Buch lesen: «Right in your heart», Seite 5

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Theo konnte es noch immer kaum fassen. Das heiße Fahrgestell vom Wiener Flughafen! Und wie heiß! Verdammt heiß! Einem solchermaßen durchtrainierten Körper begegnete man äußerst selten. Und erst der sexy dunkelrote knappgeschnittene Bikini … ein einziger Männertraum. Konnte das tatsächlich Zufall sein? Oder war sie etwa ein Spion, den man auf ihn angesetzt hatte? Die letzte Aktion hatte ihm nicht eben Freunde eingebracht – weder in Dubai noch in anderen von Terroristennetzwerken umsponnenen Großstädten der Welt.

Wie Wien.

Diese Hauptstadt stellte – unmittelbar nach Berlin – eine inoffizielle Hochburg dar. Brüssel lag zwar an erster Stelle, wenn es um Terrorangriffe und Terroristendichte in Europa ging. Dessen ungeachtet wurde von allen Herren Ländern aus koordiniert.

War das Vollblutsweib womöglich ein Spitzel? War sie auf ihn angesetzt worden? Hatte sie ihn bereits von Wien aus verfolgt?

Nein.

Dann hätte sie nach ihm eintreffen müssen. Des Weiteren wusste niemand Bescheid über seinen Urlaub auf den Malediven – bis vor wenigen Stunden nicht einmal er selbst. Kurzfristiger hätte seine Auszeit niemals ausfallen können.

Er schüttelte den Kopf.

Was dachte er da überhaupt?

Hier gab es keine Terroristen!

Es wurde wirklich Zeit, auf andere Gedanken zu kommen und den Stresspegel abzubauen – die Seele baumeln lassen, schlafen, sich von einer hübschen, vollbusigen Schönheit massieren lassen …

Außerdem: Eine mauerverbeißende Zicke wie diese war niemals Agent, Spitzel oder Terrorist. Die war günstigstenfalls sexuell frustriert oder frisch geschieden.

Aber falls dies zutraf, was machte sie dann, in Gottes Willen, hier auf den Malediven?

Und was zum Henker tat er eigentlich hier?

Er blickte sich um.

Verliebte Pärchen und alte Säcke, wohin man sah …

Dabei wollte er Party und Sex!

Scheiße.

Und die einzige Möglichkeit eines One-Night-Stands musste selbstverständlich in Form dieser Furie daherkommen!

Fuck.

Weshalb musste das Leben stets derartig grausame Züge annehmen?

Seufzend machte er es sich auf seiner Liege bequem.

Mehr konnte er jetzt ohnehin nicht tun.

Doch!

Beten.

Beten, dass diese Frustrierte sich nicht jeden Tag auf dem Strand herumtrieb.

Da würde nämlich er liegen. Den ganzen Tag – und zur Abwechslung ein wenig Schwimmen und ein paar Eigengewichtsübungen absolvieren.

Hoffentlich liebte sie es zu tauchen und zu schnorcheln. Schließlich gab es genügend Möglichkeiten, wie sie ihre Freizeit verbringen konnte. Nur bitte nicht neben ihm am Strand liegen!

Bitte Gott!



Bis zum Abendessen vertrieb er sich die Zeit mit Schlafen. Dementsprechend gering fiel sein Appetit aus. Gemütlich schlenderte er in das aus hellem Holz gefertigte Restaurant, dessen Innenräume von der untergehenden Sonne nahezu betörend erleuchtet wurden. Ein wahrhaftig perfekter Anblick, um diesen ersten Urlaubstag gebührend ausklingen zu lassen.

O ja, er liebte das – romantische Farbenspiele der Sonne, Schneegestöber, das weiche graubläuliche Licht eines langen Regentags, üppig gedeihende Pflanzen oder puristische Architektur.

Innerlich verzog er das Gesicht.

Das klang jetzt doch etwas zu schwul … zumal er nichts von Liebesgeständnissen oder Heiratsanträgen vor einem atemberaubenden Sonnenuntergang hielt. Vielmehr ging es ihm um den Genuss des Augenblicks. Diese wenigen Sekunden, die dich mit reiner Glückseligkeit beschenken – vom Sex einmal abgesehen. Wie die eben durch die schneeweißen, bodenlangen Vorhänge dringenden orangefarbenen Strahlen der untergehenden Maledivensonne vermengt mir dem Geruch köstlicher Fressereien …

Und mit einem Schlag war all die Romantik verflogen.

