Meine Seele will endlich fliegen

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Über mehrere solcher Systemischen Aufstellungen hinweg wurden wir als Stellvertreter immer wieder konfrontiert mit der Thematik von Krieg, Tod und unverarbeiteter Trauer und konnten uns so darüber bewusstwerden, wie sich die ungelösten Energien, deren Ursache meist in dem unverarbeiteten Schmerz von damals lag, auch heute noch als Blockade innerhalb der Beziehung zwischen Eltern und Kind zeigen. So erlebten wir immer wieder einmal Situationen, wo wir erkennen konnten, dass uns die Eltern als Kinder mit unseren Bedürfnissen nach Wertschätzung und Liebe gar nicht wirklich wahrnehmen und fühlen konnten. – Ganz im Gegenteil. – Wir überforderten sie zusätzlich, indem wir jetzt auch noch bedürftig nach ihrer Liebe und Zuwendung waren. Zum Teil waren sie mit ihrem Schmerz wie zu einer Salzsäule erstarrt, da in ihnen so viel an Angst, Traurigkeit und anderen Emotionen war, die ein Fühlen und Wahrnehmen des eigenen Kindes gar nicht möglich machten. Wie ein Schatten lebten diese Energien in ihnen fort und blockierten unbewusst die Beziehung zu ihrem eigenen Kind. – Und über allem konnten wir immer und immer wieder sehen, dass es in aller Regel an der Kommunikation zwischen den beteiligten Personen fehlte. Man hatte schon viel zu lange das Tuch des Schweigens über alles gelegt und wollte mit dem eigenen Seelenschmerz, sowie der Angst und Ohnmacht, die sich dadurch zeigen können, nicht konfrontiert werden. … Wie sollten uns die Eltern also das geben, wonach sie selbst bereits in ihrem Leben suchten, ganz egal wie bewusst oder unbewusst sie dies taten?

Erst mit der Lektüre der Bücher von Frau Bettina Alberti und Frau Sabine Bode (siehe Literaturverzeichnis) konnte ich nach und nach eine andere Perspektive einnehmen und mehr Verständnis für die Situation meiner Eltern aufbringen und verstehen, warum sie waren, wie sie waren bzw. sind (meine Mutter lebt noch). Sie sind im Grunde genommen selbst zutiefst verletzte und traumatisierte Kinder, die es sich ihr Leben lang untersagt hatten, Schmerz, Trauer und andere Gefühle zu verarbeiten. Sie erschufen sich stattdessen eine Welt, in der es so zu sein hatte, wie es wichtig und richtig für sie war. Dabei konzentrierten sie sich bewusst wie unbewusst sehr oft noch auf die alten Werte, nach denen sie selbst erzogen wurden, als da sind: Härte gegen sich selbst – Weitermachen trotz Weh und Ach – Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Geboren war der Mensch, der scheinbar nahezu „bedürfnislos“ funktionierte und mit ganz wenig zufrieden war.

Wir leben schon in der dritten Generation (Eltern, Großeltern, Urgroßeltern) in einer Welt, die in den Erinnerungsfeldern unseres Unterbewusstseins noch viel aus Schutt und Asche, seelischen Trümmern, Not und Verzweiflung usw. besteht. Drei Generationen Ahnen, die sich – was ihre persönliche Entwicklung angeht – hauptsächlich den Wiederaufbau auf die Fahnen schrieben. Ihre Rettung war ihre Art von „Flucht“ in diverse Abwehrmechanismen, um entsprechend ihrer Lebensbedingungen möglichst gut zu funktionieren und das auszublenden, was für Schmerz, Trauer, Kummer, Angst, Sorgen etc. stand. – Für das, was sie aus dem Nichts heraus geleistet haben, gebühren ihnen größte Anerkennung, Wertschätzung, Achtung, Respekt und Dank. – Durch die Aufarbeitung meiner eigenen Vergangenheit und der Geschichte der Ahnen wurde mir immer mehr klar, dass sie im Grunde genommen stets ihr Bestes gegeben hatten, auf der Grundlage dessen, was sie selbst erfahren und erlernt hatten.

