Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

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25

Am Abend des dritten Tages ritten sie über einen Bergkamm an den Osthängen der Rocky Mountains. Den ganzen Ritt über hatte der alte Mountainman nur das Nötigste geredet.

Immerhin wusste Cunningham jetzt, dass die Armeeführung seinen alten Freund Sherman beauftragt hatte, ihn und Shakopee festzunehmen. Er war sich nicht sicher, ob das die Sache vereinfachte.

Und er hatte erfahren, dass die gefangenen Kavalleristen McAuleys Schicksal geteilt hatten - am Marterpfahl der Sioux waren sie gestorben. Bis auf einen - Samuel Murphy. Ausgerechnet ihm, dem Ältesten, war die Flucht geglückt.

"Wie lange noch?", fragte Cunningham den alten Bergfuchs.

Der Trapper deutete auf einen gegenüberliegenden Berghang. "Noch einen Abstieg und einen Aufstieg. In zwei Stunden haben wir es geschafft."

Eine halbe Stunde später führte der Pfad ins Tal hinab. Schüsse zerrissen die Stille der Bergwelt und brachen sich an den Hängen. Der Alte zog die Zügel seines Pferdes an. Seine zerfurchte Ledermiene verfinsterte sich. "Verflucht! Wir kommen zu spät..."

Er hieb seinem Tier die Absätze seiner Mokassins in die Flanken und preschte den steilen Pfad hinab durch das dichte Unterholz. Cunningham hatte Mühe, ihm zu folgen.

Immer wieder hörten sie Schüsse. Irgendwo in den Wäldern tobte ein Feuergefecht. Sollte es Sherman wirklich gelungen sein, die Spur Shakopee bis in diese einsame Wildnis zu verfolgen? Der dürre Texaner war alles andere als ein schießwütiger Revolvermann. Aber Cunningham hatte ihn als unglaublich hartnäckig kennengelernt. Nicht umsonst hatte die Armeeführung ihn mit diesem heiklen Auftrag betraut. Cunningham traute seinem alten Freund alles zu.

Als sie den Fluss in der Talsenke durchquerten, verstummten die Schüsse. Sie trieben ihre Pferde hangaufwärts. Eine halbe Stunde später tauchte ein Reiter zwischen den Baumstämmen auf. Tom Sherman. Er hielt sein Pferd an und versperrte den Pfad.

Cunningham, der hinter dem Mountainman ritt, sah, wie dieser nach dem Gewehr in seinem Sattelholster griff. Doch Sherman war schneller. Er zielte mit seinem Spencer-Gewehr auf den Mountainman. "Lass den Schießprügel, wo er ist, alter Mann."

Hinter ihm tauchten vier weitere Reiter auf. Einer davon war Shakopee. Sein rechter Arm war mit Ästen geschient und verbunden. Sie hatten ihn auf sein Pferd gefesselt.

Sherman wurde blass, als er seinen alten Freund erkannte.

"Dave?", flüsterte er. "Du?"

"Die zivilen Klamotten stehen dir besser als die Uniform." Cunningham lenkte sein Pferd an dem des Alten vorbei. "Ich wette, du hattest gehofft, mich nicht zu finden." Er griff in seine Hosentasche. Shermans Begleiter zogen ihre Armeerevolver. "Und ich wette, du wirst nicht auf mich schießen."

Er zog zwei Silberdollars aus der Tasche und hielt sie hoch. Langsam ritt er auf Sherman zu.

"Steckt die Waffen weg", befahl der seinen Begleitern. Sie gehorchten. Sherman fummelte ebenfalls zwei Silberdollars aus seiner Lederweste und reichte sie Cunningham. "Du sollst hängen, Dave. Wegen Hochverrats."

"Hat Rooster mich angeschwärzt?" Sherman nickte. "Er lügt, Tom. Die Cheyenne hatten mich schon an ihren Marterpfahl gebunden."

"Ich kann es bezeugen." Shakopees hatte es mit tonloser Stimme gesagt. Mit ausdrucksloser Miene beobachtete er seinen ehemaligen Captain.

"Rooster ist ein blutdurstiger Hund", sagte Cunningham. "Hast du auch seine Frau gehabt?" Sherman schwieg. Aber die Antwort stand in seinem Gesicht geschrieben.

"Siehst du", grinste Cunningham. "Ich auch. Nur hatte ich das Pech, dass sie meinen Namen ausgeplaudert hat. Begreifst du? Rooster will mich vernichten."

