Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

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15

Sie hielten hinter einer Buschgruppe, die sich über die Kuppe eines Hügels zog. In der Senke sahen sie den roten Weg, der zu Trogers Ranch führte. Auf diesem Weg kamen sie: Troger, daneben Maude Freese. Dahinter drei Männer aus Trogers Mannschaft. Sie ritten langsam und blickten wachsam nach allen Seiten. Aber sie sahen die Männer auf der Hügelkuppe, hinter den Mesquitebüschen, nicht.

Hal Spears ging langsam an den Büschen entlang, bis er zu einer dünnen Stelle kam. Er bog die Äste vorsichtig auseinander und blickte hinunter. In der Ferne sah er die Dächer der Stadt.

„Ich schätze, wir warten hier“, sagte er. „Wir wollen zunächst einmal feststellen, ob sie alle in der Stadt bleiben. Ich kann mir das nicht denken. Vermutlich wird Troger nur einen, höchstens zwei seiner Leute dort lassen.“

„Gut, warten wir“, meinte Ric.

Die Reiter in der Senke ritten arglos vorbei und weiter auf die Stadt zu.

16

Matt Wister hatte mit seinen Leuten den in der Weidehütte liegenden Draht und die zurechtgeschnittenen Pfähle herausgeholt. Er blickte nach Norden, sah in der Ferne die Herde und wusste, dass dies Trogers Herde war. Sie wurde von vier Männern umkreist. Das Knallen der Peitschen schallte weit über das Land.

Einer der Cowboys brachte einen schweren Hammer aus der Weidehütte. Sie begannen, die Pfähle in den Boden zu treiben und spannten den Draht dazwischen.

Matt Wister wusste noch nicht, dass er von Garett nur hierher geschickt worden war, um so, wie dessen Mannschaft, voll für seine Pläne eingespannt zu werden.

Matt wusste nur, dass er hier seine eigenen Pläne verfolgte. Aber noch wusste er nicht, wie er Troger des damaligen Mordes überführen sollte. Er dachte immer wieder an das blonde Mädchen, und er fragte sich, wie Troger zu ihr kommen konnte.

Die Sonne stieg höher. Der Zaun wurde länger. Als sie einen Streifen von fast vierhundert Yard gezogen hatten, war der Draht verbraucht.

Sie räumten die Geräte wieder in die Hütte hinein. Sie blickten zu der Herde im Norden.

Entweder hatten die Cowboys nichts von dem Zaun bemerkt, oder sie wollten nichts merken. Sie umkreisten weiter die Herde.

„Zwei Mann bleiben in der Nähe“, bestimmte Matt. „Sie beobachten, was geschieht, Dice und Oliver, ihr übernehmt das.“

„Gut, Matt.“

„Wir anderen reiten zur Ranch zurück.“

Sie sattelten die Pferde und ritten wenig später in westlicher Richtung davon. Eine Meile vom Zaun entfernt blieben Oliver und Dice zurück. Die anderen ritten weiter.

17

Alan Troger kniff die Augen zusammen. Er musterte den Sheriff lange und eingehend, und vielleicht war es ihm gar nicht klar, dass er ihn musterte, denn er schaute durch ihn hindurch.

„Stimmt das auch?“, fragte er rau und unsicher.

„Was ich sehe, sehe ich“, knurrte der Sheriff. „Zuerst sah es aus, als wollte die ganze Horde über ihn herfallen. Plötzlich krachte ein Schuss, und Garetts Hut rollte über den Weg. Er ist verteufelt schnell. Ich glaube, er hätte Garett erschossen, wenn sie es versucht hätten. Garett muss erkannt haben, dass man so einen Cowboy nicht jeden Tag anwerben kann. Jedenfalls wurden sie sich irgendwie einig und ritten gemeinsam davon.“

Troger nagte an der Unterlippe. Die Lage hatte ein Stadium erreicht, mit dem er nicht gerechnet hatte. Er saß lange so im Sattel und blickte immer noch durch den Sheriff hindurch.