Die Welt unserer Eltern und Ahnen konnte nicht aus Träumen bestehen. Da waren harte Fakten (Skills) gefragt. Für die weicheren Skills sind jetzt wir, die nachfolgenden Generationen, gefragt. Da, wo unsere Eltern mit dem wirtschaftlichen Aufbau einer Gesellschaft gefordert waren und die entsprechenden Werte lebten, sind jetzt wir gefragt, uns unserer eigenen Werte und Ziele bewusst zu werden und vermehrt nach diesen zu leben, damit sich ein struktureller Wandel vollziehen kann. Jetzt ist die Zeit, um neue Ideale, Werte und Ziele ins Leben zu bringen. Ein Auftrag, vor dem wir im Kleinen wie im Großen weltweit alle stehen.

In ihrem Buch Seelische Trümmer (S. 132ff) gibt uns Bettina Alberti dazu Fragen an die Hand, deren Beantwortung wichtige erste Schritte in der emotionalen Selbstführung und Bewusstwerdung eigener Bedürfnisse sind:

 Welche Werte hatte und hat die Herkunftsfamilie? – Kann ich diese Werte auf den inneren Prüfstand stellen, einige ablehnen und andere annehmen?

 Was habe ich von der Eltern- und Großelterngeneration gelernt?

 Wie kann ich meinen Frieden mit der Vergangenheit machen?

 Gibt es alte, unbewusste Aufträge aus der Herkunftsfamilie, die mich binden?

 Welche Werte kann ich selbst ins Leben bringen? – Was braucht meine Seele?

 Was bringt mich weg von mir und was führt mich zu mir hin?

 Kann ich mit anderen darüber kommunizieren, was mich wirklich bewegt?

 Was braucht einen Platz in mir, einen Hort der Geborgenheit?

 Kann ich lernen, das Hier und Jetzt wahrzunehmen?

 Was ist mir wichtig, was spricht mich an?

 Welche Menschen erreichen durch welche Werte die Tiefe meiner Seele?

Um die Ressourcen, die in der Vergangenheit liegen, zu sehen, ist es wichtig, die eigene Vergangenheit zu reflektieren. Unseren Frieden damit zu machen. Noch viel mehr in die Verantwortung für den Umgang mit sich selbst und mit den anderen zu gehen. Unsere Schwächen genauso anzunehmen wie unsere Stärken. Den eigenen Gefühlen zuzuhören. Alle Gefühle zu leben und authentisch zu sein. Sich für andere zu öffnen, auch wenn es heißt die eigene Verwundbarkeit zu zeigen. Die Beziehung zu sich selbst liebevoll auszubauen und zu gestalten, um frei zu werden für ein Mehr an gesunden Beziehungen mit anderen.

1 Dr. Jürgen Wettig. Eltern-Kind-Bindung. Kindheit bestimmt das Leben; Deutsches Ärzteblatt 2006; 103(36): A 2298–2301. Abrufdatum 06. 01. 2021, von https://www.aerzteblatt.de/archiv/52567/Eltern-Kind-Bindung-Kindheit-bestimmt-das-Leben

2 Prof. Dr. Ruppert Frank. Symbiosetrauma und symbiotische Verstrickun-gen. Abrufdatum 06.01.2021, von https://docplayer.org/18729030-Sym-biose--trauma-und-symbiotische-verstrickungen.html

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Warum Krise und Krankheit? – Was sagen Körper, Geist und Seele dazu?

Krankheit!? – Was, wenn ich lerne, anders auf das Phänomen von Krankheit zu sehen? Schlägt man im deutschen Standardwerk der medizinischen Wörterbücher, dem „Pschyrembel“, den Begriff „Krankheit“ nach, so definiert er sich als „Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen und/oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen“3. Diese Definition entspricht letztlich auch der Unterscheidung in körperlich-organische, psychosomatische und psychische Krankheiten, deren Entstehung entweder naturwissenschaftlich-somatisch, sozio-psycho-somatisch oder verhaltensbedingt erklärt wird.

Da ich aufgrund meiner eigenen Situation gelernt habe, dass Krankheit nicht einfach so mit uns geschieht, sondern eine wichtige Botschaft in sich trägt, die es herauszufinden und zu entschlüsseln gilt, habe ich mich in Anbetracht meiner eigenen Geschichte – und der freien Zeit, die diese mit sich bringt – nach jahrzehntelanger Odyssee von Arzt zu Arzt nun endlich entschieden, meine eigenen Studien hinsichtlich meiner Symptomatik zu vertiefen, um so für mich in Erfahrung zu bringen, welche Botschaften es sind, die mir mein Körper bzw. meine Seele vermitteln wollen. Also machte ich mich auf den Weg, die Sprache meiner Symptome immer mehr zu erlernen, um mich selbst und meine Geschichte damit letztlich besser zu verstehen. Meine wichtigsten Nachschlagewerke habe ich Ihnen diesbezüglich bereits vorgestellt. Es waren die Bücher von Dr. Ruediger Dahlke, sowie die Bücher der spirituellen Lehrerin Lise Bourbeau (siehe Literaturverzeichnis), die mir wichtige Ratgeber wurden, wenn es darum ging die Sprache der Symptome zu entschlüsseln und sie in einen Kontext mit Familiengeschichte und Biografie zu bringen.

Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass wir alle, jeder Einzelne von uns, so viel mehr zu unserem eigenen Genesungsprozess beitragen können, wenn wir nur bereit sind die Verantwortung dafür wieder mehr in die eigene Hand zu nehmen, statt uns ausschließlich dem medizinischen Fachpersonal anzuvertrauen. Es ist zwar wunderbar, dass es jahrelang geschultes Fachpersonal in den einzelnen medizinischen Fachbereichen gibt. Und ich möchte diese Gespräche mit den Fachspezialisten nicht missen. Doch mit jedem Arztbesuch stellte ich mir immer mehr die Frage: Wie soll es ein noch so guter Arzt bei 10- bis bestenfalls 30-minütigen Gesprächen je vermögen, sich in mich und meine Krankengeschichte überhaupt so hineinzufühlen und zu denken, dass er mich optimal beraten kann, zumal im Wartezimmer noch so viele andere Patienten sitzen, die ihrerseits ebenfalls der besten Versorgung bedürfen? Wir können die Verantwortung für unsere Gesundheit unmöglich abgeben, indem wir uns nur in eine medizinische Behandlung begeben. Mediziner wie auch Psychologen sind bestenfalls unsere Wegbegleiter und Berater, die uns mit ihrem Fachwissen so gut sie es vermögen zur Seite stehen.

Um jedoch nachhaltig gesund zu werden, haben wir auf eine innere Reise zu gehen und in uns selbst zu erforschen, was uns die Sprache unserer Symptome lehren will. Nur so kann Heilung tief in unserem Inneren geschehen, die sich uns dann auch wiederum im Außen in Form von Frei-Sein von bestimmten Symptomen zeigen kann. Dafür brauchen wir mitunter sehr viel Geduld und müssen wieder lernen ins Urvertrauen zu gehen. Heilung geschieht dann, wenn meine Seele wieder im Einklang mit meinem Körper und Geist ist. Zuerst fängt die Heilung in der Seele an, dann kommt nach und nach der Geist dazu, denn auch in ihm bedarf es bestimmter Voraussetzungen, damit tiefe Transformation und Heilung geschieht. Als Letztes wird mein Körper auf all die positiven Veränderungsprozesse reagieren – daher brauchen wir viel Geduld. Hier müssen erst wieder die ganzen Regenerationsprozesse stattfinden, bevor eine vollkommene Genesung sichtbar wird. Wichtig ist, dass wir während dieser ganzen Zeit an uns selbst und an die Kräfte, die in uns wirken, glauben. Außerdem spielt unsere persönliche Überzeugung eine sehr wichtige Rolle, denn sie beeinflusst unseren Geist. Es gilt am wahren Grund unseres Krank-Seins zu arbeiten, denn nur so kann eine wirklich tiefe, innere Heilung geschehen. Und die braucht ihre Zeit. Zudem ist eine wesentliche Aufgabe im Hinblick auf ein wirklich gesundes, erfülltes und damit letztlich auch glückliches Leben, zu versuchen Schritt für Schritt ein Gleichgewicht zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein anzustreben.

 

Unser Körper ist so intelligent, dass er uns mit Hilfe einer bestimmten Krankheit wissen lässt, dass in uns etwas in Unordnung, in Chaos, in Krise geraten ist. Könnten wir die Sprache unseres Körpers besser deuten und verstehen und würden wir wieder mehr unserer eigenen Natur und Intuition vertrauen, dann stünden wir um ein Vielfaches besser in Beziehung mit uns selbst und könnten beizeiten Vorsorge treffen, damit bereits zu Beginn einer Krankheit Mittel und Wege gefunden werden, um besser mit uns selbst in Einklang zu sein. Wir haben einen hochintelligenten Körper, vielleicht den effektivsten Computer von Welt und wissen so wenig darüber, wie wir diese Datenbank effizient nutzen können. Das heißt beim besten Willen nicht, dass ich irgendeine Art von klassischer Medizin oder Apparate-Medizin etc. missbillige oder ihr gar abschwöre. Ich will Sie als Leser mit meinen Ausführungen nur dahingehend sensibilisieren, dass es an uns allein liegt, uns bewusster für ein Leben im Einklang mit Körper, Geist und Seele zu entscheiden.

