Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

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3

Matt Wister parierte seinen Rappwallach hinter den Büschen auf der Kuppe des Hügels und blickte in die Ebene hinunter. Das frische, noch grüne Büffelgras leuchtete zu ihm herauf. In der Ferne sah er eine Herde Herefords, über der dünner, durchsichtiger Staub wallte. Unter ihm, höchstens vierhundert Yards entfernt, zog sich ein Wagenweg dahin. Er mündete weit im Süden in einer kleinen Präriestadt, von der Matt Wister wusste, dass sie Watertown hieß.

Auf dem Weg sah Matt einen Reiter, der sich langsam näherte. Er hatte den Stetson an der Windschnur im Nacken hängen, und so konnte Matt langes blondes Haar erkennen, auf dem die Sonne glitzerte. Eine Reiterin! Sie trug eine helle Bluse und dunkelblaue Levishosen.

Zugleich bemerkte Matt zwei weitere Reiter, die sich von der Herde in der Ferne gelöst hatten und auf den Weg zusprengten. Es sah aus, als würden sie auf einen bestimmten Punkt auf dem Weg zuhalten, den auch die Frau mit ihnen zugleich erreichen musste.

Dann warf die Frau den Kopf herum, sah die Reiter und trieb ihr Pferd jäh zum Galopp an.

Matt sah, wie die beiden Männer auf ihre Pferde einschlugen. Da trieb er seinen Rappwallach um die Büsche herum und ritt langsam den Hügel hinunter.

Da schlug auch die Frau auf ihr Pferd ein, aber es nützte ihr nichts. Die beiden Reiter kamen immer näher. Matt sah, wie der eine das Lasso von der Schnalle am Sattelhorn losmachte und über dem Kopf kreisen ließ.

Die Schlinge wirbelte durch die Luft, legte sich über den Oberkörper der Frau, und das Seil straffte sich. Mit einem heftigen Ruck wurde die Frau aus dem Sattel gerissen. Das Pferd sprengte weiter, beschrieb dann einen Bogen und wurde langsamer.

Die beiden Reiter zügelten ihre Pferde und sprangen ab. Sie standen neben der Frau, die auf dem Boden saß und der offenbar nichts weiter passiert war. Sie hatten Matt Wister immer noch nicht bemerkt, der sich langsam näherte und nun die Winchester 73 in der Armbeuge hatte.

Als er den Rappwallach zügelte, schnaubte der leise.

Die beiden Männer fuhren wie auf Kommando herum. Der eine von ihnen blickte genau in die kreisrunde dunkle Mündung.

„Hallo!“, sagte Matt. Er sah, dass die beiden wie Cowboys gekleidet waren. Sie sahen verstaubt aus und hatten die ledernen Chaps noch über die Levishosen geschnallt.

Der eine der beiden rieb sich über die Wange und blickte den anderen schief an.

„Besuch, den wir nicht bemerkt haben, Les“, sagte er knurrig. „Verdammt, das passt nicht zusammen. Was willst du, Fremder?“

„Hilf der Frau auf die Beine, Les“, sagte Matt ruhig und ließ die Mündung des Gewehres einen knappen Bogen bis zu Les beschreiben.

Der leckte sich über die Lippen.

Die Frau stand hinter ihm auf und streifte die Lassoschlinge ab. Sie kam um die beiden Burschen herum und blieb seitlich außerhalb der Schusslinie stehen. Sie blickte Matt an. Sie hatte ein offenes Gesicht, mochte siebenundzwanzig Jahre alt sein und war von herber, schlichter und bestechender Schönheit.

„Vielen Dank, Mister …“, sagte sie.

„Matt Wister, Madam. Ihr Pferd steht da drüben. Reiten Sie, ich werde die beiden Burschen hier noch eine Weile aufhalten.“

Die Frau zögerte einen Moment, wandte sich dann ab und lief zu ihrem Pferd, das am Ende des Bogens stehengeblieben war. Sie stieg auf, trieb es auf den Weg zurück, und ritt schnell weiter. Bald darauf verschwand sie zwischen den Hügeln.

