Buch lesen: «Evangelisches Kirchenrecht in Bayern», Seite 18

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e)Verpflichtete Schularten

Zu den Schulen, in denen Religionsunterricht zu erteilen ist, gehören nach Art. 7 Abs. 3 GG alle öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen. Öffentliche Schulen sind staatliche oder kommunale Schulen (Art. 3 Abs. 1 S. 1 BayEUG), aber auch staatlich anerkannte Ersatzschulen, denen ein öffentlicher Charakter verliehen worden ist (Art. 79 BayEUG). Bekenntnisfreie Schulen sind weltliche oder weltanschauliche Gemeinschaftsschulen. Sie dürfen von den einzelnen Ländern nicht zur Regelschule gemacht werden, sonst liefe die Garantie des Art. 7 Abs. 3 GG ins Leere. Öffentliche bekenntnisfreie Schulen gibt es in der Bundesrepublik nicht.

Weitergehend als Art. 7 Abs. 3 GG ist nach Art. 136 Abs. 2 BV Religionsunterricht ordentliches Lehrfach „aller Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten“ (Realschulen und Gymnasien). Damit sind auch Privatschulen erfasst. Diese über Art. 7 Abs. 3 GG (Verpflichtung nur für öffentliche Schulen) hinausgehende Regelung ist zulässig (Art. 141 GG). Wegen Art. 31 GG (Vorrang des Bundesrechts) und im Hinblick auf die grundsätzliche Privatschulfreiheit gemäß Art. 7 Abs. 4 und 5 GG sind aber diejenigen Privatschulen von der Verpflichtung, Religionsunterricht zu erteilen, ausgenommen, deren pädagogisches Konzept auf einer bekenntnisfreien oder einer durch eine besondere Weltanschauung geprägten Erziehung gründet. Daraus folgt auch, dass etwa konfessionell ausgerichtete Privatschulen nicht verpflichtet sind, Religionsunterricht anderer Konfessionen anzubieten, wenn dies in der Praxis auch meist der Fall ist.

f)Berechtigte Religionsgemeinschaften

(1) Weder im Grundgesetz noch in der Bayerischen Verfassung ist der Kreis der Religionsgemeinschaften (oder wegen der Gleichstellungsklausel in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV auch: Weltanschauungsgemeinschaften) festgelegt, die zur Erteilung schulischen Religionsunterrichts berechtigt sind. Diese Garantien sind daher weder auf die großen Kirchen noch auf diejenigen Religionsgemeinschaften beschränkt, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben.52 Berechtigt sind demnach grundsätzlich alle Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften, sofern sie zumindest die bürgerliche Rechtsfähigkeit (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 4 Weimarer Reichsverfassung) besitzen.53 Im Übrigen muss die jeweilige Religionsgemeinschaft die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.54 Aus schulorganisatorischen Gründen kann darüber hinausgehend eine bestimmte Mindestteilnehmerzahl verlangt werden (nach den bayerischen Schulordnungen: 5). Teilweise kann der Religionsunterreicht – z.B. bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl – auch als außerschulischer Unterricht in den Räumen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt werden (in Bayern z.B. generell bei israelitischen, altkatholischen, russisch-orthodoxen und griechisch-orthodoxen Schülern und Schülerinnen55). Dieser gilt als normaler Religionsunterricht mit allen Folgen eines ordentlichen Lehrfachs (Benotung, Kostentragung durch den Staat u. a.). Ferner können kleinere Religionsgemeinschaften erklären, dass die Lehrpläne des als ordentliches Lehrfach anerkannten Religionsunterrichts einer anderen Religionsgemeinschaft mit den Grundsätzen des eigenen Bekenntnisses übereinstimmen. Soweit dies erklärt worden ist, verzichten diese kleineren Religionsgemeinschaften auf einen eigenen Religionsunterricht. Die Schüler und Schülerinnen dieses Bekenntnisses haben dann den Religionsunterricht der anderen Religionsgemeinschaft zu besuchen (mit allen schulrechtlichen Konsequenzen, freilich auch mit Abmeldemöglichkeit). Aufgrund derartiger Erklärungen nehmen Angehörige des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Bayern, der Evangelisch-Reformierten Kirche und des Bundes Freier evangelischer Gemeinden am evangelisch-lutherischen Religionsunterricht teil.56

