Buch lesen: «DNA», Seite 2

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DREI

Allein die Gegenwart von Prof. Dr. Jintao beruhigt Nicole, den sie liebevoll „Onkel“ Juan nennt. Er hat sie damals nach ihrem schweren Autounfall operiert und eigentlich ist es nur ihm zu verdanken, dass sie heute nicht im Rollstuhl sitzt, sondern ein relativ normales Leben führen kann.

Vor etwa fünf Jahren kam der Professor nach Deutschland, ihr Vater hatte ihr erzählt, dass er in Zukunft hier leben möchte und ihr bei der Kontrolle ihrer Kräfte helfen wird. Nicole hatte nie näher nachgefragt, für sie war es ein Glücksfall, denn durch ihn gelang es ihr, ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten in den Griff zu bekommen. Durch Meditationsübungen erlernte sie Techniken die ihr halfen, ihre Kräfte zu steuern und kontrolliert einzusetzen. Durch ihre „Andersartigkeit“ teilweise sozial ausgegrenzt, wurde ihr Prof. Dr. Jintao immer mehr zum Freund. Selbst heute, obwohl sie ihre Kräfte vollständig beherrscht, ist es ihr, kaum möglich, so einfache Dinge zu unternehmen, wie einen Discobesuch. Auch der Besuch von Konzerten ist ihr wegen der extremen Lautstärke, zu anstrengend oder einfach nicht möglich.

Der Umgang mit ihrer Mutation hat Nicole verändert, hat sie schneller erwachsen werden lassen als ihre Freunde. Dies und die Einschränkung möglichst wenige Menschen in ihre Kräfte einzuweihen, isolierten sie immer mehr von Gleichaltrigen und so widmete sich Nicole hauptsächlich ihrem Sprachstudium und verbringt den Großteil ihrer Freizeit mit dem Professor.

Als sie in Prof. Dr. Jintaos Wohnung ankommen, überredet dieser Nicole dazu, ein weiteres Beruhigungsmittel einzunehmen um ein wenig zur Ruhe zu kommen.

Während Nicole einige Minuten später eingeschlafen ist, begibt sich der Professor ans Telefon um die geladenen Gäste für heute Abend auszuladen.

Als er nach einigen Stunden endlich mit allen Telefonaten durch ist, die geladen Gäste sind sämtlich schockiert vom Tod des beliebten Paares und nicht mit ein paar nichts sagenden Worten abzuspeisen, wird er zuletzt mit Rechtsanwalt Dr. Peter Hoffmann verbunden und als er diesem erklärt, was geschehen ist, bittet der Anwalt ihn, morgen Früh mit Nicole in die Kanzlei zu kommen, mehr könne er am Telefon nicht sagen. Nur so viel, Thomas Arnold, Nicoles Vater, habe für den Fall seines unnatürlichen Ablebens einiges für Nicole hinterlegt. Gerne hätte der Professor mehr erfahren, aber der Rechtsanwalt will am Telefon auf keinen Fall mehr sagen und vertröstet ihn auf den nächsten Tag.

Thomas hat mit seinem Ableben gerechnet?

Er war sein Freund, wieso weiß er nichts davon?

Diese und weitere Fragen beschäftigen den Professor, während er für sich und Nicole eine Mahlzeit zubereitet. Er ist gerade beim Decken des Tisches, als Nicole die Küche betritt.

>>Ich glaube nicht an einen Raub, „Onkel“ Juan.<<

Während ich mich an den Tisch setze, erkläre ich dem Professor weshalb ich nicht an die Version des Raubes glauben kann und nach längerer Überlegung, „Onkel“ Juan lässt sich immer viel Zeit, bevor er sich äußert, stimmt er mir zu.

Ich bin erleichtert, der Kommissar hatte mich schon verunsichert, aber wenn der Professor auch meiner Meinung ist, dann muss es einen anderen Grund für die Tat geben, worauf ich ihn auch hinweise. Wieder sieht er mich lange und schweigend an, als ich schon denke, er hätte meine letzten Worte nicht gehört, beginnt er zu erzählen.

>>Du weißt leider nicht alles über mich und deinen Vater, Nicole<<, er sieht mich entschuldigend an, >>aber lass mich bitte von ganz vorne beginnen.

