Buch lesen: «Right in your heart», Seite 8

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Weshalb hatte ich damit angefangen?

Man sprach niemals über Sehnsüchte. Niemals! Erstens wurde man ohnehin falsch verstanden, zweitens interessierte es niemanden, drittens machte man sich lächerlich.

Verkackte Scheiße!

Immer dasselbe … immer dasselbe!

Beruhige dich, dachte ich. Jammern bringt dich nun nicht mehr weiter.

Jetzt hieß es ausschließlich, den Schaden weitestgehend zu begrenzen.

»Ich will arbeiten, meinen Job gut machen, ich will zur Cobra und erfolgreich Terroristen und anderen Abschaum bekämpfen … Einen One-Night-Stand hingegen – das brauche ich nicht. Was ich brauche, ist ein Mann und Partner, auf den ich mich verlassen kann … bei dem ich mich anlehnen darf.« Ich hielt inne – fluchte gedanklich weiter – und überlegte. »Ich will keine Mutter sein, ich will ein gleichberechtigter Partner in einer erfolgreichen, schönen Beziehung sein. Nicht mehr und nicht weniger.«

Dies gesprochen blickte ich ihm tief in seine mich intensiv musternden goldenen Augen.

Es war mir beim besten Willen nicht zu sagen möglich, was er von mir hielt. Seinen geweiteten Pupillen nach zu urteilen würde ich jedoch nicht lange auf eine Antwort seinerseits warten müssen.

»Damit habe ich nicht gerechnet«, beendete er sein eisernes Schweigen keine Sekunde später und mit ungewöhnlich leiser Stimmlage. »Als du begonnen hast, dachte ich, du wünschst dir diesen Irrsinn mit Ehe und Kindern.« Um seine Abscheu dahingehend zum Ausdruck zu bringen, verzog er das Gesicht auf eine schier urkomische Weise. »Aber dann … von Wort zu Wort … wurde es besser. Du hast da Dinge aufgezählt, die ich gut nachvollziehen kann.« Kurzzeitig stockte er. »Denn ehrlich gesagt, wünschte auch ich mir eine solche Beziehung. Zu meinem Pech kam bei mir bloß eine Scheidung raus – und ein Sohn, der wahrscheinlich nicht einmal meiner ist … zumindest hoffe ich das.«

Ich war baff.

Er war verheiratet gewesen? Und hatte ein Kind, von welchem er nicht einmal wusste, ob er der Vater war?

»Das ist ja furchtbar.«

Er zuckte die Achseln. »So schlimm ist es nicht. Ich muss nämlich keinen Unterhalt zahlen … Dennoch kotzt es mich an. Die letzten Jahre, die ich als Single unterwegs bin, ärgere ich mich, wie ich drei Jahre meines Lebens verpfuschen konnte … Die Ehe mit meiner Ex-Frau war der komplette Reinfall gewesen.«

»Dann geht’s uns beiden wohl ähnlich.«

»Ja.« Ein neues Mal hielt er inne. »… sie hat mich nämlich ebenfalls betrogen.«

Nun wurde es ernsthaft unheimlich.

»Sagst du das etwa, um es mir recht zu machen?«

Er funkelte mich an. »Glaub mir, bei einer derartigen Sache mache ich bestimmt keine Scherze … Sie hat mich mit einem Versicherungsvertreter meiner eigenen Bank betrogen!« Trauer und Wut härteten seine hübschen Gesichtszüge. »Wer weiß, womöglich ist das Kind sogar von diesem Hurensohn!«

»Das … das ist echt scheiße … sorry.«

»Aber dafür habe ich mich nun richtig ausgetobt.« Er versuchte, glücklich zu wirken – die Betonung lag auf »versuchte«. Richtig zufrieden mutete er keineswegs an. »Die letzten Jahre tat ich ausnahmslos das, was ich wollte. Ich habe mich keinen gesellschaftlichen Zwängen gebeugt, keine Chancen ungenützt gelassen.« Er seufzte. »Manchmal ist es dennoch hart.«

Und damit wurde es interessant.

»Speziell dann, wenn man einmal alleine zu Hause hockt und merkt, wie sehr die Nähe eines netten Partners fehlt.« Jäh versteifte sich sein Körper und Theo begann wilde Handgesten zu vollführen. »Aber … das ist natürlich blödes Memmengerede. Wahrscheinlich liegt es an dem Wetter hier oder dem Ambiente … oder so. Letztlich ist es immer besser, alleine seinen Weg zu gehen.«

Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hand auf seine linke Schulter – und Theo warf mir einen unmöglich zu deutenden Blick zu.

