Chancenmanagement in der Krise

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Chancenmanagement in der Krise
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Chancenmanagement in der Krise

von

Gerhard Seidel


Nicht die Stärksten überleben oder die Intelligentesten, sondern die am meisten zum Wandel bereit sind.

(Charles Darwin)

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto © everythingpossible - Fotolia.com

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

1. Einleitung

a. Unterschied zwischen Chancen- und Krisenmanagement

b. Was ist anders an dieser Krise?

c. Zeithorizonte des krisenrelevanten Chancenmanagements

d. Das Eltviller Modell

e. Was wir wollen und was wir können!

f. Und was ist, wenn nichts passiert?

g. Entlernen lernen

h. Wie lange dauert die Ewigkeit?

2. Wissen um Krisen

a. Krisen verhindern – nicht bewältigen!

b. Die Bedeutung des Zukunftsmanagements

c. Warum krisenrelevantes Chancenmanagement?

d. Chancenmanagement und Glück

e. Das Phänomen der Zeitqualität

f. Einen Engpass nach dem anderen

g. Dürfen wir überhaupt gut sein?

h. Um Erster zu sein, reicht ein kleiner Vorsprung

i. Wir Zechpreller?

3. Charakteristik und Bedeutung von Krisen

a. Krisen sind unternehmerischer Alltag

b. Was sind Krisen?

c. Krisen als Wegweiser für Chancen

d. Was sind Finanz- und Wirtschaftskrisen?

e. Was lehrt uns die Vergangenheit über Wirtschaftskrisen?

f. Zurück in die Zukunft – alles schon mal da gewesen?

g. Eine von vielen Familiensituationen in den dreißiger Jahren

h. Die Bedeutung einer Weltwirtschaftskrise

i. Wirtschaftskrisen können nicht verhindert, nur verschoben werden!

j. Was sind Unternehmenskrisen?

k. Gewinner und Verlierer in der Krise

4. Psychologische Aspekte von Krisen

a. Psychologische Ursachen für das Abwarten

b. Andere Ursachen mangelnder Vorbereitung

c. Nicht Pessimist, nicht Optimist – sondern Realist sein!

d. Unterschiedliche Sichtweisen

e. Unterschiedliche Sichtweisen der Finanz- und Wirtschaftskrise

f. Die überraschende Krise, die keine Überraschung ist

g. Alles war vorhersehbar, oder?

5. Formale Aspekte des Chancenmanagements in der Krise

a. Gesetzliche Auflagen nach dem KonTraG

b. Sonstige Haftungsprobleme

c. Strafbare Tatbestände

d. Konsequenzen für das Top-Management

e. Was tun, um vorzusorgen?

f. Phasen der Krise

g. Unternehmens-Check – eine erste Bestandsaufnahme

6. Chancenmanagement – vorausschauend die Krise angehen

a. Anmerkungen zum Phänomen Zukunft

b. Die unterschiedlichen Zeithorizonte der Zukunft

c. Passive und aktive Sicht der Zukunft

d. Märchenhaftes Zukunftsmanagement

e. Chancenmanagement – die Überlebensstrategie

f. Zukunftskompetenz in schwerer See

g. Der Nutzen des Chancenmanagements

h. Ihr Zukunftsmanagement-Audit

7. Grundlagen des Chancenmanagements

a. Beispiel: Urlaubsplanung

b. Krisenrelevantes Chancenmanagement in der Praxis

c. Bewusstsein erschafft Realitäten

8. Der erste Schritt – einen Überblick verschaffen

a. Ein fiktives Tagebuch aus der Wirtschaftskrise um 1930

b. Anleitungen zur Vorgehensweise

c. Übungen zum Zukunftsradar

9. Die Annahmenanalyse

a. Anleitungen zur Vorgehensweise

b. Übungen

c. Entwicklung der Wirtschaftskrise in Deutschland 2012–2015

d. Beispiel-Ergebnisse aus Workshops

e. Weitere Vorgehensweise

f. Ergebnisse der Annahmen über zukünftige Entwicklungen

 

