Chancenmanagement in der Krise

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d. Das Eltviller Modell

Vielleicht stellen Sie sich jetzt die Frage: Gibt es überhaupt eine Methode, um die unterschiedlichen Zukünfte zu erkennen und zu bewerten sowie die sich daraus ergebenden mannigfaltigen Aufgaben zu lösen?

Diese Methode gibt es und sie ist eine der Grundlagen dieses Buches. Sie wurde in einem anderen Buch von Dr. Pero Mićić ausführlich beschrieben, dessen Titel lautet: „Die fünf Zukunftsbrillen – Chancen früher erkennen durch praktisches Zukunftsmanagement“.

Mit den fünf Zukunftsbrillen und dem darauf aufbauenden Eltviller Modell des Zukunftsmanagements werden ein mentales Modell und eine kognitive Landkarte zum Erkennen, zum Bewerten und zum zukünftigen Handeln zur Verfügung gestellt. Damit wird es möglich, eine Brücke zwischen der Gegenwart und der Zukunft und wieder zurück zu bauen.

Aus vielen Hundert Projekten, bei denen eine Brücke zwischen der Zukunftsforschung und der strategischen Planung gebaut wurde, hat sich diese Methode entwickelt. Es ist ein Prozess in sieben Schritten, um ein Zukunftsmanagement durchzuführen und es anschließend dauerhaft zu installieren.

Unter Berücksichtigung der derzeitigen wirtschaftlichen Situation und der unterschiedlichen Zeithorizonte mit ihren verschiedenen Herausforderungen werden wir diese Methode u. a. dafür benutzen, um zu erklären, wie das von uns vorgeschlagene Chancenmanagement funktioniert.

Letztlich geht es darum, die Zukunft – und dabei kann der zukünftige Zeitraum sehr kurz oder auch länger sein – besser zu antizipieren, als die Konkurrenz es tut. Als Führungskraft krisenrelevante Chancenkompetenz zu haben, wird einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die kommenden Jahre werden. Die Erfahrung lehrt, dass sich die Chancen, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten, immer dann ergeben, wenn wir einen verbesserungswürdigen Zustand (z. B. als Bedrohung) erkennen und es uns möglich ist, diesen zu unserem Vorteil zu verändern, und vor allem, es dann auch tun.

Es ist damit zu rechnen, dass es für Sie in den nächsten Monaten und Jahren manche günstige Gelegenheit geben wird, vorausgesetzt, Sie sind dafür sensibilisiert. Die Krise mit ihren Problemen können wir nicht verhindern, dafür sind die finanziellen und wirtschaftlichen Konstellationen zu global und zu sehr vernetzt. Was wir aber ändern können, ist unsere Haltung dazu und wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen.

e. Was wir wollen und was wir können!

Wir sind keine Wahrsager oder hellseherisch begabte Zukunftsforscher, die genau wissen, was sein wird. Als Zukunfts- und Chancenmanager können wir weder die Zukunft verbindlich vorhersagen noch allgemein gültige Verhaltensregeln und Entscheidungsempfehlungen für alle auftretenden Probleme geben. Denn die Zukunft ist nicht determiniert, und das ist auch gut so. Wäre sie ein für alle Mal unveränderlich vorgegeben, könnten wir sie nicht mehr beeinflussen und es wäre uns nicht möglich, sie zu unserem Vorteil zu gestalten.

Der Zustand eines jeden Unternehmens, egal ob gut oder weniger gut, wird immer durch die Entscheidungen des Managements beeinflusst. Diese Entscheidungen basieren auf den vorhandenen Erfahrungen und Möglichkeiten und auf den Vorstellungen der Entscheider, welche wahrscheinlichen Auswirkungen die gewählten Alternativen in der Zukunft haben werden.

