Libussa

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LIBUSSA

FRANZ GRILLPARZER

Trauerspiel in fünf Aufzügen

Inhaltsverzeichnis

Personen:

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Impressum

Personen:

Kascha, Tetka und Libussa, Schwestern

Primislaus

Domeslav, Lapak und Biwoy, Wladiken

Wlasta, Dobromila, Swartka, Slawa und Dobra, Dienerinnen der Schwestern

Ein Weib mit einem Kinde

Landleute

Gewaffnete

Diener

Erster Aufzug

Offner Platz im Walde. Rechts im Vorgrunde eine Hütte. Daneben brennt ein Feuer.

Primislaus (an der Tür der Hütte horchend).

Bist du schon fertig?

Libussa (von innen).

Nein.

Primislaus (nach vorn kommend).

Ihr Götter!

Ist es denn wahr? und ist es wirklich so?

Daß ich im Walde ging, längshin am Gießbach,

Und nun ein Schrei in meine Ohren fällt,

Und eines Weibes leuchtende Gewande,

Vom Strudel fortgerafft, die Nacht durchblinken.

Ich eile hin und fasse sie, und trage

Die süße Beute, laue Tropfen regnend,

Hierher; und sie erholt sich, und ich löse

Die goldnen Schuhe selbst ihr von den Füßen,

Und breit ins Gras den schwergesognen Schleier,

Und meine Hütt' empfängt den teuern Gast.

Glückselige, ihr meiner Schwester Kleider,

Die sie getragen und mir sterbend ließ,

Ihr werdet dieser Hohen Leib umhüllen,

Und näher sie mir zaubern, die so fern.

Libussa (in ländlicher Tracht aus der Hütte tretend).

Hier bin ich, und verwandelt wie du siehst.

Des Bauern Kleider hüllen minder warm nicht

Als eines Fürsten Rock; insoweit, merk ich,

Sind sie sich gleich.

Primislaus. Du Hohe, Herrliche!

Wie zierst du diese ländlich niedre Tracht!

Das Bild der Schwester, die mir kaum entschwand,

Es tritt in dir neu atmend mir entgegen,

Dasselbe Bild, doch lieblicher, gewiß.

Libussa. Auch für die Kleider Dank! du mein Erretter!

Wenn Rettung ja wo die Gefahr nicht groß.

Ich half mir selbst, glaub nur! erschienst du nicht.

Doch nun erfülle ganz dein schönes Wort

Und bring mich zu den Meinen wie du wolltest.

Primislaus. Dein edler Leib, bedarf er nicht der Ruh?

Libussa. Ich hab geruht, nun ruft mich ein Geschäft.

Primislaus. Bei dem ein Helfer dich nicht fördert?

Libussa. Nein.

Primislaus. Du hast den Ort bezeichnet, der dein Ziel.

Geleiten sollt' ich zu drei Eichen dich,

Die auf dem Hügel stehn am Weg nach Budesch.

Ist dort dein Haus?

Libussa. Dort nicht.

Primislaus. Vielleicht von da aus

Erkennst du selbst den Weg?

Libussa. So ist's.

Primislaus. Und ich

Soll dort dem Ungefähr dich übergeben,

Das niemals wohl uns mehr zusammenführt?

Libussa. Der Menschen Wege kreuzen sich gar vielfach

Und leicht begegnet sich Getrennter Pfad.

Primislaus. Du bist kein Weib um das man werben könnte?

Libussa. Du hast's erraten.

Primislaus. Und, verbeut's dein Stand,

Sind's andre Gründe, die's verbieten?

Libussa. Beides.

Nun noch einmal: gedenke deines Worts

Und führe mich aus dieses Waldes Schlünden

Zum Ziele meines Weges, das du kennst.

Primislaus. Wohl, du gebeutst und ich muß dir gehorchen.

Dort angebunden steht mein wackres Roß,

Gefällt's dir, so besteig es, und ich leite

Am Zügel es den Trennungs-Eichen zu.

Den Trennungs-Eichen! Wohl für immer. Sei's denn!

Dein Schmuck liegt hier im Grase rings verstreut.

Der Schleier da, die goldnen Schuhe hier,

Des Gürtels reiche Ketten aufgesprengt

Und in zwei Stücken ein so schönes Ganze.

Ich samml' es dir und trag es dienend nach,

Bis an dem Ort der Trennung du's erhältst.