Ich selbst bin das beste Beispiel dafür, wie ungesund es ist, wenn wir alle anderen Aufgaben und Pflichten als wichtiger ansehen als die Gesundheit unseres Körper-Geist-Seele-Systems. Wenn wir nicht in Beziehung und damit auch nicht in Harmonie mit uns selbst sind. Wenn wir uns vernachlässigt haben. Vernachlässigt wofür? – Hat es mich glücklich gemacht, so viel im Außen zu sein und dafür so wenig bei mir selbst? – Klare Antwort darauf: „Nein!“

Soll es wirklich um tiefe Heilung gehen (und das wünsche ich mir), darf weder das eine, noch das andere vernachlässigt werden. Es gilt sich immer alle drei Bereiche anzusehen, denn in ihnen ist der Schlüssel für Heilung zu finden. Das habe ich inzwischen gelernt. Das eine bedingt das andere. Lasse ich einen Teil unberücksichtigt, kann tiefe Heilung viel zu wenig geschehen, weil alles so eng miteinander verbunden ist, dass bei Vernachlässigung eines Teilbereichs stets ein Ungleichgewicht bestehen bleibt. So entsteht in gewisser Weise eine Form von Disharmonie. Für mich war es wichtig mir dieses Beziehungsgeflecht zwischen meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele anzuschauen und dieses wiederum in Beziehung zu setzen zu meiner Biografie. Diese vier strukturellen Einheiten sind es letztlich, die für mich einer intensiven Betrachtung bedürfen, wenn es darum geht, die eigene Krankengeschichte verstehen zu wollen, denn nur so kann ich effektiv und nachhaltig in die Selbstheilung gehen.

Ich für mich habe irgendwann in meinem Leben durch irgendeine Situation, einen Auslöser, einen „Schlüsselreiz“ bedingt unbewusst ein Programm aktiviert, sodass sich mein Leben unter genau den Vorzeichen, die ich mir unbewusst erwählt habe, in eine ganz bestimmte Richtung entwickeln sollte. Ich werde es in meinem Buch immer und immer wieder erwähnen, weil ich ganz fest davon überzeugt bin und es von Gott auch mehrfach bestätigt bekam: In unserem Leben geschieht nichts umsonst. Alles unterliegt einem höheren Sinn. Ja, ich kann sogar sagen: Alles dient mir, denn nichts kommt von ungefähr. Auch wenn wir die Dinge zunächst nicht verstehen, auch wenn wir gegen sie laut oder leise aufbegehren, oder sie gar zu leugnen versuchen. Sie geschehen, weil wir mit ihrer „Hilfe“ etwas zu lernen haben.

Als Seele haben wir uns in Absprache mit Gott bestimmte Aufgaben erwählt, um an ihnen zu wachsen, denn zur Entwicklung unsere Seele sind wir hier. Sie will bestimmte Erfahrungen machen und aus ihnen lernen. Manche dieser Aufgaben sind schön. Manche nicht. Manche resultieren noch aus einem früheren Leben, weil wir sie damals – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht bewältigen konnten. Diese bringen wir dann in dieses Leben mit, und neue Aufgaben kommen dazu, die wir uns für die neue Inkarnation zusätzlich erwählt haben.

Dass dies eine wesentliche Tatsache ist, nach der unser Leben funktioniert, haben wir nur leider vergessen, doch es ist wichtig, sich dies ebenfalls immer wieder bewusst zu machen. Es hilft besser zu verstehen, warum unser Leben ist, wie es ist, statt an den Gegebenheiten zu zerbrechen. Und dieses Rückerinnern an unseren Seelenauftrag hilft auch, sowohl den Sinn von diversen Grunderkrankungen, als auch den Sinn späterer Lebensereignisse wie Tod, Trennung, Krise, Krankheit usw. besser zu verstehen. Das Problem ist nur, wir können uns zwar an den schönen Dingen unseres Lebens erfreuen, doch alles andere negieren wir und lehnen es entschieden ab. Doch diesen Ereignissen kommt im Grunde genommen eine wichtige Bedeutung zu, weil sich für uns dahinter eine wichtige Aufgabe im Sinne des persönlichen Wachstums verbirgt. Nehmen wir jedoch die Herausforderung (egal welcher Art) an, setzen uns konstruktiv mit ihr auseinander, machen uns bewusst, was der Bedeutungsgehalt hinter entsprechender Situation ist, wachsen wir an ihr, finden Lösungswege, kommen nach und nach in unsere Kraft und werden so auch gegenüber neuen Lebensaufgaben widerstandsfähiger, resilienter.