Fest steht, dass es keinen Manager in Deutschland gibt, der Erfahrungen mit Weltwirtschaftskrisen hat, denn die letzte war vor mehr als achtzig Jahren. Tatsache ist auch, dass sich das Zukunftswissen um die möglichen Entwicklungen solcher Krisen ebenfalls sehr in Grenzen hält. Das ist der Grund, warum Unternehmer, Politiker und Wissenschaftler oft naiv und hilflos auf die Herausforderungen reagieren. Es mangelt an Wissen und Erfahrungen, um solche Krisendimensionen, und vor allem an bewährten Strategien, um solche Herausforderungen zu meistern.

Aber es ist noch vieles möglich, denn es wird vielleicht noch einige Zeit dauern, bis das wirtschaftliche Unwetter auch Sie bzw. Ihr Unternehmen spürbar bedroht.

Auch diese strategische Reise in die Zukunft beginnt, wie alle Reisen, mit einem ersten Schritt. Dieser erste Schritt kann der sein, dass Sie dieses Buch in Ruhe durchlesen und Ihre Schlüsse daraus ziehen. Wir versprechen Ihnen, dass Sie hinterher die Zukunft Ihres Unternehmens anders sehen werden. Sie werden nicht nur ein „krisenrelevantes“ Problembewusstsein entwickeln, sondern aktiv die Chancen nutzen, die sich aus der Krise ergeben können. Sie werden außerdem die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern eine faszinierende und realisierbare Zukunft anstreben.

Es ist die mentale Einstellung der Führungskräfte und Mitarbeiter, die erkennen, dass sich mit Hilfe einer wohldurchdachten Strategie und einer konkreten Planung sowie der notwendigen Entscheidungen und Schritte der scheinbar riesige Berg von Schwierigkeiten auflöst und in kleine, durchaus zu bewältigende Aufgaben aufgeteilt werden kann.

Durch diese Sichtweisen und diese Art des Herangehens kommt bei den Beteiligten sehr schnell die Hoffnung auf, gefolgt von der Überzeugung, dass es sehr wohl möglich ist, die Dinge zum Guten zu wenden.

f. Und was ist, wenn nichts passiert?

Wir wissen inzwischen alle, dass zwar der Anfang, aber noch nicht das Ende einer Weltwirtschaftskrise erreicht ist. Diese Behauptung möchten wir mit einer „einfachen Prognose“ – man könnte es auch Milchmädchenrechnung nennen – verdeutlichen.

Wenn man die Differenz zwischen dem, was die verantwortlichen Banker, Wirtschaftspolitiker und Finanzexperten vor sechs Monaten oder einem Jahr für die kommenden Monate und Jahre prognostiziert haben, mit dem jetzigen Zustand der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in Europa vergleicht und die ermittelte Differenz zwischen den Vorhersagen und dem heutigen Stand als mögliche weitere Entwicklung in die Zukunft extrapoliert, dann kann man sich in etwa vorstellen, wo wir in weiteren sechs Monaten oder in ein paar Jahren sein könnten. Inzwischen werden die Abstände, in denen die wirtschaftspolitischen Aussagen korrigiert werden müssen, weil die beschlossenen Maßnahmen nicht funktionieren, immer kleiner. Oder wie es ein befreundeter Banker neulich formulierte: Die „Einschläge“ kommen immer näher.

Es gibt natürlich immer wieder Einwände gegen solche Prognosen, schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Folgende Bedenken und Entschuldigungen bestimmen oft die Widerstände meiner Kunden in den Beratungsgesprächen:

• Das wird schon seit Jahren erzählt – und bis jetzt ist nichts passiert.

• Heute hat man wesentlich bessere Instrumente als 1930!

• Wir stehen doch gut da!

• Die da oben sind ja nicht blind!

• Wollen Sie schlauer sein als die Leute, die sich täglich damit beschäftigen?

• Alles der Reihe nach – keine Panik!

• Es wird schon nicht so schlimm werden.

• Ich denke, es dauert noch etwas.

• Wir können sowieso nichts dagegen tun.

• Man kann sich doch nicht ewig Sorgen machen und Angst haben!

• Was ist, wenn es der Regierung und allen anderen Beteiligten gelingt, die Krise zu beenden?