Und kehr ich wieder in die heim'sche Hütte

Ist deines Daseins jede Spur verweht,

Das Gras selbst wo du tratest, es ersteht,

Und wie ein Träumender nach seines Traums Entschwinden,

Frag ich mich selbst: wie war's? und weiß mich nicht zu finden.

Komm denn!

Libussa. Noch eins vorerst, das ich vergaß.

(Sie geht in die Hütte.)

Primislaus. Ich will ein Zeichen nehmen meiner Tat,

Daran ich sie, sie mich dereinst erkennt,

Denn sie verhehlt, ich seh's, mit Fleiß ihr edles Selbst.

Des Gürtels goldnen Ketten eingefügt

Seh ich ein Kleinod, wohl nicht reich zumeist,

Allein beprägt mit Bildern und mit Sprüchen;

Das lös ich los und wahre mir's als Pfand,

Das Namen mir enthüllt und Stamm und Haus und Stand.

(Er steckt das Kleinod in den Busen und sammelt Libussens übriges Geräte.)

(Libussa kommt zurück, ein Körbchen mit Kräutern tragend.)

Libussa. Sieh mich zurück!

Primislaus. Und mich bereit.

Libussa. Wohlan!

Wo ist dein Pferd?

Primislaus. Sieh, dort!

Libussa. So komm!

Primislaus. Mit Gott!

(Sie gehen. Primislaus Libussas Gewande tragend.—Pause. Dann kommt

Wlasta mit einem Jagdspieße bewaffnet, von der linken Seite.)

Wlasta. Und nirgends Menschen?—Doch! Hier eine Hütte.

(An die Türe schlagend.)

Ihr drin im Hause!—Keine Antwort?

(Nachdem sie die Türe geöffnet.)

Leer!

Und wieder keine Spur und keine Kunde.

(Dobromila tritt im Hintergrunde auf.)

Wlasta. Wer schreitet dort?

Dobromila. Hallo! Libussas Mägde!

Wlasta. Libussas Mägde hier!

Dobromila. Bist du's, o Wlasta?

Wlasta. Ich bin's. Suchst du die Fürstin?

Dobromila. Wohl, Libussa.

Wlasta. Und keine Spur?

Dobromila. Noch keine. Einsam ging sie,

Nach Kräutern suchend für den kranken Vater,

Von Psary aus, dem Schloß, gen Budesch zu,

Und ward nicht mehr gesehn.

Wlasta. Wie lebt der Fürst?

Dobromila. Er lebt wie einer, der zu leben aufhört,

Ich fürchte bald, er stirbt.

Wlasta. Ei, seine Töchter,

Gar hoch erfahren in geheimer Kunst,

Sie hindern wohl sein Ende.

Dobromila. Ach, die Kunst,

Sie endet auch, oft eh' man noch am Ende.

Komm, laß uns jetzt nach Budesch, und im Gehn

Erheben wir die Stimme Zeichen gebend,

Vielleicht vernimmt's die Fürstin und erscheint.

Wlasta. Hier läuft ein Pfad. Du rechts, ich links ins Dickicht

Und ausgeruft: Libussas Mägde, ho!

Dobromila (schon außer der Szene).

Libussa!

(Beide ab.)

————————

Schloß der Schwestern auf Budesch.

Innerer Hof. Links ein Teil der Wohngebäude mit einer Pforte. Der

Hintergrund durch eine wallartige Terrasse geschlossen mit einem großen

Eingangstor. Oben sitzt Swartka. Links nach vorn Dobra an einem Tische,

auf dem ein aufgeschlagenes großes Buch liegt. Ein großer eherner

Leuchter mit brennendem Licht steht neben ihr.

Dobra. Was ist die Zeit?

Swartka. Längst Mitternacht vorüber.

Die Sterne gehen scharenweis zur Ruh

Und ein Gebilde schwindet nach dem andern.

Den Reihen führt der flammende Arktur,

Die Krone sinkt am Himmel und der Adler

Lenkt nach den Bergen seinen müden Flug.

Dobra (in dem Buche nachsehend).

O weh, o weh!

Swartka. Was klagst, was jammerst du?

Dobra. Wenn Mars und Jupiter sich so begegnen

Ist das die Stunde, die dem Leben droht.

Weh, Herzog Krokus, wenn du ja noch lebst.

Welch Sternbild glänzt zuhöchst?