Vor etwa zwanzig Jahren arbeitete ich in der Volksrepublik China, genauer gesagt in der Hauptstadt Peking, in einer von der Regierung finanzierten Klinik an der Erforschung der Gentechnik. 1980 gelang mir ein Durchbruch auf diesem Gebiet. Ich schaffte es erstmalig, mit Krebs infizierte Affen, durch Veränderung der DNA, zu heilen. Die Regierung überschüttete mich von da an mit Forschungsgeldern und ich erhielt jegliche Unterstützung die ich zum Ausbau meiner Forschungen benötigte. Ein Jahr später allerdings, als mir immer mehr Versuche glückten verlangte die Regierung, ich solle endlich meine Forschungen auf den Menschen ausweiten. Doch dazu war ich noch lange nicht bereit, aber die Regierung, damals war Deng Xiaoping der bestimmende und machthabende Politiker in der Volksrepublik, zwang mich durch Erpressung, meine Forschungen auf Menschen auszuweiten.<<

>>Erpressung?<<

Ich glaube mich verhört zu haben.

>>Ja Nicole, sie verschleppten meine Frau und meine Tochter und teilten mir mit, ich würde sie nie wieder sehen, wenn ich nicht genau das machen würde was von mir verlangt wird. Ich sollte für sie einen Soldaten erschaffen, der gegen bestimmte Gase immun ist<<, fährt der Professor resigniert fort.

>>Damals sind einige Menschen bei den Versuchen gestorben und eines Tages konnte ich es mit meinem Gewissen einfach nicht mehr vereinbaren, auch wenn ich dadurch meine Frau und meine Tochter opfern müsste, ich konnte nicht noch mehr Menschen durch meine Hände sterben sehen. 1983 stand ein Kongress über Genforschung in der Mongolei kurz bevor und ich beschloss, diesen irgendwie zur Flucht zu nutzen. Ich wäre „nur“ 500 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, eine bessere Gelegenheit würde so schnell nicht wieder kommen. Nähere Gedanken darüber hatte ich mir gar nicht gemacht, was, wie du gleich erfahren wirst, auch nicht nötig war.

Wir sind mit einer Delegation von sechs Ärzten ab Peking in die Hauptstadt Ulan Bator in der Mongolei geflogen. Ulan Bator liegt 1350 Meter über dem Meeresspiegel und ist umgeben von Gebirge und Hochland, mit durchschnittlich -2° C gilt sie als die kühlste Hauptstadt der Welt. Ich fror bereits als ich aus dem Flieger ausstieg, aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Der Kongress fand in der National Medical University of Mangolia statt, untergebracht waren wir in einem benachbarten Hotel. Der Kongress sollte drei Tage dauern. Es war der zweite Tag des Kongresses, als ich mich verspätete, die anderen waren bereits in der Universität, als ich mich auf den Weg machte und in der Hotelhalle von einem mir unbekannten Mann angesprochen wurde.

Er hätte auf eine Gelegenheit wie diese gewartet, erklärte er kurz, steckt mir eine Visitenkarte zu und bat mich, sich heute Abend mit ihm in Verbindung zu setzen, er könnte mich nach Russland bringen, setzte er flüsternd hinzu.

Lange Rede kurzer Sinn, natürlich war ich auf der Hut, es hätte sich um einen Test der chinesischen Regierung handeln können, ob ich ein Überläufer bin, aber nach einiger Überlegung war mir die mögliche Entdeckung gleich, ich wollte die Forschung bei meinen Landsleuten beenden, egal wie es für mich enden könnte und so rief ich die Nummer auf der Visitenkarte an. Zwei Stunden später saßen mein unbekannter Begleiter und ich in einem kleinen Ruderboot auf dem Fluss Selenge, der am Rand der Stadt Ulan Bator vorbeifließt und über die Grenzstadt Süchbaatar bis nach Russland hinein verläuft.