Tja, was dann – wenn die Krise nur ein „Kriselchen“ wird und es einfach so weitergeht wie bisher? War dann die ganze Arbeit umsonst? Wir haben uns monatelang mit den möglichen Problemen einer zukünftigen dramatischen Situation herumgeschlagen und jetzt sind die ganzen Vorsorgemaßnahmen überflüssig. Die Zeit und das Geld, welches wir in diese Aktivitäten gesteckt haben, das fehlt uns vielleicht anderswo.

Zunächst einmal: Die Krise kann nicht verhindert, sie kann höchstens verschoben werden. Darüber sind sich alle – auch die Politiker – einig. Richtig ist auch, es geht nicht um Pessimismus oder Optimismus, sondern es geht um Realismus. Nur wer die möglichen Gefahren in ihrer gesamten Größe einschätzen kann, der ist auch in der Lage, eine adäquate Vorsorge zu treffen. Nur ein bisschen vorzusorgen, ist vertane Zeit und Mühe.

Die Polizei, die sich auf randalierende Chaoten bei einer Demonstration vorbereitet, wird auch nicht wegen Verschwendung von Steuergeldern gerügt, wenn alles gut geht.

Ein Flugkapitän macht regelmäßig seine Crashübungen im Flugsimulator; niemand käme auf die Idee, ihn erst dann wieder „üben zu lassen“, wenn er wirklich mal einen Unfall verursacht hat. Ziel der Schulung ist es, notwendige Reaktionen einzustudieren, die blitzschnell und automatisch ablaufen und das Unglück verhindern sollen.

Potenzielle Überraschungen und Eventualstrategien zu durchdenken, ist nicht ein Zeichen von Angst oder Schwäche, sondern von Weisheit und Verantwortungsbewusstsein. Sich auf die wirtschaftliche Sintflut (Tsunami) mit der gesamten Mannschaft vorzubereiten ist das, was der „vorsichtige Kaufmann“ tun sollte.

Außerdem lehrt die praktische Erfahrung bei der Beratung von Unternehmen, dass die in solchen „Chancen-Workshops“ erarbeiteten Strategien und Aktionen schon vorher umgesetzt werden. „Warum sollen wir noch warten, bis die Krise kommt“, so die häufige Erkenntnis der Teilnehmer. „Das hört sich doch gut an, das machen wir sofort und nicht erst, wenn die Bedrohungen da sind.“

Der vorsichtige Kaufmann (ein Leitgedanke des Handelsrechts), der den heute oft geschmähten Vorsichtsgrundsatz praktiziert, bietet mit seinem vorausschauenden Verhalten etwas, was Banken, Mitarbeiter und Kunden heute sehr zu schätzen wissen: Sicherheit, Verlässlichkeit und Mut, auch unangenehme Wahrheiten anzunehmen.

g. Entlernen lernen

Wenn es stimmt, dass Unternehmer und Führungskräfte keine Erfahrungen mit weltweiten Krisen haben und nur auf ihr Wissen und die in ihrem beruflichen Leben gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifen können, dann ist es wichtig zu entlernen.

 

Erfahrungen werden in bestimmten Situationen gemacht. Sie sind nur dann hilfreich, wenn die Situation, in der wir dieses Wissen anwenden wollen, vergleichbar ist. Doch das ist leider nicht immer der Fall. Erst recht nicht in der jetzigen, wirtschaftlich prekären Konstellation.

Ja, oft sind solche Erfahrungen und Überzeugungen nicht nur nicht brauchbar, sondern sie sind kontraproduktiv bzw. schädlich. Nämlich dann, wenn wir keine besseren Alternativen kennen, die der Entscheidungssituation mehr Rechnung tragen als unbrauchbare Kenntnisse aus vergangenen Erlebnissen.