Swartka. Ob meiner Scheitel

Spannt seine Flügel aus der helle Schwan,

Ein Erbe recht der Sterne, welche gingen,

Und wie geschlagne Saiten zitternd klingen

Kommt an mein Aug' der Leier Strahl heran.

Dobra. O mög' es gute Vorbedeutung sein

Für meiner Frauen Zukunft. Doch davon

Schweigt dieses Buch.

Swartka. Fuchs, Fisch und Eidechs drängen

Die niedre Form dem edlen Vogel nach,

Die kluge Schlange droht mit fahlem Blinken,

Und auf dem Pfad der königlichen Sterne

Folgt namenloses Volk zu weiter Ferne.

Dobra. Laß nun genug sein, Swartka! Komm herab!

Es wachen Kascha noch und Tetka oben

In ihrer Kammer. Laß zu ihnen uns,

Sie werden ihrer Diener Eifer loben.

Swartka. Ich komme. Harre noch!

(Sie steigt herab.)

(Es wird ans Tor geschlagen.)

Von außen. Macht auf! Macht auf!

Dobra. Wer lärmt?

Von außen. Macht auf um aller Götter willen!

Dobra. Geh Swartka hin und öffne nur das Tor!

Der Lärm tut's an Gewicht dem Anlaß wohl zuvor.

(Durchs geöffnete Tor dringen Domaslav, Biwoy, Lapak herein.

Volk hinter ihnen.)

 

Domaslav. Wo sind die Fürstinnen? bring mich vor sie!

Dobra. Sie wachen noch, doch zeigen sie sich nie.

Lapak. Auch nicht dem Bringer wichtig schwerer Kunde?

Dobra. Das Wicht'ge wiegt nicht gleich in dein', in ihrem Munde.

Domaslav. Doch frommt es uns, es frommt dem ganzen Land.

Dobra. Ob's ihnen selber frommt, blieb dir wohl unbekannt.

Biwoy. So hebt die Stimme, schlaget an die Schilde,

Sie müssen uns vernehmen, sei's mit Zwang.

Dobra. Am Tor der Einsicht tobt und lärmt der Wilde,

Hört er am liebsten doch der eignen Worte Klang.

Lapak. So wisse denn: der Fürst, der uns gebot,

Der Böhmen Herr und deiner Frauen Vater,

Fürst Krokus lebt nicht mehr.

Dobra. Ihr Götter! tot?

Lapak. Des Landes Hort, sein Schirmer und Berater

Starb diese Nacht.

Dobra. So ist sie wahr gewesen

Die Kunde, die mein Aug' in Sternenschrift gelesen?

Fürst Krokus tot!

Biwoy. Du siehst, der Grund genügt,

Daß man den Schlummer stört, in dem ein Weib sich wiegt.

Dobra. Sie schlummern nicht, doch wenn in Schlaf versenket,

Ihr Träumen acht ich mehr als was ihr andern denket.

Biwoy. Nun wohl, so rüttl' ich selber an der Tür,

Wenn sie zu uns nicht, wohl, komm ich zu ihr.

(Er geht auf die Türe zu. Diese öffnet sich und Tetka und Kascha treten heraus. Erstere eine offene Rolle in der Hand, die zweite das Haupt nachdenklich gesenkt. Alle weichen ehrerbietig zurück.)

Kascha. Ich sage dir: es war um Mitternacht

Da ging er heim und segnete das Leben;

Hätt' ich der Zeichen Widerstreit bedacht,

Vielleicht war's Zeit ihm Fristung noch zu geben.

Tetka. Libussa war bei ihm.

Kascha. Fast glaub ich: Nein.

Ihr Platz ist dunkel in den sonn'gen Kreisen.

Tetka. Wo blieb sie sonst?

Kascha. Bald wird mir's klarer sein.

Die nächste Stunde muß ihr Handeln weisen.

Gab sie ihm jenen Trank, den du wohl kennst,

Gepreßt von Kräutern, die die Wälder bieten,

Vielleicht starb er noch nicht.

Tetka. Daß es nicht möglich ist,

Die Krankheit aufzuhalten, ja den Tod

Durch Vorsatz und Entschluß! Kann einer sterben

Weil er nicht leben will; warum nicht leben

Weil er dem Tod sich weigert? Könnte Schwäche

So viel, und Stärke nichts? Stand ich am Bette

Des Vaters, und erinnerte ihn dran

Wie vielen fromme, daß er länger lebe,

Er sah dem Tod ins Aug' und starb noch nicht.