Jim Riley sagte nichts. Er blickte den Rancher unverwandt an.

Troger wandte plötzlich sein Pferd und ritt wortlos die Main Street hinunter. Er hielt vor dem Store, glitt dort aus dem Sattel, und stieg die Stufen hinauf.

Als er das Geschäft betrat, sah er Maude Freese hinter der Theke. Seine drei Cowboys standen rechts und links an den Regalen und rauchten.

„Al, du kannst deine Leute wieder mitnehmen“, sagte das Mädchen. „Sie stehen mir nur im Weg herum. Es ist auch unsinnig zu glauben, hier in der Stadt könnte mir etwas passieren. Garett wollte das so machen, dass es keine Zeugen gibt. Hier in der Stadt geht das nicht.“

„Weißt du überhaupt, warum er das machen will?“, fragte Troger.

„Nicht genau, Al.“

„Er will mich damit erpressen. Es ist doch klar, dass er mir die Bedingungen nennt, die ihm angenehm sind. Es ist für ihn ganz einfach, wenn er ein Druckmittel in der Hand hat.“

„Gut, Al, dann lass einen deiner Leute hier. Das wird genügen. Wir wollen doch nicht mehr Aufsehen erregen, als nötig ist.“

„Die Leute wissen längst, was gestern passieren sollte.“

„Und wenn schon. Niemand wird sich daran beteiligen. Beide Ranches bedeuten für sie das gleiche. Wenn sie sich jemals auf eine bestimmte Seite stellen, dann nur, wenn sie genau wissen, dass dieser Rancher der Sieger des langen Ringens sein wird. Niemand kann ihnen das verdenken.“

„Kirk, du bleibst hier.“

„Gut, Boss.“

„Ich komme morgen wieder, Maude.“

„Ja, Al.“

„Gehen wir, Leute.“

Die beiden Cowboys folgten ihrem Boss. Kirk zog sich einen Hocker heran, setzte sich und lehnte den Rücken gegen das Regal.

„Ich habe im Hof Draht liegen, der zurechtgeschnitten werden muss, Kirk“, sagte Maude Freese.

„So?“

„Ja. In zwanzig Yard lange Streifen.“

„Für wen ist das?“

„Für Garett“, sagte sie und lächelte in den Augenwinkeln.

Kirk stand langsam auf, ließ den Rest seiner Zigarette fallen und stellte den Stiefel darauf.

„Für Garett?“

„Ja, für Garett.“

„Aber … aber wenn der Boss das erfährt, passiert etwas!“

„Wieso denn?“

„Garett ist sein …“

„Das ist für mich uninteressant. Ich gehöre, solange ich den Store haben werde, zu den Leuten der Stadt. Wie die Leute der Stadt denken, ist euch bekannt. Geh und schneide mir den Draht zurecht. Ich bezahle dafür pro Stunde einen halben Dollar.“

Kirk pfiff durch die Zähne.

„Das ändert die Lage“, sagte er und schob sich durch die Hintertür.

Kaum war er hinaus, betrat Sheriff Riley den Store. Er kam bis an die Theke, verlangte ein Paket Tabak und drehte es zwischen den Fingern.

„Noch etwas, Sheriff?“, fragte Maude.

„Wie war das gestern?“, brummte Riley.

„Was?“

„Sie wissen doch, was ich meine?“

„Mit der versuchten Verschleppung?“

„J-a.“

„Es war Garett. Das heißt, es waren seine Leute. Die Sache ist hinfällig, denn sie klappte nicht. Garett wird das nicht wieder versuchen. Ich halte ihn für einen Mann, der jede Sache nur einmal macht. Klappt sie nicht, lässt er es sein.“

„Kann stimmen. Aber wir wissen es nicht. Ich möchte Ihnen raten, die Stadt vorläufig nicht mehr zu verlassen.“

