Buch lesen: «Frausein zur Ehre Gottes», Seite 6

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2.2.1.2 Trennung der Wirkungsbereiche in die öffentliche und private Sphäre

Eine weitere Grundtendenz in der Geschlechterordnung der meisten Kulturen ist eine Aufteilung der Arbeits- und Verantwortungsbereiche in die öffentliche Domäne für den Mann und die private häuslichfamiläre für die Frau (Rosaldo 1974, 23ff; Pezaro 1991, 39). Diese Aufteilung ist in allen Kulturen feststellbar, jedoch in unterschiedlich starker Ausprägung (Mead 1992, 50–55; Pezaro 1991, 39; Clark 1980, 414).

2.2.1.3 Geschlechtsspezifische Normvorstellungen

Ein drittes universales kulturelles Merkmal ist die Zuordnung von geschlechtsspezifischen Rollen und Normen (Rosaldo 1974, 18; Bischof-Köhler 2004, 166–167; Mead 1992, 10). Diese werden in Stereotypen ausgedrückt und zeigen dann in vereinfachter und überhöhter Form an, wie ein typischer Mann und eine typische Frau sein und sich verhalten müssen. Das betrifft Charaktereigenschaften, Gebräuche, Verhaltensweisen, Kleidung und vieles mehr. Diese Normvorstellungen weisen in unterschiedlichen Kulturen manche Ähnlichkeiten auf (Bischof-Köhler 2004, 166),63 gleichzeitig aber auch deutliche Unterschiede (Rosaldo 1974, 18; Bischof-Köhler 2004, 167–168).

2.2.1.4 Ungleichheit des Status

Ebenfalls in allen Kulturen zu beobachten ist ein Statusunterschied zwischen den Geschlechtern, wobei dem Mann grundsätzlich ein höherer Status und mehr Autorität zugeschrieben wird als der Frau (Rosaldo 1974, 3.17; Ortner 1974, 69–70). Diese Assymmetrie der Geschlechter scheint ein tiefgreifendes Prinzip zu sein (Ortner 1974, 67). So wird die Sozialstruktur in allen bekannten Gesellschaften der Erde von Männern dominiert (Rosaldo 1974, 3.13; Ortner 1974, 67; Goldberg 1977, 26; King 1995, 1), und es wird grundsätzlich den Aktivitäten von Männern ein höherer Wert und Status zugeschrieben als denen von Frauen (Rosaldo 1974, 17.21; Ortner 1974, 69; Mead 1992, 146–147; Goldberg 1977, 45).64 N. Chodorow spricht von einer „soziokulturellen Überlegenheit des Mannes“ (Chodorow 1974, 67), K. Lenz von einem „natürlichen Autoritätsvorsprung des Mannes“ (Lenz 1998, 44). Dabei ist die Ausprägung dieser Assymmetrie nicht in allen Kulturen gleich stark, eine wirklich egalitäre oder gar matriarchalische Gesellschaft wurde jedoch nie gefunden (Ortner 1974, 70; Bamberger 1974, 263; Goldberg 1977, 26; Bischof-Köhler 2004, 175.177).

In einigen Kulturen sind nun alle genannten Merkmale stark ausgeprägt und sogar gesetzlich festgelegt,65 in anderen gibt es viel Gestaltungsspielraum mit sich überschneidenden Arbeits- und Verantwortungsbereichen für Mann und Frau und einem geringen Autoritätsabstand zwischen ihnen.66 Insgesamt gibt es innerhalb des beschriebenen Grundmusters weltweit ein fast grenzenloses Spektrum an Variationen,67 in denen jedoch immer eine gewisse geschlechtsspezifische Aufteilung der Tätigkeiten, Wirkbereiche und Rollen sowie die Statusungleichheit mit dem Autoritätsvorsprung des Mannes zum Ausdruck kommen.

