Sappho

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SAPPHO

FRANZ GRILLPARZER

Trauerspiel in fuenf Aufzuegen

Inhaltsverzeichnis

SAPPHO

Trauerspiel in fuenf Aufzuegen

Personen:

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fuenfter Aufzug

Impressum

SAPPHO

FRANZ GRILLPARZER

Trauerspiel in fuenf Aufzuegen

Dem Herrn Carl August West widmet diesen seinen zweiten dramatischen

Versuch, als Zeichen der Dankbarkeit und Freundschaft, der Verfasser.

Personen:

Sappho

Phaon

Eucharis und Melitta, Dienerinnen Sapphos

Rhamnes, Sklave

Ein Landmann

Dienerinnen, Knechte und Landleute

Erster Aufzug

Freie Gegend. Im Hintergrunde das Meer, dessen flaches Ufer sich gegen die linke Seite zu in felsichten Abstufungen emporhebt. Hart am Ufer ein Altar der Aphrodite. Rechts im Vorgrunde der Eingang einer Grotte mit Gestraeuch und Eppich umwachsen; weiter zurueck das Ende eines Saeulenganges mit Stufen, zu Sapphos Wohnung fuehrend. Auf der linken Seite des Vorgrundes ein hohes Rosengebuesch mit einer Rasenbank davor.

Erster Auftritt

Zimbeln und Floeten und verworrener Volkszuruf in der Ferne. Rhamnes stuerzt herein.

Rhamnes.

Auf, auf vom weichen Schlaf! Sie kommt, sie naht!

O dass doch nur die Wuensche Fluegel haben

Und traeg der Fuss, indes das Herz lebendig.

Heraus ihr faulen Maedchen! Zoegert ihr?

Der trifft euch nicht, der Jugend vorschnell nennt.

(Eucharis, Melitta und Dienerinnen aus dem Saeulengange.)

Melitta.

Was schiltst du uns, da sind wir ja!

Rhamnes.

Sie naht.

Melitta.

Wer?—Goetter!

Rhamnes.

Sappho naht!

Geschrei (von innen).

Heil, Sappho, Heil!

Rhamnes.

Jawohl, Heil, Sappho, Heil! Du braves Volk!

Melitta.

Doch was bedeutet—

Rhamnes.

Nun bei allen Goettern

Was fraegt das Maedchen auch so wunderlich.

Sie kehret von Olympia, hat den Kranz,

Den Kranz des Sieges hat sie sich errungen;

Im Angesicht des ganzen Griechenlands,

Als Zeugen edlen Wettkampfs dort versammelt,

Ward ihr der Dichtkunst, des Gesanges Preis.

Drum eilt das Volk ihr jauchzend nun entgegen,

Schickt auf des Jubels breiten Fittichen

Den Namen der Beglueckten zu den Wolken.

Und diese Hand war's, ach, und dieser Mund,

Der sie zuerst der Leier Sprach' entlocken

Und des Gesanges regellose Freiheit

Mit suessem Band des Wohllauts binden lehrte.

Volk (von innen).

Heil Sappho, Sappho Heil!

Rhamnes (zu den Maedchen).

So freut euch doch!

Seht ihr den Kranz?

Melitta.

Ich sehe Sappho nur!

Wir wollen ihr entgegen!

Rhamnes.

Bleibt nur, bleibt!

Was soll ihr eurer Freude schlechter Zoll?

Sie ist an andern Beifall nun gewohnt!

Bereitet lieber alles drin im Hause,

Nur dienend ehrt der Diener seinen Herrn.

Melitta.

Siehst du an ihrer Seite—

Rhamnes.

Was?

Melitta.

Siehst du?

Hoch eine andre, glaenzende Gestalt,

Wie man der Leier und des Bogens Gott

Zu bilden pflegt!

Rhamnes.

Ich sehe! Doch ihr geht!

Melitta.

Und erst nur riefst du uns!

Rhamnes.

Ich rief euch, ja!