Es wurde Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.

Fakt war: Ich hatte mich jahrelang belogen – und Theo sich ebenso.

»Ich glaube, wir wissen beide, wie die Wahrheit wirklich aussieht.«

Seine Lippen verzogen sich zu einem griesgrämigen Lächeln. »Ich würde dir gerne widersprechen, doch irgendwie funktioniert das nicht. Und irgendwie befinde ich mich eben in einer dermaßen bescheuerten Verfassung, sodass ich dir Sachen erzähle, die ich nicht einmal meiner Mutter erzählt hätte.«

»Das ist verrückt.« Ich nahm meine Hand von ihm, worauf er danach fasste und mich zu sich zog.

Ich konnte nichts dagegen tun – vielleicht wollte ich auch nichts dagegen tun … Auf alle Fälle schlang Theo die Arme um mich und legte seine Lippen auf meine.

Es wurde mir glühend heiß, mein Herz raste und mein Unterleib pochte. Das schönste Empfinden allerdings war diese Vollständigkeit, die sich in mir ausbreitete.

Ich fühlte mich komplett, lebendig, glücklich.

Das erste Mal seit Jahren rauschte mir pures Glück durch die Adern. Es riss mich hinfort, nahm mir alle Sorgen, Ängste und Zweifel, welche sich seit dem Seitensprung meines Ex in meinem Herzen einquartiert hatten. Als Konsequenz dieser Gefühlsstürme schaltete sich meine Vernunft zur Gänze ab.

Ich musste zugeben, Theo hätte mich nehmen können. Er hätte einfach alles mit mir anstellen können.

Das Einzige, was er jedoch tat, war mich zu küssen.

Langsam, unvergleichlich langsam tanzten seine weichen Lippen über meine.

Ich vermochte ein leises Seufzen ebenso wenig zu unterdrücken wie meine Arme um seinen Nacken zu schlingen.

Sein Oberkörper an meinen gepresst, spürte ich einen jeden einzelnen seiner stahlharten Muskeln, die heiße glatte Haut und seine zärtlichen Hände, die mich auf seinen Schoß zogen und im Anschluss daran meinen Hintern sanft kneteten.

Wie gerne hätte ich laut aufgestöhnt!

Doch ich hielt mich zurück.

Ich wollte ihn nicht zu sehr anstacheln oder ihn zu etwas verleiten, das wir womöglich bereuen würden – obgleich ich mir insgeheim nichts anderes mehr wünschte …

Irgendwann bemerkte ich seine Zunge und wie diese mich zu erforschen begann. Liebevoll berührte sie die meine, liebkoste meinen Gaumen, tänzelte mir über die Lippen. Das durch seinen kurzen Bart ausgelöste Kitzeln in meinem Gesicht kurbelte meinen Puls nochmals kräftig an … und seine fähigen Hände – Himmel, Arsch! Dieses Geschick, diese Behutsamkeit, diese fokussierte Vehemenz … Wenn Theo einer Frau nicht innerhalb einer Minute einen Höhepunkt zu entfesseln gelang, fraß ich einen Besen.

Ein liebliches Saugen an meiner Unterlippe trieb mein Verlangen in schwindelerregende Höhen.

Verflucht.

Ich wollte ihn. Ich wollte ihn … jetzt sofort … Er sollte mich nehmen, gegen die Poolwand pressen, mir den Bikini vom Leib reißen und sich in mich stoßen …

Theo indessen machte ausschließlich mit seinem Kussspektakel weiter.

Nahezu in Slow Motion verwöhnte er mich – lutschte, saugte, knabberte … offensichtlich wollte er unseren Kuss zu einer Art Kunst erheben.

Ein Akt der puren Einigkeit und Liebe – intimer als jeder Geschlechtsverkehr.

Eben wollte er sich zurücklehnen, da ergriff ich die Initiative und nagte an seiner Unterlippe. Zärtlich, beinahe zögerlich schob ich meine Zunge in seinen Mund, umfasste seine Kinnbögen, kraulte seine weiche Gesichtsbehaarung.

Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus seiner Kehle – schlug brachial in meinem Unterleib ein.

Theo klang noch unendlich viel schöner … satt, rau, heiser, entschlossen, wild, untergeben, willig …

»Warte.« Keuchend ließ er von mir ab – und damit verschwanden Einigkeit und Vollständigkeit gleichermaßen schnell wie sie aufgetaucht waren.

