Ein Fluch aus der Vergangenheit

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Ein Fluch aus der Vergangenheit
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Joachim Bräunig

EIN FLUCH AUS DER

VERGANGENHEIT

Kriminalroman

Engelsdorfer Verlag

2013

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bisher vom Autor erschienene Bücher

1.Ein rätselhafter Mord

2.Aus Lust zum Mörder

3.Mord als letzter Ausweg

4.Der eiskalte Mörder

5.Tod im Fitness-Studio

6.Das geheimnisvolle Merkmal

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag

Coverfoto © zuzule - Fotolia.com

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

1

Im Polizeipräsidium Brandenburg saßen der Polizeipräsident und Hauptkommissar Klaus Ullmann zu einer Besprechung beieinander. Der Präsident hatte den Hauptkommissar, auf dessen Ersuchen, zu sich gebeten, um die weitere Arbeit zu besprechen.

„Sie hatten schriftlich um eine Aussprache gebeten“, begann der Präsident die Unterredung.

„Ich möchte über die Auslastung meiner Abteilung mit ihnen sprechen“, erwiderte Ullmann.

„Schildern Sie Ihre Probleme.“

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht die Mordkommission aus vier Mitarbeitern, unsere Sekretärin Frau Helga Schneider, eingeschlossen. Aus meiner Sicht und der Auswertung der Arbeiten der letzten Monate muss ich eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Personalbestand viel zu gering ist. Wir schaffen die qualitative Absicherung der uns von Ihnen übertragenen Aufgaben nur mit großem Aufwand und einer Unmenge von Zusatzstunden. Diesen zusätzlichen Aufwand kann ich meinen Mitarbeitern nicht mehr längere Zeit zumuten, da ich auch keine Möglichkeiten sehe, dass meine Mitarbeiter in naher Zukunft die hohe Anzahl an Zusatzstunden absetzen können. Die Anzahl an Gewaltverbrechen hat in letzter Zeit bedeutend zugenommen und es ist keine Absenkung dieser Verbrechen abzusehen. Ich ersuche Sie deshalb um eine personelle Aufstockung der Mordkommission“, endete der Hauptkommissar seine Darlegungen.

„Der Stand der Gewaltverbrechen ist mir bekannt, Herr Hauptkommissar. Ich schließe mich Ihrer Meinung an, dass es in Zukunft nicht weniger Verbrechen geben wird. Ich möchte bei dieser Gelegenheit die sehr gute Arbeit der Mordkommission unter Ihrer Leitung zum Ausdruck bringen. Ihre Aufklärungsquote ist sehr hoch, was Ihrer umsichtigen Arbeit und dem konkreten Einsatz Ihrer Mitarbeiter zu danken ist. Ich kann mir keinen besseren Leiter der Mordkommission vorstellen. Gleichzeitig muss ich Ihnen sagen, dass eine personelle Aufstockung der Mordkommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in der Phase der allgemeinen Kostensenkung, die mit einer gleichzeitigen Senkung des Personales einhergeht, nicht ohne weiteres möglich ist. Ihnen ist sicherlich diese Problematik bekannt. Ich habe bereits vor einiger Zeit mit der Schaffung einer zusätzlichen Einsatzgruppe unter Leitung Ihres ehemaligen Mitarbeiters, Herrn Torsten Fleischer, auf die Problematik des ansteigenden Verbrecherpotentials reagiert“, erläuterte der Präsident.

„Ich kenne die allgemeine Problematik der Kostenreduzierung und vertrete jedoch die Auffassung, dass diese Reduzierungen nicht auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung ausgetragen werden darf.“

„Ich stimme Ihrer Auffassung generell zu, bin jedoch leider an die Vorgaben meiner Vorgesetzten gebunden und kann keine Einzelentscheidungen treffen.“

„Ich muss Ihnen offen sagen, dass ich mit meinem gegenwärtigen Personalbestand zukünftig große Probleme zur weiteren Absicherung der Bearbeitung unserer Aufgaben sehe“, beharrte der Hauptkommissar auf seinem Standpunkt.

„Herr Hauptkommissar, wie ich bereits zum Ausdruck brachte, schätze ich Ihre Arbeit sehr und Sie können mir glauben, dass ich Ihnen bezüglich der Aufstockung Ihrer Abteilung gern entgegenkommen würde, aber ich sehe im Augenblick nur die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen und Dezernate“, erwiderte der Präsident.

