Buch lesen: «Grundwissen Konfessionskunde», Seite 5

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Die Vollmachten des PapstesUm seine Aufgabe als Garant der Einheit ausführen zu können, werden dem Papst zwei grundlegende Rechte zugesprochen:

Erstens besitzt er die höchste Rechtsgewalt in der Kirche, den Jurisdiktionsprimat. Dadurch kann er in die einzelnen Bistümer und die Befugnisse des Ortsbischofs eingreifen. Der Papst besitzt „über alle anderen Kirchen den Vorrang der ordentlichen Gewalt.“ (PA 11) Ihm gegenüber sind „die Gläubigen und die Hirten jeglichen Ritus und Ranges, und zwar sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtheit, zu hierarchischer Unterordnung und zu wahrem Gehorsam verpflichtet.“ Das betrifft nicht nur „Fragen des Glaubens und des sittlichen Lebens“, sondern alles, „was zur Disziplin und zur Regierung der Kirche“ gehört (PA 11).

Zweitens kommt dem Papst in Fragen des Glaubens und der Moral Unfehlbarkeit (= Infallibilität) zu. Das bedeutet, wenn er

‚ex Cathedra‘ spricht, – das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen mit seiner höchsten Apostolischen AutoritätAutorität erklärt, dass eine Lehre, die den Glauben oder das sittliche Leben betrifft, von der ganzen Kirche gläubig festzuhalten ist, – dann besitzt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei Entscheidungen in der Glaubens- und Sittenlehre ausgerüstet wissen wollte. Deshalb lassen solche Lehrentscheidungen des römischen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar schon von sich aus, nicht erst infolge der Zustimmung der Kirche. (PA 21)

Die OffenbarungOffenbarung und das LehramtLehramtDie Dogmatische Konstitution „Dei Verbum“ (DV) des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil von 1965 behandelt die Frage nach der OffenbarungOffenbarung. Die Offenbarung Gottes ist die Selbstmitteilung Gottes. Gott offenbart sich in Christus als die Liebe (DV 2). Christus ist deshalb der einzige und entscheidende Mittler zwischen Gott und den Menschen. Die Kirche bezieht sich aus diesem Grund immer auf Christus zurück und bleibt auf ihn angewiesen. Auf die Offenbarung Gottes in Christus antwortet die Kirche als Nachfolgerin der Jünger Jesu mit dem Glauben. Der Glaube der Kirche ist dem Geschehen der Offenbarung Gottes daher zwar nachgeordnet, gehört aber untrennbar als Wirkung der Selbstmitteilung Gottes zu dieser hinzu (DV 5).

Die persönliche Begegnung mit Gott, die durch die Kirche vermittelt wird, steht dabei im Vordergrund. Die Kirche bezeugt und vermittelt die OffenbarungOffenbarung Gottes in Jesus ChristusJesus Christus. In ihr begegnet Gott dem Menschen. Die BibelBibel enthält als „Heilige Schrift“ die Offenbarung Gottes. Sie ist wesentlicher Inhalt der kirchlichen Überlieferung und dient dieser gleichzeitig als Quelle der OffenbarungOffenbarungQuelle(n) der Offenbarung. Die Bibel ist das Zeugnis des von Gott berufenen Volkes, in dessen Raum, also in der Kirche, die Bibel zugleich Antwort auf Gottes Offenbarung wie auch Richtschnur der Kirche ist. Als geschriebenes Wort ist sie die Fortsetzung der mündlichen Predigt der ApostelApostel. Sie bildet die Grundlage und Orientierung der weitergehenden Verkündigungstätigkeit der Kirche. Zusammen mit der kirchlichen Überlieferung bildet sie das Wort Gottes, das der Kirche überlassen ist.

Das richtige Verständnis der Heiligen SchriftUm die Schrift richtig zu verstehen, muss man im römisch-katholischen Verständnis zunächst ihren inneren Zusammenhang beachten. Da das Heil des Menschen im Mittelpunkt der göttlichen OffenbarungOffenbarung steht, dient es auch als hermeneutisches Prinzip der Schriftauslegung. Die heilvolle Zuwendung Gottes zum Menschen gibt die Richtung der Auslegung jeder einzelnen Textstelle vor und führt zur „kanonischen Lektüre“, die alle Texte des Schriftkanons auf die Mitte des Christusgeschehens hin interpretiert. Deshalb bedarf das Schriftstudium letztlich des kirchlichen Kontextes, der den Rahmen des Verstehens setzt. Das KonzilKonzil / Konziliarismus erklärt dazu:

Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens. Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam aufgrund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift. (DV 12)

Aufgabe aller Bibelausleger ist, die Vorarbeit für die Auslegung durch das LehramtLehramt zu leisten, dem allein die verbindliche Erklärung des geschriebenen oder überlieferten Wortes Gottes zusteht. Seine Vollmacht übt es im Namen Jesu ChristiJesus Christus aus und dient dem Wort Gottes. Da es das Wort Gottes „aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen GeistesHeiliger Geist voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt“ (DV 10) lehrt es nichts, was nicht überliefert ist. Die „Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche“ sind gemäß des weisen Ratschlusses Gottes so miteinander verknüpft, „daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.“ (DV 10)

Die Heilige Schrift und das LehramtLehramtDas LehramtLehramt nimmt für sich in Anspruch, die letztverbindliche Kompetenz und AutoritätAutorität zur Bibelauslegung zu besitzen. Gleichzeitig betont es, dass die BibelBibel nicht allein die Grundlage der Glaubenslehre sein könne, sondern der harmonischen Ergänzung durch die Überlieferung bedarf, die wiederum wesentlich vom Lehramt selbst nicht nur definiert, sondern auch produziert wird. Das Lehramt beugt sich zwar unter das Wort Gottes. Das allerdings wird nur durch das Lehramt selbst vorgelegt und soll als von Gott geoffenbart geglaubt werden. Dies ist nur in der Heiligen Kirche, d.h. der Römisch-katholischen Kirche, möglich. Zusammengefasst heißt das: „Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottergebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen.“ (DV 12)

Die Heilige Schrift ist zwar die einzige und oberste Instanz der Kirche, kann aber nur durch die Kirche selbst ausgelegt werden. Losgelöst von der kirchlichen Gemeinschaft kann die BibelBibel nicht richtig verstanden werden. Interpretationen, die nicht von der kirchlichen Lehre gedeckt werden, können deshalb nicht kritisch gegen die Kirche ins Feld geführt werden. Das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient verurteilte in diesem Sinne in seinem Dekret über die VulgataVulgata-Ausgabe der Bibel und die Auslegungsweise der Heiligen Schrift eine solche Vorgehensweise. Niemand solle es wagen, „auf eigene Klugheit gestützt in Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, die heilige Schrift nach den eigenen Ansichten zu verdrehen“. Besonders aber sei verboten, die Schrift „gegen jenen Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält […] oder auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter auszulegen.“ Nur der Kirche obliege die Aufgabe, „über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen.“ (DH 1507) Damit wird im Grunde jede „private“ Bibellektüre verboten – was dann erst 1965 mit „Dei Verbum“ wieder aufgehoben wurde.

Die Geschichte der Kirche bildet ihre TraditionTradition. Die Überlieferung des EvangeliumsEvangelium in der Kirche und durch sie gehört deshalb konstitutiv zur OffenbarungOffenbarung hinzu. Die TraditionTradition der KircheDie Überlieferung ist dabei als ein dynamischer Prozess zu verstehen: Die Kirche gewinnt durch den Heiligen GeistHeiliger Geist immer weitere Einsichten in das göttliche Wort und vervollständigt es somit.

Als Garant für die richtige Überlieferung des EvangeliumsEvangelium gilt dabei die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession. Die TraditionTradition wird im Laufe der Zeit aus der Lebenspraxis und Lehre der Kirche gebildet und als Vertiefung der Schrift angesehen. Die Heilige Schrift ist „Gottes Rede“, die Überlieferung gibt das Wort Gottes weiter. Es liegt also auf der Linie des dynamischen Verständnisses von OffenbarungOffenbarung, dass das Wort Gottes durch seine Vermittlung an Tiefe gewinnt und das LehramtLehramt immer wieder neu auf das Wort hören kann. Die Kirche bekommt ihre Lehren nicht nur aus der Schrift allein, sondern auch im dynamischen Prozess der Überlieferung (DV 9).