Ist es uns jedoch nicht bewusst und verkennen wir die Tatsache, dass Leben lernen, Entwicklung und Wachstum heißt, verweigern wir uns unbewusst der Lernaufgabe, die hinter den Ereignissen steht, stoppen damit aber auch unsere Entwicklung, unseren Fortschritt. Treten unter Umständen so lange auf einer Stelle, bis sich uns das Thema zwar mit gleichen Vorzeichen, aber in einem neuen Gewand erneut zeigt. So lange, bis wir bereit sind genauer hinzusehen. Erst durch diese Bereitschaft (die leider sehr oft mit starken Schmerzen, sowie den Erfahrungen von Kummer und Leid einhergeht) lernen wir tiefer hinzuschauen, kommen ins Handeln, machen uns die Zusammenhänge bewusst. Und somit kann endlich das, was uns so lange – weil unbewusst – die klare Sicht auf einen bestimmten Sachverhalt genommen hat, in Lösung und damit auch in Heilung gehen. Wir wehren uns nicht länger, eine bestimmte Erfahrung zu machen, sondern nehmen sie an, akzeptieren sie. Fragen nach, was sie uns zu sagen hat. Die Antworten, die wir darauf bekommen, helfen uns wiederum, den nächsten Schritt in der Betrachtung einer gewissen Thematik zu gehen. So lange, bis wir im Betrachten der Ursachen für eine bestimmte Sache angekommen sind. – In diesem Sinne habe ich gelernt, mich immer mehr zu fragen:

Was lehrt mich mein Körper?

„Geh du vor“, sagte die Seele zum Körper,

„auf mich hört man nicht, vielleicht hört man auf Dich.“ –

„Ich werde krank werden“, antwortete der Körper,

„dann wird man Zeit für Dich haben!“

Ulrich Schaffer

Hashimoto-Thyreoiditis, Alopezie, Schwankungen im Hormonhaushalt, chronische Entzündungen, Parodontitis, Verdauungsprobleme, Allergien, tränende Augen, trockene Haut, Lebensmittelunverträglichkeiten, Bandscheibenvorfall, Rückenschmerzen usw. – Egal bei welchem Arzt ich war: Die Erklärung, dass es sich bei meinen Symptomen noch um eine Schwächung meines Immunsystems aus der Zeit der Hodgkin-Erkrankung heraus handeln kann, dass z. B. der Hashimoto oder die Alopezie Autoimmunerkrankungen sind, die nicht heilbar sind, mit denen ich lernen müsste zu leben, stellte mich nie zufrieden, sodass für mich – neben all den Verpflichtungen, die ich sonst in meinem Leben eingegangen war – eine sehr lange Zeit mit der Suche nach einer Erklärung für meine Symptomatik begann. Doch mit dem Ergebnis war ich nie wirklich zufrieden. – Erst jetzt befasse ich mich intensiver damit und frage mich: Wie viele Begleitsymptome brauche ich eigentlich noch, um endlich die Augen aufzumachen und hinzuschauen? Um endlich sehen zu lernen, worin diese ganze Symptomatik begründet ist? Um mich ganz offen und ehrlich mit meinen Themen auseinanderzusetzen und aus all dem zu lernen? Um in die Annahme all dessen zu gehen, was da ist, und von da aus dann Schritt für Schritt in die Heilung zu gehen? – Am besten fange ich bei dem Stichwort der Autoimmunerkrankung an.

Autoimmunerkrankung und Autoaggressionserkrankung – Was ist darunter zu verstehen?