Die beiden schauten sich mit starrem, aber nicht unfreundlichem Blick an. Es war deutlich zu spüren, dass beide sich schätzten und dennoch ihren Standpunkt vertreten wollten. Es entstand eine Pause und keiner wusste wie das Gespräch weiter verlaufen sollte. Nach der entstandenen Pause, ergriff der Hauptkommissar zuerst das Wort und sprach: „Darf ich einen Vorschlag äußern?“

„Ich bitte darum.“

„Was halten Sie von dem Gedanken, die Mordkommission und die neu geschaffene Sonderabteilung unter der Leitung von Torsten Fleischer zusammenzufassen?“, schlug Ullmann vor.

„Unter anderen Gegebenheiten würde ich diesem Vorschlag zustimmen, aber erstens habe ich diese Sonderabteilung erst vor kurzer Zeit geschaffen und würde damit meine eigene Entscheidung widerrufen. Zweitens hat diese Sonderabteilung andere Aufgaben als die Mordkommission, was auch durch die personelle Besetzung der Abteilung mit Mitarbeitern aus verschiedenen Dezernaten zum Ausdruck kommt.“

„Die Zusammensetzung der Abteilung ist mir bekannt. Allerdings obliegt es mir nicht, den Aufwand der Arbeiten der Abteilung einzuschätzen, ich wollte nur einen Denkanstoß geben“, entgegnete Ullmann.

„Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich über die zukünftige Arbeitsgestaltung Ihrer Mordkommission Gedanken machen, und bin bereit, Ihnen entgegenzukommen“, fasste der Präsident ihre Unterredung zusammen.

„Darf ich auf eine personelle Aufstockung der Mordkommission hoffen?“, fragte Hauptkommissar Ullmann.

„Ich möchte Ihnen keine verbindliche Zusage bezüglich der Aufstockung Ihrer Abteilung geben, gleichzeitig sichere ich Ihnen zu, dass ich mich der Lösung ihrer Problematik persönlich annehmen werde, was zugleich meine Wertschätzung gegenüber Ihrer bisherigen Tätigkeit zum Ausdruck bringen soll. Ich bemühe mich, im Umfeld der auszubildenden Polizeianwärter einen geeigneten Mitarbeiter für Ihre Abteilung ausfindig zu machen, ohne mich diesbezüglich auf einem bestimmten Zeitpunkt festlegen zu lassen. Eine engere Zusammenarbeit mit der Sonderabteilung von Kommissar Torsten Fleischer wird nur in eng begrenztem Umfang möglich sein. Eine diesbezügliche Festlegung ist nur von mir möglich und ich ersuche Sie, diese Festlegung streng zu beachten“, schloss der Präsident.

„Ich bin Ihnen für das aufgeschlossene Gespräch sehr dankbar, Herr Präsident. Ich versichere Ihnen, dass meine Abteilung auch zukünftig alle Kraft zur Aufklärung der Verbrechen einsetzen wird. Dennoch werde ich auch zukünftig auf eine Aufstockung meiner Abteilung hoffen, wobei ich mit Ihrem Vorschlag bezüglich eines Auszubildenden einverstanden bin.“

„Ich freue mich, dass wir einen gemeinsamen Konsens zur Klärung Ihres Problems finden konnten. Mir ist bekannt, dass Sie gut mit jungen Menschen zusammenarbeiten, was die Entwicklung von Frau Jana Schubert beweist. Sie haben diese junge Frau sehr gut ausgebildet und ich freue mich für Sie, dass sie ihre Prüfung zur Hauptwachtmeisterin mit Auszeichnung bestanden hat.“

„Sie hat sich sehr gut entwickelt, was auf ihren guten Charakter und ihren persönlichen Einsatz bei der Aufgabenerledigung zurückzuführen ist“, nickte Ullmann.

„Wie sind Sie mit Ihrer neuen Mitarbeiterin zufrieden?“, wollte der Präsident wissen.

„Kommissarin Frau Hannelore Meister hat sich gut ins Kollektiv eingefügt und erledigt ihre Arbeit zu meiner vollsten Zufriedenheit. Sie hat eine gute Auffassungsgabe und ich kann sie selbstständig Aufgaben erledigen lassen“, zeigte sich Ullmann mit zufriedener Miene.