Die Überlieferung der OffenbarungOffenbarungUm die OffenbarungOffenbarung Gottes sachgemäß zu überliefern, sind im römisch-katholischen Verständnis mehrere Faktoren nötig. Zunächst steht die gesamte Kirche, auch die Laien, in der Pflicht, durch den ihr verliehenen Glaubenssinn das EvangeliumEvangelium festzuhalten. In Gemeinschaft mit dem bischöflichen LehramtLehramt sollen die Laien durch ihr Hören und Sagen die Überlieferung der christlichen Botschaft pflegen und ausbreiten. Im Zweifelsfall spricht allerdings das Lehramt der Kirche. Dem BischofBischof als Nachfolger der ApostelApostel ist unmittelbar die Verantwortung aufgetragen, das Evangelium weiterzugeben und auszulegen, wobei die letztendliche Verantwortung beim Bischof von Rom liegt. Dass die Kirche durch ihn unfehlbar die Schrift aus- und Lehren vorlegen kann, verdankt sie dem Heiligen GeistHeiliger Geist. Durch ihn will Gott der Kirche beistehen und ihr ermöglichen, seinen Heilswillen für die Welt zu realisieren. Um potenzielle Unklarheiten der biblischen Botschaft zu vermeiden, ist die Kirche als göttliches Werkzeug mit der Gewissheit ausgerüstet, ihre Auslegung autoritativ verbreiten zu können. Heilswahrheiten können daher den Gläubigen zum Gehorsam vorgelegt werden. Daher ist die Unfehlbarkeit des Lehramtes in der römisch-katholischen Vorstellung keine Anmaßung, sondern logische Konsequenz der Gnadengabe Gottes an seine Kirche.

Die AutoritätAutorität des Lehramtes in Glaubens- und SittenlehreDas LehramtLehramt besitzt nicht nur weitreichende Vollmachten in Bezug auf die Glaubenslehre, sondern untrennbar damit verwoben auch der Morallehre. Es hat die Aufgabe, den Gläubigen eine sichere Orientierung für deren Handeln an die Hand zu geben. Das ist gegenwärtig allerdings umstritten.

Papst Johannes Paul II.$Johannes Paul II., Pontifikat 1978–2005, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1978–2005) diagnostizierte in der Enzyklika „Veritatis splendor“ (VS) von 1993 die Notwendigkeit, die Morallehre der Kirche zu festigen. Sie läuft

im heutigen Kontext Gefahr […], verfälscht oder verneint zu werden. Es ist nämlich eine neue Situation gerade innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, die hinsichtlich der sittlichen Lehren der Kirche die Verbreitung vielfältiger Zweifel und Einwände menschlicher und psychologischer, sozialer und kultureller, religiöser und auch im eigentlichen Sinne theologischer Art erfahren hat. Es handelt sich nicht mehr um begrenzte und gelegentliche Einwände, sondern um eine globale und systematische Infragestellung der sittlichen Lehrüberlieferung aufgrund bestimmter anthropologischer und ethischer Auffassungen. Diese haben ihre Wurzel in dem mehr oder weniger verborgenen Einfluss von Denkströmungen, die schließlich die menschliche Freiheit der Verwurzelung in dem ihr wesentlichen und für sie bestimmenden Bezug zur Wahrheit beraubt. So wird die herkömmliche Lehre über das Naturgesetz, über die Universalität und bleibende Gültigkeit seiner Gebote abgelehnt; Teile der kirchlichen Moralverkündigung werden für schlechthin unannehmbar gehalten; man ist der Meinung, das LehramtLehramt dürfe sich in Moralfragen nur einmischen, um die ,Gewissen zu ermahnen‘ und ,Werte vorzulegen‘ nach denen dann ein jeder autonom die Entscheidungen und Entschlüsse seines Lebens inspirieren wird. (VS 4)

Das LehramtLehramt lehnt es entschieden als Irrtum ab, aus dem Glauben eigenständig moralische Urteile entwickeln zu können. Glaube und Moral hängen vielmehr eng zusammen, sodass das Lehramt auch für die Morallehre zuständig ist:

Verbreitet ist auch der Zweifel am engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Moral, so als würde sich die Zugehörigkeit zur Kirche und deren innere Einheit allein durch den Glauben entscheiden, während man in Sachen Moral einen Pluralismus von Anschauungen und Verhaltensweisen dulden könnte, je nach Urteil des individuellen subjektiven Gewissens bzw. der Verschiedenheit der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen. (VS 4)

3.1.2 Besonderheiten der historischen Entwicklung

Die Römisch-katholische Kirche führt sich wie andere Kirchen auch auf die Gründung durch Jesus ChristusJesus Christus selbst zurück. Ihre Entwicklung hängt in den ersten Jahrhunderten eng mit der allgemeinen Geschichte des europäischen Westens zusammen.