(2) Als Bewährungsprobe für das grundgesetzliche Religionsverfassungsrecht erweisen sich die insbesondere auch von den Kirchen57 (!) unterstützten Bemühungen des Staates, einen grundgesetzkonformen Religionsunterricht für muslimische Schüler und Schülerinnen einzuführen. Bisher scheitert dies vor allem an einem hinreichend legitimierten und von anderen Staaten unabhängigen Gegenüber zu unserem Staat auf muslimischer Seite58, das diesem gegenüber zur Festschreibung der Lehrpläne die Grundsätze dieser Religionsgemeinschaft definieren kann.

Der gleichwohl in einer Anzahl von Bundesländern an muslimische Kinder erteilte Unterricht wird aus guten Gründen nicht als Religionsunterricht bezeichnet, weil er rechtlich kein solcher ist. Denn er erfolgt nicht gemäß Art. 7 Abs. 3 GG auf einer von der Religionsgemeinschaft inhaltlich verantworteten Grundlage; stattdessen geschieht die Unterweisung bisher entweder aufgrund einer inhaltlichen Abstimmung des Staates mit einem von diesem berufenen Beirat aus muslimischen Experten und Verbandsvertretern („Beiratsmodell“ in Nordrhein-Westfalen) oder als vom Herkunftsland verantworteter muttersprachlicher Unterricht ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten muslimischen Schule oder Denomination („Konsulatsmodell“).59

In Bayern gab es ab 1986 aufgrund eines Abkommens mit dem türkischen Staat in den Jahrgangsstufen 1 bis 5 – neben dem evangelischen und katholischen Religionsunterricht bzw. dem Ethikunterricht – zunächst im Rahmen muttersprachlichen Unterrichts islamischen Unterricht für türkische Kinder. Mit dem Schuljahr 2001/2002 wurde an zwölf Grundschulen ein Modellversuch gestartet, in dessen Rahmen islamische Unterweisung auf der Grundlage bestehender Richtlinien in deutscher Sprache erteilt wurde. Mit dem Schuljahr 2003/2004 wurde in Erlangen ein auf der Grundlage eines mit einer islamischen Religionsgemeinschaft abgestimmten Lehrplanentwurfs stärker konfessionalisiertes Pilotprojekt begonnen. Zum Beginn des Schuljahres 2009/2010 ist – anstelle der vorangegangenen Unterrichtsangebote – der Modellversuch „Islamischer Unterricht“ (ISU) an Grund-, Haupt-, Wirtschafts-, Real-, Förderschulen und Gymnasien eingeführt worden.60 Der ISU, der 2019 um weitere zwei Schuljahre verlängert worden ist und mittelfristig den Charakter eines Wahlpflichtfaches erhalten soll, vermittelt muslimischen Schülerinnen und Schülern in deutscher Sprache Wissen über Religion sowie eine grundlegende Werteorientierung entsprechend dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung. Die Eltern melden ihre Kinder zur Teilnahme am ISU an; damit entfällt die Verpflichtung zum Besuch des Ethikunterrichts; die Note des Islamischen Unterrichts tritt an die Stelle der Ethik-Note. Die Regierungen stellen den Schulen im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten ggf. geeignete Lehrkräfte zur Verfügung. Diese unterliegen der staatlichen Lehrerfortbildung. 61

g)Teilnahme am Religionsunterricht
(1)Teilnahmepflicht Konfessionsangehöriger und Abmeldemöglichkeit