„Nun zu euch“, sagte Matt. „Hatte der Überfall eine besondere Bedeutung?“

„Es dürfte am besten sein, du mischt dich da nicht ein“, presste Les durch die Zähne. „Was Hal und ich gemacht haben, geschah auf höheren Befehl. Alles hier im Tal geschieht auf höheren Befehl. Es wird dir gewaltig übel bekommen, wenn wir sie nicht noch schnappen können.“

„Auf wessen Befehl?“, erkundigte sich Matt mit leiser, aber scharfer Stimme.

„Das geht dich nichts an!“

„Les, siehst du nicht, dass ich noch immer die Mündung auf dich gerichtet habe? Ich glaube, es geht mich im Moment eine ganze Menge an. – Hal, lass die Finger vom Colt, sonst muss ich Les erschießen.“

Hal nahm die Hand von der Hüfte. „Mach keinen Blödsinn“, maulte Les. „Der Kerl ist ruhig wie Felsstein, und man erkennt nicht, was in ihm vorgeht.“

„Weiter, Les! Wer gab die Befehle? Troger?“ Matt hatte den Namen auf Verdacht ausgesprochen und wartete gespannt.

„Er auch“, sagte Les. Langsam stieg ein winziges Grinsen in sein Gesicht. „Aber er nicht allein. Unser Boss ist schließlich auch noch da. Aber verdammt, das geht dich wirklich einen Dreck an. Nimm das Gewehr weg, dann sage ich dir etwas anderes!“

„Was denn, Les?“

„Wir sagen dir etwas mit unseren Fäusten“, sagte Hal und grinste. „Komm, sei kein Spielverderber.“

Und mit einem Blick auf die Hügel, zwischen denen die Frau verschwunden war, setzte er hinzu: „Wir haben bestimmt nicht viel Zeit.“

„Was habt ihr denn mit ihr vorgehabt?“

„Wir wollten sie spazieren führen“, entgegnete Hal. „Nicht zu Troger. Woanders hin. Machst du nun mit?“ Er trieb sein Pferd langsam zur Seite.

Matt wusste, dass er jetzt nicht beide unter Kontrolle halten konnte. Zugleich war ihm klar, dass er Les nicht einfach niederschießen würde. Er schob das Gewehr mit einer schnellen Bewegung in den Sattelschuh und duckte sich, als er Hal auf den Sattel springen und loshechten sah.

Der Körper flog über ihn hinweg und schrammte hart ins Gras.

Les trieb sein Pferd vorwärts und sprengte von der Seite heran.

Matt streckte den Arm vor. Les raste genau in den Schwinger hinein, fing ihn voll auf und ging über die Kruppe des Pferdes, um hart auf die Erde zu fallen. Das Pferd wieherte und stieg auf die Hinterhand.

Hal war schon wieder hoch und sprang wütend an der Seite des Pferdes in die Höhe. Matt hatte seinen Colt in der Hand und schmetterte ihn auf Hals Hut.

Lautlos fiel der Mann um.

Matt trieb sein Pferd rückwärts. Er blickte auf die beiden Bewusstlosen, die ausgestreckt im Gras lagen.

Matt drehte den Rappwallach, ritt zu den beiden ledigen Pferden und nahm die schleifenden Zügel auf. Mit den Tieren ritt er auf die Stadt zu. Er wusste, dass Les und Hal das Mädchen ohne Pferde niemals einholen konnten.

Während er auf dem roten Weg den Holzhäusern entgegen ritt, dachte er über das Gehörte nach. Das Mädchen war offenbar auf dem Weg zu Troger. Er hatte ihr diesen Weg geebnet und auch noch seinen Namen gesagt.

Er spürte, wie sein Blut plötzlich schneller strömte. Er hatte das Ende der Fährte erreicht, obwohl es darüber wirklich Frühling geworden war, wie Lily vorausgesagt hatte. Nun würde ein zäher und wahrscheinlich auch gnadenloser Kampf beginnen. Das Mädchen würde Troger sagen, wer gekommen war und ihr geholfen hatte, dann würde er sich an den Namen Wister erinnern.

Er würde nicht denken, dass es eine Verwechslung war.

Als Matt den halben Weg zur Stadt zurückgelegt hatte, blickte er sich um.