Mein Begleiter war ein kräftiger junger Kerl, der hier in der Mongolei geboren und aufgewachsen ist. Er überragte mich um mindestens eine Kopflänge, seine Statur war massig und muskulös, wie es bei vielen Mongolen der Fall ist. Seine tief schwarzen Haare trug er schon fast militärisch kurz geschnitten. Der Mann war kein gesprächiger Mensch, weshalb ich nie erfahren habe, was ihn dazu veranlasst hat, mir zur Flucht zu verhelfen. Vielleicht tat er es nur des Geldes wegen, ich habe es nie erfahren<<, fügt der Professor bedauernd hinzu. >>Die ländliche Gegend der Mongolei ist zwar nur sehr mäßig besiedelt, aber wir hatten April und die Familien verbringen nur die Wintermonate in der Stadt, sobald das Barometer nur noch geringe Minusgrade aufweist, verlagern sie ihren ständigen Wohnsitz wieder aufs Land. Aus Angst, das Motorengeräusch des kleinen Kahns könnte gehört werden, paddelten wir beinahe die gesamte Strecke.

Von Ulan Bator bis in die Grenzstadt Süchbaatar sind es ca. 500 Kilometer und ich habe ständig gefroren. Wenn ich heute daran zurückdenke, weiß ich nicht mehr, wie ich diese „Reise“ überlebt habe, wir hatten kaum etwas zu essen, froren ständig und an die Angst vor Entdeckung mag ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte wieder begonnen, Hoffnung zu schöpfen und jetzt wollte ich leben.<<

Der Professor, schüttelt in Gedanken versunken mit dem Kopf.

>>Und deine Frau und deine Tochter?<<

Frage ich leise und voller Mitgefühl nach, die Erinnerungen meines „Onkels“ erschüttern mich sehr.

>>Ich habe sie nie wieder gesehen<<, nimmt er seine Erzählung tief traurig, seufzend wieder auf. >>Die Russen haben uns beim Grenzübertritt aufgegriffen, wir waren völlig entkräftet, mehr tot als lebendig, man hätte alles mit uns machen können, wir waren nur noch ein Schatten unserer selbst. Es geschah uns jedoch nichts, wir wurden ernährt, frisch eingekleidet und ein paar Tage nach unserer Ergreifung erschien ein Russe, der mir glaubhaft versicherte, dass diese Flucht von langer Hand geplant war und er dafür von mir erwartete, mit ihm zusammen zu arbeiten. Zunächst dachte ich, dass es sich um Leute der russischen Regierung handelt, das war jedoch nicht der Fall. Ich bin vom „Regen in die Traufe“ gekommen, wie man es in einem Sprichwort bei euch nennt. Mir wurde versichert, dass alles getan werde, um meine Familie aus China heraus zu holen, unter der Bedingung, dass ich meine Versuche in ihrem Land weiterführen würde. Man habe sich eingehend mit meiner Forschung beschäftigt und sei überglücklich, mich in ihrem Land, als Gast weiterarbeiten zu lassen. Da mir versichert wurde, dass ich erst dann mit Menschen arbeiten müsste, wenn ich dies verantworten könnte, war ich zur Zusammenarbeit bereit. Die Hoffnung, meine Familie vielleicht doch wieder sehen zu dürfen und die Möglichkeit, meine Forschungen, nach meinen Vorstellungen, weiterbringen zu können, waren damals noch sehr groß<<, fügt er entschuldigend hinzu.

>>Dies war dann auch die Klinik, in der ich dich und deinen Vater kennen lernte.

In den auf meine Flucht folgenden Jahren habe ich erstaunliche Erfolge auf dem Ge-biet der Gentechnik erzielt, ich entfernte Basen Stränge aus der DNA, veränderte sie und setzte sie wieder ein. Ich heilte viele Krebserkrankungen, fand eine Lösung für Menschen mit Bluterkrankheit und konnte sogar einen Fall von Albinismus heilen.

Dann wurdest du eingeliefert, Nicole, du hattest ein irreparabel geschädigtes Rück-grat, eine Heilung schien völlig ausgeschlossen. Nächtelang haben dein Vater und ich über die Möglichkeiten einer Therapie oder Heilung gesprochen. Ich hatte zu dieser Zeit bereits Versuche mit der Übertragung von tierischer DNA auf menschliche begonnen, aber die Versuchsreihe stand noch ganz am Anfang. Dein Vater war sehr verzweifelt Nicole, er brachte mich dazu, deine DNA mit der DNA von einer Katze zu kreuzen.<<

Ich kann kaum glauben, was ich da höre, >>wieso hat mir das niemals jemand er-zählt<<, rufe ich eher erstaunt, als verärgert aus.