Denn mit unseren Entscheidungen schaffen wir unsere Wirklichkeiten. Diese Wirklichkeiten, welche wir aufgrund unserer Bildung, Einsichten, Überzeugungen, Kenntnisse, Glaubenssätze, unseres Wissen usw. entscheiden bzw. kreieren, sind etwas sehr Persönliches und Subjektives. Die gute Nachricht ist, dass wir diese Sichtweisen in jedem Augenblick unseres Lebens neu überdenken und neu erfinden können. Die schlechte Nachricht ist: Unseren oft falschen, unbrauchbaren oder unvollständigen Erfahrungsschatz und die verinnerlichten Ansichten (Vorurteile) zu beeinflussen, zu korrigieren oder gar zu eliminieren, um so das Richtige aus den sich im Leben bietenden Möglichkeiten auszuwählen, ist eine der schwierigsten Aufgaben – nicht nur für Manager – überhaupt.

Eine gute Bekannte ist psychologische Psychotherapeutin. Zu ihr kommen Menschen, die in inneren und äußeren Verhältnissen leben, die meist so schlimm sind, dass man von krankhaften Zuständen sprechen kann.

Was macht sie, um diesen Patienten zu helfen? Sie „entlernt“ diese Menschen! Sie befreit sie von falschen Überzeugungen und Annahmen, die Partnerschaften zerbrechen oder Süchte entstehen lassen. Sie hilft ihnen, die negativen Emotionen von traumatischen Kindheitserlebnissen zu entkoppeln und gibt ihnen Hilfe zur Selbsthilfe. Im Mittelpunkt der Therapie steht, nach Einsicht in Ursachen und Entstehungsgeschichte ihrer Probleme gemeinsam mit den Patienten neue Einstellungen und lebensfrohe Verhaltensweisen zu erarbeiten, die eine bessere Lebensqualität ermöglichen.

Entlernen, bewusstes Vergessen, ist also möglich – auch in einem Unternehmen! Dafür braucht man keine Therapeuten, aber man sollte trotzdem einige Besonderheiten und Regeln beachten, die nachfolgend kurz skizziert werden.

Wir gehen viel zu oft davon aus, dass Führungskräfte oder Mitarbeiter mit einer – bildlich gesprochen – leeren Schüssel zum Seminar, zur Mitarbeiterbesprechung oder zum Workshop kommen. Zu oft wird unterstellt, dass die Menschen für alles Neue offen sind (zugegeben, das unterstelle ich als Autor dieses Buches auch). Doch der Wissensnapf, der (Er)Kenntnisbehälter, ist bereits voll. Gefüllt mit bewährtem Wissen, mit Erfahrungen oder verlässlichen Fertigkeiten, da passt gar nichts mehr rein. Der neue Lehrstoff, die alternative Strategie, die neuen Methoden haben keinen Platz. Das Neue – das vielleicht tatsächlich Bessere – läuft über, wird zum Abwasser. So wird das Lernen zur Mühsal für alle Beteiligten. Das neue gewünschte Verhalten kann sich nicht entwickeln und etablieren, weil das vorgetragene Wissen, die neuen Regeln, die zu lernenden Fertigkeiten in Konkurrenz zu dem Bewährten stehen.

Man müsste den Wissensnapf erst einmal leer machen oder zumindest wahrnehmen und akzeptieren, dass der Mensch in der Vergangenheit schon vieles gelernt und genutzt hat, was er braucht, um seine Arbeit gut zu erledigen, bevor man den Behälter wieder füllt.

Eine oft nicht erkannte Aufgabe des Managements ist es, das bewusste, das absichtliche Vergessen von überholtem Wissen zu initiieren, die Mitarbeiter anzuhalten, unbrauchbare Erfahrungen oder überholte Überzeugungen wahrzunehmen und zu korrigieren, damit diese falschen Entscheidungsgrundlagen keinen Schaden mehr anrichten können. Neben dem Wissensmanagement ist auch dem Vergessensmanagement mehr Bedeutung zu geben.