Teilnahmepflichtig sind alle Schüler und Schülerinnen des betreffenden Bekenntnisses (Art. 46 Abs. 1 BayEUG). Dies folgt bereits aus der Eigenschaft als konfessionell gebundenes Unterrichtspflichtfach. Aufgrund von Art. 4 GG (hier: negative Religionsfreiheit) besteht jedoch die Möglichkeit der Abmeldung. Dabei ist diese Abmeldung unabhängig von einer weiterhin bestehenden Bekenntniszugehörigkeit. Art. 4 gewährleistet die Möglichkeit, sich wegen glaubensbedingter Überzeugungen vom schulischen Religionsunterricht auch dann abzumelden, wenn dadurch die Bekenntniszugehörigkeit bewusst nicht in Frage gestellt werden soll. Bei Abmeldung vom Religionsunterricht besteht die Pflicht zur Teilnahme am Ethikunterricht (Art. 137 Abs. 2 BV, Art. 47 Abs. 1 BayEUG). Diese Verpflichtung trifft auch diejenigen Schüler und Schülerinnen, die keiner Konfession angehören oder für deren Konfession kein eigener Religionsunterricht eingerichtet ist. Der Ethikunterricht ist somit in gleicher Weise Pflichtfach wie der Religionsunterricht. Nach den einzelnen Schulordnungen ist für die Einrichtung des Ethikunterrichts – ebenso wie für den Religionsunterricht – eine Mindestzahl von 5 Schülern oder Schülerinnen vorgesehen.62 Unter Umständen kann der Ethikunterricht auch jahrgangsübergreifend erteilt werden.

Ist ein Religionsunterricht für eine bestimmte Konfession eingerichtet, so dürfen Schüler und Schülerinnen dieser Konfession, wenn ihr Religionsunterricht z. B. wegen Lehrermangels ausfällt, nicht zur Teilnahme am Ethikunterricht verpflichtet werden.63

(2)Teilnahme Konfessionsfremder und Konfessionsloser

Aus der konfessionellen Gebundenheit des Religionsunterrichts folgt – wenigstens dem Grundsatz nach – die konfessionelle Homogenität dieses Unterrichts, d. h. eine Homogenität hinsichtlich des Unterrichtsfachs, der diesen Unterricht erteilenden Lehrkräfte und der diesen Unterricht besuchenden Schüler und Schülerinnen. Mit anderen Worten: evangelischer Religionsunterricht wird durch evangelische Lehrkräfte für evangelische Schüler und Schülerinnen erteilt. Dies gilt entsprechend für andere Konfessionen. Art. 7 Abs. 3 GG lässt aber unter dem Einfluss neuerer religionspädagogischer Ansätze auch Informationen über andere Bekenntnisse im Rahmen des schulischen Bildungsauftrages – und insoweit eine beweglichere Form in der Darbietung dieses Unterrichts – zu. Eine geordnete Teilnahme von Schülern und Schülerinnen einer anderen Konfession ist vom Grundsatz des Art. 7 Abs. 3 GG jedenfalls dann unbedenklich, solange der Unterricht nicht seine besondere Prägung als konfessionell gebundene Veranstaltung verliert.64 Die Entscheidung über die Zulassung solcher Schüler und Schülerinnen steht allerdings – als Ausfluss ihrer Zuständigkeit für die innere Gestaltung dieses Unterrichts – allein der betreffenden Religionsgemeinschaft zu. Gegen ihren Willen dürfen ihr keine Angehörigen anderer Konfessionen aufgedrängt werden, zumal ja die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises unmittelbare Rückwirkungen auf die Gestaltung des Unterrichts hat.

Ein generelles Einverständnis der Religionsgemeinschaften für eine gewisse Öffnung ihres Religionsunterrichts ist gegeben. Unter gewissen Voraussetzungen ist daher auch eine Teilnahme von konfessionslosen oder anderskonfessionellen Schülern und Schülerinnen am Religionsunterricht möglich. Dies in zweifach Weise: Besuch als Pflichtfach65 (unter Wegfall der Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht) oder Besuch zur bloßen Information (bei weiterhin bestehender Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht oder – falls eingerichtet – am Religionsunterricht der eigenen Konfession). Die Einzelheiten sind wegen der auch schulorganisatorischen Auswirkungen in einer staatlichen Regelung enthalten, der KMBek. vom 21. Oktober 2009 (RS 128/1).