"Ich glaub' dir, Dave", sagte Sherman. "Die Frage ist nur, ob das Kriegsgericht dir glauben wird." Eine Zeitlang musterten sie sich schweigend. Die drei zivilen Kavalleristen hielten die Kolben ihrer Revolver fest. Ihre glatten Gesichter spiegelten wider, dass ihnen die vertraute Plauderei ihres Lieutenants missfiel.

"Hör zu, Dave." Sherman senkte die Stimme. "Was zum Teufel soll ich tun? Ich muss dich festnehmen, verstehst du das?"

"Wohin bringt ihr Shakopee?", wollte Cunningham wissen.

"Nach Fort Dodge zu General Forrest."

"Ich werde mit euch reiten", sagte Cunningham. "Aber als freier Mann..."

26

Zwei Wochen war es her, seit Gelbnacken das Lager verlassen hatte. Kein Tag war vergangen, an dem Blauer Vogel nicht sehnsüchtig den Berghang hinaufgeschaut hätte.

Eines Morgens sah sie den Mountainman über den Fluss reiten. Allein. Die Enttäuschung presste ihr das Herz in der Brust zusammen.

Kleiner Bär trat vor sein Tipi, um den Alten zu empfangen. Sein greises Gesicht verhieß nichts Gutes. Die Häuptlingstochter eilte ihm entgegen. "Wo ist mein Mann?" Er winkte ab. Sie packte ihn am Arm. "Sag mir, wo mein Mann ist." Schweigend stapfte er auf den wartenden Häuptling zu.

"Deine Augen sind traurig, Bergfuchs", sagte Kleiner Bär. "Sie verraten die schlechten Nachrichten, bevor deine Zunge sie ausspricht."

Der Alte ließ sich vor dem Häuptling im Gras nieder. "Sie haben meinen Sohn gefangen genommen." Seine Stimme klang kraftlos. "Sie wollen ihn als Verräter hängen."

"Dein Leid ist mein Leid." Der Häuptling setzte sich neben den Mountainman. Zorniger Büffel und einige der Ältesten gesellten sich zu ihnen. "Sprich weiter."

"Cunningham ist freiwillig mit ihnen nach Fort Dodge geritten. Er will seine Unschuld vor dem General beweisen."

Blauer Vogel begann laut zu weinen. "Warum tut er das? Warum tut er mir das an?!"

"Dein Schmerz macht dich blind", sagte der Häuptling. "Du siehst nur dich und dein Glück, meine Tochter. Gelbnacken tut, was ein Mann tun muss, dessen Name beschmutzt wurde." Blauer Vogel schluchzte stumm in sich hinein.

"Ich hab' noch weitere schlechte Nachrichten", fuhr der Alte fort. "Ich habe erfahren, dass sie Rooster ein neues Kommando gegeben haben." Die Mienen der Indianer wirkten plötzlich wie versteinert. "Er befehligt jetzt fast vierhundert Mann. Mit dem Sommer werden auch seine Reiter zurückkommen. Reddog ist ein rachsüchtiger Mann."

Die Ältesten berieten sich lange. Bis in die Nacht hinein tanzte Zorniger Büffel um den Totempfahl. Kurz nach Sonnenaufgang ließ Kleiner Bär seinen Stamm die Antwort der Geister der Erde und der Sonne wissen.

"Geht fünf Tage lang auf die Jagd. Wir müssen uns mit Vorräten eindecken. Eine lange Wanderung liegt vor uns. Nach diesen fünf Tagen brechen wir das Lager ab und ziehen nach Norden."

Alles Flehen und Betteln seiner Tochter konnte ihn nicht umstimmen...

27

Der General schritt nachdenklich zwischen seinem Schreibtisch und dem großen Fenster seines Büros auf und ab. Hin und wieder blieb er stehen und betrachtete den blonden Mann in der verschlissenen Lederkleidung. Cunningham stand reglos mitten im Büro und wartete auf eine Antwort des Generals.

An der Tür standen zwei uniformierte Kavalleristen. Neben Cunningham, ebenfalls in Uniform, Lieutenant Tom Sherman.

"Ich habe Sergeant Shakopees Aussage schriftlich niedergelegt und nach Washington telegraphiert," sagte der General. "Er hat Sie entlastet, Captain." Er verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine skeptische Miene auf. "Allerdings scheint es mir zweifelhaft, dass unsere Militärführung der Aussage eines Verräters allzuviel Glauben schenken wird."