Da stand sie, die Zicke des Monats – mit einem weißen im Wind wehenden Strandkleid, welches ihre ewig langen Beine, die trainierten Oberarme und den Schwanenhals selbstredend perfekt in Szene setzte. Getoppt wurde ihr Erscheinen durch die lockigen sich wie ein Wasserfall über ihre Schultern bis zu ihren Hüften ergießenden Haare.

Verdammt noch mal!

Weshalb musste ausgerechnet sie dermaßen betörend aussehen?! Konnte sie nicht klein, fett und verrunzelt sein? Oder überhaupt auf einer anderen Insel urlauben?

Alsbald sie ihm gewahr wurde, schleuderte sie ihm einen tödlichen Blick zu und setzte sich zu einem der letzten freien Tische.

Ganz klasse!

Dabei hätten sie miteinander ein paar unvergessliche Nächte verbringen können. Bei einem trainierten Körper wie dem ihren wäre ein One-Night-Stand tausendmal schöner ausgefallen als mit irgendwelchen notgeilen Thekenweibern, die man am nächsten Morgen nicht einmal mehr recht wiedererkannte. Ergo: Bei ihr hätte er das Licht nicht auszuschalten brauchen.

Scheiße.

Aber andererseits …

Womöglich sollte er es trotzdem versuchen? Womöglich hatte sie einen schlechten Tag? Womöglich konnte noch etwas daraus werden, wenn er seine, zugegebenermaßen derben, dafür in der Vergangenheit durchgehend erfolgreichen Machosprüche beiseitestellte?

Offensichtlich stand sie nicht auf Großspurigkeit – womit er überhaupt kein Problem hatte. Falls es ihm gelang, sie mit ein paar schleimigen Komplimenten und etwas Charme um den Finger zu wickeln, würde er es eben auf diese Weise versuchen.

Was hatte er großartig zu verlieren?

Es lockte eine geile Nacht. Und mehr als eine Abfuhr konnte er sowieso nicht kassieren.

Außerdem: Was sollte er sonst tun? Neben seinen Nickerchen und Trainingseinheiten blieb viel Zeit, um sie zu umwerben – oder sie zu verarschen.

Er trat zu ihr, die Hände in die Hosentaschen seiner naturfarbenen Strandhose gesteckt. »Ist der Tisch noch frei?«

Ihre gesamte Körperhaltung brachte Abweisung zum Ausdruck. »Nein. Ich sitze hier, falls Sie das noch nicht bemerkt haben.«

»Deshalb frage ich ja.«

Sie wirkte ungleich angepisster. »Ein ganzer Saal gefüllt mit Tischen und Sie wollen sich ausgerechnet zu mir setzen? Weshalb? Um mich erneut blöd von der Seite anzumachen?«

Das war der Beweis. Sie stand tatsächlich nicht auf billige Sprüche.

Diese Erkenntnis reizte ihn wesentlich mehr. »Nein. Ich wollte mich zu dir setzen, weil es hier vor Pärchen wimmelt und ich mich schlecht zu diesen setzen kann.«

Sie nickte nach links. »Da hinten ist noch ein freier Tisch. Nehmen Sie den.«

»Ich möchte mich aber mit jemandem unterhalten.«

»Dann hätten Sie nicht alleine auf Urlaub gehen sollen. Erst recht nicht auf die Malediven.«

O Mann!

Die war ein echt harter Brocken.

Dann eben auf die andere Art.

Ohne weiter nachzufragen, ließ er sich auf den Holzstuhl mit der Bastsitzfläche ihr gegenüber nieder.

»Hallo?! Geht’s noch?« Nun wirkte sie richtig angefressen. »Was tun Sie da?«

»Ich setze mich zu dir.«

»Na, das hätte ich jetzt nicht für möglich gehalten.«

»Du hast gefragt.« Er konnte sich ein abschließendes Lächeln nicht verkneifen, worauf sie ihm am liebsten einen Stuhl über den Schädel gezogen hätte – solchermaßen fuchsteufelswild wie sie ihn anfunkelte.

Hach, wie er es liebte, Weiber mit derlei Aussagen auf die Palme zu bringen!

»Sie kommen aus Berlin, oder?«

Anscheinend hatte ihn sein Dialekt verraten.

»Ja.«

Dabei hatte er durch das viele Reisen und Kennenlernen verschiedenster Kulturen einen erheblichen Teil seiner typisch deutschen Art und Sprechweise verloren.