2.2.2 Zum Ursprung des kulturellen Grundmusters

Sucht man nun nach einer Ursache für das beschriebene universale Rollenmuster in der Geschlechterbeziehung, so muss wie bei allen universalen Kulturphänomenen an biologische Einflussfaktoren gedacht werden (Bischof-Köhler 2004, 20), ohne dabei jedoch den wichtigen Einfluss der Sozialisierung von Männern und Frauen aus den Augen zu verlieren (Hines 2004, 214). Neurophysiologische und entwicklungspsychologische Forschungen der letzten Jahrzehnte haben hier wichtige Erkenntnisse gebracht über einzelne ursächliche Faktoren und ihre untrennbare Verknüpfung:

Außer den offensichtlichen körperlichen Geschlechterunterschieden, die auch eine signifikante Differenz in der durchschnittlichen Körpergröße und Muskelkraft einschließen,68 gibt es auch Unterschiede in bestimmten Denkstrukturen und Verhaltensneigungen, die sich auf biologische Einflüsse zurückführen lassen. Obwohl diese im Vergleich zu den Gemeinsamkeiten zwischen beiden Geschlechtern gering sind (Hines 2004, 3.217; Van Leeuwen 2007, 178–181) und nur Durchschnittswerte mit großen Überlappungsbereichen darstellen (Bischof-Köhler 2004, 24–25; Hines 2004, 4.19; Maccoby 1999, 5),69 lassen sie sich durchgängig nachweisen und mit biologischen Vorgängen der vorgeburtlichen Entwicklungsphase in Verbindung bringen (Hines 2004, 125; Bischof-Köhler 2004, 200–204).

Ein Blick auf die biologische Entwicklung der Geschlechterdifferenzierung hilft hier zum Verständnis der Zusammenhänge: Unter dem Einfluss des männlichen Y-Chromosoms entwickeln sich im männlichen Embryo um die siebte Schwangerschaftswoche die zunächst neutral angelegten Keimdrüsen in Hoden, die sehr bald mit der Produktion großer Mengen von Androgenen (männlichen Geschlechtshormonen), insbesondere von Testosteron, beginnen. Dieses hat nun einen steuernden Effekt auf die weitere Geschlechtsdifferenzierung, in sehr direkter Weise auf die Ausbildung der äußeren Geschlechtsmerkmale, auf komplexere und flexiblere Weise auch auf die geschlechtsspezifische Prägung bestimmter Gehirnstrukturen (Hines 2004, 215–219; Baron-Cohen 2004, 140–141; Bischof-Köhler 2004, 197).70 Testosteron aktiviert im fötalen Gehirn im zweiten bis sechsten Schwangerschaftsmonat bestimmte Verhaltensneigungen (Baron-Cohen 2004, 140; Bischof-Köhler 2004, 200), die sich dann bereits in den ersten Lebensjahren weltweit im unterschiedlichen Spielverhalten von Jungen und Mädchen niederschlagen (Maccoby 1999, 32–46). Der Unterschied zeigt sich vor allem in dem sogenannten „Wildfangverhalten“ der Jungen (Bischof-Köhler 2004, 203),71 das sich durch eine hohe physische Aktivität mit einem Drang zum Kräftemessen und Wettbewerb auszeichnet (Maccoby 1999, 18–31) im Gegensatz zu dem beziehungs- und kommunikationsgeprägten Spielverhalten der Mädchen (Maccoby 1999, 46). Dieser Unterschied trägt zu der ebenfalls universal zu beobachtenden Geschlechtertrennung im Schulalter bei (Maccoby 1999, 22.44.62.87), die wiederum als wichtiger Einflussfaktor für die unterschiedliche Sozialisierung der Geschlechter und die Ausprägung von geschlechtsspezifischen Verhaltensunterschieden angesehen wird (Maccoby 1999, 144–152).