Er drehte sich um und schlenderte wieder zum Fenster. Unten, auf dem Exerzierhof, bereiteten sich drei seiner sechs Schwadronen auf den Abmarsch nach Fort Laramie vor.

"Aber das Glück scheint Ihnen hold zu sein, Captain", sagte der General. "Einer der Männer, die mit Ihnen in Gefangenschaft geraten sind, hat sich vor einer Woche bei Colonel Rooster in Fort Laramie gemeldet. Sergeant Samuel Murphy. Er konnte den Sioux entkommen. Und er bestätigt im wesentlichen Shakopees Aussage."

Er kam zurück zu seinem Schreibtisch. Direkt vor Cunningham blieb er stehen. "Damit hat sich die Anklage gegen Sie vermutlich erledigt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie morgen mit den drei Schwadronen nach Fort Laramie aufbrechen. Sie melden sich dort bei Colonel Rooster zum Dienst. Bei seiner Strafexpedition gegen die Cheyenne kann er auf gute Späher wie Sie nicht verzichten."

Cunninghams Kaumuskulatur arbeitete. "Ich wollte meinen Abschied einreichen, Sir."

Der General grinste wehmütig. "Reden Sie keinen Unsinn, Captain. Sie sind Soldat! Sie melden sich bei Colonel Rooster, oder Sie gehen ins Militärgefängnis, bis Ihre offizielle Rehabilitation vorliegt. Und ich befehle Ihnen hiermit, als Späher in den Krieg gegen die Cheyenne zu ziehen. Abtreten."

Sherman und Cunningham grüßten und verließen die Räume des Generals.

"Herzlichen Glückwunsch", sagte Sherman bitter. "Nun kannst du dir aussuchen, ob du wegen Verrats oder Befehlsverweigerung in den Bau gehst."

Cunningham hatte niemandem anvertraut, wo er den Winter verbracht hatte. Nicht einmal seinem alten Freund Sherman. Seine Ankläger hätten es als Beweis für einen Verrat gewertet.

Am nächsten Tag brach er mit den drei Schwadronen nach Fort Laramie auf. Zwei Wochen später meldetet er sich bei Rooster. Der Colonel musterte ihn mit unverhohlenem Hass. "So sieht man sich wieder..."

Cunningham schwieg. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er die tiefe Feindseligkeit, die ihm der Mann entgegenbrachte. Rooster hätte ihn gern am Galgen gesehen - ohne Zweifel.

 

"Sie unterstehen dem Kommando von Lieutenant Sherman. Er befehligt die vierte, fünfte und sechste Schwadron." Er machte eine unwillige Handbewegung. "Abtreten!"

Cunningham grüßte und schritt zur Tür.

"Ach, übrigens...", rief Rooster ihm nach. "Washington hat telegraphiert." Er hielt ein Blatt Papier hoch. Cunningham ging zurück zum Schreibtisch und nahm es entgegen.

Ein dechiffrierter Morsecode - das Todesurteil gegen ihn war aufgehoben, die Anklage wegen Hochverrats fallengelassen worden.

"Und noch etwas, Captain." Rooster sprach plötzlich gefährlich leise. "Wir sind noch nicht fertig miteinander. Ich werde Sie töten, verlassen Sie sich darauf."

Cunningham faltete das Papier zusammen und verließ das Büro. Draußen auf der Vortreppe blieb er stehen und atmete tief durch. Niemand würde ihn mehr als Verräter bezeichnen dürfen. Mehr hatte er nicht erreichen wollen.

Er fand keinen Schlaf in dieser Nacht. Mit Roosters Kavallerie gegen die Cheyenne ziehen? Ausgeschlossen. Kleiner Bär und sein Stamm waren so etwas wie seine Familie geworden. Und ohne Bluebird wollte er nicht leben. Die Entscheidung war klar.

Am nächsten Tag ließ Rooster alle sechs Schwadronen antreten. Cunningham sah sich um. Nicht nur Soldaten, auch ein paar Dutzend Zivilisten hatten sich eingefunden. Die Gestalt eines alten Mannes fiel ihm auf. Sie war fast vollständig in eine reich bestickte Pferdedecke gehüllt. Siouxarbeit, registrierte Cunningham.

Auf der Veranda vor dem Kommandaturbüro entdeckte er Helena Rooster. Sie trug ein hochgeschlossenes graues Kleid, mit weißen Rüschen besetzt. Und sie wich seinem Blick aus.