 

„Das freut mich. Ich melde mich wieder, wenn ich Neuigkeiten für Sie habe“, schloss der Präsident die Besprechung mit Hauptkommissar Klaus Ullmann. Der Kommissar erhob sich und verabschiedete sich mit einem Dank bei seinem Vorgesetzten. Nachdem der Kommissar das Zimmer verlassen hatte, schmunzelte der Präsident. Er war mit Hauptkommissar Ullmann zufrieden und hoffte, dass er ihm noch lange zur Verfügung stehen würde. Er rief über die Sprechanlage seine Sekretärin, welche sich sofort meldete. „Verbinden Sie mich bitte mit unserer Personalabteilung“, beauftragte er die Sekretärin.

2

Im „Hotel am Seetor“ in Angermünde herrschte an einem schönen Sommerabend gute Stimmung und die anwesenden Hotelgäste machten einen sehr zufriedenen Eindruck, was durch häufiges Gelächter zum Ausdruck kam. Es war ein wunderschöner Sommertag und die meisten der Hotelgäste hatten Ausflüge in die Umgebung der Schorfheide unternommen, hatten die Landschaft genossen und Denkmäler aus den vergangenen Jahrhunderten besichtigt. Sie hatten frisch geduscht und trugen sommerliche Kleidung.

Das Hotel besaß siebzehn Zimmer, fünf Einzel- und die übrigen Doppelzimmer, wobei in begrenztem Umfang eine Aufstockung möglich war. Das Hotel befand sich in der Altstadt von Angermünde und hatte einen guten Ruf, sodass es bereits für das kommende Jahr fast ausgebucht war. Es wurde von der Familie Schmauch seit sieben Jahren in dritter Generation geführt. Das Ehepaar Schmauch legte auf eine angenehme familiäre Betreuung ihrer Gäste viel Wert und war immer bemüht, auch besondere Wünsche ihrer Urlauber zu erfüllen und hatte stets Empfehlungen für die Erkundung der Umgebung parat. Sie führten gleichzeitig Buchungen für gewünschte Veranstaltungen in der näheren Umgebung durch und bemühten sich um die Bereitstellung benötigter Transportmittel für die Unternehmungen ihrer Gäste. Sie hatten zwei festangestellte Kellnerinnen und für besondere weitere Feierlichkeiten, die einen größeren Aufwand erforderten, standen zwei weitere junge Mädchen zur Verfügung, sodass sie in die Lage versetzt wurden, auch Veranstaltungen oder spezielle Tagungen in ihrem Hotel personell abzusichern.

Die Säuberung der Zimmer, einschließlich der Bereitstellung der Hygieneartikel, wurde von zwei weiteren Frauen übernommen. Die Reinigung der Hotelwäsche übernahm eine in Angermünde ansässige Wäscherei. Frau Waltraut Schmauch hatte die Reinigung der Gaststätte und des sich an den Gaststättenbereich anschließenden kleinen Aufenthaltsraumes übernommen.

Für ihre Gäste stellte das Ehepaar Schmauch täglich von acht bis zehn Uhr ein Frühstücksbüfett bereit. Die Gäste nahmen dieses Angebot gern an, denn dieses Büfett fiel stets großzügig aus und es war für jeden Geschmack etwas dabei.

Die Zimmer besaßen einen abgetrennten Toilettenbereich und verfügten über Telefon und Fernseher, welche neben allgemein bekannten TV-Sendern auch einheimische Programme empfingen. Die Einzelzimmer befanden sich zum überwiegenden Teil im Dachgeschoss des Hotels.

Das Hotel lag direkt an der Seestraße, welche zum Mündesee führte und für Fahrzeuge aller Art, außer Lieferfahrzeuge für das „Café am Mündesee“, gesperrt war. Das Hauptgebäude des Hotels steht unter Denkmalschutz und wurde 1934 erstmals saniert. Nach einer Grundsanierung, dem Anbau und Umbau eines Wirtschaftsgebäudes zu einem Gästehaus, wurde 1994 das Hotel neu eröffnet. Der neugeschaffene Innenhof der Anlage lädt zu gemütlichen Sommerabenden ein. Bei sommerlichem Wetter gestaltete Herr Schmauch Grillabende und verwöhnte seine Gäste mit kleinen musikalischen Einlagen und Wortspielen. Der Innenhof bot genügend Platz für alle Gäste des Hauses und zudem war noch ausreichend Platz für tanzlustige Paare. Der Gaststättenbereich war mit hellen Farben ausgestattet und die Gestaltung der Möbel war in hellem Teakholz gehalten, sodass dieser Bereich einen warmen Eindruck erweckte. Der Empfangsbereich war gleichzeitig als Barbereich gestaltet, sodass die Gäste aus der näheren Umgebung, welche nicht im Hotel übernachteten, sich zu einem Plausch gemütlich zusammenfinden konnten.