»Dann verstehen Sie bestimmt Deutsch, nehme ich an?«

Okay … jetzt erhielt er die Retourkutsche, die er ihr jedoch sogleich zurückschickte. »Ja, neben Französisch, Italienisch und Englisch.«

Für eine Millisekunde huschte etwas Ähnliches wie Überraschung über ihre eleganten, feinen Gesichtszüge, ehe frische Wut in Erscheinung trat. »Dann noch einmal, damit Sie es kapieren: Ich möchte alleine sitzen. I want to sit here on my own. Ci siamo capiti?«

Es wurde ihm heiß.

Wow.

Dass sie mehrere Fremdsprachen beherrschte, damit hatte er – zugegebenermaßen – nicht gerechnet. Englisch, okay – aber Italienisch? Womöglich sprach sie sogar Französisch …

Eine Gänsehaut überrannte ihn, ausgelöst durch reine sexuelle Vorfreude.

Sich auf Französisch gegenseitig schmutzige Worte zuraunen, während er es mit ihr trieb – hemmungslos, bedenkenlos, zügellos.

Scheiße, ja!

Das hatte er sich ständig mit seiner Ex gewünscht. Diese sprach nämlich fließend Französisch und Spanisch. Aber nein, die Dame wollte nie. Die verschiedensten Stellungen, ja. Ein paar unanständige Meldungen in den Raum werfen, nein.

Theo blickte dem Vollblutsweib tief in die mit ewig langen Wimpern umsäumten blaugrauen Augen. Augen, die ihn sekündlich abstoßender musterten.

Sie konnte so verbissen dreinschauen, wie sie wollte, nun ließ er sich nicht mehr verjagen. Denn offenbar war sie keine reine angeberische Tusse mit Sexfrust, sondern eine intelligente Tusse mit Sexfrust! Und falls die Sache mit dem Sexfrust tatsächlich zutraf, konnte es des nächtens wahnsinnig heiß hergehen. Falls sie es dermaßen nötig hatte, müsste sie ziemlich schnell kommen … das wiederum bedeutete weniger Rücksicht, mehr Genuss – geilster Sex überhaupt!

»Ma chérie –«

»Ich spreche kein Französisch, also ersparen Sie mir das schwülstige Gelaber und gehen Sie einfach.«

Scheiße, nein!

Damit konnte er die Französischnummer abhaken.

Verfluchte Scheiße!

Andererseits … drauf geschissen auf französisches Geraune! Im Endeffekt konnten sie es dennoch hemmungslos miteinander machen.

»Nope. Du hast mich neugierig gemacht.« Er lehnte sich auf die Tischplatte – und sie wich blitzartig zurück.

Interessante Körperreaktion.

War sie womöglich schüchtern, und keifte aus diesem Grund übertrieben laut?

»Weshalb so abweisend? Bloß wegen der Aussage am Nachmittag?«

Genervt schaute sie Richtung Bar. »Unter anderem.«

»Und sonst?«

Sie drehte sich zu ihm zurück und taxierte ihn – wie konnte es anders sein – abschätzig und abstoßend. »Lassen Sie es einfach. Ich bin nicht auf einen One-Night-Stand aus.«

Es traf ihn.

Gewaltig.

Dabei sollte es das nicht!

Mein Gott, Theo, dann will sie eben keinen Fick. Weswegen reagierst du derart kindisch?

Scheiße noch mal!

Hatte er etwa ein leichtes Burn-out? Oder irgendwelche anderen psychischen Probleme? Bisher hatte ihn eine Abfuhr nicht im Geringsten gekratzt!

Er schob die bescheuerten Gedanken zur Seite.

»Bist du verheiratet?«

Ein vernichtender Blick war Antwort genug.

Diese Aussage durfte er wohl als einen weiteren Griff ins Klo bezeichnen.

»Sehe ich etwa aus, dass ich auf diesen altmodischen Kram stehe?«, zischte sie. »Außerdem: Hätte ich einen Partner, würde ich bestimmt nicht alleine auf Urlaub gehen, oder?«

Sein Zorn, ob ihrer Abweisung, der Kaltschnäuzigkeit und der Arroganz, begann zu wachsen.

Na gut!

Wenn die freundliche Schiene nicht funktionierte, dann eben auf die altbekannte Harte.

»Sexfrust.«

Vor Wut fingen ihre Wangen zu glühen an. »Was?!«

»Sex-frust«, wiederholte er bewusst langsam und eine jede Silbe betonend. »Du leidest offensichtlich an Sexfrust. Und glaub mir – da hilft alleine eines: Wilder Sex mit einem Unbekannten.«

Ja genau, mit ihm!