Die Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau werden von Forschern unterschiedlich gewichtet, polarisiert und interpretiert. Sie lassen sich grob so zusammenfassen: Während sich im Blick auf die allgemeine Intelligenz kein Unterschied zwischen Männern und Frauen nachweisen lässt (Maccoby und Jacklin 1974, 65; Hines 2004, 11; Baron-Cohen 2004, 23), gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in bestimmten Gehirnleistungen und Verhaltensneigungen: So haben Männer im Durchschnitt ein etwas besseres räumliches Vorstellungsvermögen und analytisch-mathematisches Verständnis als Frauen (Maccoby und Jacklin 1974, 91–98; Hines 2004, 12–13; Bischof-Köhler 2004, 234) und die männlichen Denkprozesse sind in der Regel mehr auf das Erforschen, Begreifen und Entwickeln von logischen Systemen ausgerichtet als die weiblichen (Baron-Cohen 2004, 14). Männer legen im Durchschnitt mehr Wert auf Leistung und Wettbewerb als Frauen (Clark 1980, 396.398; Maccoby 1999, 39) und haben in der Regel eine höhere Risikobereitschaft (Bischof-Köhler 2004, 296–297) sowie ein größeres Durchsetzungsvermögen (Maccoby 1999, 36–39; Bischof-Köhler 2004, 304–305). Auch Rang und Status sowie der Aufbau von Dominanzhierarchien sind ihnen meist wichtiger als Frauen (Baron-Cohen 2004, 55. 61–64; Maccoby 1999, 38–39.51). Frauen haben im Durchschnitt eine bessere verbale Kompetenz als Männer (Hines 2004, 11; Bischof-Köhler 2004, 234). Ihr Interesse ist tendenziell mehr auf zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation ausgerichtet (Maccoby 1999, 46–50; Bischof-Köhler 2004, 342–345), ihre Denkweise in der Regel ganzheitlicher. Sie haben im Durchschnitt ein etwas stärkeres Empathievermögen und sind in der Regel mehr auf das Verstehen und die Fürsorge von Menschen ausgerichtet als Männer (Baron-Cohen 2004, 12–13.16; Bischof-Köhler 2004, 348–351).

Bei der Interpretation dieser Unterschiede darf nie vergessen werden, dass sie generell viel geringer sind, als manche Stereotypen vermuten lassen (Hines 2004, 182),72 und dass es sich um Durchschnittswerte handelt, von denen einzelne Männer und Frauen oft weit abweichen. Auf die Frage, wie weit nun die biologischen Unterschiede verantwortlich sind für das universale Geschlechtermuster, geben die Wissenschaftler keine einheitliche Antwort. Da Hirnstrukturen auch durch soziale Prägung und persönliche Erfahrung verändert werden können (Hines 2004, 211; Baron-Cohen 2004, 246), wird eine saubere Unterscheidung zwischen strikt biologisch bedingten Unterschieden und soziokulturell bedingten nicht möglich, aber auch nicht nötig sein (Hines 2004, 214; Van Leeuwen 2007, 174). So formuliert Konrad Köstlin: „Natur gibt es für uns nur aus zweiter Hand, als zweite Natur, hindurchgegangen und sichtbar gemacht durch die Brille des Kulturellen“ (Köstlin 2001, 3). Bedenkt man in diesem Zusammenhang die biblische Perspektive zu Natur und Kultur des Menschen, dann kann davon ausgegangen werden, dass das universale Muster der Geschlechterbeziehung sowohl schöpfungsbedingt als auch durch den Sündenfall beeinflusst ist.73

2.2.3 Kulturbedingte Einflussfaktoren auf die Rolle der Frau

Fragt man nun, welche Faktoren für die kulturelle Vielfalt verantwortlich sind, die trotz des einheitlichen Grundmusters die Rolle der Frau charakterisiert, so lassen sich mindestens fünf Einflussfaktoren erkennen, die ich im Folgenden beschreiben möchte. Dabei muss bedacht werden, dass sie alle aufs engste miteinander verwoben sind.

2.2.3.1 Die Abstammungsrechnung und Familienstruktur

In den meisten Kulturen dieser Erde werden Menschen nicht als Individuen, sondern als Glieder ihrer Verwandtschaftsgruppe gesehen. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe bestimmt ihre Identität und ihren Status, sichert ihre wirtschaftliche Existenz und legt auch ihre soziale Rolle in der Gesellschaft in sehr engen Grenzen fest. Das gilt in besonderer Weise auch für die Rolle der Frau.