3

Am heutigen Abend hatte Herr Schmauch wieder zu einem Grillfest im Innenhof eingeladen und alle Hotelgäste hatten ihr Erscheinen angekündigt. Der Hotelbesitzer liebte es, seine Gäste persönlich einzuladen, wobei er gleichzeitig die Zahl der zu erwartenden Gäste ermittelte und die Bestellung der benötigten Getränke und Speisen errechnen konnte. Er führte diese Abende stets mit großem Vergnügen durch und kam bei dieser Gelegenheit mit seinen Gästen ins Gespräch, denn er legte großen Wert auf einen persönlichen Kontakt.

Unabhängig vom heutigen Grillabend genossen die meisten der Hotelgäste das vorbereitete üppige Abendbüfett. Einige der Gäste hatten in den zurückliegenden Tagen bereits persönliche Kontakte geschlossen, wobei neue Freundschaften entstanden. Manche Gäste hatten sich bereits vor mehreren Jahren im „Hotel am Seetor“ kennengelernt und trafen sich seitdem jährlich wieder.

Alle Tische im Innenhof waren besetzt und die Gäste unterhielten sich bei bester Laune, wozu auch das Programm des Hotelchefs wesentlich beitrug. Herr Schmauch hatte soeben einen musikalischen Beitrag beendet und sprach zu seinen Gästen: „Bevor ich anschließend die Würstchen auf den Grill lege, noch eine Schmunzeleinlage: Treffen sich zwei Frauen und unterhalten sich über ihre Männer. Die eine Frau sagt: ‚Mit meinem Mann ist nicht mehr viel los. Neulich habe ich ihn mit schwarzer Unterwäsche überrascht und mich vor dem Bett in sexuell anregender Position aufgestellt.‘

‚Was hat dein Mann getan?‘, fragt die Freundin.

‚Er hat gefragt: Ist die Oma gestorben?‘

‚Versuch es das nächste Mal mit gelber Unterwäsche, die soll auf Männer aufreizend wirken‘, schlägt ihre Freundin vor.

Nach drei Tagen treffen sich die beiden Frauen wieder und die Freundin fragt: ‚Hast du es mit der gelben Unterwäsche bei deinem Mann probiert?‘

‚Ja.‘

‚Wie war es?‘, will die Freundin wissen.

‚Er hat nur dumm geschaut und gesagt, die gelbe Tonne muss ich auch noch fortbringen.‘“

Die Gäste lachten schallend über diesen Witz und Herr Schmauch begab sich zum Grill, um die Würstchen und die Steaks aufzulegen. Währenddessen legte er eine CD mit volkstümlichen Weisen in den CD-Player und widmete sich dem Anfeuern der Grillkohle. An einem Tisch saßen vier Männer, die sich offenbar bereits länger kannten, denn sie unterhielten sich über vergangene Zeiten und ihre Erlebnisse. Die Männer waren in Eberswalde zu einer einwöchigen Weiterbildungsmaßnahme, zu der sie jährlich ihre Unternehmen delegierte. Sie waren alle in der Versicherungsbranche tätig und übernachteten in der Zeit ihrer Weiterbildung stets im „Hotel am Seetor“. Sie kamen aus unterschiedlichen Ortschaften, sodass ihr Gesprächsstoff über die Ereignisse in den jeweiligen Ortschaften niemals versiegte. Beruflich waren alle vier, ihren eigenen Aussagen zufolge, sehr erfolgreich und mit ihren finanziellen Ergebnissen zufrieden. Die Männer waren zufälligerweise alle 35 Jahre alt und hatten den gleichen Berufsweg beschritten. Sie waren verheiratet und hatten bereits ein oder mehrere Kinder, was zu reichlich Erlebnisberichten beitrug. Ihre Frauen waren alle bereits wieder berufstätig und ihren Erzählungen nach sehr selbstständig.

„Ich freue mich jedes Jahr auf unser Treffen während der Weiterbildung“, sprach Lutz Schimmel.