„Das ist ohnehin meine Absicht, Sheriff.“

„So? – Nun, dann ist alles in Ordnung. Ja, das war alles, was ich wollte. Es dreht sich darum, dass wir mit Garett nicht anbinden wollen. Sie wissen ja, wie das ist.“

„Sicher, Sheriff. Die Leute der Stadt haben keine Lust, gegen eine Ranchmannschaft etwas zu unternehmen.“

„Wir könnten das gar nicht. Denn es würde hart auf hart gehen. Wir sind einer solchen Mannschaft nicht gewachsen. Sie dürfen nicht denken, dass ich mich auf die eine oder andere Seite

schlagen wollte. Ich taxiere nur unsere Chance. Und die ist einfach zu klein.“

„Sie können unbesorgt sein. – Übrigens: Ich habe Matt Wister nicht mehr in der Stadt gesehen. Troger sagte mir gestern Abend, er habe mit ihm vereinbart, dass …“

„Wister ist gestern Abend mit Garett geritten. Ich habe das Troger gesagt. Erzählte er es Ihnen nicht?“

„Nein“, sagte Maude. Sie war einen Schein blasser geworden. „Mit Garett? – Das verstehe ich nicht.“

„Ich eigentlich auch nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er nicht zufällig in diese Stadt kam. Als Troger gestern mit ihm im Saloon sprach, schickte er den Keeper hinaus. Er wollte offenbar allein mit ihm reden, ohne Zeugen.“

„Ach?“

„Ja. Das ist komisch, nicht wahr?“

„Allerdings.“

„Wie benahm sich Troger, als er zur Ranch zurückkam?“

Maude blickte den Sheriff eine Weile schweigend an, dann zuckte sie die Schultern.

„Ich weiß auch nicht“, sagte sie leise. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er Wister kennt. Von früher her. Irgendwie war er plötzlich ganz anders als sonst.“

„Wie anders?“

„Ich weiß nicht, Sheriff. Es kam mir bald so vor, als habe er Angst. Eine unbestimmte Angst, die ich nicht zu deuten vermag.“

Sheriff Riley beugte sich über den Tisch und sagte leise: „Vielleicht ist es gut, dass Sie noch nicht mit ihm verheiratet sind, Maude. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich hier in der nächsten Zeit etwas tun wird.“

„Sie … Sie glauben doch nicht, dass Alan Troger etwas zu verheimlichen hat?“

„Hier oben haben viele Männer etwas zu verheimlichen. Im einzelnen ist die Frage nur, was es ist.“

„Sie weichen mir aus.“

„Was soll ich denn weiter tun, Maude? Ich weiß nicht mehr als jeder andere. Nur eines wird mir immer klarer!“

„Und das ist?“, fragte sie gespannt und forschte in seinem Gesicht.

„Matt Wister ist hinter etwas her. Als er hier ankam, machte er gleich auf mich den Eindruck, ein Mann zu sein, der sehr lange im Sattel sitzt und hinter etwas herreitet. Es gibt viele Männer, die hinter etwas herreiten. Er gehört zu dieser Sorte, die sich sehr fest in eine Sache verbeißen kann. Sie sollten jetzt jedenfalls erst einmal abwarten.“

 

Maude blickte hinter dem Sheriff her, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann begann sie mit fahrigen Bewegungen, Gegenstände auf der Theke hin und her zu schieben. Sie war verwirrt.

18

Hal Spears blickte seine Partner an, als er den Rancher Troger mit seinen beiden Cowboys zurückkommen sah.

„Einen hat er in der Stadt gelassen“, sagte er leise. „Mit dem werden wir sicher fertig.“

Ric und Ace stellten sich neben Hal, um auch einen Blick durch das Geäst und hinunter auf den Weg werfen zu können.

Sie standen so und blickten den Reitern nach, bis diese im Norden zwischen den Hügeln verschwanden.