Ich seufzte seinen Namen – sehnsüchtig, begierig.

Ich wollte Theo noch nicht loslassen. Ich wollte ihn nie mehr loslassen.

Nach Atem ringend blickten wir uns an.

»Ich habe es dir gesagt«, presste er mühsam hervor. »Ich will dich nicht verletzen. Ich bin kein Arschloch. Doch falls wir es jetzt miteinander machen, würdest du dir mehr erhoffen, oder?«

Seine Worte zogen mir das Herz zusammen und trieben mir Tränen in die Augen.

»Warum hast du mich dann geküsst?«

Theo starrte mich eine angefühlte Ewigkeit an. Seine Pupillen huschten unruhig hin und her.

»Ich weiß es nicht.«

Er rutschte weiter zurück.

Mit einem jeden verdammten Zentimeter fühlte ich mich verlassener, einsamer, hoffnungsloser.

Verdammt noch einmal!

Das konnte nicht wahr sein!

»Ich weiß nicht, wieso, doch ich sehe, wie sehr du Geborgenheit suchst … das wiederum kann ich dir nicht geben.«

»Aber vorhin hast du –«

»Das heißt gar nichts.« Er vollführte eine aggressive Handgeste. »Ich will frei sein. Ich will … ich –« Er erhob sich und verließ den Pool. »Tut mir leid. Das hatte ich echt nicht so geplant.«

Flott drehte er sich um und schritt Richtung Wohnzimmer.

»Warte!« Ich jagte ihm hinterher, riss ihm seine eben aufgehobenen Klamotten aus den Händen und warf sie auf die Couch.

Einerseits erkannte ich große Wut, andererseits lag da mehr in seinem Mienenspiel – etwas Tiefgründiges, etwas Undefinierbares.

»Was wird das?«

»So schnell lasse ich dich sicherlich nicht gehen.«

Wenn du dir hundertprozentig sicher bist, dann lass den Mann, der dir etwas bedeutet, nicht mehr los.

»Ich will dir nicht das Herz stehlen und darauf herumtreten.« Der deprimierte wie verzweifelte Unterton in seiner Erwiderung traf mich mitten in die Seele. »Das habe ich einmal getan.« Abrupt verstummte er – und reine Verzweiflung brach über ihn herein. »Bei einem Mädchen. Ich war blutjung gewesen. Sie hat sich Hals über Kopf in mich verliebt.« Er blickte zu Boden, legte die rechte Hand auf seine rechte Gesichtshälfte. »Sie hatte mich genauso angeblickt wie du eben. Sie wollte mich. Sie wollte mit mir zusammen sein. Und ich habe diesen Umstand ausgenutzt und sie flachgelegt … Dann bin ich abgehauen.« Eine lange Pause entstand. »Ein paar Wochen später erfuhr ich über ihren Selbstmordversuch.« Langsam fand sein Blick zurück zu mir. »Tabletten. Sie stopfte sich mit Schlaftabletten voll. Gott sei Dank fand ihre Mutter sie rechtzeitig.« Unvermittelt liefen Tränen über seine Wangen, welche er schnellstmöglich wegzuwischen versuchte. »Das habe ich nie gewollt. Nie hatte ich vermutet, es würde ihr derart nahegehen.« Er atmete tief durch, straffte die Gestalt. »Aus diesem Grund sind mir One-Night-Stands lieber. Ich will niemanden mehr enttäuschen. Am Allerwenigsten dich. Darum halte dich besser fern von mir.«

Mein Herz stand kurz davor zu zerreißen.

Das war es, was ihn von einer neuen Beziehung abhielt – nicht der Betrug, sondern die Angst, eine Frau zu verletzen!

Mein Gott!

Ich nahm ihn in eine feste Umarmung.

Sein Leib antwortete mit einem heftigen Zittern, welches Theo schnellstmöglich unterdrückte.

»Lass mich los, wenn du nicht willst, dass wir eine große Dummheit begehen.«

»Und wie könnte diese Dummheit aussehen?«

Eine Stille erhob sich.

Theos Körper begann zu glühen – und mein Verstand zu rasen.

»Wilder, hemmungsloser Sex hier auf dem Holzboden«, entgegnete er heiser und legte seine Arme auf meinen Rücken. »Glaub’s mir. Lange kann ich mich nicht beherrschen – und dann würde ich dich verletzen. Doch ich will dich nicht verletzen. Absolut nicht. Darum lass mich los.«

»Wieso willst du keine Beziehung eingehen? Des Betrugs oder des Mädchens wegen?«

Er blieb still.