Weit hinter sich sah er zwei Punkte, die sich zu bewegen schienen. Er konnte nicht erkennen, ob sich die Punkte näherten. Aber er wusste, dass es die beiden Weidereiter waren, die einen weiten Fußmarsch vor sich hatten, wohin sie sich auch wenden mochten.

Vor dem ersten Holzhaus war ein Pfahl in den Boden gerammt, an dem ein Brett angenagelt war. Mit Teerfarbe stand ein Name darauf geschrieben:

WATERTOWN

Matt ritt weiter. Er sah einen kleinen Mann vor einem Haus auf der linken Seite stehen. Der Mann trug ein ledernes Jagdhemd. Er mochte sechzig Jahre alt sein. An seinem Hemd funkelte ein silberner Stern.

Wister hielt vor dem Sheriff an. Er tippte an seinen Hut und sagte: „Zwei Männer fielen über eine Frau her, die aus dieser Stadt kam. Das sind die Pferde der beiden. Ich sah keine andere Möglichkeit, sie von dem Mädchen abzuhalten.“

„Von Maude Freese?“

„Ich weiß nicht, wie sie hieß, Sheriff.“

Der Mann nickte finster. „Wer waren die beiden?“

„Der eine nannte sich Hal. Der andere Les.“

„Les Vane?“

„Ich weiß nicht. Er war ein nicht sehr großer, wuchtiger und finsterer Bursche.“

„Das war Vane“, meinte der Sheriff. „Er ist James Garetts Vormann. Ich glaube, Sie haben einen Fehler gemacht, Fremder.“

„Matt Wister, Sheriff. – Wieso?“

Der Sheriff rieb sich über das Kinn. Er sah nachdenklich aus.

„Das ist so eine Sache“, meinte er nach einer Weile. „Ich möchte sagen, eine Sache, gegen die wir alle zusammen machtlos sind. Ich, Sie, die ganze Stadt. Es gibt hier im Tal zwei Rancher. Alan Troger und James Garett. Sie sind beide noch nicht lange da. Garett etwa zwei Jahre. Troger ein halbes Jahr weniger. Beide kamen mit Geld. Beide kauften Herden. Beide wollten alles Land am Big Sioux River. Und beide streiten seither darum. Es ist ein harter, erbitterter Kampf, und er wird von Tag zu Tag grausamer. Im Grunde genommen hat keiner der beiden Recht. Mister Garett hat zwölf Cowboys. Troger nur zehn. Es sind alles Kerle, so hart und zäh wie Sattelleder. Dagegen sind wir machtlos. Wenn Garett befohlen hat, das Mädchen abzufangen, so ist das nur ein Teil dieses Kampfes. Maude ist selber schuld. Ich habe ihr oft genug gesagt, sie sollte sich aus der Sache heraushalten.“

„Und warum macht sie das nicht?“

„Sie hat anscheinend an Troger einen Narren gefressen. Sie ist mit ihm so gut wie verlobt. Ihr gehört hier in der Stadt der Drugstore. Sie erbte ihn von ihrem Vater. Aber offenbar hatten es ihr schon immer die Weiden und die Rinder angetan. Troger macht nicht gerade einen schlechten Eindruck. Soll ich Ihnen einen Rat geben?“

 

„Bitte.“

„Reiten Sie schnell weiter. Vane und Hal Spears sind keine Männer, die für lange Fußmärsche geeignet sind. Sie werden hierherkommen. Das ist ihnen im Moment vielleicht wichtiger als der Auftrag von ihrem Boss. Können Sie sich denken, was die beiden wollen? Kein Mann in dieser Stadt würde mir helfen, wenn ich mich da einmische, denn jeder arbeitet für die beiden Rancher. Sie sind der Lebensnerv dieser Stadt. Ohne sie ist Watertown ein totes Nest, das der Sand bald zudecken wird.“

„Ich verstehe.“

„Dann reiten Sie.“

„Mein Pferd braucht Futter und einen kühlen Stall, Sheriff. Es tut mir leid.“

Der Sheriff schob die Hände in die Hosentaschen und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er nickte, als hätte er verstanden.