Ihre Stellung wird unter anderem stark beeinflusst von der Abstammungsrechnung, also der Organisation des Verwandtschaftssystems in einer Kultur, nach der die Familienzugehörigkeit des einzelnen Menschen definiert und die Erbfolge festgelegt ist. Es gibt zwei Grundarten, die Abstammung und Familienzugehörigkeit der Mitglieder einer Gesellschaft festzulegen: die patrilineare, bei der dies durch die väterliche Linie geschieht, und die matrilineare, bei der es auf die Linie der Mutter ankommt. Eine strikt patrilineare Abstammungsrechnung hat auf die Stellung der Frau eine doppelte einschränkende Auswirkung: In ihrer eigenen Ursprungsfamilie hat sie keine dauerhafte oder bedeutende Stellung, denn sie muss diese bei ihrer Heirat verlassen. Nützen kann sie ihrer eigenen Familie lediglich durch eine vorteilhafte Heirat. Diese aber bedeutet für sie selbst, dass sie als Fremde in den Familienverband des Ehemannes eintritt. Dort ist sie für ihren Lebensunterhalt und ihre Lebensumstände völlig von ihrem Ehemann und dessen Familie abhängig. Ihre Stellung in diesem Familienverband hängt vor allem davon ab, ob sie der Familie Söhne als „Stammhalter“ gebären kann.74 Der Besitz wird vom Vater auf die Söhne vererbt.

Diese Abstammungsrechnung ist die häufigste in den traditionalen Gesellschaften der Erde (Llobera 2003, 42–43) und kommt vor allem bei Viehzüchtern und in Ackerbauerngesellschaften vor. Die Ethnologin B. Denich beschreibt die Folgen einer extremen Betonung dieser Abstammungsrechnung für Stellung und Leben der Frauen in einigen Viehzüchter- und Ackerbauernkulturen im Balkan. Dort wird durch die betont patrizentrische Ausrichtung der Familienstruktur die Rolle der Frau nur durch ihre völlige Unterordnung unter den Mann, harte Arbeit und das Gebären und Aufziehen von Kindern definiert (Denich 1974, 243). In solchen Gesellschaften wird die Unterordnung der Frau häufig durch bestimmte „ritualisierte Ausdrucksformen der autoritären Haushaltsstruktur“ hervorgehoben (Denich 1974, 253).75

Anders sieht es bei einer strikt matrilinearen Abstammungsrechnung aus, die bei zahlreichen kleineren Gesellschaften dieser Erde vorkommt. Sie findet sich vor allem bei Pflanzern in tropischen Waldgebieten, bei denen der Landbesitz der Pflanzungen und die Hauptarbeit des Nahrungserwerbes in den Händen der Frauen liegt (Kraft 1996, 294). Hier werden Abstammung und Identität der Menschen durch die mütterliche Familie definiert. So verlässt in diesem Fall der Mann seine eigene Ursprungsfamilie und gliedert sich in den Familienverband der Frau ein, wo er nur wenig soziale Bedeutung oder Entscheidungsbefugnis hat. Entscheidungsträger ist hier eher der Bruder der Frau (Käser 1998, 103). Die Kinder eines Ehepaars gehören zur Familie der Mutter, das Erbe geht von der Mutter auf die Töchter über. Eine solche Abstammungsrechnung hebt natürlich die Stellung der Frau, der dann innerhalb der Großfamilie oft eine zentrale Funktion und Rolle zukommt. Dennoch sind auch hier die Repräsentanten und Hauptversorger der Familien die Männer (Kraft 1996, 294).76

Nicht in allen Gesellschaften ist die Abstammungsform strikt festgelegt und betont, in einem Drittel der Gesellschaften weltweit ist sie variabel oder auch bilinear, das heißt alle Kinder werden gleichermaßen als Nachkommen und Erben ihrer beiden Eltern gesehen (Kraft 1996, 294).

Wichtig für die Rolle der Frau in der Praxis des Familienalltags ist es auch, ob die Wohnweise eines jungen Ehepaars patrilokal, also bei den Verwandten des Mannes, matrilokal, bei denen der Frau, oder auch neolokal, an einem neuen Ort ist (Käser 1998, 111; Kraft 1996, 294).77

Auch die Eheform spielt keine unwesentliche Rolle. Interessanterweise ist der Status von Frauen in polygynen Ehen allerdings nicht immer niedriger, sondern manchmal auch höher als in monogamen (Lamphere 1974, 107–108; Käser 1998, 109).

Zusammenfassend kann man erkennen, dass die Konzentration von Eigentum, Wohnort und Abstammungsrechnung in der männlichen Linie eine Struktur schaffen kann, in der die Unterordnung der Frau sehr akzentuiert wird, während eine solche in der weiblichen Linie zu großen Freiräumen für die Frau führen kann, das patriarchalische Grundmuster aber nicht aufhebt (Denich 1974, 259–260).

