auf die knöchernen Wirbelkörper ist somit klinisch für die Lumbalpunktion von herausragender Bedeutung und muss sich eingeprägt werden: Das Rückenmark endet auf Höhe der Wirbelkörper L1/L2!

Rückenmarkshäute

Auf die Rückenmarkshäute soll an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden, denn ihr prinzipieller Aufbau wird in Kapitel 4 besprochen. Gehirn und Rückenmark sind nicht nur von Schädelknochen, Wirbelkanal und Liquor geschützt. Zusätzlich umgeben bindegewebsartige Häute (Meningen, von griech. μήνιγξ – „Haut“) das empfindliche Gewebe und nehmen somit zugleich eine Schutzfunktion ein. Als Verlängerung der Hirnhäute umschließen die Rückenmarkshäute das Rückenmark und die Spinalnervenwurzeln im Wirbelkanal. Wie bei der Hirnhaut lassen sich auch in den Rückenmarkshäuten drei Schichten ausmachen:

•harte Rückenmarkshaut (Dura mater spinalis)

•Spinnengewebshaut des Rückenmarks (Arachnoidea mater spinalis)

•weiche Rückenmarkshaut (Pia mater spinalis)

Die harte Rückenmarkshaut (Durasack) ist am Übergang von Gehirn zum Rückenmark (Hinterhauptloch, Foramen magnum) und an den Zwischenwirbelkörpern befestigt – sie erstreckt sich bis zum zweiten Kreuzbeinwirbel. Zwischen dem Knochen des Wirbelkanals und der Dura mater spinalis befindet sich ein mit Fettgewebe gefüllter Zwischenraum, der ein Netz an venösen Blutgefäßen enthält. Es handelt sich hierbei um den Epiduralraum, welcher im Bereich des Rückenmarks physiologisch ist (vgl. hierzu den pathologischen Epiduralraum um das Gehirn; Kapitel 4).

Die Arachnoidea mater spinalis liegt der harten Dura mater direkt an. Daran grenzt ein weiterer Zwischenraum (Subarachnoidalraum), in dem sich die Rückenmarksflüssigkeit befindet. Auf der anderen Seite begrenzt die Pia mater spinalis den Subarachnoidalraum. Spinngewebshaut und weiche Rückenmarkshaut sind, wie im Bereich des Gehirns, durch feine Bindegewebsstränge miteinander verbunden (Abb. 3.6).


Abb. 3.6

Dieser Querschnitt durch die Wirbelsäule zeigt die topographischen Bezüge vom Rückenmark und seinen Hüllen. Ganz außen liegt zwischen dem Periost und der Dura mater spinalis der im Rückenmark physiologische Epiduralraum. Zwischen Dura mater spinalis und der dem Rückenmark direkt anliegenden Pia mater spinalis ist die Arachnoidea mater spinalis aufgespannt. Hier liegt der Subarachnoidalraum (Liquorraum). Die Pia mater selbst ist fein und makroskopisch nicht zu erkennen. Beidseits geht aus der motorischen Vorderwurzel und der sensiblen Hinterwurzel ein Spinalnerv hervor. Im Bereich des Foramen intervertebrale scheint dieser verdickt. In dieser Verdickung, dem Spinalganglion, liegen die Zellkörper pseudounipolarer sensibler Nervenzellen.

Die Pia mater spinalis folgt, ähnlich wie die Pia mater encephali, allen Unebenheiten des Rückenmarks, wie etwa dem Sulcus medianus posterior oder der Fissura mediana anterior. Darüber hinaus setzt sie sich auch ein Stück weit auf die Vorder- und Hinterwurzeln fort. Mit bloßem Auge ist sie nicht zu erkennen.

Klinik

Zwei Möglichkeiten, die Schmerzleitung zum Rückenmark zu unterdrücken, bieten die Epiduralanästhesie (EDA), auch Periduralanästhesie (PDA) genannt, und die Spinalanästhesie. Beides sind rückenmarksnahe Anästhesieverfahren, welche zur Schmerzausschaltung bei Eingriffen im Bereich des Unterleibs, Bauchs und des Brustkorbs zum Einsatz kommen. Beide Methoden unterscheiden sich jedoch hinsichtlich des Applikationsortes der Anästhetika.