„Dem kann ich nur zustimmen“, äußerte Hilmar Schwarz.

Die beiden anderen Männer, Wolfgang Roter und Roland Werner nickten zustimmend mit den Köpfen. Sie genossen ihr Bier und schauten sich im Kreise der Anwesenden um.

„Ich sehe keine bekannten Gesichter der letzten Jahre“, sagte Lutz.

„Ich kann ebenfalls niemanden entdecken“, stimmte Hilmar zu.

„Die junge Bedienung ist dafür neu“, lächelte Wolfgang Roter.

„Das stimmt und hübsch ist die Kleine noch dazu“, sprach Lutz.

„Vielleicht kommen wir im Verlaufe des Abends etwas näher ins Gespräch mit ihr“, hoffte Roland.

„Wir könnten morgen Abend in das Restaurant am Markt gehen. Es soll ebenfalls sehr schön sein“, schlug Wolfgang Roter vor.

„Ich habe ebenfalls Gutes von diesem Restaurant gehört“, ergänzte Lutz.

„Wir könnten aber auch wieder schön Skat spielen“, empfahl Roland.

„Wir können ja die hübsche Bedienung fragen, was wir morgen Abend unternehmen sollten“, lächelte Lutz.

„Wie kommst du denn darauf?“, wollte Hilmar wissen.

„Das ist eine Möglichkeit, mit ihr ins Gespräch zu kommen“, entgegnete Lutz.

„Geht das schon wieder mit deinen Weibern los“, erboste sich Roland.

„Ich sehe nichts Schlimmes darin“, brauste Lutz auf.

„Nun streitet euch nicht wegen Nichtigkeiten, wir werden schon etwas finden für den morgigen Abend, dessen bin ich mir sicher“, versuchte Hilmar zu schlichten.

Die Männer unterhielten sich weiter und Hilmar holte für alle die ersten Bratwürste vom Grill des Hausherren und verteilte sie an seine Freunde. Sie ließen sich die köstlich schmeckenden Bratwürste munden und waren bester Stimmung, als Herr Schmauch, der Hotelbesitzer, zu ihnen an den Tisch kam und sich nach ihrem Wohl erkundigte.

„Danke, es ist wie immer sehr schön bei Ihnen“, antwortete Lutz.

„Ich freue mich, wenn es Ihnen bei uns gut geht“, erwiderte Herr Schmauch.

„Sie haben eine neue Bedienung.“

„Ja, seit Anfang des Jahres.“

„Ein hübsches Mädchen“, musste Lutz unbedingt sagen.

„Sie hat sich gut eingearbeitet und wir sowie unsere Gäste sind sehr zufrieden mit ihr. Sie ist zu allen Gästen sehr freundlich und beherrscht ebenso die Abrechnung“, lobte Herr Schmauch seine neue Bedienung.

„Wohnt sie im Hotel?“, fragte Lutz nach.

„Nein, sie hat mit ihrem Bruder gemeinsam eine Wohnung in der Stadtmitte bezogen. Ihre Eltern sind leider verunglückt, sodass beide auf sich allein gestellt sind. Sie vertraut ihrem Bruder in jeder Beziehung und beide scheinen unzertrennlich. Der Bruder arbeitet in Eberswalde bei der Deutschen Bahn und hat daher ungeregelte Arbeitszeiten.“

„Als was ist er bei der Deutschen Bahn beschäftigt?“, erkundigte sich Roland.

„Soviel ich weiß, ist er als Lokführer tätig. Ich muss Sie jetzt leider wieder verlassen und mich um die Versorgung kümmern“, antwortete Herr Schmauch und entfernte sich.

Die Freunde widmeten sich wieder ihrer Unterhaltung und werteten ihre Erlebnisse des letzten Jahres aus, wobei es eine Reihe von lustigen Erlebnissen zu schildern gab. Sie waren in ihre Unterhaltung vertieft, als die junge Bedienung an ihren Tisch trat und nach ihren Wünschen fragte.

„Sie haben heute Abend viele Gäste zu bewirten“, lächelte Wolfgang.

„In der Hauptsaisonzeit ist das Hotel stets gut besucht, was auch durch unsere gute Küche begründet ist. Unser Koch ist ein Meister seines Faches und bringt auch einige Gerichte der heimischen Umgebung auf die Teller, was bei den meisten Gästen sehr gut ankommt“, erwiderte das junge Mädchen.