Darauf antwortete sie gar nicht mehr. Stattdessen lief ihr Gesicht knallrot an.

Er musste sich eingestehen, sie sah dadurch richtig niedlich aus.

»Wir könnten echt viel Spaß haben.«

Ihre Augen weiteten sich.

Theo deutete zu den Wasserbungalows. »Mein Zimmer ist dort hinten. Falls du Lust hast, können wir uns einen schönen Abend machen. Mit Sex in der Badewanne oder im Pool. Im Bett ist aber genauso in Ordnung. Oder in der Regendusche … ist mir alles recht.«

»Geht’s noch?« Ihre Stimme hatte einen überraschend rauen Klang.

Machte sein Vorschlag sie etwa dermaßen an, oder fühlte sie sich einfach vor den Kopf gestoßen?

Egal woran es lag, er musste sie weiter anstacheln. Womöglich hatte er noch Chancen. Chancen auf eine relaxende Nacht mit einem oder unter Umständen sogar zwei Höhepunkten, die seinen Verstand für eine kurze Zeit außer Gefecht setzen würden.

»Über uns der Sternenhimmel«, raunte er. »Und du unter mir. Das würde mir gefallen.«

Ohne etwas Weiteres zu verlauten, erhob sie sich und eilte davon – das dichte Haar wehte elegant hinter ihr her.

Fuck.

Irgendwie hatte er sich den Ausgang dieses Gespräches anders vorgestellt.


Scheiße, scheiße, scheiße! Mein pochender Unterleib löste heißkalte Schauer aus, die mir manchmal langsam manchmal schnell über den Rücken jagten. Das konnte einfach nicht wahr sein! Das durfte nicht wahr sein! Nein, nein, nein. Ich riss mir das Kleid vom Leib und stellte mich unter die Dusche – unter eine eiskalte Dusche. Jedoch fiel der Schock dermaßen schmerzhaft aus, sodass ich das Wasser nach nicht einmal zehn Sekunden warm drehte.

Wie konnte ein wildfremder Mann mich solcherart erregen? Und das lediglich durch ein paar blöde und ohnehin nicht erstgemeinte Aussagen!

Vier Jahre.

Verfickte vier Jahre hatte ich keinen Sex mehr gehabt, ebenso wenig einen richtigen Flirt oder ein Date. Und dann tauchte plötzlich dieser sexy Typ mit seiner tiefen Stimme und diesen hypnotisierenden Augen auf und raunte mir schmutzige Sachen zu!

Ob dieser gedanklichen Zusammenfassung begannen meine Wangen erneut zu prickeln.

Die Stirn gegen die kühlen Fliesen gelehnt schlang ich die Arme um meinen Oberkörper.

In drei Teufels Namen! Wieso?!

Über uns die Sterne – und du unter mir.

Diese Worte waren mir wie ein Blitz in den Unterleib gefahren – erregten mich … es wurde mir schwindlig dabei.

Und damit schaltete das wundervolle Krampfen eine Stufe höher.

Nein, nein, bitte Gott, nein!

Das musste aufhören!

Auf die Unterlippe beißend versuchte ich mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren: Das schöne Meer, meine Waffen – die sexy Wilson –, mein Auto … doch keine Minute verging und sein verschmitztes Lächeln sowie sein strahlender Augenausdruck tauchten vor mir auf.

Scheiße!

Ich wollte es nicht, wirklich nicht.

Letzten Endes gelang es mir trotzdem nicht mehr, meine vermaledeiten Gedanken unter Kontrolle zu bringen …

Nackt im Pool mit ihm. Leidenschaftliche Küsse, die zu vereinigten Körpern führen. Er in mir, über uns die leuchtenden Sterne, während wir einem gemeinsamen Höhepunkt zusteuern …

Das Pulsieren und Ziehen dort zwischen meinen Beinen verschlimmerte sich zusehends. Hitze überrollte mich wie eine Feuerwalze. Sehnsucht und Begierde krampften mir das Herz zusammen.

Gott … seitdem ich über Liebe und Beziehungen Bescheid wusste, sehnte ich mich nach einem erfüllten Sexleben. Nach Leidenschaft und hemmungslosen Liebesspielen. Nach bedingungsloser Liebe und Einigkeit …

Jäh ertappte ich mich dabei, wie ich mir laut seufzend die Finger in den nassen Leib schob. Zentimeter um Zentimeter. Dann ging’s zurück und vor, zurück und vor. Ich schloss die Lider – stellte mir vor, es wären Johnnys Finger, die sich da in mir bewegten.