Von der Schulmedizin werden unter dem Begriff der „Autoimmunerkrankung“ Krankheiten zusammengefasst, „die auf der Grundlagechronisch-entzündlicher Prozesse basieren, bei denen es durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems zur Zerstörung körpereigener Strukturen (Zellen und Organe) kommen kann.“ Wie und warum es jedoch zu solchen Fehlregulationen der Abwehrkräfte kommen kann, gilt trotz intensiver Forschungsarbeit als nicht geklärt. Stattdessen geht man davon aus, dass diese Erkrankungen unheilbar sind. Interessant ist auf jeden Fall, dass es in den letzten Jahren in den westlichen Industrieländern immer mehr Personen gibt, die von Autoimmunerkrankungen betroffen sind. Die Zahl der Erkrankten soll inzwischen bereits bei mehr als 5 % liegen. Demnach stehen nach den Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Autoimmunerkrankungen bereits an dritter Stelle.

Fakten hin, Fakten her. – Ich kann und will es nicht glauben, dass es mein eigener Körper sein soll, der sich angeblich gegen mich selbst richtet. Tief in mir ist etwas, das dieser Erklärung des Begriffs Autoimmunerkrankung keinen Glauben schenken kann. Da muss es noch etwas anderes geben, was in diesem Falle gewichtiger zu sein scheint als mein Körper. Mein Immunsystem hat doch – so habe ich es zumindest einmal gelernt – jegliches Interesse daran, dass ich wieder gesunden kann. Wozu also diese Fehlsteuerung? – Wo kommt sie her? – Gibt es etwas in mir, das diese Körperchemie so stark negativ zu beeinflussen vermag, dass diese so aus dem Ruder läuft und für Chaos sorgt, was sich mir letztlich dann mit dieser ganzen Symptomatik zeigt? – Und wo kommt denn meine auf mich selbst gerichtete Aggression her, die sich unter dem Begriff der Autoaggressionserkrankung verbirgt? – Warum kämpfe ich gegen mich? – Meine ich damit wirklich mich? – Wen bekämpfe ich wirklich? – Gegen wen befinde ich mich letztendlich tatsächlich im „Krieg“? – Egal ob bewusst oder unbewusst. – Wer ist es, gegen den ich meine Waffen richte, um mich vor Verletzungen – welcher Art auch immer – zu schützen? – Mit wem kämpfe ich hier indirekt um mein Leben? – Wer ist mein Gegenüber? – Wer ist stärker als ich, weil ich ihm unbewusst Macht über mich gegeben habe? – Wer entscheidet darüber, ob es mir gut geht oder nicht? – Von wem bin ich so abhängig, dass er oder sie – egal ob bewusst oder unbewusst – so sehr beeinflussen kann, wie es mir geht?

Inzwischen ist mir klar: Ich kann denken wie ich will und ich kann mich auch weiterhin vor den Antworten verstecken, wie ich es jahrelang getan habe, weil ich dem Wort „unheilbar“ zu viel Glauben geschenkt habe. Will ich wirklich gesund werden, komme ich um eine klare und ehrliche Sicht auf die Dinge nicht umhin. Will ich all die Wunden, die da nach wie vor in mir „eitern“, Gott mit der Bitte um Heilung übergeben, dann ist es jetzt meine Aufgabe hinzuschauen und mir die Wahrheit anzusehen. Mag sie noch so bitter sein. Manchmal muss die Medizin, die man hinsichtlich eines Genesungsprozesses einzunehmen hat, bitter schmecken. Hieß es früher nicht sogar: Je bitterer die Medizin, umso größer der sich daraus ergebende Heilerfolg. … Dass meine Selbsterkenntnis hinsichtlich meiner Symptomatik so bitter ist: Gott möge mir dies verzeihen. Ich selbst möge mir dies verzeihen. – Ich kann nicht anders. Ich muss diesen Weg gehen. Ich muss hinschauen und somit meiner größten Angst und der Realität, die ich mir erschaffen habe, in die Augen sehen. Also beginne ich damit, mir das Ganze von Anfang an anzusehen, damit ich Antworten auf meine Fragen bekomme. Fragen wie: Warum bekämpfe ich mich? – Was lehne ich an mir ab? – Was hasse ich so sehr an mir, dass …? – Warum lebe ich dieses Selbstzerstörungsprogramm?

 

Wann und womit hat das alles angefangen? – Nun, zum Teil kennen Sie ja schon ein paar Details aus meinem Leben, um vielleicht besser zu verstehen, warum ich die bin, die ich bin.