10. Überraschungsanalyse

a. Anleitungen zur Vorgehensweise

b. Die Ergebnisse der Annahmenanalyse nutzen

c. Übungen

d. Beispiel-Ergebnisse aus Workshops

e. Weitere Vorgehensweise

f. Bedrohungen in Chancen transformieren

g. Ergebnisse

11. Die Chancenanalyse

a. Anleitungen zur Vorgehensweise

b. Beispiel-Ergebnisse aus Workshops

c. Erfahrungen als Hindernis

d. Übungen

e. Das Chancenpanorama erstellen

f. Ergebnisse

12. Die Visionsentwicklung

a. Anleitungen zur Vorgehensweise

b. Warum eine Vision entwickeln – wir haben doch schon eine?

c. Beispiel-Ergebnisse aus Workshops

d. Übungen

e. Entwicklung der Vision

f. Ergebnisse der Visionsentwicklung

13. Strategieentwicklung

a. Anleitungen zur Vorgehensweise

b. Was wollen wir realisieren, damit die Vision Wirklichkeit wird?

c. Übungen

d. Ergebnisse

14. Institutionalisierung – das Chancenmanagement in Gang halten

15. Die ferne Zukunft beachten

a. Die Einflussgrößen der fernen Zukunft

b. Mögliche Szenarien nach dem Crash

16. Die persönliche Vorsorge

17. Ein fiktives Tagebuch aus der Weltwirtschaftskrise

Literaturverzeichnis

Lesenswerte Websites

1. Einleitung

In den letzten Jahren habe ich einige Gedanken zur jeweiligen wirtschaftlichen Situation und was sonst noch mit diesem Thema in Verbindung steht, zu Papier gebracht. Einiges davon wurde in diversen Zeitungen veröffentlicht und/oder in Vorträgen interessierten Managern erläutert. Es ging immer um die Fragen, wie man sich auf die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise privat und als Unternehmensverantwortlicher vorbereiten kann und was zu tun ist, um sie – wenn sie eintritt – zu bewältigen. Um dies zu erklären, habe ich häufig nicht nur sachbezogene Informationen dargestellt, sondern auch mit Hilfe von Metaphern und Beispielen versucht, das Thema unterschiedlich zu beleuchten und darzustellen.

Als Unternehmensberater und Aufsichtsrat eines Unternehmens für Zukunftsmanagement und Zukunftsmärkte ist mir immer wieder aufgefallen, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) auf derartige „stürmische Zeiten“ nicht vorbereitet sind. Was ihnen fehlt, ist die Chancenkompetenz in Krisenzeiten. Darunter ist die Fähigkeit des Managements zu verstehen, rechtzeitig Bedrohungen zu erkennen, diese mit geeigneten Maßnahmen abzumildern oder gar zu beseitigen und die sich daraus ergebenden Chancen wahrzunehmen und diese zu nutzen. Wer sich auf Krisen vorbereiten will oder sie bewältigen muss, der braucht auch eine klare Vorstellung von den angestrebten Zuständen in der Zukunft. Deshalb gehören Krisen, Chancen, Bedrohungen und Zukunftskompetenz untrennbar zusammen.

Das Buch soll Mut machen, Krisen als Chancen und nicht als Bedrohung zu sehen, welche qualitatives und quantitatives Wachstum ermöglichen (es vielleicht auch manchmal erzwingen).

Die einzelnen Länder, Branchen und Firmen werden unterschiedlich betroffen sein, und was im Moment, wo dieses Buch entsteht, nur als das Wetterleuchten der Krise wahrgenommen wird, kann sich in ein oder zwei Jahren zu einem bedrohlichen Unwetter entwickelt haben.

Wetterleuchten kündigt ein drohendes Gewitter an (Vorkrisenzeit), und wer es sieht, der hofft, dass das Unwetter an ihm vorbeizieht. So ähnlich ist es bei einer Weltwirtschaftskrise. Wir sehen bzw. lesen von fernem Blitz und Donner, von nationalen Finanzkrisen und internationalen Notständen und hoffen trotzdem, dass es nicht bei uns, in unserem Unternehmen, Schaden anrichten wird.

Wir, die Autoren – mit dem „Wir“ ist nicht nur der Autor, sondern es sind damit auch seine Mitarbeiter und Kollegen gemeint, die direkt oder indirekt dazu beigetragen haben, dass dieses Buch entstehen konnte –, wollen Sie bei der Bewältigung einer möglichen weltweiten Krise unterstützen. Es geht in diesem Buch darum, dass Sie die kommenden schwierigen Monate und Jahre so gestalten, dass Ihr Unternehmen diese Zeiten nicht nur gut übersteht, sondern dass auch die Weichen gestellt werden für das „Leben“ nach der Krise.