„Sie können natürlich unter diesen Umständen bei Troger einsteigen“, sagte er. „Sie haben sich gut eingeführt. Das ist Ihre Sache. Aber Vane und Spears müssen Sie aus dem Wege gehen.“

„Werden Sie mir nicht helfen?“

„Kann ich nicht. Die beiden machen es bestimmt so, dass es fair aussieht.“

Matt lehnte sich gegen seinen Sattel und musterte den alten Mann eine Weile schweigend.

„Das Mädchen sollte offenbar verschleppt werden“, sagte er schließlich. Der Sheriff schüttelte den Kopf. „Wenn Vane und Spears hierherkommen, und Sie würden einen solchen Verdacht äußern, würden die beiden lachen. Und was glauben Sie, welchen Beweis Sie dann gegen zwei Stimmen an treten könnten?“

„Maude Freese wird mir zustimmen.“

„Glaube ich nicht. Troger wird ihr das ausreden. Er ist es gewöhnt, seine Sachen selbst auszufechten. Alles spielt sich draußen auf der Weide ab. Hier ist es ruhig. Maude wird nichts sagen. Troger wird ihr beigebracht haben, dass sie zu schweigen hat. Wie lange wollen Sie bleiben?“

„Ich weiß noch nicht.“

„Wenn Sie zu sehr in der Sache rühren, wird auch Troger Sie nicht mehr nehmen wollen. Er hat es nicht gern, wenn ein Cowboy eigenmächtig zum Sheriff geht. Verstehen Sie das?“

„Ja, ich denke. Wo kam Troger her, als er sich hier niederließ?“

„Aus Arizona. Er war da unten schon Rancher, vertrug aber das Klima nicht.“

„Aha.“

„Kennen Sie ihn?“

„Nein.“

„Also, meine Meinung kennen Sie“, brummte der Sheriff und wandte sich ab. Er stieg die beiden Stufen zum Vorbau hinauf und verschwand hinter der knarrenden Tür seines Office.

4

Matt zog sein Pferd weiter die Straße hinauf. Er würde bleiben. Vielleicht konnte er sich den Kampf auf der Weide zunutze machen. Denn es gab gegen Troger keine andere Handhabe. Er hatte gesagt, woher er kam, und es würde unmöglich sein, das nachzuprüfen. Es würde sich wahrscheinlich auch niemand finden, der das machen würde. Der Sheriff schien zufrieden zu sein, die Ruhe in der Stadt bewahren zu können. Was draußen auf den Weiden passierte, kümmerte ihn nicht.

Matt Wister brachte sein Pferd im Mietstall unter. Als er auf die Straße zurückkam, sah er die beiden Punkte, die sich auf die Stadt zuschoben.

Vane und Spears kamen. Sie kamen mit der sturen Beharrlichkeit von Männern, die ihrem Instinkt folgten.

Matt ging über die Straße und betrat den kühlen halbdunklen Schankraum des Saloons. Er setzte sich in eine Ecke, wartete, bis der Keeper aus der Küche kam, und bestellte Essen und Whisky Soda.

Der Keeper schlurfte mit gleichgültigem Gesicht zurück und begann zu hantieren. Er schien allein zu sein.

Ein Mann kam herein, ging zur Theke und lehnte sich dagegen. Er trank einen Whisky, den er sich selbst einschenkte, blickte Matt eine Weile an, ging dann wieder hinaus, ein Geldstück auf der schimmernden Theke liegenlassend.

Matt wartete, dass weitere Männer kommen würden, aber das geschah nicht. Vielleicht waren Vane und Spears schon zu nahe.

Da wurde ihm klar, dass diese Stadt Angst hatte – Angst um die Ruhe, in der sie lebte.

5

Als Spears und Vane sich müde und schwitzend in den Saloon schleppten, hatte Matt Wister sein Steak gegessen und den Teller zur Mitte des Tisches geschoben.

Die beiden kamen bis zur Theke, lehnten sich nebeneinander dagegen, und blickten den Keeper dahinter stumpf an.

„Whisky“, sagte Vane.

Sie nahmen von Matt keine Notiz, taten, als wäre er gar nicht da. Sie tranken den Whisky pur, bis die Flasche zur Hälfte leer war, dann stellten sie sich gerade und wandten sich um. Sie kamen nebeneinander heran und bauten sich vor Matts Tisch auf.