Wie würde er mich anblicken, wenn er kurz davorstünde, zu kommen? Welcher Ausdruck läge in seinen goldenen Augen?

Keuchend presste ich den Handballen gegen die Klit, und ein wunderbares Prickeln sauste Richtung Oberkörper.

Wie würde es sich anfühlen, wenn er sich in mich stieße? Wild … sanft … seine Arme um mich geschlungen, seinen glühenden trainierten Körper gegen den meinen geschmiegt … seine tiefe vor Lust stöhnende Stimme … rhythmische uns in Ekstase versetzende Bewegungen …

Abermals presste ich dagegen – und erschauerte.

Lange, intensive Küsse … Seine Hände in meinen Haaren … »Ich will dich. Alleine dich. Keine andere.«

Ein letztes Pressen gegen meine Perle, und die Welle brach. Bebend hielt ich die Luft an, drückte mich gegen die Fliesenwand, sog dieses intensive Gefühl mit einer jeden Faser auf.

O Gott.

Wieso war es derart schwer geworden, alleine durchs Leben zu gehen? Weshalb brach meine Sehnsucht andauernd durch?

Außer Atem und zittrig duschte ich mich zu Ende, trocknete mich ab und verkroch mich ins Bett.

Ich fühlte mich erschlagen, depressiv und einsam.

Wieso jetzt? Wieso hier?

Wieso hatte meine Beziehung nicht funktionieren können?

Nie wollte ich mich austoben oder irgendwelchen krankhaften sexuellen Praktiken frönen. Einfach geliebt werden. Das war alles. Keine Spielchen, keine Zwänge, keine Vorwürfe, keine Manipulationen. Einfach lieben und geliebt werden. Den anderen akzeptieren, wie er war. Mit Haut und Haar.

War das zu viel verlangt?



Alles nur nicht ausgeruht erwachte ich in der einsetzenden Dämmerung. Zumindest war es mir nun möglich, den Sonnenaufgang und den zu dieser Zeit hoffentlich verlassenen Strand zu fotografieren. Unterdessen ich mich wusch, änderte ich meine Meinung. Ich fühlte mich schlichtweg zu ausgelaugt, um eine Zwei-Kilo-Kamera und ein Stativ herumzuschleppen.

Lieber war mir ein ruhiger Spaziergang. Ich trat nach draußen, schlenderte den verlassenen Steg entlang, der fünf der zehn Wasserbungalows miteinander verband. Außer sanfte gegen die Stegpfeiler klatschende Wellen, das leise Summen der Stromerzeuger sowie hier und da ein lautes Geschrei der scheuen indischen Koel, welches der leichte Wind vom Dickicht aus zu mir trug, lag die Insel in nahezu heiliger Stille. Die drei kleinen Holztreppen überbrückte ich mit einem beherzten Sprung in den kühlen vom Zwielicht gräulich schimmernden weichen Sand. Ich atmete die salzige frische Luft ein, fühlte meine sachte im Wind wehenden und meinen freien Rücken kitzelnden Haare. Der zarte Stoff meines weißen Strandkleides umspielte meine Beine, nötigte mich, mich im Kreis zu drehen. Eine Pirouette, zwei, drei. Ich empfand keinerlei Schwindel.

Das Training hatte meinen Gleichgewichtssinn äußerst gutgetan. Hätte ich solche Drehungen in meiner Jugendzeit vollführt, wäre ich längst orientierungslos durch die Gegend getaumelt …

Mein Blick glitt gen Himmel. Zarte Punkte waren zu erkennen, die mit jeder Minute an Strahlkraft verloren.

»Du wirkst wie eine Fee.«

Mir wurde es kalt. Eisig kalt. Und letztlich heiß. Glühend heiß.

Nein.

Alles, bloß das nicht!

Langsam drehte ich mich um.

Nein. Es war keine Einbildung. Wäre auch zu schön gewesen.

Der Typ, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte, mich dennoch mehr erregte als irgendjemand sonst in meinem Leben zuvor, schritt grinsend auf mich zu.

»Was machst du so früh unterwegs? Konntest du nicht schlafen?«

Jäh rief mein Verstand sämtliche meiner Selbstbefriedigungsgedankenspiele ab.

Scheiße.

»Ja«, würgte ich irgendwie hervor und rang um Fassung und Selbstkontrolle.