Kascha. Wie gerne bot sich heilend meine Kunst.

Tetka. Ich ehre deine Kunst, weil du sie denkest,

Doch hilft sie dem nur der wie du gedacht.

Wenn du den Kranken mit dem Besten tränkest,

Er stirbt, hält er für Gift was du gebracht.

Als Krücke mag es sein daß sie noch leiste

Für schwache Seelen, die am Willen krank,

In Wahrheit hilft doch nur der Geist dem Geiste,

Er ist der Arzt, das Bette und der Trank.

Wenn ich mich über unsern Vater neigte

Und ihm die Sprüche alter Weisheit las,

Der Seinen Not, der Feinde Scheelsucht zeigte,

Er faßte neuen Mut und er genas.

Kascha. Nun aber ist er tot, wir sind verwaist.

Tetka. Bist du verwaist? ich nicht. Ich seh ihn noch,

Nicht wie zuletzt in seiner Schwachheit Banden.

Ehrwürd'ger Greis, war Greis er immer doch,

Mir ist er als ein Jüngling auferstanden.

Lapak (näher tretend).

Erhabne Fürstinnen!

Kascha. Was ist?

Tetka. Was sucht, was wollt ihr?

Domaslav. Die Nachricht euch zu bringen sind wir da—

Kascha. Wir haben es gewußt, bevor es noch geschah.

Tetka. Als ihr noch hofftet, zagtet, dies und das gemeint,

Da war es uns bekannt, da haben wir's beweint.

Lapak. Wenn nun der Tod den besten Fürsten schlug—

Kascha. Zu gut für euch, für uns nicht gut genug.

Denn sorgt' er nicht um euch, und dacht' er an die Seinen,

Ihr lebtet wüst wie vor, wir brauchten nicht zu weinen.

Tetka. Weil euer Trutz vergällt ihm jeden Tag,

Gab er dem Kummer sich und welkte hin, erlag.

Domaslav. Wenn's nun auch so, und wenn die Sorg' um uns

Beschwert sein Leben, gar es ihm geraubt,

Laßt das uns nicht entgelten, hohe Frauen,

Belohnt, mit dem wir nahn, das kindliche Vertrauen,

Vollendet was begann des Vaters hohes Haupt.

Lapak. Die Krone die er trug, dies Land, sein Reich

Verschmäht sie nicht und nehmt, wählt eine unter euch.

Domaslav. Ihr stammet, wissen wir, von höhern Mächten,

Wir sind ein dunkles Volk, unkundig in den Rechten;

Der Stab, der in Fürst Krokus Händen lag,

Wer, als sein eignes Blut, zu halten ihn vermag?

Alle (auf die Knie sinkend).

Nehmt unsre Krone! Wählet! Kascha, du!

Kascha.

Unter Sternen schweif ich,

In der Tiefe walt ich;

Was Natur vermag und kann

Ist mir willig untertan.

Das Leblose lebt,

Des Lebend'gen Dasein ist Tod.

Ich mag nicht herrschen über Leichen,

Geht zu andern mit euern Reichen,

Was ist mir gemein mit euch?

Lapak. So nimm denn Tetka du dich unser an!

Tetka.

Was sein soll ist nur Eins,

Was sein kann ist ein Vieles,

Ich aber will sein einig und Eins.

Nutzen und Vorteil zählen,

Aus Wahrheit und Lüge wählen,

Recht erdenken das kein Recht,

Dafür sucht einen Sündenknecht.

Mein sonnig Reich strahlt hellres Licht,

Von mir! Ich mag eure Krone nicht!

Lapak. So laßt ihr uns denn hilflos und verwaist!

Wo ist Libussa eure jüngste Schwester?

Tetka. Sie ist nicht heim. Allein, wenn auch zu Hause,

Sie folgt euch nicht.

Domaslav. Laßt uns es doch versuchen.

Tetka. Ich sag euch, sie verweigert's.

Lapak. Gut. Doch hören,

Anhören soll sie uns. Erlaubt zu harren.

Kascha. Seht ihr so gern noch einmal euch verschmäht,

So wartet bis sie naht. Geht dort hinein!

Ihr aber gebt was sie am meisten lockt,'

Gebt ihnen Speis' und Trank, und damit gut.

Domaslav. Wir nehmen unsern Urlaub, hohe Frauen.