Wir sind Helfer in Sachen Chancenmanagement in Krisenzeiten, was nichts anderes bedeutet, als dass wir Führungskräfte in den Unternehmen unterstützen, die kommenden Veränderungen und die darin liegenden Chancen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erkennen und zu nutzen. Nur dann können die strategischen Entscheidungen verbessert werden, die Erträge langfristig steigen, die Existenz des Unternehmens gesichert und die Motivation und Zuversicht aller Beteiligten erhalten werden.

Krisen sind produktive Zustände, denen man nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen muss. Max Frisch (1911–1991)

Das ist die richtige Haltung zur derzeitigen wirtschaftlichen Situation. Wenn es stimmt, dann soll das vorgeschlagene Chancenmanagement Ihnen dabei helfen, während der kommenden dramatischen Veränderungen die günstigen Gelegenheiten zu erkennen und sie zu nutzen.

a. Unterschied zwischen Chancen- und Krisenmanagement

Der Unterschied zwischen Chancenmanagement und Krisenmanagement besteht darin, dass Chancenmanagement die Vorsorge, das Antizipieren von möglichen zukünftigen Entwicklungschancen (auch von Bedrohungen), im Fokus hat, während Krisenmanagement sich mit der Bewältigung und der Nachsorge von konkreten, bereits wirksamen Bedrohungen beschäftigt. Denn Krisen werden gemanagt, wenn sie da sind, wenn die Manager merken, es stimmt nicht mehr in unserem Betrieb. Wobei die Grenzen zwischen Chancen- und Krisenmanagement gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten fließend sind. Was gestern noch eine betriebliche Vorsorge war, kann sich schon übermorgen als überlebensnotwendige Rettungsaktion zeigen.

Es geht um das Gestalten der Zukunft. Das hier vorgeschlagene Chancenmanagement soll Ihnen helfen, mögliche negative Entwicklungen der Krise rechtzeitig zu erkennen und dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht zu großen Problemen kommen kann. Dadurch wird ein vorsorgendes Krisenmanagement betrieben.

b. Was ist anders an dieser Krise?

Das brennendste Problem der Unternehmensführungen wird in den nächsten Monaten und Jahren sein, die drohende Weltwirtschaftskrise gut zu überstehen. Zwar können Sie der Meinung sein: Uns in Deutschland geht es doch gut, was soll’s? Doch wir sind im europäischen Raum keine Insel der Glückseligen und die dramatischen wirtschaftlichen Verhältnisse in den südeuropäischen Ländern, aber auch inzwischen in Frankreich und England, geben Grund genug zur Sorge, dass die Probleme auch das Exportland Deutschland treffen könnten.

Zurzeit – Winter 2013/14 – ist der Währungskrieg in vollem Gange und die Zentralbanken drucken um die Wette, allen voran Japan. Wer mit Interesse nicht nur die wohlwollenden Artikel der regierungsfreundlichen Medien liest oder die getunten Berichte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sieht, der kann klar erkennen: Die Krise kommt nicht, wir sind immer noch mittendrin und die Luft wird insgesamt dünner.

Warum unterscheidet sich die momentane Krise so eklatant von den „üblichen“ Unternehmenskrisen? So schlimm die „normalen Unternehmenskrisen“ auch im Einzelfall sind, was durch eine denkbare „Jahrhundert-Rezession“ passieren kann, ist umfassender, dramatischer, existenzieller und länger andauernd.

Anders ist unter anderem, dass die Probleme nicht durch falsche oder fehlende Entscheidungen des Managements selbst verursacht sind. Die gefährlichen Einflüsse kommen von „draußen“, sie sind nicht hausgemacht. Der Vorteil ist, man braucht nicht intern nach Schuldigen zu suchen. Es waren auch nicht die Konkurrenz, die Banken, die Mitarbeiter oder wer sonst noch als Verursacher in Frage kommen kann. Der Anlass ist nicht identifizierbar, er ist anonym, vielschichtig, umfassend und in seiner negativen Energie bzw. Einflussnahme nicht einschätzbar. Es gibt auch keine internen Warnhinweise wie sinkende Umsätze oder finanzielle Engpässe, auf die man rechtzeitig hätte reagieren können.