Für den Besuch als Pflichtfach sind somit erforderlich:

–Schriftlicher Antrag der Erziehungsberechtigten (vgl. Art. 7 Abs. 2 GG, und zwar beider, § 2 Abs. 2 RKEG – RS 240) an den Schulleiter; volljährige Schüler bzw. Schülerinnen stellen diesen Antrag selbst.

–Schriftliches Einverständnis der Religionsgemeinschaft, der die betreffenden Schüler und Schülerinnen angehören.

–Kein Entgegenstehen zwingender schulorganisatorischer Gründe (z. B. Stundenüberschneidungen, Klassengröße).

–Zustimmung der Religionsgemeinschaft, für deren Bekenntnis der betreffende Religionsunterricht eingerichtet ist, dessen Teilnahme begehrt wird. Auf evangelischer Seite wird die Zustimmung durch den örtlich zuständigen Dekan bzw. Schulbeauftragten ausgesprochen, der zuvor u. a. eine Äußerung der betroffenen Religionslehrkraft einholt. Liegen diese Voraussetzungen vor, spricht der Schulleiter die Zulassung zur Teilnahme aus.

Für den Besuch zur Information sind erforderlich:

–Schriftlicher Antrag der Erziehungsberechtigten oder der volljährigen Schüler bzw. Schülerinnen an den Schulleiter.

–Zustimmung der den betreffenden Religionsunterricht erteilenden Lehrkraft.

–Kein Entgegenstehen schulorganisatorischer Gründe.

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen spricht der Schulleiter die Zulassung zur Teilnahme aus.

Während beim Besuch des Religionsunterrichts als Pflichtfach eine ganz normale Benotung erfolgt, ist dies beim bloßen Besuch zur Information nicht der Fall. Nur auf Antrag erfolgt hier eine Bestätigung der Teilnahme im Zeugnis, ebenfalls auf Antrag mit einem wertenden Zusatz.

Die gelegentlich anzutreffende Zuweisung von Kindern, für die ein eigener Religionsunterricht nicht eingerichtet ist, oder von konfessionslosen Kindern, für die mangels genügender Teilnehmerzahl ein Ethikunterricht nicht besteht, zu Zwecken der Aufsicht, ist ohne Einwilligung der betreffenden Religionslehrkraft und der Kinder bzw. ihrer Eltern nicht möglich. Zum einen fällt die Bestimmung über den Teilnehmerkreis allein in die Zuständigkeit der betreffenden Religionsgemeinschaft (vgl. o.), zum anderen liegt die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht bei der einzelnen Lehrkraft (§ 2 LDO). Eine Teilnahme von Kindern nur zu Aufsichtszwecken hat aber Auswirkungen auf die pädagogische Gestaltung des Unterrichts. Nicht zuletzt sind auch Rechte der Kinder berührt. Durch Art. 4 GG werden sie nämlich davor geschützt, ohne ihr bzw. ihrer Eltern Einverständnis in einen für sie fremden Religionsunterricht geschickt zu werden.

(3)Abmeldung

Nach § 27 Abs. 3 der Bayer. Schulordnung (RS 126) ist eine Abmeldung vom Religionsunterricht bei allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen und Wirtschaftsschulen am letzten Unterrichtstag des Schuljahres mit Wirkung ab dem folgenden Schuljahr und im Übrigen innerhalb der ersten zwei Wochen nach Unterrichtsbeginn möglich. Spätere Abmeldungen sind danach nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Berufung auf Art. 4 GG ist immer ein „wichtiger Grund“ i.S. dieser Bestimmung. Mangels Prüfungskompetenz des Staates müssen die einzelnen Motive für die Abmeldung nicht näher dargelegt werden.66 Ein Hinweis, dass die Abmeldung aus Glaubens- und Gewissensgründen erfolgt, muss daher als ausreichend angesehen werden.67