Seine Gesichtszüge verloren etwas von ihrer Härte. »Ich kenne nicht einmal deinen Namen.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Darum mache ich mal den Anfang. Ich heiße Theo.«

Allein mit knapper Not gelang es mir, nicht zurückzuweichen und diese äußerst zögerlich zu ergreifen.

Ein enormes Prickeln erfasste mich.

Zweimal Scheiße.

Beruhig dich. Beruhig dich. Er ist niemand. Gar niemand. In drei Tagen siehst du ihn nie mehr wieder.

Dieser Gedanke verpasste mir einen weiteren Schlag – einen unangenehmen Schlag.

Dreimal Scheiße.

»Warum auf Englisch?«, brachte ich im kratzigen Tonfall und unter großer Anstrengung hervor.

Seine Lippen formten ein breites Lächeln. »Das klingt lässiger.« Er hielt ein, verzog das Gesicht. »Theodor.« In typischer Deutsch-Manier sprach er seinen Namen angeekelt aus. »Das hört sich nach einem alten pensionierten Sack der Nachkriegszeit an.«

Ich musste kichern. »Echt jetzt?«

»Ja«, erwiderte er sachlich und ließ das Lächeln nochmals anwachsen. »Schon vergessen? Ich bin ein Macho. Der Name würde nie zu einem Macho passen, oder?«

Ungläubig zog ich die Augenbrauen hoch.

Mit einem derartigen Sinn für Humor hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

»Meinst du das jetzt ernst?«

»Absolut.«

»Oder willst du dich bei mir auf irgendeine perfide Art einschleimen?«

Theos Augen verengten sich. »Ich wollte dir damit eigentlich ein Friedensangebot machen.«

»Friedensangebot? Waren wir denn im Krieg?«

Er wirkte belustigt. »Wie du dich verhalten hast, ja.«

Da musste ich ihm, leider Gottes, recht geben. Ich hatte einen Tick zu aufbrausend reagiert.

Lag wahrscheinlich an meinem Sexfrust.

»Okay. In Ordnung. Dieser Punkt geht an dich.«

»Und wie heißt du?« Theo beäugte mich eindringlich, wodurch eine stürmende Adrenalinwelle in mir ausgelöst wurde.

Gar nicht gut.

»Evina.«

Sein Händedruck verstärkte sich geringfügig – dadurch bemerkte ich erst, dass wir uns nach wie vor die Hände hielten. Anscheinend wurde ihm diese kleine peinliche Tatsache ebenfalls erst jetzt gewahr, warf er mir doch einen verwirrten Blick zu und zog gleichzeitig die Hand zurück.

»Evina also.« Schlagartig blitzte Schelm in seinen Augen auf. »Das klingt wie Vagina.«

Bevor diese Äußerung von meinem Gehirn gänzlich verarbeitet worden war, hatte ich Theo bereits eine gescheuert, den Rückmarsch angetreten und ihm die einzig passende Charakterbeschreibung zurückgerufen: »Arschloch.«

Dieser verfluchte Drecksack! Was erlaubte der sich eigentlich?!

Erst auf freundlich machen, und mich dann verarschen!

Es war so typisch!

»Hey, warte!«

Und da war er schon, packte mich an der Schulter, infolgedessen ich seine Hand ergriff und diese ruckartig zurückbog.

Vor Überraschung – oder angesichts der Schmerzen? – stieß er einen unterdrückten Schrei aus. In der Zeit hatte ich ihn zu mir gezogen, mein linkes Bein zwischen seine gehakt und ihn auf den Boden der Tatsachen – sprich mit der Visage voraus in den Sand – gestoßen. Zum Abschluss kniete ich mich auf seinen Rücken.

Halleluja!

Bestand der Typ aus Stahl, oder was? Selbst mit meinem Knie spürte ich eine jede Erhöhung, einen jeden Muskelstrang.

Wie viele Trainingseinheiten musste er dafür täglich absolvieren? Und was machte der Typ dann beruflich? Bodygard, Bodybuilder oder Türsteher?

Meine Aufmerksamkeit fiel auf sein lockiges, leicht zurückgekämmtes Haar.

Solch einen Sparring-Partner hätte ich gerne für zu Hause gehabt. Ein durchtrainierter Körper, ein hübsches Gesicht und bescheuerte Meldungen, die mich anstachelten, ihn wieder und wieder zu verdreschen.

Und darauffolgend heißer Sex.

Über diesen wahrhaftig behämmerten Einfall schüttelte ich bloß den Kopf und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.

»Scheiße!«, erklang es winselnd-laut unter mir.