Neugierig wie ich bin, starte ich bereits als Neugeborene alles andere als sanft in dieses Leben. Im Grunde genommen wird bereits mit dem Symbiosetrauma, das ich Ihnen im vorigen Kapitel vorgestellt habe, meine lebenslange Suche nach Halt, Vertrauen, Geborgenheit, Akzeptanz, einem Gefühl von Herzlich-Willkommen-Sein, einem Angenommen-Sein ganz so wie ich bin, nach Gesehen-Werden, nach Gehört-Werden, nach Wertschätzung und Liebe unbewusst durch das Fehlen der Verbundenheit mit meiner Mutter aktiviert. – Mein Verstand sagt mir zwar, dass weder sie noch ich etwas für diesen Umstand der längeren Trennung können. Genauso wenig wie ich selbst hat sich dies wohl meine Mutter für mich gewünscht. Ich kann mir vorstellen, dass sie das gerne anders gehabt hätte, wäre ihr damit doch eine Sorge um ein krankes Kind erspart geblieben. Und auch wenn wir uns dies nicht gewünscht haben, sollte es unser beider Schicksal werden, getrennt voneinander durch diese Zeit zu gehen. Ich kann verstehen, dass sie ihre Liebe dem Neugeborenen zuwandte, das nach wie vor bei ihr blieb. Meinem Bruder. Somit wurden – was auch ganz natürlich ist – zwischen ihm und ihr natürliche Bande aufgebaut, die sie beide ein Leben lang in einer guten Beziehung zueinander sein ließen.

Das ist ein Teil der Geschichte, die ich mit meiner Ratio sehr gut zu erfassen und zu verstehen vermag, und dennoch lebt in mir ein Schmerz, der sich mir immer und immer wieder zeigt, auch dann, wenn ich ihn zu verdrängen versuche. Es gelingt mir nicht ihn zu betäuben, auch wenn ich versuche, ihn mit Arbeit zu ersticken. Es gelingt mir nicht ihn loszuwerden. Zyklisch kehrt dieser Schmerz immer wieder zu mir zurück. Richtet sich häuslich bei mir ein, ohne groß zu fragen, wie mir dies gefällt. Ist er da, ziehe ich mich mit dem Gefühl einer tiefen Ohnmacht und Einsamkeit beschämt und traurig zurück. Werde für andere nahezu unsichtbar, zumindest unerreichbar. Mache alle Türen zu. Zieh mich in mein Schneckenhaus zurück und lasse keinen wissen, wie es mir geht, weil ich keine Worte dafür finde, warum meine Gefühle gerade so sind, wie sie sind. Ich bin dann so verunsichert und gelähmt, dass ich nicht darüber sprechen kann. Mein Gehirn überschlägt sich zwar förmlich darin, Worte zu finden, mit denen ich versuchen will, diesen Zustand anderen zu beschreiben. Doch bleiben mir die Worte unausgesprochen im Halse stecken, so dass ich im Grunde genommen nicht weiß, wie ich mich dem anderen erklären soll, denn die richtigen Worte kommen mir nicht in den Sinn. Ich bleibe dann wie versteinert und gelähmt mit den Gefühlen des Verlassen-Seins, einer schmerzhaften Einsamkeit und tiefer Traurigkeit zurück. Während mein Herz bis hoch in meine Kehle pocht, was mir vor lauter innerem Aufgebracht-Sein zusätzlich meine Stimme nimmt, habe ich das Gefühl, als bohre sich mir ein Schmerzkörper in meinen Bauch. Direkt zwischen Bauchnabel und Herz. Ich habe erst sehr spät in meinem Leben erfahren, dass dies genau der Bereich ist, der Solarplexus Chakra heißt, das für unsere gesamte Lebenskraft und Vitalität steht und als Sitz des Verdauungsfeuers auch für die Funktion der Verdauungsorgane zuständig ist. Inzwischen kann ich von daher um vieles besser verstehen, warum ich mich in solchen Situationen meiner Lebens-Energie beraubt sehe.