„Eure Pferde stehen drüben vor dem Haus des Sheriffs“, sagte Wister.

„Wir haben sie gesehen“, meinte Vane. „Als wir sie bemerkten, dachten wir schon, du wärst weitergeritten.“

Matt lächelte.

„Manchmal irrt man sich, Les“, sagte er.

„Ja, manchmal. Hal und ich, wir freuen uns, dass wir uns geirrt haben. Nicht wahr, Hal?“

„Ja, das stimmt. Es ist gut, dass du kein Spielverderber bist. Weißt du, was es heißt, mehr als zwei Meilen unter der glühenden Sonne zu marschieren?“

„Sicher, Hal, ich habe das auch mal machen müssen. Es ist hart für einen Mann. Aber ich finde, es ist eine noch härtere Sache, ein Mädchen zu verschleppen. Findest du das nicht auch?“

„Du bist verrückt“, knurrte Vane. „Was redest du? Ein Mädchen verschleppen?“

„Ach so“, sagte Matt. „Ihr habt das schon wieder vergessen.“

„Vergessen?“, knurrte Spears und blinzelte zu seinem Partner hinüber. „Sage mal, Les, hast du ein Wort verstanden?“

„Nein, er ist verrückt. Ich würde dem Sheriff vorschlagen, ihn aus der Stadt zu entfernen. Aber ich glaube, wir wissen noch etwas Besseres.“

Sie lachten wild und gefährlich. Und Hal sagte: „Wir nehmen dich in die Mangel, Freundchen! Wir geben dir für jeden Schritt, den wir machen mussten, einen Hieb, der es in sich hat. Wenn wir mit dir fertig sind, liefern wir dich beim Sheriff ab, damit er den Rest von dir verfrachten kann.“

Seine Hände schnappten den Stuhl, hinter dem er stand, und feuerten ihn mit einer kurzen, schnellen Bewegung zur Seite. Er krachte gegen die Wand und löste sich berstend in seine Einzelteile auf.

Der Keeper ließ ein Stöhnen hören. Les wandte sich um.

„Den Schaden schreibst du dem Burschen auf die Rechnung“, meinte er. „Er bezahlt das gern.“ Er drehte sich zurück, schnappte den Tisch und kippte ihn nach der Seite um.

In diesem Moment sprang Matt hoch. Hal warf sich vorwärts, schwang die Fäuste und schlug zu. Er traf Matt mit der Linken gegen die Schulter, und der Hieb trieb Matt zurück, dass seine Knie gegen den Stuhl prallten.

Dort fing er sich. Er sah Hal kommen, sah den Triumph in dessen Augen und langte mit seinem langen Arm in die Deckung hinein.

Der gestochene Haken traf Hal gegen das Kinn und ließ ihn taumeln. Tränen schossen in seine Augen und rannen wie Sturzbäche über seine Wangen. Er schrie auf und schwankte. Matt setzte nach und hämmerte ihm die Faust gegen die Stirn.

Hal prallte gegen einen Pfosten. Im Gebälk ächzte es, und der Keeper faltete die Hände, während er vor sich hin murmelte.

Les, der sich eben noch etwas nutzlos vorgekommen war, sprang Wister von der Seite an und setzte ihm die Faust auf den Kopf. Der Schlag glitt ab, rutschte über Matts Ohr und prallte auf dessen Schulter.

Wister wirbelte einknickend herum und schlug zu. Sein Haken saß, genau auf dem Punkt. Les stolperte über einen umgefallenen Stuhl und fiel auf die Dielen. Er atmete keuchend und abgehackt. Ein irres, ungezügeltes Feuer glimmte in seinen Augen.

Matt erkannte die Gefahr, konnte sich aber nicht darauf konzentrieren, denn Hal fiel ihn von der Seite an. Er schmetterte ihm die Faust entgegen.

Getroffen taumelte Matt zur Seite, fing sich an der Wand und sah Hal, der den Kopf senkte und nach vorne rannte.

Matt wich zur Seite aus. Dicht neben seinem Gürtel knallte der Kopf des bulligen Kerls gegen die Wand, und genau an dieser Stelle ging Hal zu Boden. Er rollte auf den Rücken und blieb liegen.