2.2.3.2 Die Wirtschaftsform

In enger Verbindung zur Abstammungsrechnung einer Volksgruppe steht ihre Wirtschaftsform, die ebenfalls einen großen Einfluss auf die Stellung der Frau hat. Als idealtypische Grundwirtschaftsformen gelten folgende:

Jäger und Sammler. Die Jäger und Sammler sind kleine, einfach strukturierte, nomadische Volksgruppen, die heute meist nur noch in den unwirtlichen Gegenden der Erde, den Grasländern, Trockengebieten, subarktischen Waldgebieten und Polargebieten leben (Käser 1998, 54) und ihre Existenz durch das Jagen von Wild und das Sammeln von Beeren, Wurzeln und Kräutern sichern. Sie sind nicht sesshaft. Bei ihnen gibt es eine klare Arbeitsteilung der Geschlechter, aber sonst keine festgelegten Rollen (Käser 1998, 60). Die Männer sind immer Jäger, die Frauen immer Sammlerinnen. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist nicht hierarchisch strukturiert. Dennoch sind insgesamt die Tätigkeiten des Mannes mit einem höheren Prestige verbunden als die der Frau.78 Die Abstammungsrechnung ist patrilinear (Käser 1998, 62).

Pflanzer. Pflanzer sind sesshaft. Sie leben vom Anbau von Knollenfrüchten in gartenartigen Pflanzungen in immer feuchten tropischen Gegenden (Käser 1998, 68). Wie beschrieben, wird die Arbeit der Frauen als Pflanzerinnen hoch bewertet, und der Landbesitz ist unter weiblicher Kontrolle. Die Abstammungsrechnung ist matrilinear, die Wohnweise matrilokal. Die Pflanzer sind in der Regel sehr familienorientiert und die Sozialstruktur weitgehend egalitär (Käser 1998, 69; Llobera 2003, 123).79

Ackerbauern. Ackerbauern kultivieren im Unterschied zu den Pflanzern speicherbare Körnerfrüchte auf größeren Landflächen in gemäßigten Klimazonen. Da die Feldarbeit mit schwerem Gerät oder großen Tieren bewältigt wird, wurde der Ackerbau im Gegensatz zur Pflanzung zur Arbeit und Domäne des Mannes (Käser 1998, 73). Die Abstammungsrechnung von Ackerbauern ist patrilinear. Zur Speicherung und Vermarktung der produzierten Überschüsse bedarf es einer differenzierten administrativen Struktur hierarchischer Prägung. Auch dieser Bereich wurde Domäne des Mannes. Der Überfluss an Nahrungsangebot führt in der Regel im Vergleich zu den vorhergenannten Wirtschaftsformen zu großem Bevölkerungswachstum. Die Reproduktions- und Erziehungsarbeit wird zur Hauptbeschäftigung der Frau. Diese trägt durch Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten dennoch auch wesentlich zum Familieneinkommen bei. Die Arbeitsbereiche von Mann und Frau sind zwar weitgehend getrennt in die öffentliche und häusliche Sphäre, aber sie ergänzen und überschneiden sich auch. Ackerbauern sind stark familienorientiert (Käser 1998, 72–73). Die Frau verliert zwar im öffentlichen Leben an Bedeutung, weiß aber um ihre wichtige Stellung im bäuerlichen Familienunternehmen, und das Verhältnis zwischen Eheleuten wird als meist partnerschaftlich beschrieben (Denich 1974, 256).

Viehzüchter. Viehzüchter sind Nomaden, die für ihren Lebensunterhalt von der Haltung größerer Tiere abhängen, von deren Produkten (meist Milch und Blut) sie leben. Für pflanzliche Nahrung müssen sie entweder selbst Pflanzungen anlegen oder sind auf den Kontakt mit Ackerbauern angewiesen (Käser 1998, 74). Bei Viehzüchtern ist eine strikte Trennung der Arbeits- und Lebensbereiche und eine hierarchische Ordnung zwischen Mann und Frau zu beobachten. Der Umgang mit den Tieren ist Männersache, bis hin zum Melken. Die Frau hat in jeder Beziehung eine nachgeordnete Stellung, sie sollte in der Öffentlichkeit möglichst wenig sichtbar sein (Käser 1998, 75). Ein zentrales Anliegen für Viehzüchter ist die Sicherheit ihrer Familien und ihres Besitzes. Dabei ist es Aufgabe der Männer, diesen Schutz zu gewährleisten, Frauen und Kinder sind die zu Beschützenden. Charles Kraft beschreibt diese Sicherheitsorientierung mit den entsprechenden Familienstrukturen der Abhängigkeit und Unterordnung der Frau als typisch für viele traditionelle Gesellschaften (Kraft 1996, 295–296), dies gilt besonders für die ständig bedrohten umherziehenden Viehzüchtergesellschaften (Denich 1974, 248–249).