»Hat dich deine Ex-Frau jemals richtig geliebt? Hast du sie jemals richtig geliebt? Oder stellte es vielmehr eine Vernunftehe dar, aufgebaut auf Ängsten, eine Frau erneut zu verletzen?«

Theo selbst verlor weiterhin kein Wort, dafür antwortete sein Leib mit einem zweiten heftigen Zittern.

Das sagte genug.

»Und dir geht es lediglich um einen einfachen One-Night-Stand? Sonst nichts?«

»Ja.« Er klang alles, nur nicht überzeugend.

»Gut, dann halten wir es anders: Bleiben wir gute Bekannte.«

Möglicherweise würde er seine Meinung im Laufe der Zeit ändern. Oder wir würden tatsächlich bloß einfache Freunde werden.

All meiner Unsicherheit zum Trotz tippte ich auf Ersteres.

Sein emotionaler Zusammenbruch bewies, wie sehr er sich eine Partnerin wünschte, wie sehr er jemanden suchte und brauchte.

Genau wie ich.

Einziger Unterschied: Im Gegensatz zu mir verdrängte er diese Tatsache tausendmal heftiger.

»Das kann nicht gut gehen«, murmelte er und drückte mich fester an sich. »Das wird ein weiterer Rohrkrepierer. Irgendetwas wird schieflaufen. Irgendetwas. Ich spüre es.«

»Und ich spüre, dass du mehr von mir willst als reinen Sex. Gib es einfach zu.«

»Nein … nein, das geht gar nicht. Das stimmt nicht. Ich kenne dich erst zwei Tage. Das liegt bestimmt am Stress und den vergangenen Aufträgen … das … das kann nicht sein …«

Offensichtlicher ging es nun wirklich nicht!

»Dann begehen wir eine Dummheit.«

Theo wollte mehr – und ich wollte ihn.

Weshalb sich länger zieren?

Und sofern es unerwarteterweise doch bei einer einzigen Nacht bliebe, musste ich eben mit den Konsequenzen leben.

Aber davon einmal abgesehen – ich litt an meiner Einsamkeit. Ich ertrug es nicht mehr, mich tagein tagaus alleine durchs Leben zu quälen. Selbst wenn es eine reine Sexbeziehung werden würde – Hauptsache ich durfte endlich wieder Körperwärme spüren. Theo war kein verlogenes Arschloch. Er besaß Einfühlungsvermögen. Weshalb sollte ich ein paar zärtliche Nächte in den Wind schlagen? Ich war mir sicher, solch einem liebevollen Liebhaber würde ich nie mehr begegnen. Erst recht nicht einen dermaßen gut aussehenden und alleinstehenden Mann wie Theo. Dachte ich genauer darüber nach, sah es in meinem Kaff für zwischenmenschliche Bindungen ohnehin gänzlich schwarz aus. Es gab keine Singles mehr. Die waren allesamt verheiratet. Da hätte ich nicht einmal jemanden gefunden, wenn ich es gewollt hätte – weder für eine einmalige Sache noch für etwas Fixes.

Theo lehnte sich zurück. »Das geht nicht.«

»Wieso?«

»Weil ich mir unsicher bin, ganz einfach.«

»Ich werde dir keine Szene machen«, versicherte ich. »Ich werde mich nicht umbringen.«

»Darum geht es nicht.«

»Worum geht es dann? Aber sag mir nicht, du bekommst jetzt keinen mehr hoch, weil du durch den Wind bist.«

»Und wenn es so wäre?«

»Dann sage ich: Du lügst.«

Trotzig hob er das Kinn an. »Woher willst du das wissen?«

»Weil dein Freund da unten hart wie Stein ist.«

Seine Wangen zeigten einen Anflug von Pink. »Scheiße.«

»Ich gebe es zu: Ich bin frustriert«, gestand ich. »Vier verdammte Jahre hatte ich keinen Sex mehr. Vier Jahre!« Mein Gesagtes unterstrich ich, indem ich meine rechte Hand in die Höhe hielt – vier Finger ausgestreckt. »Und dann kommst du angetanzt, mit deinem perfekten Körper und diesen verruchten Dingen, die du mir da andauernd zuhauchst – und dann! Dann zeigst du mir diese zerbrechliche Seite.« Ich hüstelte. »Wärst du ein gewöhnlicher bescheuerter Macho, hätte ich dich längst rausgeworfen! Dann hätte ich mich heute Morgen erst gar nicht zu dir gesetzt. Ich stehe nämlich wirklich nicht auf Machos. Überhaupt nicht.«

»Wieso hast du dich zu mir gesetzt? Zu dem Zeitpunkt wusstest du nichts über mich.«

Verunsicherung tat sich in mir auf.