„Also, Freunde“, sagte Hal und rieb sich zufrieden die Hände. „Ric, du nimmst die Pferde. Ace fährt mit mir auf dem Wagen. Alles andere ist ja klar. Mach es so, dass sie dich nicht sehen.“

„Gut, Hal.“ Ric schwang sich auf sein Pferd, nahm die Zügel des anderen und ritt nach Osten. Er wollte einen Bogen schlagen.

Hal und Ace kletterten auf den Bock des Ranchwagens, fuhren um die Büsche herum und auf den Weg hinunter. Schnell fuhren sie der Stadt entgegen.

19

Sheriff Jim Riley blickte dem Wagen entgegen. Er wunderte sich schon lange nicht mehr darüber, dass die Reiter beider Ranches dreist waren. Sie waren schon immer so gewesen, und sie hatten die Stadt niemals als einen Ort anerkannt, der neutral war.

Riley zog sich bis zur Hauswand zurück. Der Wagen rollte knarrend vorbei und hielt vor dem Store. Riley sah, dass Hal abstieg, über den Stepwalk ging und dann hinter der Tür verschwand.

Ace blieb noch auf dem Bock sitzen, rollte sich eine Zigarette und steckte sie an. Dann stieg er ebenfalls ab und machte sich am Wagen zu schaffen.

Riley ging in sein Office. Er holte das Schrotgewehr. Er war jetzt bereit, etwas zu unternehmen, wenn hier etwas passieren sollte. Er fragte sich nicht einmal, woher er plötzlich den Entschluss dazu nahm.

Ace lief immer noch um den Wagen herum. Hal kam aus dem Store und warf eine Rolle Draht auf den Wagen. Er ging wieder hinein. Ace ging weiter um den Wagen. Plötzlich lehnte er sich an die hintere Bordwand und blickte dem Sheriff entgegen.

„Hallo!“, rief er. „Was bewachen Sie denn mit der Flinte?“

Riley stellte die Parker-Büchse mit der Kolbenplatte auf den Stepwalk. Seine Sorge kam ihm jetzt selbst übertrieben vor.

„Das geht Sie nichts an“, knurrte er unfreundlich, ohne seine Haltung zu ändern.

Hal kam mit einer zweiten Drahtrolle aus dem Store. Er warf sie zu den anderen auf den Wagen und ging wieder hinein.

Maude Freese hatte einen Zettel vor sich auf der Theke liegen, auf den sie Striche machte, wenn Hal eine Rolle hinaustrug. Hal ging an ihr vorbei, durch den Flur in den Hof. Er blieb vor Kirk stehen, der eben wieder eine Rolle gebündelt hatte.

Hal grinste den Cowboy an.

„Hättest du das jemals für möglich gehalten, dass es so etwas gibt?“, fragte er ihn. „Was würde dein Boss dazu sagen? – Oder hat er dich abgestellt, um für uns Draht zu schneiden?“

Kirk zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Hal hob die Drahtrolle hoch. Im Hintergrund zwischen den beiden Lagerschuppen sah er Ric auftauchen, der die Pferde am Zügel führte.

Auch Kirk hörte offenbar ein Geräusch. Er drehte sich und stand für einen Moment wie erstarrt.

Da schlug Hal mit der hoch geschwungenen Drahtrolle zu.

Der schmetternde Hieb traf Kirks Hinterkopf. Er rannte vorwärts, stolperte und fiel auf den Boden. Ric kam über den Hof gerannt.

„Da drüben in den Schuppen“, sagte Hal leise und schulterte die Drahtrolle.

Als wäre nichts geschehen, lief er durch den Flur, und Maude machte einen Strich auf den Zettel. Hal kam von der Straße wieder herein, ging an ihr vorbei und zurück in den Hof.

Die Schuppentür stand offen. Ric und Kirk waren nicht zu sehen. Die beiden Pferde waren ebenfalls verschwunden.

„Miss Freese!“, rief Hal Spears.