Auf dem Exerzierhof, neben der Stallung, hatten sie einen Galgen aufgebaut. Sie schleppten Shakopee heran. Man hatte ihm die Hände auf den Rücken gefesselt. Erhobenen Hauptes betrat er den Galgen. Zwei Kavalleristen erwarteten ihn dort. Und ein Mann in einem schwarzen Frack. Er trug einen schwarzen Zylinder und schlug ein großes, ebenfalls schwarzes Buch auf.

Shakopee spuckte vor ihm aus und bedeutete ihm, vom Galgenpodest zu verschwinden. In stoischer Ruhe ließ er sich die Schlinge umlegen...

Nach der Hinrichtung ließ Rooster abtreten. Soldaten und Zivilisten zerstreuten sich. Der Mann in der Pferdedecke tauchte neben Cunningham auf.

"Blauer Vogel ist krank vor Sehnsucht nach dir, das soll ich dir ausrichten." Es war der Bergfuchs - Shakopees Vater! "Was hast du noch hier zu suchen, Dave Cunningham?", flüsterte er.

"Nichts mehr." Langsam schlenderten sie über den Hof. "Du wagst dich tatsächlich hierher?" Der Mann beeindruckte ihn.

"Ich habe einen Unteroffizier bestochen. Er ließ mich zu meinem Sohn in die Zelle." Von der Seite beäugte er Cunningham. "Außerdem habe ich deiner Frau versprochen, dir ihre Botschaft zu überbringen. Kleiner Bär ist übrigens weitergezogen. Ich kenne den Weg."

"Knapp vier Tagesritte nördlich von Fort Hall gibt es eine alte Silbermine", sagte Cunningham. "Nicht weit von der Quelle des Raven River entfernt. Kennst du die auch?" Der Alte nickte. "Warte dort auf mich."

Noch in der gleichen Nacht schrieb Cunningham einen Brief an General Forrest. Er erklärte seinen Abschied von der US-Kavallerie. Drei Tage später übergab er den Brief einem berittenen Boten. In der Nacht darauf holte er heimlich sein Pferd aus dem Stall und verließ unbemerkt Fort Laramie.

Wenige Tage später führte Rooster seine sechs Schwadronen aus dem Fort. Er war fest entschlossen, Little Bear gefangenzunehmen und seinen Stamm zu zerschlagen.

28

Kleiner Bär ließ das Nachtlager im Schutze eines kleinen Flusstales aufschlagen. Sieben Tagesmärsche lagen hinter dem Stamm. Anstrengende Märsche, bei denen sie steile Bergketten überstiegen und schier unzugängliche Flusstäler durchquert hatten. Die Frauen und Kinder des Stammes waren erschöpft. Sie brauchten dringend einen Tag, um sich erholen zu können.

In Begleitung der Ältesten und seiner Tochter stieg er am Abend auf einen niedrigen Bergkamm. Von dort aus öffnete sich den Blicken der Cheyenne die Weite des Graslandes.

"Endlich können wir die düsteren Berge verlassen", sagte Kleiner Bär. "Siehst du, wie sich die Grashalme im Abendwind wiegen, meine Tochter? Mein Herz wird leicht, wenn meine Augen in diese Weite blicken."

"Mein Herz wird immer schwerer", sagte Blauer Vogel, "je weiter ich mich von meinem Geliebten entferne."

"Klage nicht, meine Tochter - jedem Gebirge folgt eine Ebene und jedem Abschied eine Wiederkehr."

Blauer Vogel seufzte bitter. "Wohin führt unser Weg?"

Der Häuptling streckte seinen Arm aus und deutete in nordwestliche Richtung. "Zum großen Fluss, in das Gebiet der Blackfoot und Objibwa hinein. Weg aus den Vereinigten Staaten."

Die Sonne versank hinter den Gipfeln der Rockys. Auf dem Rückweg ins Lager entdeckten sie Umrisse von Reitern. Schon seit Tagen folgte ihnen eine Horde Crow-Indianer. Die Gegend gehörte zu den Jagdgründen der Crow.

Kleiner Bär ließ vorsichtshalber die Pferde innerhalb des Lagers weiden. Außerdem verstärkte er die Wachen und sandte Kundschafter aus. Den Crow war nicht zu trauen.