Die Zeit der Alten Kirche

Der Beginn des PapsttumsPapsttumDie Vorstellung, dass der BischofBischof von Rom einen Vorrang gegenüber anderen Bischöfen hat, wurzelt in der Bedeutung der christlichen „Hauptstadtgemeinde“, die zwei ApostelApostel als ihre Säulen anführen konnte: Petrus und Paulus. Das Bewusstsein, eine besondere Gemeinde zu sein, zeigte sich bereits sehr früh. Der 1. Clemensbrief, ein um 100 verfasstes Schreiben der römischen Gemeinde nach Korinth, verdeutlicht, dass sich die römische Gemeinde bereits zu diesem Zeitpunkt als AutoritätAutorität anderer Gemeinden ansah und diesen ermahnende Ratschläge gab.

190 verlangte der römische BischofBischof Viktor$Viktor, Pontifikat 189–199, römischer Bischof (Pontifikat: 189–199) im Zusammenhang mit der Frage, wann Ostern gefeiert wird, dass sich alle Gemeinden nach dem römischen Brauch richten müssten.

Die biblische BegründungIm 3. Jahrhundert verwies BischofBischof Stefan$Stefan, Pontifikat 254–257, römischer Bischof (Pontifikat: 254–257) im Kontext eines Streites mit Cyprian$Cyprian von Karthago, gest. 258, Bischof, Kirchenvater von Karthago (gest. 258) auf Mt 16,18, um diesem seine besondere Machtfülle zu demonstrieren. Erst spät trat zur weltlichen und kirchlichen Bedeutung der Stadt Rom die biblische Begründung dafür hinzu. 382 machte Bischof Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof (Pontifikat: 366–384) den biblischen Beleg der „Schlüsselgewalt“ zur theologischen Basis des Primatsanspruches der römischen Bischöfe.

Das römische ErbrechtDer im römischen Erbrecht begegnende Gedanke eines Erblassers und Erbnehmers wurde in Bezug auf ein kirchliches AmtAmt in Anschlag gebracht. So konnte die Verheißung an Petrus auch auf römische Bischöfe übergehen, die sich als seine Erben verstanden.

BischofBischof Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof behauptete mithilfe dieser Argumentation, dass nur er der rechtmäßige Erbe des Petrus sei und die petrinische Sukzessionslinie die Bindegewalt des Petrus nun an den römischen Bischof übermittelt habe. Als zweites Argument führte Innozenz I.$Innozenz I., Pontifikat 401–417, römischer Bischof (Pontifikat: 401–417) ins Feld: Von Rom aus habe das EvangeliumEvangelium seinen Weg in die Welt gefunden und deshalb seien alle westlichen Gemeinden verpflichtet, der römischen LiturgieLiturgie zu folgen.

Profan römisches Recht, die Bedeutung der in Rom gestorbenen ApostelApostel und biblische Belege verbanden sich zu der Idee, dass Rom eine besondere Stellung in der Kirche einnehmen könne.

Zum Aufstieg des römischen Bischofes zum Papst – der Titel begann sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts einzubürgern – trug wesentlich der Fall des Imperium Romanum im 5. Jahrhundert bei. Der römische BischofBischof als PapstDie römische Kirche stieß in das Vakuum, das der Staat hinterlassen hatte, indem sie sich sozial engagierte, und eine Form der Rechtsnachfolge, die Translatio Imperii, antrat. In dieser Zeit war BischofBischof Leo I.$Leo I., Pontifikat 440–461, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 440–461) der wichtigste Papst. Er griff den Titel des Pontifex maximus auf, der bereits von den römischen Kaisern benutzt wurde, und bekräftigte die Leitlinien der bischöflichen Politik, wie sie schon Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof entwickelt hatte. Nach seiner Deutung war das KonzilKonzil / Konziliarismus von Chalcedon rechtgläubig, weil er es bestätigt hatte.