Die Industriegesellschaft. Die Industrialisierung brachte und bringt für die betroffenen Gesellschaften dieser Welt große Veränderungen für die Sozialstruktur und damit für die Rolle der Frau. Die Herstellung von Produkten wurde aus dem häuslichen Bereich in die Fabriken verlegt. Als Folge kam es langfristig zu einer vollständigen Aufteilung zwischen der häuslichen, privaten Sphäre als dem Platz der Frauen und Kinder und der für die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft entscheidenden öffentlichen Sphäre als Handlungsraum des Mannes. In den bürgerlichen Industriegesellschaften der westlichen Nationen wurde die soziale Rolle der Frau in der Folge vielfach trivialisiert (Groothuis 1994, 3–4), das Freud’sche Credo über den Platz der Frau in „Küche, Kinder, Kirche“ setzte sich durch (Groothuis 1994, 4), und dieser wurde sozial mit dem Etikett „nicht so wichtig“ versehen. Gleichzeitig veränderten aber Bildungsmöglichkeiten und eine zunehmende Individualisierung das Selbstbild der Frauen. Auf diesem kulturellen Boden fanden die verschiedenen Emanzipationsbewegungen reichlich Nahrung (Siebel, 1984, 240).

2.2.3.3 Die Religion

Eine zentrale Stelle als Triebfeder, Legitimation und Verstärkung der gesellschaftlichen Zuordnung der Stellung der Frau in einer Kultur nimmt deren Ideologie oder Religion ein (Bamberger 1974, 276–280; King 1995, 5; Pezaro 1991, 44). Die religiösen Vorstellungen eines Volkes sind Teil seiner Weltanschauung und werden von A. Pezaro mit Recht als „Sinngebungsmuster normativer Regelsysteme“ (Pezaro 1991, 104–105) bezeichnet.

Mythen und Legenden. Bezüglich der Rolle der Frau kommt den Mythen und Legenden einer Volksgruppe eine wichtige Bedeutung zu. Durch diese Überlieferungen werden vielfach die gesellschaftlichen Normvorstellungen über das Wesen der Frau und ihre Aufgaben weitergegeben sowie Richtlinien zu ihrem Sexualverhalten. Auch die Existenz von Aktivitäten oder Tabus, die nur Vertretern eines Geschlechtes vorbehalten sind, wird oft hier begründet (Bamberger 1974, 271–277). Dabei fällt auf, dass viele Mythen und Legenden ein negatives Licht auf das Wesen und Verhalten der Frau werfen. So wird bei indigenen Völkern Südamerikas zum Beispiel häufig von einer früheren Tyrannei der Frauen erzählt, die durch den gerechten und siegreichen Kampf der Männer glücklich beendet werden konnte. Als Moral aus solchen Mythen wird jede neue Generation darauf hingewiesen, dass sie einer Herrschaft der Frauen stets entgegenwirken müsse (Bamberger 1974, 280).80 Auch die Göttermythen des alten Griechenland überlieferten ein vorwiegend negatives Frauenbild. Beispielsweise stellt der Dichter Hesiod in seinem bekannten Schöpfungsmythos die Erschaffung der Frau als Akt der Strafe des Göttervaters Zeus für die Männer dar. Solche Vorstellungen prägten die antike griechische Kultur nachhaltig und hatten schwere Folgen für die Stellung der Frau in ihr, auf die später noch eingegangen werden soll. Dagegen stellten manche Göttervorstellungen des Alten Orients die Frau in einem positiveren Licht dar und gaben ihr, zumindest im Bereich des religiösen Kultes, eine wichtige Stellung (Pomeroy 1985, 113.319; Thraede 1972, 207). Eine besondere Stellung kommt hier dem Mythos und Kult der ägyptischen Göttin Isis zu, der um die Zeitenwende das Selbstbewusssein der Frauen im Mittelmeerraum hob und auch in Verbindung gebracht wird mit einer gewissen Verbesserung ihrer gesellschaftliche Position (Pomeroy 1985, 343–344). Bestimmte synkretistische jüdische Legenden, die zur Zeit des Apostels Paulus im Umlauf waren und die Frau durch Eva zur Urheberin alles Lebens und zum Ursprung aller Erkenntnis erklärten, gaben manchen Frauen ein geradezu überzogenes religiöses Selbstbewusstsein, das sich teilweise auch in einer Zunahme ihrer gesellschaftlichen Aktivitäten niederschlug (Clark Kroeger 1992, 60.74).