Ich bog seinen Arm weiter nach hinten und ein Stück nach oben. »Fass mich noch ein einziges Mal an und du musst mehr über dich ergehen lassen, als durch mich deine elendige Fresse in den Sand gesteckt zu bekommen, kapiert?«

»… Schei … ße«, stammelte er. »… okay.«

»Und falls du mich ein weiteres Mal beleidigst.« Um meiner Drohung die nötige Authentizität zu verleihen, zog ich nochmals an seinem Arm. »Mache ich dich erst recht fertig.«

»Okay … oh … kay.«

Damit ließ ich von ihm ab.

Keuchend und mir todbringende Blicke zuwerfend erhob er sich.

Mit diesem Angriff hatte er nicht im Geringsten gerechnet.

Gut so.

Theo wischte sich den Sand aus dem Gesicht – genauer gesagt, aus seinem Bart. »Du bist gut.« Seine Stimme klang heiser, rau … sexy.

Wie hörte sie sich wohl an, wenn er kam?

»Das war noch gar nichts.«

Seine Mimik zeigte offenkundige Streiteslust. »Dann würde ich dich gerne einmal in richtiger Aktion erleben.«

»Das, mein Freund, würdest du nicht überleben.«

Eben wollte ich mich umdrehen, da packte er erneut nach mir und zog mich zu sich. Ich reagierte – zu langsam. Dadurch gelang es ihm, mir von hinten seine Arme durch meine Achseln zu schlingen.

Durch ruckartige Bewegungen versuchte ich noch, ihn davon abzuhalten, seine Hände hinter meinem Kopf zu verschränken – vergeblich. Er war schneller und brachte mich mit einem gezielten Tritt auf die Knie.

»Ja, du bist wirklich gut«, säuselte er mir ins Ohr.

Erregung vermengt mit Zorn und Adrenalin lief mir heißkalt den Rücken hinab.

»Jedoch niemals solchermaßen gut wie ich.«

Scheiße!

»Lass mich los! Verdammt noch einmal! Lass mich los!«

Oder ich würde ihn …

Ja, was würde ich …?

Gar nichts konnte ich tun!

»Verfickte Scheiße! Lass mich los!«

Seine Antwort? Ein genüssliches »Nein«.

Und meine? »Fick dich!«

»Ich glaube eher, du wolltest sagen: Fick mich.«

Völlig sinnfrei versuchte ich, mich aus seinem eisernen Griff zu befreien: Dies beinhaltete unter anderem nutzlose Versuche, nach seinen Händen zu greifen und mit lauten, wilden Flüchen wie Drecksack, Arschloch, Hundesohn, um mich zu werfen.

»Hey … hey.« Samtweich schnurrend gab er diese Erwiderung von sich. »Wenn du mich weiterhin beleidigst, lasse ich überhaupt nicht mehr von dir ab.«

Verfluchter Scheißdreck!

Und als wäre diese Situation nicht längst peinlich und erniedrigend genug, musste er seinen durchtrainierten und sich unwahrscheinlich heiß anfühlenden Körper teilweise an meinen Rücken pressen, wodurch sich mein krudes Hirn kleinweise verselbstständigte und mir allerlei erotische Bilder lieferte: er mich zu Boden gedrückt, seine Hand unter meinem Sommerkleid, meinen Oberschenkel massierend … dann langsam weiter zwischen meine Beine gleitend und letztlich seine Finger in meinen Leib schiebend.

»Nun«, riss Theo mich aus den Tagträumen. »Wie wäre es mit einer kleinen morgendlichen Zärtlichkeit?«

Diese Worte brachten meinen Körper in einen Ausnahmezustand. Ein heftiges Zittern ergriff Besitz von mir, welches ich zwanghaft zu unterbinden versuchte. Des Weiteren breitete sich eine verstandabdrehende Hitze in meinen Wangen und meinem Unterleib aus.

Sex mit ihm …

Wäre er ein guter Liebhaber?

Scheiße Evina, was denkst du da?! Der Typ würde dich genauso ausnutzen wie dein verfickter Ex.

Exakt.

Doch das würde niemals mehr passieren.

Keine Beziehung, auch keinen One-Night-Stand – nichts würde ich zulassen.

Selbst wenn ich vor Verlangen durchdrehte …

Ein weiteres Mal derart gekränkt zu werden, hätte ich nicht überlebt.

»Eher ziehe ich es vor, mein Leben lang alleine zu bleiben, bevor ich es mit dir treibe!«

Und keine Sekunde später bereute ich meine Aussage.