„Die hübsche Bedienung nicht zu vergessen“, warf Lutz ein.

„Danke für das Kompliment“, schmunzelte das Mädchen.

„Ich würde gern ein dunkles Bier trinken“, kam Hilmar auf das Thema zurück.

„Wir nehmen das Gleiche und die Runde geht auf meine Kosten“, sagte Wolfgang.

„Bringen Sie uns gleich noch ein Schnäpschen zum Verdauen mit“, bestellte Roland.

„Kommt sofort“, nickte das Mädchen und entfernte sich.

„Ich werde mit der rothaarigen Dame eine Runde tanzen“, sprach Lutz und ging zu der Frau.

„Der ändert sich anscheinend nie“, vermutete Wolfgang und schaute seine Freunde an.

„Wenn es ihm Spaß macht“, entgegnete Hilmar.

Lutz Schimmel hatte soeben, nach seinem Tanz, wieder Platz genommen, als die freundliche Bedienung mit der Bestellung der Freunde an den Tisch kam.

„Ich würde Sie gern zu einem Tanz auffordern“, sagte Lutz zu dem Mädchen.

„Erstens habe ich keine Zeit, denn die übrigen Gäste möchten auch bedient werden, und zweitens ist es dem Personal verboten, mit Gästen zu tanzen“, erwiderte die Bedienung.

„Schade, aber Ihren Namen dürfen Sie mir verraten“, beharrte Lutz.

„Wozu sollte ich das tun?“, fragte das irritierte Mädchen.

„Sie erwecken einen sehr sympathischen Eindruck auf mich.“

„In dieser Beziehung sind Sie nicht der Einzige.“

 

„Oho, Sie bekommen demnach viel Anträge auf Freizeitbeschäftigung“, spöttelte Lutz.

„Jetzt ist es aber genug, belästige die freundliche Bedienung nicht mit deinen Aufdringlichkeiten“, reagierte Wolfgang erbost auf das Verhalten von Lutz.

Die vier Männer unterhielten sich sehr angeregt über ihre nächsten Pläne für die weiteren Tage ihrer Weiterbildung und beabsichtigten einige Ausflüge zu unternehmen. Der Zeitplan der Weiterbildung machte solche Unternehmungen durchaus möglich, da der Unterricht meist in den frühen Nachmittagsstunden beendet war und einige sehenswerte Ausflugsziele in kurzer Zeit erreichbar waren. Sie einigten sich, wer an den entsprechenden Tagen die Fahrtroute bestimmte und zugleich sein Fahrzeug für die Freunde zur Verfügung stellte.

Der Abend verlief sehr friedvoll und in bester Stimmung. Die meisten Gäste zogen sich gegen zweiundzwanzig Uhr auf ihre Zimmer zurück, sodass die Männer die letzten Gäste im Innenhof des Hotels waren. Die gegrillten Bratwürste und Steaks waren von den Gästen alle verzehrt worden. Somit hatte der Hotelchef zu vorgerückter Stunde Zeit, an ihrem Tisch Platz zu nehmen.

„Es war ein schöner Abend, wozu Ihre Unterhaltung einen wesentlich Beitrag leistete. Die von Ihnen dargebrachten Musikstücke waren von guter Qualität“, lobte Roland den Hotelchef.

„Es freut mich, wenn Ihnen der heutige Abend Freude bereitet hat“, schmunzelte Herr Schmauch.

„Wie ich gehört habe, wollen Sie Ihr Hotel erweitern“, sagte Wolfgang.

„Ich würde gern, aber ich bin räumlich leider eingeschränkt. Es besteht lediglich die Möglichkeit ein weiteres Stockwerk auf das Gebäude zu setzen. Leider stimmt die zuständige Baubehörde nicht zu, da es das bauliche Bild der Umgebung negativ beeinflussen würde. Die Herren behaupten, eine Aufstockung des Hotels beeinträchtigt den Gesamteindruck der Häuserflucht der Straße“, ärgerte sich der Hotelchef.

„Können Sie nicht eine Sondergenehmigung beantragen?“, wollte Lutz wissen.

„Beantragen kann ich alles, aber man brachte mir gegenüber bereits zum Ausdruck, dass diese Sondergenehmigung wenig Erfolg auf eine Genehmigung hat.“

„Sie kennen doch viele Menschen, vielleicht können Sie Beziehungen spielen lassen“, schlug Hilmar mit einem Lächeln vor.