Kascha. Gehabt euch wohl! Und, wenn nicht eure Fürstin,

Bin ich euch Freundin doch.

(Die Abgeordneten werden durch eine Pforte links abgeführt.)

Nun aber ihr!

Stellt euch ringsum, senkt eure düstern Schleier,

Und feiert still und trauernd das Gedächtnis

Des edlen Manns, der unsern Kreis verließ.

Nacht um uns und Dunkel,

Damit in uns es Licht!

(Alle verhüllen sich, die Szene verwandelt sich.)

————————

Kurze Waldgegend. Es ist noch dunkel.

Primislaus tritt auf, ein weißes Roß am Zügel führend, auf dem

Libussa sitzt.

Primislaus. Hier ist der Ort, den du mir hast bezeichnet.

Der Weg nach Budesch dies, dies die drei Eichen,

Gelöst hab ich mein Wort.

Libussa. Sei drum bedankt.

Primislaus. Nun soll ich von dir scheiden, dich verlassen,

Dich nie mehr wiedersehn vielleicht?

Libussa. Vielleicht.

Primislaus. Du bist kein Weib um das man werben könnte?

Libussa. Ich hab es schon verneint.

Primislaus. Träf' ich dich wieder,

Je wieder, glaub, ich würde dich erkennen,

Wär's unter Tausenden. Doch du auch mich?

Im Dunkel fand ich dich, im Dunkel scheid ich.

Gib mir ein Zeichen dran du mich erkennst

Wenn ich dich wiederseh.

Libussa. Es ist nicht nötig.

Primislaus. Doch wenn rückkehrend ich in meine Hütte

Ein Kleinod fände das dir angehört?

Libussa. Bring es hierher, ich werde darnach senden

Und lös es gern um Gold und jeden Preis.

Primislaus. Für mich ist Gold kein Preis. So laß uns scheiden!

Dein Schleier und die schimmernden Gewande,

In denen ich den Fluten dich entriß,

Hier eingebunden trägt's des Pferdes Rücken.

Nur eine Kette noch, es war dein Gürtel,

Der unter meiner Retterhand zerstückt,

Doch fügt' ich neu die goldnen Hakenglieder,

Neig mir dein Haupt und trag den neuen Schmuck.

(Libussa senkt ihr Haupt, er hängt ihr die Kette um den Hals.)

So zier ich dich du Schöne, Hehre, Hohe;

Für wen? ich weiß nicht; ist's doch nicht für mich.

Und so leb wohl!

Libussa. Auch du!

Primislaus. Nur noch drei Schritte.

Dort teilt, von selber kennbar, sich der Weg

Und leicht gelangst du wieder zu den Deinen,

Wenn du den Waldpfad rechts nur sorglich meidest,

Die du, ein Märchen, kamst, und eine Wahrheit scheidest.

(Das Pferd leitend.)

Vertrau dem Pferd, es trägt dich gut und sicher.

(Beide ab.)

————————

Vorhof auf dem Schloß der Schwestern.

Kascha, Tetka und ihre Jungfrauen in derselben Stellung wie am Schluß der vorletzten Szene.

Kascha. Das Totenopfer ist nach Recht vollbracht,

Nun laßt uns sorgen für die Lebenden.

(Alle erheben sich.)

Libussa ist nicht hier. Auch war sie, scheint es,

Bei unsers Vaters Tode nicht.

Swartka. So ist's.

Kascha (zu Tetka).

Was sagt der Geist in dir?

Tetka. Er schweigt. Nur dunkel

Ertönt es wie von Not und Fährlichkeit.

Kascha (die starr auf den Boden gesehen hat.).

Sie ist in jener Lagen einer, spricht's mir,

Aus denen Glück und Unglück gleich entsteht,

Am Scheideweg von Seligkeit und Jammer.

Horch! Spricht ein Mann?

Tetka. Wo?

Kascha. Nein, Libussa spricht.

Allein sie ist begleitet.

Tetka. Wie auch immer!

Sie sei gefunden und ihr Heil bewahrt.

Die Diener sendet aus, die Männer alle

Mit Leuchten, Fackeln in den dunkeln Wald.

Ihr andern aber steigt dort auf die Zinnen!

Die Opferpauke tön', ein fernes Zeichen,

Dem Ohr der Irrenden bekannter Schall.

Und alle ruft: Libussa. Auf!

Die Mädchen (zum Teile den Wall hinaneilend).

Libussa!