Ihr solltet wissen, dass die Herrin naht,

Ihr solltet wissen, dass euch Freude Pflicht,

Doch freuen moegt ihr euch nur drin im Haus.

Der Mann mag das Geliebte laut begruessen,

Geschaeftig fuer sein Wohl liebt still das Weib.

Melitta.

So lass uns nur—

Rhamnes.

Nicht doch! Nur fort, nur fort!

(Er treibt die Maedchen fort.)

Nun mag sie kommen, nun wird Albernheit

Ihr vorlaut nicht die schoene Feier stoeren.

Zweiter Auftritt

Sappho, koestlich gekleidet, auf einem mit weissen Pferden bespannten

Wagen, eine goldne Leier in der Hand, auf dem Haupte den Siegeskranz.

Ihr zur Seite steht Phaon in einfacher Kleidung. Volk umgibt laut

jubelnd den Zug.

Volk (auftretend).

Heil Sappho, Heil!

Rhamnes (sich unter sie mischend).

Heil Sappho, teure Frau!

Sappho.

Dank Freunde, Landsgenossen Dank.

Um euretwillen freut mich dieser Kranz

Der nur den Buerger ziert, den Dichter drueckt,

In eurer Mitte nenn ich ihn erst mein.

Hier, wo der Jugend traeumende Entwuerfe,

Wo des Beginnens schwankendes Bestreben,

Wo des Vollbringens wahnsinngluehnde Lust

Mit eins vor meine trunkne Seele treten,

Hier, wo Zypressen von der Eltern Grab

Mir leisen Geistergruss herueberlispeln,

Hier, wo so mancher Fruehverblichne ruht

Der meines Strebens, meines Wirkens sich erfreut,

In eurem Kreis, in meiner Lieben Mitte,

Hier duenkt mir dieser Kranz erst kein Verbrechen,

Hier wird die frevle Zier mir erst zum Schmuck.

Einer aus dem Volke.

Wohl uns, dass wir dich, Hohe, unser nennen!

Habt die bescheidne Rede ihr vernommen,

Mehr als ganz Griechenland hat sie ihr Wort geschmueckt!

Rhamnes (sich hinzudraengend).

Sei mir gegruesst, gegruesst, du Herrliche!

Sappho (vom Wagen herabsteigend und die Umstehenden

freundlich gruessend).

Mein treuer Rhamnes sei gegruesst!—Artander,

Du auch hier, trotzend deines Alters Schwaeche?

Kallisto—Rhodope—Ihr weinet Liebe!—

Das Auge zahlt so richtig als das Herz

Fuer Traenen Traenen, seht!—O schonet mein!

Einer aus dem Volke.

Willkommen auf der Heimat altem Boden,

Willkommen in der Deinen frohem Kreis!

Sappho.

Umsonst sollt ihr die Buergerin nicht gruessen,

Sie fuehrt zum Dank euch einen Buerger zu.

Hier Phaon. Von den Besten stammet er

Und mag auch kuehn sich stellen zu den Besten!

Obschon die Jahre ihn noch Juengling nennen,

Hat ihn als Mann so Wort als Tat erwiesen.

Wo ihr des Kriegers Schwert beduerft,

Des Redners Lippe und des Dichters Mund,

Des Freundes Rat, des Helfers starken Arm,

Dann ruft nach ihm und suchet laenger nicht.

Phaon.

Du spottest Sappho eines armen Juenglings!

Wodurch haett' ich so reiches Lob verdient?

Wer glaubt so Hohes von dem Unversuchten?

Sappho.

Wer sieht, dass du erroetest, da ich's sage.

Phaon.

Ich kann beschaemt nur staunen und verstummen.

Sappho.

Du sicherst dir was du von dir entfernst,

Geschwister sind ja Schweigen und Verdienst.

Ja meine Freunde, moegt ihr's immer wissen,

Ich liebe ihn, auf ihn fiel meine Wahl.