Doch sie wagten es nicht, die Cheyenne anzugreifen. Den Berichten der Kundschafter nach bestand die Gruppe nur aus achtzehn Jägern. Kleiner Bär dagegen verfügte über mehr als siebzig Krieger.

Am Morgen des übernächsten Tages brach der Stamm auf und stieg in die Grasebene hinab. In nordöstlicher Richtung zogen die Cheyenne dem Missouri entgegen.

29

Sherman stieß mit einem Spähtrupp auf das alte Sommerlager der Cheyenne. Die dritte Woche seit dem Abmarsch aus Fort Laramie begann.

In der Nähe des Flussufers fanden sie einen Steinhügel mit einem schiefen Holzkreuz darauf - Lesley McAuleys Grab.

"Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte", las Sherman murmelnd.

"Das können unmöglich die Cheyenne gewesen sein", staunte einer seiner Männer.

"Nein." Sherman betrachtete das Kreuz. "Das waren nicht die Cheyenne." Er ahnte, wer das Grab aufgeschichtet und das Kreuz beschriftet hatte.

Sie kehrten zurück zur Haupttruppe. Rooster entschied sich dafür, mehrere Spähtrupps in die Berge ausschwärmen zu lassen. Bis die Spur der Cheyenne gefunden war, wollte er seine Schwadronen hier, am Fuß der Rockys, lagern lassen.

Die Spähtrupps brauchten nicht ausschwärmen. Das Kriegsglück schien diesmal auf Rooster Seite zu sein. In Gestalt von einem Dutzend indianischer Reiter kam es in das Armeelager. Crow.

Rooster ließ sie freundlich behandeln und gab ihnen Fleisch und Schnaps. Er brauchte jeden Verbündeten. Und die Crow waren der US-Armee schon seit jeher freundlich gesonnen.

Nach dem Essen ließen die Crow die Katze aus dem Sack: Sie hätten wichtige Nachrichten für Reddog, und was ihm diese Nachrichten wert seien.

"Was für Nachrichten sind das?", fragte der Colonel misstrauisch.

"Nachrichten über deinen Feind Little Bear."

Rooster bot ihnen zwanzig Gewehre, Munition und drei Rinder. Sie verlangten dreißig Gewehre und fünf Rinder. Rooster war einverstanden.

"Little Bears Stamm hat das Gebirge verlassen." Der Anführer der Crow ließ sich eine Karte geben und deutete auf eine Stelle anderthalb Tagesritte weiter nördlich. "Hier. Sie ziehen in Richtung des großen Flusses."

"Sie wollen nach Kanada fliehen", sagte Rooster. "Schneiden wir ihnen den Weg ab."

Am nächsten Morgen ließ der Colonel Pferde statt Ochsen vor die Proviant- und Materialwagen spannen. Je Wagen ein Vierergespann. Er wollte so schnell wie möglich vorwärtskommen.

Die sechs Kavallerieschwadronen ließen die Berge hinter sich und ritten nach Norden in das Grasland hinein.

30

Cunningham und der Trapper verließen das Gebirge auf dem kürzesten Wege. Um schneller voranzukommen, ritten sie durch die Grasebene.

Drei Wochen, nachdem sie sich in der alten Silbermine getroffen hatten, erreichten sie die Nachhut der Cheyenne. Bluebird entdeckte die beiden Reiter als erste. Sie sprang vom Pferd und lief ihnen entgegen. Sie zog Cunningham aus dem Sattel und klammerte sich an ihn.

"Ich dachte, du wärst tot", schluchzte sie. "Ich dachte, ich seh' dich nie wieder..."

Häuptling Kleiner Bär empfing sie in stoischem Gleichmut.

"Ich wusste, dass du zurückkommst, Gelbnacken", sagte er nur. "Der große Geist hat es mir im Traum verraten."

Der Häuptling hatte niederschmetternde Neuigkeiten zu berichten. "Unsere Kundschafter haben die Krieger des Roten Hundes gesichtet. Genau wie wir reiten sie auf den Großen Fluss zu. Nur noch drei Tagesritte trennen uns von ihnen. Jemand hat uns verraten."

Der Missouri war ebenfalls noch drei Tagesritte entfernt. Doch Cunningham machte sich nichts vor: Die Indianer mit ihren Frauen und Kindern und den schweren Tipis im Gepäck würden viel langsamer vorwärtskommen als die Kavallerie Roosters.