>>Dein Vater wollte nicht, dass du jemals etwas davon erfährst, er, wir Beide sind damals ein sehr großes Risiko eingegangen, es hätte auch schief gehen können<<, fügt er entschuldigend hinzu. >>Wie bereits erwähnt, stand ich noch ganz am Anfang meiner Forschung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich tierische DNA und menschliche lediglich im Reagenzglas gekreuzt. Deine Genesung war deshalb umso erstaunlicher, es dauerte kaum vierzehn Tage, da konntest du dich wieder selbständig aufsetzen und nach zwei Monaten warst du in der Lage, wieder zu laufen. Dein Vater und nicht nur er, waren überglücklich. Von diesem Tag an begann die wunderbare Freundschaft mit deinem Vater<<, schließt der Professor lächelnd.

„Onkel“ Juan ist wieder völlig in Gedanken versunken, aber mir reicht das Gehörte noch nicht, das kann noch nicht alles sein. Als ich ihn gerade auffordern möchte, weiter zu erzählen, beginnt er von selbst.

>>Deine Genesung konnte natürlich vor meinen „Gönnern“ nicht geheim gehalten werden und so kam es wie es kommen musste, ohne dass ich noch weitere Versuche vornehmen konnte, wurden mir Patienten zugeführt, die unter Lähmungen oder auch vollkommen degenerierten Körperteilen litten. Die Behandlung wurde von mir erwartet und verlangt, erzielten meine Gönner dadurch doch Gewinne in Millionenhöhe, die Patienten waren natürlich sämtlich gut situiert<<, fügt er ärgerlich hinzu. >>Ich habe diese Behandlungen immer mit den größten Gewissensbissen durchgeführt, es lagen uns noch keine Langzeitstudien vor und es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Gene mutieren würden. Meine Befürchtungen bestätigten sich, als mir dein Vater zwei Jahre später von deinen Fähigkeiten erzählte. Daraufhin begann ich bei den von mir behandelten Patienten nachzuforschen und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass bei fast allen schwere Krebsleiden aufgetreten waren.

Einige, vor allem sehr junge Patienten waren bereits nicht mehr am Leben. Ich konnte feststellen, dass bei den Kindern, die sich noch im Wachstum befanden, die Gene stark mutierten. Es hatten sich aggressive Tumore gebildet, an denen sie innerhalb von wenigen Monaten verstarben. Zwei ältere Patienten lebten noch, waren jedoch unheilbar an Krebs erkrankt und dann warst da noch du Nicole.

Niemand erfuhr von meinen Nachforschungen, ich hielt sie geheim, beschloss jedoch, keine weiteren Behandlungen mehr vor zu nehmen. Da ich aber nicht davon ausgehen konnte, dass ich die Russen würde lange hinhalten können, setzte ich mich mit deinem Vater in Verbindung, informierte ihn über meine Nachforschungen und bat ihn mich mit nach Deutschland zu nehmen.

Wie es dein Vater geschafft hat, mich aus Russland heraus zu bringen, wird nun wohl immer sein Geheimnis bleiben, aber ich werde ihm mein Leben lang dafür dankbar sein.<< Die Augen des Professors füllen sich mit Tränen, die er jedoch entschieden wegwischt. Er möchte und muss stark sein, für Nicole.

>>Wie es dann weitergeht, weißt du, seit meiner Ankunft in Deutschland kümmere ich mich nur noch um dich und deine Kräfte. Warum du allerdings nicht an Krebs erkrankt bist, ist für mich heute noch ein Rätsel, obwohl ich immer mit der Angst lebe, dass er eines Tages ausbrechen könnte, deshalb wollte dein Vater nicht, dass du etwas davon erfährst. Erst wenn wirklich sichergestellt werden könnte, dass du nicht erkranken wirst, wollte er dir die ganze Wahrheit erzählten.<<

Der Professor sieht mich, um Verzeihung bittend, an.