Die Abmeldung hat schriftlich zu erfolgen. Sie ist von beiden Erziehungsberechtigten (§ 2 RKEG), bei Volljährigkeit von den Schülern und Schülerinnen selbst vorzunehmen. Zumindest ist dies die in Bayern einhellig geübte Verwaltungspraxis, die sich in diesem Punkt an Art. 137 Abs. 1 BV ausrichtet. Die Frage, ab welcher Altersgrenze sich ein Kind selbstständig vom Religionsunterricht abmelden kann, stellt im Geltungsgebiet bayerischen Rechts ein seit langem in der Literatur uneinheitlich beurteiltes Problem dar. Dies hängt mit der Diskrepanz zwischen § 5 RKEG und Art. 137 Abs. 1 BV zusammen:

Allgemein obliegt nach Art. 7 Abs. 2 GG die Bestimmung über die Teilnahme am Religionsunterricht den Erziehungsberechtigten. Damit ist zunächst nur das (Außen-)​Verhältnis Schule – Erziehungsberechtigte angesprochen. Das Verhältnis zwischen elterlichem Erziehungsrecht (Art. 6 GG) und persönlichen Freiheitsrechten des betreffenden Kindes, also das Innenverhältnis Eltern – Kind, ist im Hinblick auf die religiöse Erziehung im RKEG geregelt, welches nach Inkrafttreten des GG als Bundesrecht fortgilt. Gemäß § 5 RKEG steht dem Kinde nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung darüber zu, „zu welchem Bekenntnis es sich halten will“. Nach zutreffender Auffassung ist damit auch die Bestimmung über die Teilnahme am Religionsunterricht umfasst.68 Demnach bestimmen zunächst die Eltern über die Teilnahme am Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2 GG, § 1 RKEG). Nach Vollendung des 12. Lebensjahres darf ein Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen, also auch nicht gegen seinen Willen vom Religionsunterricht ab- oder in denjenigen eines anderen Bekenntnisses umgemeldet werden (§ 5 S. 2 RKEG). Vom 14. Lebensjahr an ist das Kind religionsmündig und entscheidet – legt man § 5 S. 1 RKEG zugrunde – selbst über seine Teilnahme am Religionsunterricht. Es ist somit für diesen Bereich sein eigener Erziehungsberechtigter i. S. von Art. 7 Abs. 2 GG. Dies schließt nicht aus, dass das elterliche Erziehungsrecht auf religiösem Gebiet noch in gewisser Weise fortwirkt und das Kind auch nach Vollendung des 14. Lebensjahres nicht jeder Einflussnahme der Eltern entzogen ist. So kann das aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG folgende Recht auf Pflege und Erziehung der Kinder trotz einer Reduzierung durch § 5 RKEG den Eltern noch immer die Befugnis gewähren, ihr über 14 Jahre altes Kind in seinen religiösen Bemühungen zu unterstützen und Rechte, die dem Kind auf diesem Gebiet zustehen, auch im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.69 Freilich kann dies aufgrund der Regelung in § 5 RKEG nicht mehr anstelle ihres Kindes oder gegen seinen Willen erfolgen.

Hinsichtlich der Abmeldung vom Religionsunterricht enthält nun aber Art. 137 Abs. 1 BV eine gegenüber § 5 RKEG abweichende Altersgrenze: Art. 137 Abs. 1 BV weist Schülern und Schülerinnen erst ab vollendetem 18. Lebensjahr, also mit Volljährigkeit, die selbstständige Entscheidung über die Abmeldung vom Religionsunterricht zu.70