"Zieh du mit dem Stamm zum Missouri, Kleiner Bär. Der Mountainman wird euch begleiten und euch helfen, Flöße zu bauen, damit ihr über den Fluss setzen könnt. Und mir gib dreißig deiner tapfersten Krieger. Ich werde den Roten Hund aufhalten."

"Sie werden dich töten", sagte Bluebird leise und mit tonloser Stimme. Sie wusste aber, dass es keine Alternative gab, wenn ihr Stamm überleben wollte.

Cunningham schwieg.

"Es geschehe nach deinen Worten", nickte der Häuptling.

In dieser Nacht zog sich das Paar mit seinen Schlaffellen aus dem Lager zurück. Hinter einem Grashügel schlüpften sie nackt unter die Decken. In wilder Gier schlang Bluebird ihre Beine um Cunninghams Hüften. Ausgehungert von den einsamen Nächten in den Rockys und in der Prärie nahm er sie wieder und wieder.

Die ganze Nacht über liebten sie sich. Mit der verzweifelten Leidenschaft zweier Menschen, über denen das Damoklesschwert des letzten Mals hing. Beide wussten es. Keiner sprach es aus...

31

Tag und Nacht ritten die Späher ein und aus. Rooster holte das Äußerste aus seinen Kundschaftern und deren Pferden heraus. Neun Wallache mussten sie erschießen, weil die Späher sie zuschanden geritten hatten.

Die Spähtrupps stießen auf ein zwei Tage altes Lager der Cheyenne. Rooster korrigierte seine Marschroute und jagte seinen Tross in nordwestliche Richtung. Bald stießen sie auf die Fährte der Indianer.

"In frühestens drei Tagen erreichen sie den Missouri", rechnete er sich bei der abendlichen Lagebesprechung im Kommandozelt aus. "Wenn wir unser Tempo beibehalten, holen wir sie schon in zwei Tagen ein." Triumphierend blickte er sich unter seinen Offizieren um. "Und selbst wenn wir sie erst am Ufer des Missouri erwischen - sie brauchen mindestens einen Tag, um Flöße zu bauen und ihre Kinder und Tiere ans andere Ufer zu bringen. Sie werden um Gnade winseln oder ersaufen müssen!"

"Unsere Männer und Pferde sind erschöpft, Sir", gab Sherman zu bedenken. "Wir werden das Marschtempo nicht beibehalten können."

"O doch, Lieutenant - wir werden! Und selbst wenn wir sie nur mit drei Schwadronen erreichen - auf freier Ebene können uns die verdammten Rothäute nicht aus dem Hinterhalt angreifen! Mehr als hundert Krieger hat doch Little Bear nicht unter Waffen! Und das ist schon hochgegriffen!"

Selbst Sherman musste dem Colonel Recht geben. Er glaubte zwar nicht daran, dass sie die Indianer schon in zwei Tagen einholen würden - aber eine offene Feldschlacht am Missouri konnten die Cheyenne unmöglich gewinnen.

"Und wenn wir ihnen Unterhändler schicken, um sie zur Kapitulation aufzufordern? Wir würden uns viele Verluste ersparen", versuchte er es noch einmal.

"Ich verhandle nicht mit Indianern!", sagte Rooster schroff. "Sie würden es als Zeichen von Schwäche verstehen!"

Damit war die Besprechung beendet.

Rooster befand sich in Hochstimmung. Er ließ an diesem Abend Whisky ausgeben, um seine Leute zu motivieren. Er selbst und die ranghöchsten Offiziere leerten zwei Flaschen französischen Cognac. In Bonaparte-Pose stieß er mit dem Offizierscorps auf den bevorstehenden ungleichen Kampf an. In Siegesstimmung krochen die Kommandanten in ihre Zelte oder unter ihre Decken.

Als Lieutenant stand Sherman kein Zelt zu. Er schlief bei seinen Unteroffizieren unter freiem Himmel, in der Nähe der Pferdekoppel. Die Zuversicht Roosters erschien ihm verfrüht. Er hatte die gescheiterte Expedition im vergangenen Jahr nicht mitgemacht. Aber alle Augenzeugen, die er gehört hatte, und alle Berichte, die er gelesen hatte, ergaben unter dem Strich ein warnendes Bild: Die Cheyenne waren nicht nur todesmutige Kämpfer, sondern auch gerissene Strategen.

 

Er sorgte dafür, dass die Wachen verstärkt wurden. Lange lag er wach, bevor er in einen unruhigen Schlaf fiel.