»Weil ich über unser morgendliches Zusammentreffen nachgedacht habe.«

»Und welche Rückschlüsse hast du da bitte gezogen?«

»Du wolltest einen Spaziergang machen, stimmt’s?«

Theo wölbte eine Augenbraue. »Ja, schon. Warum? Ist das wichtig?«

»Ja, denn das tut ein Macho bekanntlich nicht. Der schläft länger, wartet dann beim Buffet, um Weiber aufzureißen.«

Seine Lippen deuteten ein Lächeln an. »Und was wäre, wenn ich auf diese gänzlich selbstlose-weicheimäßige Weise reagiert hätte, weil ich dich unbedingt flachlegen wollte?«

»Das dachte ich zunächst auch. Allerdings hast du etwas komplett anderes ausgestrahlt. Ebenso während unserer ersten Begegnung auf der Insel.«

»Diesen Arsch kenne ich doch«, rezitierte er schmunzelnd.

»Genau. Zwar deutet eine solche Aussage auf einen Macho hin, dennoch kamst du anders rüber.« Ich überlegte. »Bei dir scheinen es stets zwei Seiten zu sein. In etwa: Du sagst Schwarz, meinst aber Weiß. Alleine deshalb habe ich Interesse gehegt. Alleine deshalb habe ich dem Dinner zugestimmt, alleine deshalb habe ich mich zu dir gesetzt.«

»Und wie hättest du normalerweise reagiert?«

»Normalerweise? … Da hätte ich dich heute Morgen richtig niedergeschlagen. Und dann wäre ich weitergegangen.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Ernsthaft?«

»Ernsthaft.«

Er kicherte. »Du bist die verrückteste Frau, die mir jemals untergekommen ist.«

»Nicht bloß verrückt – gefühlsmäßig komplett daneben«, korrigierte ich und trat einen Schritt zurück. »Aber jetzt ganz im Ernst. Ich hasse dieses verdammte Schauspiel dermaßen! Jeden Tag muss ich den glücklichen Single vorspielen. Jeden Tag muss ich meinen Kollegen vorlügen, wie sehr mich Beziehungen ankotzen. Jeden Tag wache ich auf und denke mir: ›Wieso muss ich alleine sein?‹, es kotzt mich unbeschreiblich an.«

»Mich auch«, flüsterte er. »Mich auch.«

Mir wurde es heiß.

Dann wollte er tatsächlich eine Beziehung!

Es war alles Show gewesen.

Er spielte genauso wie ich!

»Bitte sag mir die Wahrheit: Du willst nicht mehr auf diese Weise weitermachen, oder?«

Langsam nickte er. »Irgendwie nicht. Irgendwie schon. Ich genieße die kurzen Affären, die One-Night-Stands, das Partymachen. Doch, es stimmt.« Er zögerte. Sehr lange. Unwahrscheinlich lange. »Es ist, wie du sagst: zum Kotzen.« Ein Räuspern unterbrach ihn. »Wenn man mit siebenunddreißig nach wie vor alleine um die Häuser zieht, wenn ich mir anhören muss, wie meine Kollegen über ihre Familien schwärmen, über tolle Urlaube und schöne Nächte mit ihren Frauen prahlen – es tut weh. Das hätte ich ebenfalls gerne. Andererseits vermute ich, dass viele meiner Kollegen immens übertreiben. Meine Ehe beispielsweise war nicht eben der Oberburner gewesen. Klar, manche Pärchen sind bestimmt glücklich. Aber ein jedes Einzelne? Ich denke nicht. Sonst wäre die Scheidungsrate nicht dermaßen hoch … Und ich habe keinen Bock auf eine zweite Scheidung.«

»Ich habe genauso wenig Bock, abermals belogen und betrogen zu werden. Deshalb halte ich großen Abstand. Besonders bei maulenden Männern.« Ich schluckte. »Wie du dich bis eben verhalten hast, war nämlich mein Ex gewesen.«

»Ach du Scheiße! Deshalb hatte ich keine Chance!«

»Genau. Selbst wenn ich One-Night-Stands nicht abgeneigt wäre – mit dir hätte ich mich nicht abgegeben.«

»Jetzt verstehe ich dich.«

»Wie auch immer.« Ich strich mir eine feuchte Strähne meines Haars zurück. »Begehen wir eine Dummheit und schauen wir, wie es weitergeht … oder bleiben wir erst einmal Freunde und springen letztlich erst in die Kiste?«

Er fing zu lachen an.