>>Ich mache dir keinen Vorwurf<<, lächle ich ihn beruhigend an, >>auch Vater hat nur getan, was er für richtig gehalten hat, allerdings ärgert es mich, dass er mir nicht vertraute, könnte ich ihm das doch nur noch vorwerfen<<, rufe ich verzweifelt.

Die ganze Wucht des Schmerzes trifft mich erneut. Während der Erzählung des Professors konnte ich für kurze Zeit vergessen, welch schrecklichen Verlust ich erlitten habe, doch jetzt, hier in vertrauter Umgebung bei meinem Freund und Vertrauten, kann ich mich endlich fallen lassen.

Plötzlich taucht ein furchtbarer Gedanke in mir auf. Hätte ich mich am Flughafen in Mailand nicht eingemischt, wäre ich nicht vier Stunden zu spät bei meinen Eltern aufgetaucht. Hätte ich sie retten können?

Das Entsetzen springt mich an wie ein wildes Tier, ein Zittern fährt durch meinen Körper ich schluchze laut auf und lasse meinem Schmerz freien Lauf. Auf den Gedanken, dass ich vielleicht auch nicht mehr leben könnte, wäre ich pünktlich nach Hause gekommen, komme ich nicht.

Der Professor nimmt mich sanft in den Arm, versucht mich zu beruhigen und wiegt mich wie ein kleines Kind, was mich ganz langsam wieder zu mir kommen lässt.

>>Vielleicht haben die Russen etwas mit dem Tod meiner Eltern zu tun<<, frage ich mit Tränen erstickter Stimme nach, meine furchtbare Erkenntnis behalte ich für mich.

>>Eher unwahrscheinlich<<, erwidert er sehr nachdenklich, >>aber die Möglichkeit besteht durchaus<<, stimmt er zögernd zu und teilt mir den Inhalt des Telefonats mit Rechtsanwalt Dr. Peter Hoffmann mit.

Der Rechtsanwalt ist nicht nur der Rechtsbeistand der Familie Arnold, sondern auch ein sehr vertrauenswürdiger Freund. Thomas Arnold hat ihn stets über alle geschäftlichen Belange informiert, auch in private Angelegenheiten ist Peter Hoffmann involviert. Er ist ein langjähriger Freund des Hauses und genießt das uneingeschränkte Vertrauen aller Familienmitglieder.

Während ich lustlos in meinem Essen herumstochere und meine Gedanken um die Möglichkeit kreisen, dass die Tätigkeit des Professors mit dem Tod meiner Eltern in Verbindung stehen könnte, bittet „Onkel“ Juan mich eindringlich, ein wenig zu Essen und dann abzuwarten, was Rechtsanwalt Hoffmann zu sagen hat, vielleicht hilft uns das weiter.

Später bitte ich meinen „Onkel“ um eine Schlaftablette, ich könnte die Nacht sonst nicht überstehen und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich morgen für den Termin beim Rechtsanwalt einen kühlen Kopf benötige.

VIER

Kriminaloberkommissar Max Krämer ist der leitende Ermittler des Raubdezernates in München und wurde in dieser Funktion zum Tatort, in die Münchener Villa, in Schwabing geschickt. Die Villa gehört einem schwer reichen, in der Münchener Szene wenig bekannten Unternehmer. Der Hausherr, Thomas Arnold hat sofort die Möglichkeiten, die das Internet bietet, erkannt und mit der Erfindung von Computerspielen für das „World Wide Web“, Millionen verdient. Sein Vermögen wird auf eine mindestens zwei, eher dreistellige Millionenhöhe geschätzt, genaueres ist nicht bekannt.

„Dem deutschen Steuerrecht sei Dank“.

Das Steuergeheimnis wiegt in Deutschland schwerer und wird stärker geschützt als das Recht auf Information, oder den Datenschutz. Der Verstorbene ist mit einer gebürtigen Schweizerin verheiratet und hat eine Tochter.