Während bei der Spinalanästhesie das Lokalanästhetikum in das Nervenwasser gegeben wird (zwischen Arachnoidea mater spinalis und Pia mater spinalis, also in den Subarachnoidalraum), erfolgt bei der Epiduralanästhesie die Applikation zwischen Wirbelkörper und Dura mater spinalis (Epiduralraum). Durch das reichlich vorhandene Fettgewebe breitet sich das Anästhetikum nur wenig aus und die Innervation von nur wenigen Segmenten wird lahmgelegt. Bei der Spinalanästhesie kann sich das injizierte Lokalanästhetikum im Liquor cerebrospinalis des Subarachnoidalraumes frei verteilen. Durch die Ausbreitung der Medikamente ist in der Regel die gesamte untere Körperhälfte unterhalb der Punktionsstelle betäubt.

Mikroskopischer Aufbau des Rückenmarks

Wir haben nun die wesentlichen makroskopischen Komponenten des Rückenmarks kennengelernt. Betrachten wir als nächstes einen horizontalen Schnitt auf Höhe des Halsmarks (Abb. 3.7).


Abb. 3.7

Im Querschnitt durch das Rückenmark fällt als erstes die graue Schmetterlingsform ins Auge. Sie erscheint grau, da sich hier die Perikaryen der Neurone befinden, die im Gegensatz zu den Axonen, die sich in der weißen Substanz befinden, nicht mit Myelin ummantelt sind. Durch das Vorderhorn verlassen Axone der Motoneurone das Rückenmark, durch das Hinterhorn treten sensible Axone ein. Da es sich hier um einen Querschnitt auf Höhe der HWS handelt, ist kein Seitenhorn auszumachen.

Im Mittelpunkt des Rückenmarks lässt sich die Substantia grisea in Form eines Schmetterlings erkennen. In ihr befinden sich vor allem die Nervenzellkörper der Neurone. Die Substantia grisea ist allseits umgeben von der Substantia alba, in der hauptsächlich markhaltige Nervenfasern der auf- und absteigenden Nervenbahnen verlaufen. Auf jeder Seite gibt es zwei Vorwölbungen der grauen Substanz. Diese werden unterteilt in Vorderhorn (Cornu anterius) und Hinterhorn (Cornu posterius). Auf Höhe des thorakalen, des oberen lumbalen und des sakralen Rückenmarks findet man zwischen Vorderhorn und Hinterhorn das Seitenhorn (Cornu laterale; nicht dargestellt in Abb. 3.7).

Das Vorderhorn enthält vor allem somato-motorische Nervenzellen (man spricht von Motoneuronen). Die größten von ihnen, die α-Motoneurone, verlassen mit ihrem Axon das Rückenmark über die vordere Wurzel. Die Vorderwurzel besteht demnach im Wesentlichen aus Axonen der α-Motoneurone. Sie leiten Signale zur Skelettmuskulatur weiter. Auf der entgegengesetzten Seite, im Hinterhorn, befinden sich Zellen der Somatosensibilität. Hier sitzen die Zellkörper der zweiten sensiblen Neurone. Den Sitz der Zellkörper der ersten sensiblen Neurone haben wir bereits kennengelernt: Sie liegen im Spinalganglion.

Sensible Impulse werden also von den peripheren Fortsätzen (Dendriten) der pseudo-unipolaren Ganglienzellen des Spinalganglions aufgenommen und über deren zentrale Fortsätze (Neuriten) als Hinterwurzel dem Hinterhorn zugeleitet. Dort wird die sensible Information auf das zweite sensible Neuron verschaltet, welches dann den Impuls weiterleitet. Streng genommen trifft dies nicht auf alle sensiblen Impulse zu, darauf soll aber erst später eingegangen werden. An dieser Stelle reicht es zu verinnerlichen, dass das Vorderhorn im Dienste der Somatomotorik und das Hinterhorn im Dienste der Somatosensibilität steht. In den Seitenhörnern, die wie schon erwähnt nicht in allen Bereichen des Rückenmarks zu finden sind, arbeiten motorische Nervenzellen des vegetativen Nervensystems. Viszero-motorische Impulse verlassen über die Vorderwurzel (also gemeinsam mit den somato-motorischen Impulsen) das Rückenmark und ziehen in die Peripherie zu ihren Erfolgsorganen. Dies sind beispielsweise Drüsen, innere Organe oder Blutgefäße. Wie in Kapitel 2 bereits erwähnt, lassen sich diese viszero-motorischen Impulse funktionell in Sympathikus und Parasympathikus untergliedern.