Weltreligionen. Auch die großen Weltreligionen beeinflussen die Stellung und Rolle der Frau in den von ihnen geprägten Gesellschaften zutiefst, stellen sie doch dort die ideologische Grundlage für das gesamte kulturelle System dar.81 Dabei fällt auf, dass das vermittelte Frauenbild fast ausnahmslos eine Minderbewertung der Frau im Vergleich zum Mann einschließt und ihre Unterordnung unter ihn legitimiert und fördert (Adyanthaya 2003, 10; Renavikar 2003, 33.35; Bowker 1999). Dies trifft auf die Lehren und Praktiken des Hinduismus zu, in dem die Frau als schwaches, zum Wahnsinn und zur Besessenheit neigendes Wesen gesehen wird und die weibliche Sexualität als Gefahrenquelle für den erlösungssuchenden Mann (Renavikar 2003, 58; Lexikon Hinduismus 2002). Im Buddhismus wird das Frausein vielfach als „Problem“ und Hindernis auf dem Weg der Erleuchtung eingeschätzt (Levering 1999, 120; Nefsky 1995, 292–293). Auch im Judentum wurde nach dem babylonischen Exil vielfach ein frauenverachtender Ton angeschlagen, der sich auf die Stellung der Frau in der jüdischen Gesellschaft auswirkte (Jeremias 1962, 412; Ilan 1995).82 Einen besonders prägenden Einfluss diesbezüglich hat der Islam. Das Geschlechterverhältnis wird im Koran für alle islamischen Gesellschaften verbindlich geregelt und mit unbegrenztem Gültigkeitsanspruch festgeschrieben. Darin ist die Frau dem Mann vor Gott zwar gleichgestellt, wird aber als qualitativ andersartig definiert. Ihr Wesen wird als schwach, emotional und sexuell verführbar beschrieben. Damit wird die Notwendigkeit begründet, dass sie von dem als stark und rational geltenden Mann kontrolliert und beschützt werden muss, indem er nach der Vorschrift des Koran über sie bestimmt. So entspricht der Rechtsstatus der Frau demjenigen eines Minderjährigen. Sie erhält vom Mann materielle Sicherheit und Schutz, wofür sie ihm das Verfügungsrecht über ihre Person, Sexualität und Gebärfähigkeit gibt. Ein wesentliches Merkmal islamischer Weltsicht ist die scharfe Trennung der Lebenswelten von Mann und Frau in den öffentlichen bzw. häuslichen Raum (Deaver 1980, 31–32; Pezaro 1991, 123–130).83

Ein ganz anderes, wenn auch vielschichtiges Bild bietet sich im Christentum. Einerseits wird in der Missionsgeschichte von Anfang an immer wieder der befreiende Effekt der christlichen Botschaft für die Frauen aus vorher nichtchristlichen Kulturen sichtbar.84 Die schöpfungs- und erlösungsbedingte Würde der Frau lässt wenig Raum für ihre Unterdrückung durch den Mann. Andererseits wirkte sich aber auch das traditionelle Verständnis von der schriftgemäßen Rolle der Frau überall da aus, wo das Evangelium gepredigt wurde. Die Frauen wurden von christlichen Missionaren zur Unterordnung unter die Männer angehalten und aus gewissen geistlichen Diensten ausgeschlossen. So kam es in einigen vorher eher egalitär organisierten Gesellschaften sogar zu einer Erniedrigung des Status’ der Frau durch den christlichen Glauben (Tucker und Liefeld 1987, 332–333).85

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