Der übliche Ablauf einer Unternehmenskrise ist

• erst die strategische Krise,

• dieser folgt die Ertragskrise und

• schließlich kommt es zur Liquiditätskrise.

Dieser „gängige“ Ablauf findet aber so nicht statt. Die Folgen der Entwicklungen und Ereignisse ergeben sich dramatisch schnell und sind in ihren Auswirkungen oft ungeheuerlich. Wenn das Unheil erst einmal an die Unternehmenstür klopft, ist eine Entscheidung kaum noch möglich.

Ein Klient – Zulieferant in der Automobilindustrie – hat dies im Jahr 2008/2009 wie folgt formuliert: „Ich habe mich immer für ziemlich krisenerfahren gehalten und so manche schwierige Situation in den letzten Jahren gemeistert. Aber das, was uns in den letzten Wochen passiert ist, habe ich noch nicht erlebt. Von jetzt auf gleich ist uns der Umsatz um mehr als die Hälfte weggebrochen. Noch vor zwei Monaten hatten wir unsere Planung mit unseren wichtigsten Kunden abgestimmt und jetzt ist das alles nicht mehr wahr!“

Welche zeitliche Dimension die drohende Krise damals hatte, konnte man auch daran erkennen, dass das Rettungspaket der Bundesregierung in Höhe von 500 Milliarden Euro (unser jährlicher Bundeshaushalt beträgt nur etwas mehr als 300 Milliarden Euro) innerhalb von vierzehn Tagen geschnürt und verabschiedet wurde. So etwas in dieser Größenordnung in dieser Schnelligkeit durch alle Instanzen zu bekommen, hatte es vorher noch nie gegeben. Das muss uns doch als erfahrene Bürger und Unternehmer stutzig machen.

Was ist noch anders? Es wird nicht einen Betrieb einer Branche, sondern fast alle Unternehmen eines Wirtschaftszweiges treffen. Durch die globale, internationale und nationale Vernetzung, durch die Differenzierung der Produktionsschritte und die weltweiten unterschiedlichen politischen Interessen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte wird diese Entwicklung noch verschärft. Es kann ein Dominoeffekt eintreten, der heute noch kaum vorstellbar ist.

 

Nach unserer Einschätzung ist es besonders dramatisch, dass der drohende Crash und die daraus resultierenden Schwierigkeiten vielleicht Jahre andauern werden und dass zunächst alles immer schlimmer wird, bevor es irgendwann einmal zu einem neuen Aufschwung kommt. Wie lange es mit der Wirtschaft bergab geht, darüber spekulieren nicht nur die Möchtegernexperten in diversen Talkshows, auch die Wirtschaftsweisen sind sich uneinig. Die Schätzungen der vermeintlich Sachkundigen bewegen sich zwischen drei und zehn Jahren.

Die globale Krise hat auch einen sehr starken negativen Einfluss auf das unternehmerische Umfeld. Banken geben keine Kredite mehr oder verlangen höhere Zinsen. Das Misstrauen wächst, weil man nicht mehr abschätzen kann, ob der A-Kunde Maier seine Rechnungen fristgerecht oder überhaupt bezahlt und ob der Lieferant Schulze nur deshalb Vorauskasse verlangt, weil er sonst die bestellten Produkte nicht liefern kann.

Es ist auch zu befürchten, dass die Krise unkalkulierbare Emotionen verursachen kann und sich dadurch die Probleme noch verstärken. Wenn alle glauben, dass es noch schlimmer wird, dann verhalten sich auch alle so, als ob es schlimmer wird. Es tritt genau das ein, was man befürchtet hat. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung hat dann ihre Wirkung entfaltet und es kommt so, wie es alle erwartet haben.

(Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist eine Annahme oder Voraussage, die, rein aus der Tatsache heraus, dass sie getroffen wurde, das angenommene, erwartete oder vorhergesagte Ereignis zur Wirklichkeit werden lässt und so ihre eigene „Richtigkeit“ bestätigt.

Ein Tankstellenpächter sagt zum Beispiel: „Backwaren gehen bei mir nicht.“ Er bietet sie deshalb nicht an. Und weil er Backwaren nicht anbietet, werden sie nicht nachgefragt.