Vera Birkenbihl hat in einem ihrer Bücher eine Geschichte von vier Affen in einem Zoo erzählt, die in ihrem neuen Käfig eine Kletterstange hatten, an deren Ende eine Bananenstaude baumelte. Das Problem war, dass immer dann, wenn sich ein Affe der Bananenstaude näherte, dieser eine kalte Dusche bekam. Alle Affen probierten es aus und aufgrund ihrer Erfahrungen kletterte nie mehr einer der Affen die Stange hinauf, um die Bananen zu pflücken. Das Erleben hatte ihnen gezeigt, dass sie ihr Ziel so nicht erreichten.

Als ein neuer Affe hinzukam, wollte dieser sofort die Stange hochklettern und die Bananen holen, doch seine Affenbrüder hinderten ihn daran. Denn sie hatten ja so ihre Erfahrungen. Was die Affen nicht wussten, war, dass die Dusche inzwischen abgestellt worden war.

Ich möchte die Geschichte weitererzählen. Es kam noch ein junger Affe dazu, und ehe die alten Insassen im Käfig überhaupt reagieren konnten, war er die Stange hinaufgeklettert und hatte sich die Bananen geholt. Mal abgesehen davon, dass seine Affenkollegen ziemlich sauer waren, dass der Neue jetzt die Bananen verzehrte, mieden sie ihn auch in Zukunft, weil er sich nicht an die Spielregeln gehalten und ihre hilfreichen Erfahrungen einfach ignoriert hatte.

Lernen und Vergessen, Umlernen und Entlernen sind keine Prozesse in Gruppen, sondern werden von jedem Einzelnen vollzogen. Wir können nicht erkennen, ob ein Mensch lernt oder verlernt. Nur an seinem veränderten Verhalten, an seinen neuen Entscheidungen können wir erkennen, ob ein (Ver)Lernverhalten stattgefunden hat.

Nach unserer „Überzeugung“ gibt es in einem Unternehmen fünf Möglichkeiten, sich von überholtem Wissen, falschen Überzeugungen und unbrauchbaren Erfahrungen zu befreien:

• Das normale Vergessen – Man muss nur lange genug warten (dann hat der Kunde vergessen, dass wir einmal …).

• Das Verhindern von Lernen – Man sorgt rechtzeitig dafür, dass man Unbrauchbares gar nicht erst lernt (etwa 80 Prozent aller E-Mails müssen wir nicht lesen, sie sind Schrott …).

• Das Umlernen, indem man neue Erfahrungen macht und die alten sich als nicht nützlich erweisen (wir haben den Chef ganz anders kennengelernt, als wir einmal mit ihm gemeinsam …).

• Das Umlernen durch bewusste Manipulation – Der falsche Glaubenssatz wird in einen anderen Kontext gestellt und/oder es werden Alternativen aufgezeigt und/oder die vorhandenen Informationen sinnvoll ergänzt (ein Trainer macht deutlich, welche Konsequenzen eine bestimmte Überzeugung hat, und wir üben neue, bessere Umgangsformen mit ihm ein …). Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) ist eine bewährte Methode, dies zu praktizieren.

• Das bewusste Löschen (aktives Verlernen) von unnützen Erfahrungen und falschen Überzeugungen (z. B. durch Rituale, psychotherapeutische Methoden und Praktiken, die sich bewährt haben).

Unser Wissen ist vergangenheitsorientiert. Mit einer globalen Krise haben wir keine Erfahrungen, gerade in der momentanen Situation ist deshalb das Entlernen wichtig. Ein bewusst initiierter Entlernprozess kann helfen, zu einer konstruktiven Unzufriedenheit mit den derzeitigen Situationen bzw. den herrschenden Umständen zu gelangen und neue Ideen und Strategien zur Vorbereitung und Bewältigung zu entwickeln. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, selbst zu entlernen und Entlernprozesse bei Ihren Mitarbeitern und Geschäftsfreunden zu initiieren.