„Habe ich schon versucht, aber meine Bekannten sitzen nicht an den dafür zuständigen Stellen beziehungsweise haben sie zu wenig Einfluss, da hier das Landratsamt eine entscheidende Rolle spielt. Zudem benötige ich für diese Erweiterung des Hotels Fördermittel und diese müssen von Landsratsamt oder von der Landesregierung bewilligt werden und da stehen meine Aussichten auf Erfolg noch schlechter.“

„Für die Gemeinde wäre es aber günstig, schließlich schaffen Sie Arbeitsplätze und bringen Steuergelder in die Kasse der Gemeinde“, sprach Wolfgang.

„Scheint offensichtlich keine große Bedeutung zu besitzen.“ Herr Schmauch schüttelte enttäuscht den Kopf und verabschiedete sich von seinen Gästen.

Kurze Zeit nach dem Gespräch begaben sich die vier Freunde auf ihre Zimmer und verabredeten sich für den frühen Morgen zum Frühstück.

Das junge Mädchen, welches seit Jahresbeginn im „Hotel am Seetor“ als Bedienung arbeitete, verabschiedete sich freundlich, aber mit einem leichten Kopfschütteln vom Tisch der vier Freunde und widmete sich anderen Gästen. Sie war es aufgrund ihres guten Aussehens gewohnt, von den Gästen mit Komplimenten bedacht zu werden und wusste sich gut dagegen zur Wehr zu setzen. Sie war ungebunden und war gegenwärtig nicht bereit, nähere Beziehungen zum männlichen Geschlecht aufzunehmen. Sie wollte ihre Jugend frei von jeglichen Bindungszwängen genießen und war zudem bestrebt, ihr erarbeitetes Gehalt zum Großteil zu sparen, dennoch war sie beim Kauf von Bekleidung nicht kleinlich. Sie legte sehr viel Wert auf ein gutes Aussehen und modische Kleidung ihrer guten Figur entsprechend.

Sie widmete sich wieder den anderen Gästen und war bemüht, ihre Bestellungen schnellstens zu erfüllen. Ihre Zusammenarbeit mit den Besitzern des Hotels war gut und sie fühlte sich in diesem Umfeld sehr wohl. Sie erledigte ihre Arbeit und beendete diese wie vereinbart gegen zweiundzwanzig Uhr.

Silvia Korn zog sich nach Dienstschluss um. Sie trug enge dunkelblaue Jeans und eine weiße luftige Bluse, welche gut mit ihren roten Haaren harmonierte. Ihre Haare waren gefärbt, wobei sie stets darauf achtete, dass die Haare nicht knallrot gefärbt wurden, sondern nur eine leichte rötliche Tönung erhielten.

Sie war achtzehn Jahre alt, 1,78 Meter groß und sehr schlank, was es ihr stets ermöglichte, in den Kaufhäusern die zu ihr passende Kleidung zu finden. Silvia hatte nach ihrer Schulzeit eine Lehre im Gastronomiebereich erfolgreich beendet und bis vergangenes Jahr in Eberswalde in einem Hotel im Empfangsbereich gearbeitet, was sie jedoch nicht auslastete und zudem hatte sie in dem Hotel eine unregelmäßige Arbeitszeit, weshalb sie sich entschloss, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Ein weiterer Gesichtspunkt bezüglich ihres Arbeitsplatzwechsels war die neue Arbeitsstelle ihres sechs Jahre älteren Bruders, welcher bei der Bundesbahn vor einem Jahr nach Eberswalde versetzt wurde.

Die beiden Geschwister lebten gemeinsam in einer Wohnung am Markt in Angermünde und waren sehr eng miteinander verbunden. Ihre Eltern waren vor sechs Jahren bei einem noch immer ungeklärten Unfall auf einem Gestüt und Reiterhof auf mysteriöse Weise verunglückt, wobei ihr Vater verstarb und ihre Mutter seit diesem Unfall in einer Klinik zur Pflege untergebracht war. Aufgrund längeren Sauerstoffverlustes war ihr Hirn leider geschädigt worden, sodass sie nicht mehr sprechen konnte und verwirrt war. Eine konkrete Einschätzung der Hirnschädigung war aus ärztlicher Sicht nicht möglich. An manchen Tagen hatten die Geschwister den Eindruck, dass ihre Mutter sie erkennen und sich über ihren Besuch freuen würde, da sie beide anlächelte, ohne ihre Gefühle ausdrücken zu können.