„Was ist denn?“

„Kirk ist fort. Er hat keine frische Rolle gebunden!“

Schritte erschallten. Dann stand Maude Freese im Hof. „Kirk?“ fragte sie zum offenen Schuppen hinüber. „Kirk!“

Keine Antwort.

„Er wird sich doch nicht überlegt haben, dass sein Boss etwas dagegen haben könnte?“, fragte Hal.

Maude warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, ging dann mit schnellen Schritten zum Schuppen hinüber.

Hal begann, ein Lied zu pfeifen.

Das Mädchen verschwand im Schuppen.

Hal rollte die nächste Rolle selbst zusammen und trug sie durch den Store. Er machte einen Strich auf den Zettel. Draußen warf er die Rolle auf den Wagen. Er blickte kurz zu Sheriff Riley hin, der immer noch vor seinem Office mit dem Gewehr bei Fuß stand.

„Es ist soweit“, raunte er Ace zu und ging wieder hinein. Er brachte die nächste Rolle. Als er dann wieder in den Hof kam, sah er Ric eben zwischen den Büschen hinter den beiden Lagerschuppen verschwinden. Er führte das zweite Pferd am Zügel.

Auf diesem Pferd saß Maude Freese; gefesselt, geknebelt und ein Halstuch über den Mund gebunden.

Pfeifend packte Hal die letzte Rolle zusammen und trug sie hinaus. Als er sie verladen hatte, kam der Doc aus dem Saloon. Er hatte seine lederne Instrumententasche in der Hand. Sein Gesicht war gerötet, und die Nase stach heute spitz aus seinem hohlen Gesicht.

„Sheriff!“, rief er mit seiner heiseren Stimme.

„Sheriff, der Kerl will sich nicht von mir operieren lassen!“

Riley nahm das Schrotgewehr hoch und lief schnell über die Straße. Er blieb vor Flanner stehen und sprach leise und hastig mit ihm.

„Es geht um Les“, sagte Ace leise.

„Darum wollen wir uns besser nicht kümmern“, knurrte Hal. „Die Gelegenheit ist günstig. Wir fahren. Ric wird einen schönen Vorsprung gewinnen und seine Spur verwischen können.“

Sie sahen, wie der Sheriff mit dem Doc im Saloon verschwand.

„Los!“, zischte Hal Spears. Er schwang sich auf den Bock.

Ace folgte ihm. Sie drehten das Gefährt auf der Straße und fuhren aus der Stadt.

Ein paar Männer, die vor den Häusern standen, blickten ihnen nach. Keiner rührte sich.

20

Sheriff Riley blieb stehen und blickte den Verletzten an.

Vane erhob sich von der Bettkante. Sein Hemd stand offen, so dass die wuchtige Brust zu sehen war. Der weiße Verband leuchtete dem Sheriff entgegen.

Vane hatte seinen Colt in der Hand. Er hob ihn und schrie: „Raus!“

„Was ist los?“, fragte der Sheriff betroffen.

„Verschwindet!“

„Vane, Mann, was soll das?“

„Ich will Flanner nicht sehen, verstanden!“

„Warum?“

„Weil er ein Pfuscher ist. Ein versoffener Pfuscher, der keine Ahnung hat. Er hat mir selbst gesagt, dass die Chance gering ist.“

Jim Riley trat zur Seite, so dass der Doc ins Blickfeld kam. Er schaute ihn an, und Flanner zuckte die Schultern.

„Es ist bei ihm so eine Sache“, knurrte der Doc. „Die Kugel sitzt unmittelbar unter dem Herzen. Ich weiß nicht, wie es ausgeht.“

„Du hattest gesagt, du müsstest ein paar Tage warten, damit er sich erholen kann“, versetzte der Sheriff.

„Ja, das sagte ich“, gab der Doc zu. „Aber als ich vorhin nach ihm sehen wollte, stellte ich fest, dass er sich recht gut erholt hat. Der Zeitpunkt ist jetzt am günstigsten. Die Kugel könnte sich verkapseln.“

„Und du weißt nicht, wie es ausgeht?“

Flanner hob die Schultern und ließ sie mit einem Ruck wieder fallen. „Bei so einer Verletzung weiß man das nie.“

Sheriff Riley blickte von dem Doc auf Vane.