Im Querschnitt des Rückenmarks lassen sich weitere wichtige Strukturen erkennen. Mittig, in einer Brücke grauer Substanz, welche den rechten und den linken Anteil der Schmetterlingsfigur miteinander verbindet (Commissura grisea), befindet sich eine kleine Öffnung, der Canalis centralis (Zentralkanal). Er ist mit Ependym ausgekleidet und enthält den Liquor cerebrospinalis. Dieser Kanal erstreckt sich über die gesamte Länge des Rückenmarks und entspricht den inneren Liquorräumen des Gehirns. Kranial grenzt der Zentralkanal an den vierten Ventrikel des Rhombencephalons – dieser Ort wird auch Obex genannt. Im histologischen Präparat ist der Zentralkanal oft obliteriert, man orientiert sich bei seiner Suche am besten an der charakteristischen Morphologie der Ependymzellen. Direkt ventral der Commissura grisea liegt die Commissura alba anterior. In ihr kreuzen Fasern (Axone) von der einen auf die andere Seite des Rückenmarks.

Die Stelle, an der die motorischen Vorderwurzeln das Rückenmark verlassen, bezeichnet man als Sulcus lateralis anterior (vordere Seitenfurche). Weiter hinten, dort wo die sensiblen Hinterwurzeln in das Rückenmark eintreten, bildet sich entsprechend ein Sulcus lateralis posterior (siehe Abb. 3.4).

Die weiße Substanz kann grob in drei sogenannte Stränge (Funiculi) unterteilt werden. Vorne, von den beiden motorischen Vorderhörnern umgeben, liegt jeweils ein Vorderstrang (Funiculus anterior). Seitlich folgt beidseits ein Seitenstrang (Funiculus lateralis). Die Grenze zwischen Funiculus anterior und lateralis wird durch den Sulcus lateralis anterior, also die Austrittstelle der Vorderwurzeln, markiert. Zwischen den beiden dorsalen Ausläufern des sensiblen Hinterhorns befindet sich jeweils ein Hinterstrang (Funiculus posterior). Medial wird jeder einzelne Hinterstrang vom Sulcus medianus posterior, lateral vom Sulcus lateralis posterior begrenzt.

In den Vorder-, Seiten- und Hintersträngen verlaufen wichtige auf- und absteigende Bahnen. Die Lage der Wichtigsten sowie deren Funktion sollen hier schon einmal aufgegriffen werden. Ihre Einbettung in funktionelle Systeme erfolgt später. Aus didaktischen Gründen werden aufsteigende und absteigende Bahnsysteme getrennt besprochen.

Absteigende Bahnen

Absteigende Bahnen (in Abb. 3.8 blau dargestellt) findet man im Funiculus anterior und lateralis. Der größte Bereich des Funiculus lateralis wird vom Tractus corticospinalis lateralis eingenommen (Abb. 3.8-1a). Der Tractus corticospinalis enthält die Fasern der Pyramidenbahn. Diese entspringt im Bereich des Gyrus praecentralis und steigt über die Corona radiata, die Capsula interna und durch den Hirnstamm ab. Es handelt sich also um ein Projektionsfasersystem. Auf Höhe der Medulla oblongata kreuzen etwa 80 % der Fasern auf die Gegenseite. Diese Kreuzungsstelle ist gut in der Basalansicht des Gehirns erkennbar (Decussatio pyramidum; Abb. 2.13-17). Die gekreuzten Fasern verlaufen dann im Tractus corticospinalis lateralis nach kaudal und gehen mit den α-Motoneuronen des Vorderhorns synaptische Kontakte ein. Schon anhand der Nomenklatur wird klar, wo diese Bahn entspringt und wohin sie zieht: vom Kortex zum Rückenmark. Die Pyramidenbahn wird als pyramidal-motorisches System dem somato-motorischen System zugeordnet und dient dabei vor allem der willkürlichen Motorik. Bewegen Sie einmal ihren rechten großen Zeh. Dabei sind Nervenzellen im linken (!) Gyrus praecentralis des Kortex aktiv und senden Signale über die Pyramidenbahn im Seitenstrang zu α-Motoneuronen im Vorderhorn des Rückenmarks. Dort werden die Impulse verschaltet und über entsprechende periphere Nerven zur Muskulatur des großen Zehs weitergeleitet. Das ist ein ziemlich weiter Weg!

Klinik

Eine Schädigung der Pyramidenbahn z. B. durch einen Apoplex (Schlaganfall) oder eine Verletzung des Rückenmarks hat zunächst eine schlaffe Lähmung (Parese) zur Folge. Nach einer kurzen Periode geht die schlaffe Lähmung in eine spastische Lähmung über.