(Der Ton eines fernen Horns wird gehört. Alle stehen unbeweglich.)

Dobra. Das sind sie; ja, Libussens Mägde. Wlasta

Und Dobromila auf der Herrin Spur.

Tetka (heftig).

Libussa, hier!

(Der Ton des Horns etwas näher.)

Sie ist's. Tut auf die Pforten

Und eilt entgegen ihr mit Licht und Beistand.

(Man öffnet. Einige gehen hinaus, andere bleiben in der Brüstung des

Tors stehen, darunter Swartka.)

Swartka. Sie kommt, und hoch zu Roß. Und Wlasta, Dobromila

Begleiten sie und blasen in ihr Horn.

(Libussa wird in der Torbrüstung sichtbar. Sie hat einen weißen Mantel übergeworfen und ein Federbarett auf dem Kopfe. Wlasta und Dobromila gewaffnet hinter ihr.)

Libussa. Führt nur das Pferd zurück zu den drei Eichen,

Und trefft ihr einen Mann, stellt's ihm zurück.

(Eine Jungfrau geht.)

Wart ihr besorgt?

Tetka. Wie sehr!

Kascha. Ich nicht, ich wußte

Du kamst.

Libussa. Doch lag einmal die Sorge nah.

Im Wald verirrt, nicht Wegesspur, noch Führer,

Ein Gießbach wollte sich das Ansehn geben

Als sei er fürchterlich. Da kam mir Hilfe.

(Vor Tetka tretend und ihr ins Auge blickend.)

Doch unser Vater, gelt!

Tetka. Ja wohl.

Libussa (an ihrem Halse).

O meine Schwester!

Und ich war fern!

Tetka. Wie kam's?

Libussa (sich aufrichtend).

In all der Zeit

Als ich an seinem Bette saß und wachte,

Da schwebte vor den Augen des Gemüts,

Hatt' ich's gehört nun, oder wußt' ich's sonst,

Das Bild mir einer Blume, weiß und klein,

Mit siebenspalt'gem Kelch und schmalen Blättern;

Die gib dem Vater, sprach's, und er genest.

In feuchten Gründen, schien es, wachse sie,

Das Tal von Budesch mußt' ich immer denken.

Da nahm ich Korb und Griffel und ging hin.

Ich suchte und er starb. Solang ich lebe

Will büßen ich die unfreiwill'ge Schuld,

Und dies mein Aug', es sei vom heut'gen Tag

Geweiht den Tränen um den Edlen, Guten.

Tetka (sie umarmend).

 

Ja wohl Libussa, Trauer sei und Klage

Geschäft uns und Erholung allen Drei'n.

Kascha. Sag Zwei'n.

Libussa (gereizt).

Warum? Wen schließest du nur aus?

Kascha. Die, welcher obliegt mehr als ihn beklagen:

Zu folgen ihm in seiner harten Pflicht.

Des Czechenvolkes Erste sind im Schloß;

Sie fordern von Fürst Krokus Töchtern eine

Als Herzogin für das verwaiste Land.

Libussa. Nehmt ihr's, ich nicht!

Kascha. So sprachen wir schon beide.

Doch sähe gern der Vater unvollendet

Was er für dieses dunkle Volk getan?

Und heißt es sein Gedächtnis hoch nicht ehren,

Fortsetzen, wenn auch schwach, was er begann?

Libussa. Doch welche nimmt's?

Kascha. Laßt denn das Los entscheiden.

Libussa. Wie nur?

Kascha. So hört was ich mir ausgedacht.

Uns jeder gab der Vater, der nun tot,

Am Jahrestag von unsrer Mutter Scheiden

Ein kostbar Kleinod mit der Eltern Bild

In halberhobner Arbeit dargestellt,

Als Gürtel eingefaßt in goldne Spangen.

Und da die Zierde gleich, so sagt der Name

Der Eignerin mit Sorgfalt eingeprägt:

Libussens bin ich, Tetkas oder Kaschas.

Die Gürtel nun, des Vaters letzte Gabe

Und geistiges Vermächtnis noch dazu—

Sprach er doch ja: so oft ihr sie vereint,

Will ich im Geist bei euch sein und mit Rat—

Laßt legen uns in diese Opferschale.

Tetka, die Ernste, trete dann hinzu

Und deren Namen, blind sie greifend, faßt,

Die ist befreit, und also auch die Zweite.