Die beiden Geschwister hatten ihre Eltern sehr geliebt und erinnerten sich gern an die vielen schönen gemeinsamen Stunden in ihrem Haus in Joachimsthal. Nach den schrecklichen Ereignissen auf dem Gestüt mussten sie sich schweren Herzens zum Verkauf des Hauses entschließen. Den Verkauf wickelte ihr Bruder, der sechs Jahre älter als Silvia und zum damaligen Zeitpunkt unterschriftsberechtigt war, gemeinsam mit einem Makler ab. Beide Kinder, sowohl Silvia als auch ihr Bruder Helmut, trennten sich ungern von ihrem Elternhaus und konnten sich einige Zeit nicht zu diesem schweren Entschluss durchringen. Sie hatten sich zu einem Neuanfang entschlossen und sich versprochen, ihr Leben in nächster Zeit weiter gemeinsam zu verbringen.

Helmut musste zum damaligen Zeitpunkt viele Entscheidungen für seine kleine Schwester treffen und hoffte immer, sich in ihrem Sinne entschieden zu haben. Silvia hatte den Verlust ihrer Eltern sehr schwer verkraftet und lange Zeit nicht begreifen können, was eigentlich an dem Abend des Unglücks geschehen ist. Sie wurde immer wieder von bösen Träumen heimgesucht und versuchte diese ihrem Bruder zu erklären, was er lange Zeit nicht verinnerlichen wollte, da er an Trugbilder seiner Schwester glaubte. Er besuchte mit seiner Schwester einen Psychologen, da er befürchtete, die Ereignisse um den Tod ihrer Eltern hatten bei seiner Schwester nervliche Probleme hinterlassen. Der Psychologe konnte jedoch keinerlei nervliche Schädigungen bei Silvia feststellen, aber er wies Helmut darauf hin, dass seine Schwester noch längere Zeit zur Verarbeitung des Todes ihres Vaters benötigen werde.

Nach ungefähr drei Jahren hatte Silvia den Schock des Verlustes ihrer Eltern verarbeitet und hatte trotz großer Probleme ihre Schulzeit erfolgreich beendet und ihre Lehre begonnen. Ihr Bruder freute sich sehr über diese positive Entwicklung seiner kleinen Schwester und hatte ihr die Ausbildungsstelle besorgt. Sie entwickelte sich positiv und gliederte sich gut in die Kollektive ihrer Ausbildung und ihrer Arbeitsstellen ein. Sie war ein sehr selbstbewusstes Mädchen geworden und wusste, dass sie diese Entwicklung wesentlich ihrem Bruder zu verdanken hatte. Sie war ihm dafür sehr dankbar und wollte ihm ihren Dank mit der gleichen Fürsorge zurückgeben.

Nachdem sie am Tag nach dem Grillfest ihre Arbeit beendet hatte, ging sie wie immer zu Fuß gut gelaunt nach Hause, denn sie wusste, dass ihr Bruder auf sie wartete. Er musste morgen zur Frühschicht und deshalb wollten sie heute Abend gemeinsam essen und sich ein Video anschauen. Silvia freute sich stets auf diese gemeinsamen Stunden mit ihrem Bruder.

„Ich habe auf dich gewartet“, rief Helmut ihr aus der Stube zu, nachdem sie die Wohnung betreten hatte.

„Ich konnte nicht früher weg“, antwortete Silvia.

„Hattest wohl wieder aufdringliche Gäste?“

„Eigentlich nicht, lediglich ein Gast benahm sich komisch.“

„Hat er dich angepöbelt?“

„Das Übliche“, lächelte Silvia Helmut an.

„Sonst ist alles in Ordnung?“

„Ja. Was hast du Schönes zu essen gemacht?“, erkundigte sich Silvia.

„Dein Lieblingsessen.“

„Du hast gebratene Nudeln zubereitet?“

„Ich hoffe, es ist nicht zu viel, habe mich bei der Menge wahrscheinlich verschätzt.“

„Von meinem Lieblingsessen kannst du nie genug machen.“

„Die gebratenen Nudeln können nicht aufgehoben werden, sie verderben schnell. Gibt es bei dir Neuigkeiten?“, fragte Helmut.

„Nein.“

„Wir könnten dieses Wochenende zu Mutti fahren.“