Es ging mir durch und durch.

Sein Lachen klang voll und warm, ehrlich und herzlich – und wie seine Augen dabei funkelten …

Es dauerte etwas, bis er sich beruhigt hatte.

»Gut.«

Diese Stellungnahme war natürlich äußerst aufschlussreich.

»Was heißt das?«

Er warf mir ein verschmitztes Grinsen zu. »Gut, dass ich ein Candle-Light-Dinner gebucht habe – auf deinen Namen.«

Ich stemmte die Fäuste gegen meine Hüften. »Du hast was gemacht?!«

»Willst du mir deshalb eine Szene machen?« Seine Fröhlichkeit verschwand zur Gänze. Dafür härtete Skepsis seine Züge. »Dann möchte ich erst gar nicht wissen, was du tust, wenn wir es wild miteinander treiben und ich daraufhin verschwinde.«

Ich konnte ein Kichern nicht verdrücken. »Du hast echt Panik, ich könnte eine Vorzimmerdrachenseite an mir haben, stimmt’s?«

Nach einigen Sekunden stillen Schweigens bejahte er. »Irgendwie schon … dennoch.« Sein Blick nahm einen flehenden Ausdruck an. »Du hast mir die Visage in den Sand gedrückt, schon vergessen?«

»Und du hast mich beleidigt und mich angefasst.«

»Und wenn ich dich jetzt anfasse?«

»Dann würde ich es zulassen.«

Er trat einen Schritt näher. »Im Ernst? Du willst jetzt Sex mit mir?«

Ich zögerte, doch letztlich gab ich das Offensichtliche zu: »Ja, das will ich.«

»Ernsthaft? Jetzt, hier?« Er zeigte auf den Holzboden. »Da, auf dem Boden vor dem Tisch?«

Mit heißen Wangen bejahte ich.

Theo legte seine Hände auf meine Schultern, zog mich zu sich – und mein Körper reagierte sofort, indem frische gigantische Hitze in meinem Unterleib einschlug.

Was würde Theo mit mir anstellen? Was würde folgen?

Eben war er dabei, seine Lippen auf meine zu legen – da tätigte er einen brutalen Rückzieher.

»Nein«, flüsterte er und besah mich dabei auf eine mich schier wahnsinnig machende Weise. »Nein. Jetzt gehen wir es einen Schritt langsamer an.«

Ich rang nach Atem. »Das bedeutet?«

»Ich habe dir in nicht einmal einer halben Stunde mein halbes Leben erzählt. Dabei habe ich nicht einmal einen Tropfen Alkohol intus. Das ist komplett wahnsinnig!« Er atmete tief ein, blickte zur Seite, schüttelte den Kopf, schnitt eine Grimasse und ließ die Luft hörbar entweichen. »Ursprünglich kam ich zu dir, um dich ein letztes Mal zu einem kleinen sexuellen Abenteuer zu überreden.« Damit wandte er sich wieder mir zu, furchte die Stirn. »Und jetzt sieh an, was ich mache! Ich versuche das exakte Gegenteil. Was hast du mit mir angestellt?«

»Das Gleiche frage ich mich. Vor dir hätte ich mir niemals eine einmalige Sache vorstellen können – und jetzt? Jetzt will ich es unbedingt.«

Ein sanftes Lächeln trat in Erscheinung. »Das muss wohl etwas bedeuten, wenn es uns beiden gleich ergeht.«

Ich nickte stumm.

»Dann machen wir es jetzt auf meine Art.«

»Und wie sieht die aus?«

»Ich will mehr über dich erfahren.« Seine Hände glitten über meine Oberarme nach unten und zurück.

Diese unbedeutende Berührung reichte aus, damit es mir die Haare aufstellte.

»Wie wäre es mit einem richtigen Strandspaziergang? Im Anschluss daran ein wenig Schwimmen … und darauf ein Dinner.«

»Sprich: total unmachomäßig?«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Solltest du damit spießermäßig meinen … muss ich dir fürchterlicherweise recht geben.«

Ich kicherte. »Okay, damit bin ich einverstanden … sehr sogar.«

Obwohl ich nach wie vor gerne eine Dummheit begangen hätte …

Er nahm meine Hand in seine. »Dann los.«

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