So manche Idee und einige Handlungsalternativen des Chancenmanagements sehen Sie vielleicht vollkommen anders, sie widerspricht Ihrem eigenen Verständnis von Unternehmensführung und betriebswirtschaftlicher Ausbildung. Wenn dies so ist, dann fängt auch für Sie das Entlernen und Neu-Lernen an, nämlich das Infragestellen von vorhandenem Wissen und Kenntnissen. Dass es schwierig ist zu entlernen – Therapeuten brauchen dazu mit ihren Patienten oft zig Stunden –, steht außer Frage. Doch scheint es eine wichtige persönliche Voraussetzung zu sein, um krisenrelevantes Chancenmanagement zu akzeptieren, zu lernen und vor allem, es zu praktizieren.

Wir müssen in der Lage sein, das Wissen, das gerade noch nützlich erschien, aufzugeben, um etwas Neues zu lernen. Prof. Peter Wippermann

h. Wie lange dauert die Ewigkeit?

Dieses erste Kapitel würde ich gern mit einer Kolumne abschließen, die ich vor etwa zwei Jahren für den Haufe-Verlag geschrieben habe, der mir die Genehmigung gab, dass sie in diesem Buch nochmals veröffentlicht werden kann. Sie soll deutlich machen, in welcher Situation wir uns in Deutschland befinden und wie groß die Chancen sind, dass wir mit einem „blauen Auge“ davonkommen können. Aber lesen Sie selbst und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil.

Neulich fragte mich mein achtzehnjähriger Sohn Max, wie lange es wohl dauern wird, bis man den Schuldenberg in Deutschland wieder abgebaut hätte.

„Wow“, meinte ich, „das dauert bestimmt eine Ewigkeit.“

„Wie lange dauert diese Ewigkeit“, fragte er mich.

Darauf wusste ich keine Antwort: Wie lange dauert eine Ewigkeit, wie lange dauert es, bis der Schuldenberg nicht mehr existiert?

Da fiel mir ein Märchen ein. Nämlich – vielleicht kennen Sie es – von einem Prinz – oder war es ein Tölpel? –, der eine Prinzessin freien wollte. Jedenfalls musste der drei Rätsel lösen. Eines ist mir in Erinnerung geblieben, nämlich auch er wurde gefragt: Wie lange dauert die Ewigkeit? Seine Antwort: „Die Ewigkeit dauert so lange, als ein Vögelein, das alle tausend Jahre blos einmal kommet und sein Schnäbelchen an einem Berg wezt, Zeit braucht, bis es den ganzen Berg weggewezet hat.“

Der Schuldenberg in Deutschland steigt und steigt in einem atemberaubenden Tempo auf ungeahnte Höhen und es hilft wenig zu wissen, dass es in anderen Ländern noch schlimmer ist. Dabei sind die offiziell eingestandenen 1,5 Billionen Staatsschulden (oder sind es doch schon 2 Billionen?) ja nur die Spitze eines Eisberges. Denn dazu muss man noch die sogenannte implizite Schuldenlast (Straßenreparaturen, Beamtenpensionen, irgendwelche Rettungsfonds usw.) rechnen, die ein Vielfaches des offiziellen Schuldenberges ausmacht. Unter der Hand spricht man von über 7 bis 8 Billionen, die in den kommenden Jahren „fällig“ werden. Na ja, und dann kommen noch die deutschen Verpflichtungen für europäische Rettungsschirme, Bürgschaften, Badbanken usw.

Es war noch die Frage meines Sohnes offen und ich dachte mir, vielleicht sollten wir doch einmal diese Ewigkeit berechnen. Also stellte ich ihm die folgende Rechenaufgabe: Wenn ein Schuldenbetrag 5 Billionen beträgt, der mit jährlich 3 Prozent verzinst werden muss, wann ist das Darlehen getilgt, wenn monatlich 20 Milliarden aus den Steuereinnahmen zurückgezahlt werden?

Er holte sich was zum Schreiben, dachte nach, fing an zu rechnen und fragte mich dann: „Du glaubst wirklich, dass man so viel jeden Monat zurückzahlen kann?“

Ich antwortete: „Weiß ich nicht, jetzt fang endlich an zu rechnen!“