„Was passiert, wenn sie drin bleibt?“

„Er wird todsicher den Brand bekommen. Sie muss heraus! Das habe ich ihm doch gesagt.“

„Haben Sie das gehört, Vane?“

„Warum denn so vornehm?“, fragte der Cowboy. „Natürlich habe ich das gehört. Ich will aber nicht hier über die Klinge springen. Ich reite nach Fort Sisseton. Dort gibt es einen Doc, dem ich mehr zutraue. Nun verschwindet!“

Sheriff Riley wusste, dass er Vane nicht halten konnte. Er nahm sein Gewehr am Kolbenhals und ging hinaus.

„Es ist Selbstmord, bis Sisseton zu reiten“, hörte er den Doc hinter sich sagen. „Du schaffst das nie! Mann, hier hast du eine Chance. Nur hier hast du eine!“

„Ich werde langsam reiten. Es ist meine Sache. Raus, verdammt!“

Der Sheriff stand vor dem Saloon und blickte hinüber zur offenen Tür des Store. Er hörte die tappenden Schritte, als der Doc neben ihn trat.

„Wie groß ist die Chance, dass er hier durchkommt?“, fragte Riley.

„Vielleicht fünfzig zu fünfzig.“

„Hast du ihm das gesagt?“

„Ja.“

„Dann wundert es mich nicht. Ich glaube nicht, dass ein Kerl wie er keine Chance haben soll, Fort Sisseton zu erreichen.“

Doc Flanner leckte sich über die Lippen.

„Ich habe Durst“, brummte er, als habe er kein Wort verstanden.

„Vielleicht hat er erkannt, dass es dir nur um das Honorar geht“, schnaubte Riley und stieg die Stufen hinunter. Drüben sah er einen Mann in den Store gehen. Gleich darauf war dessen Ruf zu hören: „Miss Freese! He, Miss, wo stecken Sie denn?“

Jim Riley blieb stehen und atmete langsam aus. Er merkte, wie seine Handflächen feucht wurden.

„Miss!“, rief es drüben. Der Mann kam wieder heraus. „Wo ist sie denn hin?“, fragte er.

Riley ging langsam weiter, stieg die Treppe hinauf und betrat das Haus. Er lief durch den Store, durch den Flur und blieb an der Hintertür stehen. Sein Blick glitt über den Hof.

„Vielleicht ist sie oben?“, sagte der Mann hinter ihm im Flur.

Riley antwortete nicht. Er blickte die offene Schuppentür an und ging darauf zu.

21

Kirk erwachte gerade aus seiner Ohnmacht, als der Sheriff neben ihm stehenblieb. Riley bückte sich, zog ihm das Halstuch herunter und den Knebel aus dem Munde.

Kirk ließ einen Fluch hören, während Riley ihm mit seinem Bowiemesser die Riemen durchschnitt, die sich um Handgelenke und Beine des Cowboys spannten.

Kirk stand taumelnd auf, rieb über seinen Hinterkopf und fluchte wieder. „Was war los?“, fragte Riley.

Kirk blickte ihn an.

„Was los war? Ich weiß nicht.“ Er rieb jetzt über seine Stirn. „Er hat mir eins auf den Hinterkopf gegeben.“

„Wer?“

„Spears.“

„Hast du das genau gesehen?“

„Wie soll ich das verstehen? Es war sonst keiner hinter mir.“

„Und weiter?“

„Ich … mehr weiß ich nicht.“

„Du bist also umgefallen und hast nichts mehr bemerkt?“

„Nichts“, sagte Kirk. „Ist … ist er noch da?“

„Nein. Miss Freese ist auch verschwunden.“

„Ich …“

„Du bleibst hier und wartest. Ich kann den Wagen noch einholen.“

Kirk blickte dem Sheriff nach, der aus dem Schuppen hastete.