War ich ernsthaft derart verzweifelt? Hatten mich die letzten einsamen Jahre solcherweise verkorkst?

Weswegen konnte ich nicht zugeben, dass Theo recht hatte … ich endlich wieder berührt werden wollte?

Weswegen spielte ich der gesamten Welt vor, ich würde niemanden brauchen, wenn es niemals der Wahrheit entsprochen hatte?

»Weshalb reagierst du so heftig?«, vernahm ich ihn sanft fragen. »Da stimmt doch was nicht.«

Mir wurde es kalt. »Lass mich einfach in Ruhe.«

Und er ließ mich tatsächlich los.

Ich wollte mich von ihm entfernen, mein Ego hingegen hatte andere Pläne: Ich schlug zurück. Mit einem Kopfstoß gegen sein Kinn und nachfolgend perfekt platziertem Schlag meines Ellbogens in seinen Magen.

Taumelnd landete er auf dem Rücken.

Ich wollte ihm einen weiteren Schlag in die Fresse verpassen – dieses Mal mit der Faust –, zu meinem Pech blockte er mich elegant ab, packte mich blitzschnell an den Armen und zerrte mich zu ihm zu Boden. Breit lächelnd drückte er mich in den kühlen, feuchten Sand und fixierte meine Hände über meinem Kopf.

Da erhob sich jäh die Sonne, schickte ihr rot-oranges Licht über das Meer – und die Zeit stand still.

Theos Haare leuchteten kupferbraun, seine Augen funkelten wie pures Gold.

Es raubte mir den Atem.

»Das gefällt mir.« Er lehnte sich zu mir. »Ich stehe auf widerspenstige Frauen. Das macht mich heiß.«

Ich wusste wahrhaftig nicht, was ich entgegenbringen konnte.

Schließlich gefiel es mir ebenfalls!

Seit jeher war ich streitlustig und aufbrausend – und ebenso schnell erregte es mich, wenn jemand mich herausforderte, erst recht in der Abteilung Kampfsport.

Und bei einem solchen Körper wie dem seinigen? Da konnte man bloß auf schweinische Gedanken kommen, oder?

»Sollen wir uns noch ein wenig zusammenschlagen oder überspringen wir das Ganze und gehen in meinen Bungalow?«

Mein Ego schaltete sich erneut ein – und meine Vernunft, oder besser gesagt, mein Verstand. »Nein. Ich habe dir gesagt, ich stehe nicht auf One-Night-Stands, kapiert?«

»Irgendwie kann ich dir nicht recht glauben.«

»Glaub, was du willst.«

Ich versuchte mich unter ihm herauszuwinden.

»Nein, nein«, tadelte er spielerisch. »Vergiss es. Du stehst erst auf, wenn ich dich lasse.«

Dies gesprochen, setzte er sich rittlings auf meinen Bauch.

Fuck!

»Okay.« Seufzend entspannte ich mich. »Was willst du?«

Er zog seine rechte Braue nach oben. »Na, Sex. Worüber unterhalten wir uns die ganze Zeit?«

»Gibt es, von Sex einmal abgesehen, noch etwas anderes für dich?«

»Ich bin im Urlaub. Ich bin Single und ich habe verdammt viel Stress abzubauen. Also, nein. Weswegen auch? Sonst habe ich alles, was ich mir wünsche.«

»Lediglich eine Nutte fehlt dir?«

Männer waren wirklich alle die Gleichen!

Seine wohlgeformten Augenbrauen zogen sich bedrohlich nach unten. »Ich brauche keine Nutte! Ich wollte ein wenig Spaß. Ist das ein Verbrechen?«

»Und falls du keinen Gratissex bekommst, was dann?«

Theos Lippen deuteten ein Lächeln an. »Dann mache ich es mir eben selbst.«

O Gott.

Wie sah es aus, wenn er sich selbst anfasste? Wie fasste er sich an? Würde er es sich sitzend, liegend oder stehend machen?

Heiße Lust brauste mir durch den Leib.

Wie würde er reagieren, wenn ich es wäre, die ihm seine Härte massierte?

Hör auf, Evina! Hör auf, darüber nachzudenken.

»Woran hast du eben gedacht?« Ein breites wissendes Grinsen seinerseits trieb mir die Schamesröte ins Gesicht.

Hatte ich ihm irgendeinen Grund geliefert, zu erkennen, welche schmutzigen Gedanken in meinem Kopf herumgeisterten?

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