Er war bestimmt, in seiner Gaben Fuelle,

Mich von der Dichtkunst wolkennahen Gipfeln

In dieses Lebens heitre Bluetentaeler

Mit sanft bezwingender Gewalt herabzuziehn.

An seiner Seite werd ich unter euch

Ein einfach stilles Hirtenleben fuehren;

Den Lorbeer mit der Myrte gern vertauschend

Zum Preise nur von haeuslich stillen Freuden

Die Toene wecken dieses Saitenspiels.

Die ihr bisher bewundert und verehrt,

Ihr sollt sie lieben lernen, lieben Freunde.

Volk.

Preis dir du Herrliche! Heil Sappho, Heil!

Sappho.

Es ist genug! Ich dank euch, meine Freunde!

Folgt meinem Diener, er wird euch geleiten,

Dass ihr bei Speis' und Trank und frohen Taenzen

Die Feier unsers Wiedersehns vollendet,

Der Wiederkehr der Schwester zu den Ihren!

(Zu den Landleuten die sie begruessen.)

Lebt wohl—auch du—und du—ihr alle—alle!

(Rhamnes mit den Landleuten ab.)

Dritter Auftritt

Sappho. Phaon.

Sappho.

Siehst du, mein Freund, so lebt nun deine Sappho!

Fuer Wohltat Dank, fuer Liebe—Freundlichkeit,

So ward mir's stets im Wechseltausch des Lebens;

Ich war zufrieden, und bin hoch beglueckt,

Gibst du auch halb nur wieder das Empfangne,

Wenn du dich nicht fuer uebervorteilt haeltst.

Ich hab gelernt verlieren und entbehren;

Die beiden Eltern sanken frueh ins Grab

Und die Geschwister, nach so mancher Wunde,

Die sie dem treuen Schwesterherzen schlugen,

Teils Schicksals Laune, und teils eigne Schuld

Stiess frueh sie schon zum Acheron hinunter.

Ich weiss wie Undank brennt, wie Falschheit martert,

Der Freundschaft und der—Liebe Taeuschungen

Hab ich in diesem Busen schon empfunden,

Ich hab gelernt verlieren und entbehren!

Nur eins verlieren koennt' ich wahrlich nicht,

 

Dich Phaon, deine Freundschaft, deine Liebe!

Drum mein Geliebter, pruefe dich!

Du kennst noch nicht die Unermesslichkeit

Die auf und nieder wogt in dieser Brust.

O lass mich's nie, Geliebter nie erfahren,

Dass ich den vollen Busen legte an den deinen

Und faend' ihn leer!

Phaon.

Erhabne Frau!

Sappho.

Nicht so!

Sagt dir dein Herz denn keinen suessern Namen?

Phaon.

Weiss ich doch kaum was ich beginne, was ich sage.

Aus meines Lebens stiller Niedrigkeit

Hervorgezogen—an den Strahl des Lichts,

Auf einen luftigen Gipfel hingestellt

Nach dem der Besten Wuensche fruchtlos zielen,

Erliege ich der unverhofften Wonne,

Kann ich mich selbst in all dem Glueck nicht finden.

Die Waelder und die Ufer seh ich fliehn,

Die blauer Hoehn, die niedern Huetten schwinden,

Und kaum vermag ich's mich zu ueberzeugen,

Dass alles feststeht und nur ich es bin,

Der auf des Glueckes Wogen taumelnd wird getragen.

Sappho.

Du schmeichelst suess, doch, Lieber, schmeichelst du!

Phaon.

Und bist du wirklich denn die hohe Frau,

Die von der Pelops-Insel fernstem Strand

Bis dahin wo des rauhen Thrakers Berge

Sich an die lebensfrohe Hellas knuepfen

Auf jedem Punkt, den land- und menschenfern

Ins Griechenmeer Kronions Hand geschleudert,

An Asiens reicher, sonnenheller Kueste,

Allueberall, wo nur ein griech'scher Mund

Die heitre Goettersprache singend spricht,

Der Ruf mit Jubel zu den Sternen hebt?