Umgekehrt funktioniert es natürlich genauso. Wenn die Menschen guter Hoffnung sind und glauben, es wird alles besser werden, dann bestehen gute Chancen, dass sie unbewusst dafür sorgen, dass es auch besser wird. Das gilt nicht nur für die eigene persönliche Situation, sondern auch für die eines Unternehmens oder für eine ganze Nation. Der Wiederaufbau nach dem Krieg ist ein gutes Beispiel für eine solche nationale Haltung.

Wir können uns dafür entscheiden, dass Bedrohungen nichts anderes sind als faszinierende Herausforderungen, eine Chance, die Zukunft zu unseren Gunsten zu gestalten. Wir können die Sichtweise haben, dass Krisen Zeiten des Fortschritts, der Marktbereinigung und des Wachstums sind, die das Überholte und Unbrauchbare verabschieden und Platz für Neues schaffen.)

c. Zeithorizonte des krisenrelevanten Chancenmanagements

Wir bewegen uns, was die Verhältnisse der Zukunft angeht, zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite die mehr oder weniger stetig auf die Realwirtschaft übergreifende weltweite Rezession (die bis vor Kurzem noch mehr eine Finanzkrise war) und auf der anderen Seite die Unternehmer, die zwar das Wetterleuchten des aufziehenden ökonomischen Unwetters sehen, die aber insgesamt noch recht zuversichtlich sind.

Wir können drei Zeithorizonte unterscheiden, die für Unternehmen von Bedeutung sind:

• die Zeit, bis die Krise das Unternehmen erreicht hat

• die Zeit der eigentlichen Krise, in der man unter Umständen um das Überleben kämpft

• die Zeit nach der Krise, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse sich neu geordnet haben und sich neue Perspektiven zeigen

Das bedeutet für die Geschäftsführung: In naher Zukunft geht es vor allem darum, sich auf mögliche schwierige Zeiten vorzubereiten, weil es einfacher ist vorzusorgen, die Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen, als diese zu lösen (diese Erkenntnis ist der Schlüssel zum Chancenmanagement in der Krise!). Noch einmal: Es ist einfacher, Krisen zu verhindern, als sie zu bewältigen. Deshalb haben wir dieses Buch geschrieben.

Danach gilt es, die Krise gut zu überstehen, mit möglichst wenigen Blessuren die auftretenden Schwierigkeiten zu meistern und die Bedrohungen in Chancen zu transformieren.

Das sind auch die Jahre, die davon geprägt sind, dass man an vielen Fronten kämpfen muss, weil sich die Situationen ständig verändern. Weil nicht nur innerbetriebliche Probleme bzw. Engpässe zu lösen sind, sondern weil auch das Umfeld der Firmen in einer Wirtschaftskrise instabil ist und es unvorhersehbare negative Einflüsse haben kann.

Die Führungskräfte haben die Aufgabe, diese Bedrohungen zu erkennen und zu beseitigen. Noch besser wäre es, wenn es gelingen würde, diese Hindernisse in Chancen umzuwandeln, damit sie als unternehmerische Erfolgsfaktoren nutzbar werden. Denn jede rechtzeitig erkannte Klippe beinhaltet die Chance, das Unternehmensschiff aus der Gefahrenzone zu steuern. Dass diese Transformation möglich ist, werden wir später noch ausführlich darlegen und beweisen.

Außerdem ist es wichtig, darauf zu achten, dass neben dem Lösen von Tagesproblemen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das Unternehmen auch noch in ferner Zukunft weiter erfolgreich existiert.

(Vor einigen Jahrzehnten war Chrysler schon einmal pleite. Lee Iacocca, der damalige Chef, kämpfte an allen Fronten und um jeden Dollar. Die finanzielle Situation der Autofirma war katastrophal. Eine der wichtigsten Entscheidungen zur Rettung von Chrysler durch Iacocca war jedoch nicht, dass er Geld und Bürgschaften zum Überleben besorgte, sondern dass er die sehr kostenintensive Entwicklung des Familienwagens „Van“ weiterlaufen ließ. Nachdem die Krise halbwegs überstanden war, war es der Umsatz mit diesem Auto, welcher das Unternehmen wieder in die Gewinnzone brachte.)

Die ferne Zukunft immer im Auge zu behalten, ist eine wichtige Herausforderung, der sich die Manager auch in schwierigen Zeiten stellen müssen. Dafür ist es von elementarer Bedeutung, eine ungefähre Ahnung davon zu haben, was die Prognosen über die Trends und Technologien für die Zeit in drei bis fünf Jahren aussagen und welchen Einfluss diese Szenarien auf das eigene Unternehmen haben werden.