Matt stemmte sich ab und machte einen Schritt vorwärts.

„Jetzt fährst du zur Hölle!“, schnarrte Les.

Matt wirbelte herum und sah die dunkel gähnende Mündung.

Zu spät. Zu spät, um zu ziehen oder irgendeine andere Abwehrbewegung zu machen. Nur zurückspringen konnte er noch.

Da krachte der Schuss. Pfeifend leckte die Feuerlanze aus der Mündung, und die Kugel sirrte an Matts Kopf vorbei.

Der Sprung nach rückwärts hatte ihm das Leben gerettet. Jetzt stand er, sah, wie Les etwas ungeschickt den Hahn spannte. Er spürte plötzlich den eigenen Colt zwischen den Fingern, blickte über den Lauf auf Les und ließ den Hammer fallen, ohne es zu merken.

Les fiel auf den Boden zurück, rollte herum und schrie.

Matt ging rückwärts bis zur Theke und lehnte sich dagegen. Er hatte den Colt noch in der Hand und hielt den Hammer mit dem Daumen fest. Er war bereit, sofort noch einmal zu schießen. Er stand und wartete, hörte die wilden Schreie und sah Hal mit bleichem Gesicht hochkommen.

„Wenn es hier einen Doc gibt, dann solltest du ihn jetzt holen, Hal“, sagte Matt. „Versuche besser keinen Trick mehr. Les wollte mich umbringen. So weit geht der Spaß nicht.“

Hal rieb sich benommen über den Kopf, blinzelte zu seinem Partner hin und schwankte dann wie ein gefällter Baumriese durch den Saloon und zur Schwingtür hinaus. Seine schleifenden Schritte verhallten.

„Gibt es hier einen Doc?“, fragte Matt über die Schulter.

„Ja. Wenigstens einen Mann, der vorgibt, Arzt zu sein. Keiner von uns weiß, ob das stimmt, Mister. – Und keiner weiß, was James Garett, der Boss der beiden, nun mit Ihnen machen wird, wenn Sie nicht höllisch schnell verschwinden.“

„Es war Notwehr, das haben Sie doch gesehen?“, fragte Wister. Er wandte sich halb um, so dass er den Keeper anblicken konnte, ohne den immer noch schreienden Les aus den Augen zu verlieren.

Der Salooner lächelte unsicher. „Glauben Sie mir! Ich konnte das nicht so genau beobachten.“

Matt lächelte nachsichtig.

„Aber Sie haben doch zwei Schüsse gehört?“, fragte er weiter.

„Es klang so, aber ich sah nicht, wer außer Ihnen noch geschossen hat.“

„Hoffentlich bringt Sie die eigene Feigheit nicht eines Tages um“, knurrte Wister.

„Ich habe das bestimmt nicht sehen können!“

„Schon gut. Wie heißt der Doc?“

„Flanner. Er… Sie werden es schon sehen. Er kommt sicher gleich.“

Draußen waren Rufe zu hören. Ein paar Köpfe erschienen an den Fenstern.

Der Sheriff schob sich in den Saloon und blieb nahe der Tür stehen. Er blickte schnell und gründlich umher. Dann kam er näher und hob Les Vanes Colt auf, blickte den Stöhnenden strafend an und knurrte: „Reiß dich zusammen, Les! Wenn das dein Boss hört, jagt er dich zum Teufel!“

Les’ Stöhnen wurde leiser.

Sheriff Jim Riley wandte sich halb um und blickte Matt an.

„Wer schoss zuerst?“

„Er.“

„Hast du das gesehen, Tim?“, wandte sich der Sheriff an den Keeper.

„Ich konnte das nicht beobachten, Sheriff. Bestimmt nicht! Es ging alles sehr schnell! Ich …“

„Schon gut, Tim. Les hat also zuerst geschossen. Warum hast du denn Angst? Du musst dir eines merken: So sehr die Stadt die Rancher braucht, so sehr brauchen die Rancher die Stadt. Es ist nicht gut, wenn man zu viel Angst hat.“

„Du hast wohl vergessen, dass es Garett war, der dich zum Sheriff machte?“

„Nein, Tim. Darum geht es nicht. Ich bin nicht sein Sheriff. Ich will gegen einen Felsen anrennen, aber ich bin nicht sein Sheriff. Bitte, merke dir das!“

Die Tür schwang auf.