Nach einer weit verbreiteten und vor allem die Verwaltungspraxis bestimmenden Meinung ist für Bayern hinsichtlich der Abmeldung vom Religionsunterricht allein von der Altersgrenze in Art. 137 Abs. 1 BV auszugehen (18 Jahre), während die allgemeine Religionsmündigkeit nach § 5 RKEG – wie auch sonst – dagegen bei 14 Jahren liegt.71 Dies wird damit begründet, dass die Länder in der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes altes Reichsrecht wirksam abändern konnten, mit der Folge, dass diese Änderung partielles (partikulares) Bundesrecht, also räumlich auf das Gebiet von Bayern beschränktes Bundesrecht geworden ist (Art. 125 Nr. 2 GG).72 Dies führt aber zu dem etwas sonderbaren Ergebnis, dass eine selbstständige Abmeldung vom Religionsunterricht erst mit 18 Jahren möglich ist, ein Kirchenaustritt, der die Verpflichtung zum Besuch des Religionsunterrichts entfallen lässt, dagegen bereits mit 14 Jahren.73 Zudem wären die Eltern im Innenverhältnis an die Entscheidung des Kindes gebunden und könnten daher nach außen auch keine von der Willensentscheidung des über 14-jährigen Kindes abweichende Erklärung abgeben.74

Als verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht darf die Abmeldung nicht zu irgendwelchen rechtlichen oder tatsächlichen Nachteilen für die einzelnen Schüler und Schülerinnen führen. Daraus folgt aber nicht etwa ein Anspruch darauf, dass der Ersatzunterricht (Ethik) immer zur selben Zeit wie der Religionsunterricht stattfinden müsse, wenn dies aus organisatorischen, insbesondere stundenplangestalterischen Gründen nicht anders möglich ist und sich daraus keine unzumutbare, für Eltern und Schüler bzw. Schülerinnen nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung ergibt.75

h)Lehrkräfte

(1) In gleicher Weise darf auch die den staatlichen Lehrkräften verfassungsrechtlich verbürgte Entscheidungsfreiheit, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG, 136 Abs. 3 BV) – wie die Abmeldemöglichkeit letztlich eine Konkretisierung der allgemeinen Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und des Benachteiligungsverbots aus religiösen Gründen (Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG) –, nicht zu irgendwelchen Nachteilen bei Ablehnung der Erteilung von Religionsunterricht führen. Entlassungen, Versetzungen, geringere Beförderungschancen sind daher wegen einer derartigen Weigerung grundsätzlich nicht möglich. Ausnahmen ergeben sich allenfalls aus organisatorischen Zwangsläufigkeiten. So kann eine Versetzung dann möglich sein, wenn aus organisatorischen Gründen der Religionsunterricht nicht auf die anderen Lehrkräfte verteilt werden kann, und die den Religionsunterricht abgebende Lehrkraft ihr Stundendeputat nicht aus anderen von ihr erteilten Lehrfächern auffüllen kann. Wenn diese Lehrkraft sonst in keinem anderen Fach Unterricht erteilt, andere Verwendungsmöglichkeiten im Schuldienst also nicht bestehen, ist bei Lehrkräften im Angestelltenverhältnis eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich (Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung), bei Lehrkräften im Beamtenverhältnis auf Zeit oder auf Probe die Entlassung. Lebenszeitbeamte, die aus Gewissensgründen die weitere Erteilung von Religionsunterricht verweigern und anderweitig nicht verwendet werden können, sind in den Ruhestand zu versetzen, da ihnen insoweit kein Vorwurf gemacht werden kann, durch die Berufung auf ein Grundrecht ihre Dienstunfähigkeit herbeigeführt zu haben.76

(2) Gegenüber dem kirchlichen Dienstherrn gilt Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG nicht. Kein Pfarrer oder Religionspädagoge kann sich daher unter Berufung auf diese Vorschrift dem Religionsunterricht entziehen. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Grundrechtsverpflichtet nach Art. 7 Abs. 3 S. 3 sind daher die Träger öffentlicher Schulen. Soweit z.B. § 12 PfDAG (RS 500/2) für Pfarrer und Pfarrerinnen die Verpflichtung zur Erteilung von Religionsunterricht vorschreibt, folgt diese Befugnis aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Danach können die Kirchen regeln, dass ihr Verständnis vom geistlichen Amt auch die Erteilung von Religionsunterricht durch die Träger eben dieses Amtes umfasst.