Ist dieses Muster aktiv, erstarre ich förmlich, „friere ein“, werde unfähig zu handeln und ziehe mich so lange zurück, bis ich wieder gleichmäßig und ruhig atmen kann. Das war in den ersten zwanzig Jahren meines Lebens so. Am stärksten ausgeprägt in der Zeit der Pubertät. Und speziell dann, wenn es irgendwelche Differenzen zwischen mir und meiner Mutter gab. Ein negatives Erlebnis aus dieser Zeit ist mir noch immer in Erinnerung. Es gehört zu meiner Biografie. Es hat mein Selbstbild als Frau sehr nachhaltig geprägt. Nur leider nicht in einem für mich positiven Sinn. Es beeinflusst mich heute noch, war mir aber jahrelang so nicht wirklich bewusst. Erst in den Jahren zwischen 20 und 48 fühlte sich mein Leben leichter an. Durch Studium, Partnerschaft und Beruf war ich auf anderes fokussiert. Erinnerungsbilder an die Zeit davor stellten sich für mich erst nach meiner Operation (2008) und verstärkt nach der Alopezie (2010) wieder ein. Ab dieser Zeit erlebte ich immer wieder Phasen, die mich sehr stark an Bilder von früher erinnerten. Die für mich auch mit dem eigenartigen Erleben einhergingen, zwar mit anderen zusammen zu sein, aber dennoch in mir einsam und irgendwie leer zu sein. Heute weiß ich, dass dies die ersten Anzeichen der Beziehungskrise zwischen meinem Ex-Mann und mir waren.

So wie er sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr wirklich gehört, nicht wirklich gesehen, nicht wirklich wahrgenommen, nicht ausreichend geliebt fühlte, so erging es auch mir. Nur dass wir uns unserer Krise nicht wirklich bewusst waren. Wir haben beide unsere unguten Gefühle aus dieser Zeit zu sehr auf Probleme im Außen übertragen, in die jeder von uns auf seine Art verstrickt war. Keiner hatte weder die Energie, noch den Mut, hinzuschauen oder gar zu thematisieren, was da gerade in unserem Leben alles in Unordnung war. Über Probleme zu sprechen war uns nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr waren wir beide sehr stark auf Harmonie gepolt. So hat jeder auf seine Art und Weise zu verdrängen versucht, was letztlich dann doch unausweichlich war. Im Grunde genommen hatten wir uns schon viel zu lange emotional voneinander entfernt. Hatten jedoch große Schwierigkeiten damit uns einzugestehen, dass unsere Beziehung am Ende war. Dass da kein wirklich tiefgehender Dialog mehr zwischen uns war. Zu sehr hatten wir uns schon voneinander entfernt. Doch pflichtbewusst, wie wir beide waren, blieben wir noch bis 2013 zusammen, bis wenigstens einer von uns den Mut hatte, für sich die Konsequenz aus allem zu ziehen und sich aus der Beziehung herauszunehmen.

Ich habe in meinen Ausführungen zum Symbiosetrauma ja bereits darauf hingewiesen, dass sich die ursprünglich mit der Mutter erlebte Art von Beziehung mit dem Partner wiederholt, weil wir unbewusst genau den Partner anziehen, mit dem wir Gleiches erleben wie es bereits die Muster in früherer Kindheit waren. – Wie verrückt. Sowohl im Hinblick auf meinen Ex-Mann, wie auf meine Mutter gilt: Ich liebe sie und kann dennoch – aus welchen Gründen auch immer – weder eine gesunde Beziehung, noch die Liebe, die ich zu ihnen verspüre, leben. Und was mir mindestens genauso weh tut, ist die Tatsache, nicht miteinander sprechen zu können. Sich nicht wirklich verständlich machen zu können. Für mich ist das jedes Mal verbunden mit einem Gefühl tiefer Ohnmacht und Hilflosigkeit. Wie ein Schlag ins Gesicht. Ich möchte reden und sitze dann doch wieder dem anderen sprachlos gegenüber, als hätte mir jemand meinen Mund zugeklebt. – Warum? – Unbewusst hatte ich mir quasi in der Mitte meines Lebens nach zwanzig Jahren Partnerschaft und davon sechzehn Jahren Ehe eine Situation erschaffen, die – was unsere letzten gemeinsamen Jahre anging, die wiederum sehr stark von meiner gesundheitlichen und beruflichen Situation geprägt waren – in ihrer Unfähigkeit zum Dialog meiner Sprachlosigkeit aus Jungendjahren glich. Habe ich schon als Jugendliche versucht, dieser Sprachlosigkeit zu entfliehen, so holte sie mich jetzt in den mittleren Jahren noch einmal massiv ein. Viel mehr als mir lieb war. – Folglich stellen sich mir zwei Fragen: Was bitte soll ich aus all dem lernen? – Und was hat das Ganze mit Autoaggression denn überhaupt noch zu tun?

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