Der Dritten Gürtel wird zum Diadem

Sie folgt, ob ungern, in die Fürstenwohnung.

Seid ihr's zufrieden?

Libussa (Barett und Mantel abgebend und in Bauerntracht dastehend).

Wohl.

Tetka. Libussa, du?

Wie sonderbar gekleidet.

Libussa (sich betrachtend).

Sonderbar?

Vergaß ich's doch beinah! Je, gute Tetka,

Der Zufall kommt und meldet sich nicht an,

Auftauchend ist er da; und wohl uns, wenn beim Scheiden

Er äußerlich verändert nur uns läßt.

Das Kleid ist warm, und also lieb ich es.

Tetka. Doch wir—?

Libussa (das Geschmeide vom Halse nehmend).

Hier ist mein Gürtel.

Tetka (ihren Gürtel ablösend).

Hier der meine.

Kascha (Libussens Geschmeide nehmend).

Am Hals?

Libussa. Und doch er selbst, wie ich dieselbe.

Kascha. Das ist dein Gürtel nicht.

Libussa. Wie wäre das?

Kascha. Die Ketten wohl; allein der Mutter Bildnis,

Das Mittelkleinod fehlt mit deinem Namen,

O Unbesonnene!

Libussa. Was schmähst du mich?

(Die abgesendeten Jungfrauen kommen zurück.)

Dobromila. Wir waren, hohe Frau, bei den drei Eichen,

Wie du befahlst, und suchten jenen Mann.

Doch kam er nicht und war nicht aufzufinden.

Libussa. Nun, es ist gut. (Vor sich hin.) Das hat mir der getan!

(Die Jungfrauen ziehen sich zurück.)

Kascha. Die Nacht im Wald, in Bauerntracht gehüllt,

Verloren deines Vaters Angedenken.

Libussa. Mein Vater lebt, ein Lebender, in mir,

So lang ich atme lebt auch sein Gedächtnis.

Kascha. Die Liebe knüpft sich gern an feste Zeichen,

Der Leichtsinn liebt was schwankend so wie er.

Libussa. Mit einem Wort löst' ich die Rätsel leicht,

Doch würdet ihr's entstellen und verkehren.

Drum halt nur was du weißt, mein sichres Herz!

Kascha (Libussas Geschmeide hinwerfend).

Der Kreis getrennt. Du kannst mit uns nicht losen.

Libussa (auf deren Wink eine Jungfrau das Geschmeide aufhebt).

Nicht losen? Und wer weiß, ob ich's auch will?

Ein Schritt aus dem Gewohnten, merk ich wohl,

Er zieht unhaltsam hin auf neue Bahnen,

Nur vorwärts führt das Leben, rückwärts nie.

Ich soll nicht losen? Und ich will es nicht.

Wo sind die Männer aus der Czechen Rat?

Den Vater will ich ehren durch die Tat,

Mögt ihr das Los mit dumpfen Brüten fragen:

Ich will sein Amt und seine Krone tragen.

Tetka. Libussa, oh!

Kascha. Hör erst auf mich, Libussa!

Wenn ich gekränkt dich mit zu raschem Wort—

Libussa. Du kränktest mich nicht mehr, ich seh's, als dich.

Doch was ich sprach, es bleibt. Mein Wort ein Fels.

Und mag ich's nur gestehn! Denk ich von heut

Mich wieder hier in eurer stillen Wohnung

Beschäftigt mit—weiß ich doch kaum womit—

Mit Mitteln zu den Mitteln eines Zwecks,

Mit Mond und Sternen, Kräutern, Lettern, Zahlen,

Dünkt's allermeist einförmig mir und kahl.

Dies Kleid es reibt die Haut mit dichtern Fäden

Und weckt die Wärme bis zur tiefsten Brust

Mit Menschen Mensch sein dünkt von heut mir Lust,

Des Mitgefühles Pulse fühl ich schlagen,

Drum will ich dieser Menschen Krone tragen.

Heraus Wladiken! Czechenvolk heraus!

Die Jungfrauen (rufen).

Libussa Herzogin! Der Böhmen Fürstin!

(Domaslav, Biwoy, Lapak und die übrigen Abgeordneten aus der Pforte links.)

Domaslav. Täuscht unser Ohr und hörten wir genau?

Erkürt der Böhmen Fürstin, unsre Frau?

Und welche will—?

Libussa. Hier ist von Wollen nicht,

Von Müssen ist die Rede und von Pflicht.

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