Als Maximilian Krämer am Tatort steht und eine junge Frau, plötzlich versucht, sich Einlass in das Wohnzimmer zu verschaffen, fällt ihm ein, dass es sich um die Tochter der Eheleute handeln könnte, die versucht zu ihren toten Eltern zu gelangen. Ihm gelingt es jedoch die junge Frau abzudrängen und ihr so schonend wie möglich mitzuteilen, dass hier, nach vorliegender Spurenlage ein Raub stattgefunden hat. Die junge Frau, Nicole, wie sie ihn bittet, sie zu nennen, bricht in seinen Armen zusammen, nachdem der herbeigerufene Arzt ihr vorher noch eine Spritze zur Beruhigung geben kann. Kriminaloberkommissar Maximilian Krämer trägt sie in die angrenzende Bibliothek und legt sie dort auf ein Sofa. Nachdem er sich vergewissert hat, dass die Leichen abtransportiert werden und die Spurensicherung ihre Arbeit aufgenommen hat, nimmt er sich einen Stuhl und setzt sich neben Nicole.

Während er darauf wartet, dass sie wieder zu sich kommt, fällt ihm auf, wie schön diese Frau ist. Bewundernd gleitet sein Blick über ihren schlanken wohlgeformten Körper, er schätzt sie nicht älter als Mitte zwanzig. Sie ist sehr groß, was ihm bereits bei ihrem Eintritt aufgefallen ist, in ihren hohen Schuhen standen sie sich fast in Augenhöhe gegenüber, er schätzt sie deshalb auf gut 180 cm. Ihre goldblonden Haare fallen üppig über ihre wohlgeformten Brüste, ein Sonnenstrahl verirrt sich ins Zimmer, trifft auf ihr Haar und Max hat das Gefühl als bestände es aus gesponnenem Gold. Während er noch den Kopf über seine, angesichts der Situation, unangebrachten Gedanken schüttelt, öffnet Nicole die Augen. Noch nie hat Maximilian solche Augen gesehen, ihn strahlt ein derart intensives Grün an, dass er kurz wegsehen muss, um seine Überraschung nicht allzu deutlich erkennen zu lassen.

Nie hat er schönere Augen gesehen, ihm fällt es schwer, sich nicht darin zu verlieren. Wären die Pupillen ellipsenförmig, hätte er das Gefühl eine Katze würde ihm direkt in die Augen blicken. Kommissar Krämer kann sich diesem Blick kaum entziehen, nur die Tatsache und die Erinnerung daran, dass sie gerade ihre Eltern verloren hat und sie sich in tiefer Verzweiflung befinden muss, holt ihn wieder in die Realität zurück und er beginnt sie zu befragen.

Wie sich herausstellt, glaubt Nicole nicht an einen Raubüberfall, Max schiebt es ihrer momentanen Verfassung zu, dass sie das Augenscheinliche nicht erfassen kann. Ihm wäre es am liebsten, sie würde sich für ein paar Tage in ein Krankenhaus begeben, dies lehnte Nicole jedoch sofort ab und als ein Freund des Hauses, Prof. Dr. Jintao auftaucht und sich bereit erklärt Nicole mit zu sich nach Hause zu nehmen, ist Max mit dieser Lösung einverstanden und lässt die Beiden, nachdem er sich noch die Adresse des Professors notiert hat, gehen. Er möchte Nicole ein paar Tage Zeit geben, bevor er sie auf dem Revier vernimmt, selbst wenn er keine weiteren Fragen mehr hätte, er müsste sie wiedersehen.

Kommissar Krämer weißt einige seiner Leute an, sich in der Nachbarschaft umzuhören, ob jemand etwas Verdächtiges bemerkt hat. Es ist davon auszugehen, dass dies nicht die Tat eines Einzeltäters war, vielleicht wurde die Villa auch vorher bereits beobachtet und dies ist einem Nachbarn aufgefallen. Eher unwahrscheinlich, da es sich bei dem Anwesen um ein freistehendes Haus handelt, die nächsten Nachbarhäuser befinden sich in mehr als 100 Metern Entfernung, aber Krämer möchte nichts unversucht lassen. Vielleicht hilft ihm „Kommissar Zufall.“

Nicole bestimmt seine Gedanken und da er sich nur noch mit Mühe auf den Tatort konzentrieren kann, beschließt er, für heute Schluss zu machen und seine Schwester im Sanatorium zu besuchen.

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