Augustin

Theologisch stand der Westen lange Zeit im Schatten der östlichen Kirche, von der er die wesentlichen Impulse für die ersten dogmatischen Festlegungen, z.B. der TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre, empfing. Neben Ambrosius von Mailand$Ambrosius von Mailand, 339–397, Bischof, Kirchenvater (339–397) und Hieronymus$Hieronymus (Sophronius Eusebius), 347–420, Theologe, Kirchenvater (347–420) war BischofBischof Augustin von Hippo$Augustin von Hippo, 354–430, Bischof, Kirchenvater (354–430) der herausragende Theologe, der im Westen ein eigenständiges Konzept der Theologie entwarf und dabei der westlichen Kirche wesentliche Impulse gab. Als gebildeter Philosoph und Rhetor gelang es ihm, die frühe christliche Überlieferung mit der griechischen PhilosophiePhilosophie zu verbinden. Er nahm entscheidende Weichenstellungen hinsichtlich verschiedener theologischer Themen vor. Gegenüber den sogenannten donatistischen Positionen, die die Gültigkeit der SakramenteSakrament mit der Würde des Sakramentspenders verknüpften, argumentierte er, dass das Sakrament durch seinen Vollzug in der wahren Kirche gültig sei. Christus selbst handle im Sakrament, nicht der menschliche Spender. Die Wirkung der TaufeTaufe werde nicht durch den Taufenden bestimmt, sondern dadurch, dass sie in rechter Weise im Namen der Dreieinigkeit und auf sie hinausgeführt werde. In der späteren mittelalterlichen Scholastik wurde das als Wirksamkeit des Sakraments ex opere operato bezeichnet, da die Handlung selbst das Wesentliche sei.

Weiterhin behandelte Augustin das Verhältnis von Kirche und Staat, das im Westen eines der beherrschenden Themen der Kirchengeschichte werden sollte. In seiner Schrift „De civitate Dei“ („Vom Gottesstaat“), die er zwischen 413 und 426 verfasste, entwickelte er die Vorstellung eines Gottesstaates, der zum irdischen Staat in einem dauerhaften Gegensatz steht. Er sah in der Kirche das Reich Gottes, gegenüber dem der Staat die Aufgabe des Schutzes habe. Der Staat bewahrt nach Augustin die Kirche in Frieden und Freiheit und darf aufgrund seiner Funktion für sie nicht absolut gesetzt werden. Zwar ist er als Folge des menschlichen Sündenfalls und da er dem Chaos und Unrecht wehrt nötig, doch kommt ihm in göttlicher Hinsicht keine Qualität zu. Ebenso wie der Staat nicht absolut gesetzt werden kann, darf es auch die irdische Kirche nicht. Sie ist nicht das Reich Gottes. Innerhalb der Kirche ist keine perfekte Gesellschaft anzutreffen, sondern es muss zwischen Wölfen und Schafen unterschieden werden. Nur Gott allein kennt die Gläubigen der wahren Kirche. Die irdische Kirche aber ist ein Mischgebilde zwischen Gläubigen und Sündern. Mit diesem Thema griff Augustin die Frage auf, was Kirche in dieser Welt sein kann und wo ihre Grenzen liegen.

Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 492–496) setzte die Erkenntnisse Augustins in die Praxis um. Er verlangte, dass sich die Geistlichen in irdischen Dingen zwar dem Kaiser verpflichteten, dass es aber umgekehrt die Pflicht des Kaisers sei, sich in kirchlichen Angelegenheiten dem Papst zu beugen.

Erbsünde und GnadeGnadeDurch die Konfrontation mit dem britischen Mönch Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch (um 350/360-um 419) [→ Anglikanische Gemeinschaft] erwuchs Augustin ein weiteres großes Thema.

Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch war von dem moralisch zweifelhaften Lebensstil der römischen Bischöfe beunruhigt und hielt ihnen vor, billige GnadeGnade zu predigen und die Moral zu missachten. Ihm lag daran, die persönliche Schuld des Menschen aufzuweisen. Deshalb wandte er sich gegen die Annahme, dass es eine erbliche Übertragung der Sünde gebe, die an den Fortpflanzungsprozess gebunden sei. Sünde sei vielmehr eine freiwillige Nachahmung der Übertretung Adams, keine angeborene Schuld. Augustin argumentierte gegen diese Position und vertrat die Ansicht, dass in der NaturNatur des Menschen die Erbsünde angelegt wäre. Der Mensch sei von Geburt nur durch die Gnade Gottes fähig, das Gute zu tun. Die Gnade aber gewähre von Gott bestimmten Menschen den Weg zum Heil. Der Mensch bedürfe der Gnade Gottes unbedingt. Sie sei eine Kraft, die für ihn unwiderstehlich sei. Augustin betonte mit dieser Lehre, dass der Mensch von Anfang an auf Gottes Gnade angewiesen sei. Kein menschlicher Wille könne die Erlösung des Menschen unabhängig von Gott herbeiführen. Nur durch das Wirken des Geistes könne der Mensch seinen Willen auf ein moralisch gutes Leben ausrichten.

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