Und bist du wirklich jene hohe Frau,

Wie fiel dein Auge denn auf einen Juengling,

Der dunkel, ohne Namen, ohne Ruf,

Sich hoehern Werts nicht ruehmt als—diese Leier

Die man verehrt weil du sie hast beruehrt.

Sappho.

Pfui doch, der argen, schlechtgestimmten Leier!

Toent sie, beruehrt, der eignen Herrin Lob?

Phaon.

O seit ich denke, seit die schwache Hand

Der Leier Saiten selber schwankend pruefte,

Stand auch dein hohes Goetterbild vor mir!

Wenn ich in der Geschwister frohem Kreise

An meiner Eltern niederm Herde sass

Und nun Theano, meine gute Schwester,

Die Rolle von dem schwarzen Simse holte

Ein Lied von dir, von Sappho uns zu sagen,

Wie schwiegen da die lauten Juenglinge,

Wie rueckten da die Maedchen knapp zusammen

Um ja kein Korn des Goldes zu verlieren;

Und wenn sie nun begann, vom schoenen Juengling,

Der Liebesgoettin liebegluehnden Sang,

Die Klage einsam hingewachter Nacht,

Von Andromedens und von Atthis' Spielen,

Wie lauschte jedes, seinen Atemzug

Der lusterfuellt den Busen hoeher schwellte

Ob allzulauter Stoerung still verklagend.

Dann legte wohl die sinnige Theano

Das Haupt zurueck an ihres Stuhles Lehne

Und in der Huette raeumig Dunkel blickend

Sprach sie, wie mag sie aussehn wohl, die Hohe?

Mir duenkt ich sehe sie! Bei allen Goettern,

Aus tausend Frauen wollt' ich sie erkennen.

Da war der Zunge Fessel schnell geloest

Und jedes quaelte seine Phantasie

Mit einem neuen Reize dich zu schmuecken,

Der gab dir Pallas' Aug', der Heres Arm,

Der Aphroditens reizdurchwirkten Guertel;

Nur ich stand schweigend auf, und ging hinaus

Ins einsam stille Reich der heiligen Nacht.

Dort an den Pulsen der suess schlummernden Natur,

In ihres Zaubers magisch-maecht'gen Kreisen,

Da breitet' ich die Arme nach dir aus;

Und wenn mir dann der Wolken Flockenschnee,

Des Zephyrs lauer Hauch, der Berge Duft,

Des bleichen Mondes silberweisses Licht

In eins verschmolzen um die Stirne floss,

Dann warst du mein, dann fuehlt' ich deine Naehe

Und Sapphos Bild schwamm in den lichten Wolken!

Sappho.

Du schmueckest mich von deinem eignen Reichtum,

Weh, naehmst du das Geliehne je zurueck!

Phaon.

Und als der Vater nach Olympia

Mich zu des Wagenlaufes Streit nun sandte,

Und auf dem ganzen Wege mir's erscholl,

Dass Sapphos Leier um der Dichtkunst Krone

In diesem Kampfe streiten, siegen werde;

Da schwoll das Herz von sehnendem Verlangen

Und meine Renner sanken tot am Wege

Eh' ich Olympias Tuerme noch erschaut.

Ich langte an, der Wagen fluecht'ger Lauf,

Der Ringer Kunst, des Diskus frohes Spiel

Beruehrten nicht den ahnungsvollen Sinn;

Ich fragte nicht wer sich den Preis errungen,

Hatt' ich den schoensten, hoechsten doch erreicht,

Ich sollte sie sehen, sie der Frauen Krone.

Jetzt kam der Tag fuer des Gesanges Kaempfe.

Alkaeos sang, Anakreon, umsonst

Sie konnten meiner Sinne Band nicht loesen.

Da, horch! Da toent Gemurmel durch das Volk,

Da teilt die Menge sich, jetzt war's geschehn.—

Mit einer goldnen Leier in der Hand

Trat eine Frau durchs staunende Gewuehl.

Das Kleid von weisser Unschuldfarbe floss

Hernieder zu den lichtversagten Knoecheln,

Ein Bach der ueber Blumenhuegel stroemt.