Herein kam Hal, der ein kleines klapperdürres Männlein mit wenigen eisgrauen Haaren und einer roten Knollennase vor sich herschob.

Matt blickte den kleinen ausgelaugten Mann mit der Knollennase und der unnatürlich rosigen Gesichtshaut an. Er erkannte an der Haut, an den tiefliegenden Augen und an den tiefen Linien im Gesicht, dass Doc Flanner ein Trinker war.

Der kleine Mann hatte eine abgeschabte Ledertasche mit Messingbügel in der linken faltigen Hand. Er kam näher, ging unsicher, und seine Hände zitterten. Er stellte die Tasche auf einen Hocker, nahm ein Glas von der Theke, das der Keeper eben hinstellte, und trank den scharfen Schnaps auf einen Zug aus. Er stellte das Glas zurück, machte eine fahrige, tappende Bewegung und griff nach der Tasche. Er blickte Matt kurz und schweigend aus seinen tiefliegenden, wässrigen Augen an, ging dann zu Les und kniete neben ihm nieder.

 

Der Sheriff lehnte sich abwartend gegen die Theke. Auch er schwieg.

Doc Flanner stand auf, kam zur Theke zurück und blickte den Keeper auffordernd an.

Der schenkte das Wasserglas wieder voll.

Flanner trank. Er trank gierig, rollte dabei mit den Wasseraugen und stellte das Glas zurück. Er sagte nichts, machte nur eine Bewegung.

Der Keeper schenkte das Glas wieder voll. Der Doc leerte es in seine ewig durstige Kehle, nickte zufrieden und wandte sich um.

„Die Kugel sitzt dicht unter dem Herzen“, sagte er mit tiefer Stimme, die aus einer Gruft zu kommen schien.

„Und?“, fragte der Sheriff.

„Ich kann die Kugel jetzt nicht herausholen.“

„Warum nicht?“

„Sie liegt zu tief. Er hat Blut verloren – viel Blut! Er muss richtig liegen, muss erst wieder zu Kräften kommen. Dann kann ich es versuchen.“

„Es kann also sein, dass er es nicht überlebt?“, fragte der Sheriff.

Der Doc zuckte resignierend die Schultern.

„Keiner steckt drin“, knurrte er tiefsinnig. „Legt ihn in ein Zimmer. Morgen sehe ich wieder nach ihm.“

„Er kommt zur Ranch“, sagte Hal Spears.

„Ich würde ihn hierlassen“, brummte der Doc gleichgültig. „Natürlich ist das eure Sache. Aber es ist sein sicherer Tod.“

„Ich habe schon andere Männer gesehen, die tagelang mit Kugeln im Leib herumliefen, die im Sattel saßen, und alle möglichen Arbeiten machten.“

„Sicher, Spears. Aber nicht, wenn sie die Kugeln gerade erst in den Leib bekommen hatten. Vielleicht kannst du ihn morgen abholen.“

„Er …“

„Er bleibt hier!“, schrie der Sheriff. „Reite hinaus und sage deinem Boss, was geschehen ist. Und sage ihm, dass Les ein Narr war, der den Streit angefangen hat.“

Hal stand unentschlossen, blickte auf seinen Kumpan, der jetzt still lag und die Augen geschlossen hatte.

„Na, geh schon“, knurrte der Sheriff. „Oder willst du es auf dich nehmen, das Leben eures Vormannes in der Hand zu haben? Garett würde sicher früher oder später erfahren, was der Doc gesagt hat.“

Hal ging langsam zur Tür.

„Der Doc“, sagte er verächtlich über die Schulter. „Ich möchte den Mann einmal sehen, der Flanner den Titel gegeben hat. Wisst ihr was, diesen Mann gibt es nur in seiner Einbildung.“

Flanner wandte sich gelassen zur Theke.

„Gib mir noch einen, Tim“, knurrte er.

Hal ging hinaus. Gleich darauf hörten sie die beiden Pferde antraben, die Matt vor dem Office des Sheriffs abgestellt hatte.