22

Hal Spears grinste, als er den Reiter vor der wehenden Staubfahne hinter dem Wagen auftauchen sah. Er gab Ace die Zügel, nahm die lange Peitsche und schlug auf die beiden Stangenpferde ein.

„Hoo!“, schrie er. „Schneller, ihr müden Böcke! Hoo!“

„Was soll denn das?“, schnaubte Ace, der auf dem Bock hin und her geschleudert wurde. „Zum Teufel, was soll das, Hal?“

„Der Sheriff ist hinter uns her!“

„Na und? Wir haben sie doch nicht.“

„Sicher denkt er das aber. Schlage einen Bogen nach links. Wir führen ihn ein wenig im Kreise herum und lassen ihn Staub schlucken. Dadurch vergrößert sich Rics Vorsprung immer mehr.“

„Glaubst du, er würde sich allein zur Ranch wagen?“, forschte Ace.

„Ja, das glaube ich. Aber er muss spät kommen; zu spät!“

Ace zuckte die Schultern und ließ das Gespann einen sanften Bogen beschreiben.

Hal grinste. Er sah den Reiter nur hin und wieder im wallenden Staub auftauchen. Wenn er ihn sah, schrie er wie verrückt.

Doch langsam holte Riley auf. Als er den Wagen nach fast einer Viertelstunde eingeholt hatte, griff Hal in die Zügel und brachte das Gefährt zum Stehen. Er hatte den Fuß noch auf dem langen hölzernen Bremshebel, als der Sheriff neben dem Wagen anhielt. Er hatte sein verstaubtes Gewehr in der Hand. Es war nicht die Schrotflinte, sondern eine siebenschüssige Spencer.

 

Er blickte auf den Wagen, sah die Drahtrollen, und sein Gesicht wurde lang.

„Tag, Sheriff“, sagte Hal Spears und grinste dünn und hämisch. „Sie hatten es aber eilig. Darf man fragen, warum?“

Riley blickte in das hämisch verzogene Gesicht des Cowboys. Er wusste, dass sie ihn irgendwie hereingelegt hatten.

„Wissen Sie, was Menschenraub ist, Spears?“, erkundigte er sich frostig.

„Nein. Noch nie gehört.“

„Dann hören Sie mir jetzt gut zu, Spears: bisher haben wir es so gehandhabt, dass wir aus der Stadt uns nicht um die Sache gekümmert haben, die draußen auf der Weide abrollte. Aber Miss Freese gehört zur Stadt. Auch wenn sie mit Troger verlobt ist. Solange sie den Store hat, wird sich daran nichts ändern. Ist Ihnen das klar?“

„Klar ist mir das eigentlich“, sagte Hal. „Aber ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Sheriff. Erklären Sie das doch ein bisschen deutlicher, wenn es geht.“

Ace rollte sich eine Zigarette.

„Warum sind Sie geflohen?“, knurrte der Sheriff.

„Wann?“

„Eben.“

„Wir dachten, ein Bandit sei hinter uns her“, meinte Ace und riss ein Schwefelholz über die Trommel seines Colts.

„So, ein Bandit also.“

„Ja“, sagte Hal und machte ein ernstes Gesicht.

„Und was wollen Sie nun wirklich?“

„Das wissen Sie ganz genau. Ich reite jetzt zu Garett und sage ihm das selbst.“

„Viel Spaß, Sheriff“, meinte Hal.

Ace fluchte, als sich der Sheriff ein Stück entfernt hatte.

„Was hast du denn?“

„Wenn er sich sehr beeilt, wird er vielleicht dem Boss sehr ungelegen kommen.“

„Glaube ich nicht. Ric hat fast eine halbe Stunde Vorsprung. Er wusste, dass er sich beeilen muss. Der Sheriff kommt zu spät.“

Ace zog die Pferde im Kreise herum und folgte Rileys Spuren.

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