Das Top-Management muss wissen, welche wahrscheinlichen oder unwahrscheinlichen, welche machbaren oder unmöglichen, welche gewünschten oder befürchteten Entwicklungen und Themen diese Zeiträume dominieren werden. Die Führung muss sich darum kümmern und herausfinden, was schon jetzt zu tun ist, damit diese möglichen Entwicklungen (Zukunftsfaktoren) zum eigenen Vorteil genutzt werden können und den gewünschten zukünftigen Erfolg bringen.

In dem Buch „Das ZukunftsRadar“ von Dr. Pero Mićić werden in einem Katalog der Zukunftsfaktoren die wichtigsten Treiber dieses zukünftigen Wandels dargestellt. In diesem Buch wird erklärt, warum es zwar richtig ist, einen konkreten Orientierungsrahmen zu haben, doch ist es noch wichtiger, was unser Handeln zukünftig bestimmen wird. Richtig ist aber auch, dass man nur dann seine langfristigen Ziele erreichen kann, wenn man die ersten Schwierigkeiten erfolgreich meistert. Wer nicht dafür sorgt, dass die Probleme der Gegenwart bzw. der nahen Zukunft gelöst werden, der braucht sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, was in fünf oder zehn Jahren passiert.

In seinem Buch „Der sechste Kondratieff – Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information“ hat der Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher Leo A. Nefiodow ausführlich beschrieben, welche Basisinnovationen in den nächsten Jahrzehnten die Weltwirtschaft und Gesellschaft – aber auch die der einzelnen Unternehmen und somit die von uns allen – bestimmen werden. Im 6. Zyklus werden neben der Fortentwicklung von Innovationen auf den Gebieten Informatik, Umwelt, Solarenergie, Optische Technik und Biotechnologie vor allem Innovationen im Bereich der Lebensqualität, Sinnhaftigkeit, Verbesserung der Psychosozialen Gesundheit und des Wohlgefühls der Menschen an Bedeutung gewinnen.

Auch dieses Buch können wir den Lesern nur empfehlen, weil es wichtige Hinweise gibt, warum die Psychosoziale Gesundheit in ihren Auswirkungen in den Unternehmen dramatisch ist, wie diverse Untersuchungen zeigen: Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen ist deutschlandweit von 34 Mio. Arbeitsunfähigkeitstagen im Jahr 2001 auf 54 Mio. im Jahr 2010 angestiegen. Der Anteil an allen krankheitsbedingten Fehltagen erhöhte sich in dieser Zeit von 7 auf 13 Prozent (Bundesarbeitsministerium 2012).

Auch andere Untersuchungen alarmieren: Der Anteil der psychischen Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeitstagevolumen hat laut einer Studie der DAK seit 1997 um 70 Prozent zugenommen. 54 Prozent der Beschäftigten leiden an körperlichen Beschwerden, 53 Prozent haben psychische oder soziale Probleme, zwei Drittel der Arbeitnehmer fühlen sich gestresst, 4 Millionen gelten als depressiv. Seit 1993 ist der Anteil der seelisch bedingten Rentenzahlungen bei Männern von 30 Prozent auf über 50 Prozent, bei Frauen von 20 Prozent auf über 40 Prozent gestiegen. 20 Prozent der Beschäftigten gehen heute aus gesundheitlichen Gründen in den Vorruhestand, vor 2002 waren es 10 Prozent.

So wird deutlich, warum die Probleme der Psychosozialen Gesundheit eine Produktivitätsreserve und kein Widerspruch sind.

Dieses Buch haben wir geschrieben, weil es für Sie und Ihre Mannschaft wichtig werden könnte, praxiserprobte Anweisungen und Hilfen für den Notfall zu besitzen. Aber auch, weil es ebenso wichtig ist, eine Vision, einen „Leuchtturm“ zu haben, um das Unternehmensschiff sicher durch die schwere See der Krise zu steuern.

Es soll Ihnen Anleitungen geben, das Kentern zu vermeiden, damit Sie den sicheren Hafen erreichen. Vor Anker können Sie sich dann mit Ihren Offizieren und Ihrer Mannschaft neu orientieren und die Vorbereitungen treffen, damit Sie für zukünftige Fahrten in neuen, ruhigen Gewässern gerüstet sind.