Der Saum, von gruenen Palm- und Lorbeerzweigen,

Sprach, Ruhm und Frieden sinnig zart bezeichnend,

Aus, was der Dichter braucht und was ihn lohnt.

Wie rote Morgenwolken um die Sonne

Floss rings ein Purpurmantel um sie her

Und durch der Locken rabenschwarze Nacht

Erglaenzt, ein Mond, das helle Diadem,

Der Herrschaft weithinleuchtend, hohes Zeichen—

Da rief's in mir: Die ist es; und du warst's.

Eh' die Vermutung ich noch ausgesprochen

Rief tausendstimmig mir des Volkes Jubel

Bestaetigung der suessen Ahnung zu.

Wie du nun sangst, wie du nun siegtest, wie,

Geschmueckt mit der Vollendung hoher Krone,

Nun in des Siegs Begeisterung die Leier

Der Hand entfaellt, ich durch das Volk mich stuerze

Und von dem Blick der Siegerin getroffen

Der bloede Juengling schamentgeistert steht;

Das weisst du, Hohe, besser ja als ich,

Der ich, kaum halb erwacht, noch sinnend forsche,

Wieviel davon geschehn, wieviel ich nur getraeumt.

Sappho.

Wohl weiss ich's, wie du stumm und schuechtern standst.

Das ganze Leben schien im Auge nur zu wohnen,

Das sparsam aufgehoben von dem Grund

Den nicht verloeschten Funken laut genug bezeugte.

Ich hiess dich folgen und du folgtest mir

In ungewisses Staunen tief versenkt.

Phaon.

Wer glaubte auch, dass Hellas' erste Frau

Auf Hellas' letzten Juengling wuerde schauen!

Sappho.

Dem Schicksal tust du Unrecht und dir selbst!

Verachte nicht der Goetter goldne Gaben,

Die sie bei der Geburt dem Kinde, das

Zum Vollgenuss des Lebens sie bestimmt,

Auf Wang' und Stirn, in Herz und Busen giessen!

Gar sichre Stuetzen sind's, an die das Dasein

Die leichtzerrissnen Faeden knuepfen mag.

Des Leibes Schoenheit ist ein schoenes Gut

Und Lebenslust ein koestlicher Gewinn,

Der kuehne Mut, der Weltgebieter Staerke,

Entschlossenheit und Lust an dem was ist,

Und Phantasie, hold dienend wie sie soll,

Sie schmuecken dieses Lebens rauhe Pfade

Und leben ist ja doch des Lebens hoechstes Ziel!

Umsonst nicht hat zum Schmuck der Musen Chor

Den unfruchtbaren Lorbeer sich erwaehlt,

Kalt, frucht- und duftlos druecket er das Haupt

Dem er Ersatz versprach fuer manches Opfer.

Gar aengstlich steht sich's auf der Menschheit Hoehn

Und ewig ist die arme Kunst gezwungen,

(Mit ausgebreiteten Armen gegen Phaon.)

Zu betteln von des Lebens Ueberfluss.

Phaon.

Was kannst du sagen, holde Zauberin,

Das man fuer wahr nicht hielte, da du's sagst?

Sappho.

Lass uns denn trachten, mein geliebter Freund,

Uns beider Kraenze um die Stirn zu flechten,

Das Leben aus der Kuenste Taumelkelch,

Die Kunst zu schluerfen aus der Hand des Lebens.

Sieh diese Gegend, die der Erde halb

Und halb den Fluren die die Lethe kuesst

An einfach stillem Reiz scheint zu gehoeren;

In diesen Grotten, diesen Rosenbueschen,

In dieser Saeulen freundlichen Umgebung,

Hier wollen wir, gleich den Unsterblichen,

Fuer die kein Hunger ist und keine Saettigung,

Nur des Genusses ewig gleiche Lust,

Des schoenen Daseins uns vereint erfreun.

Was mein ist, ist auch dein. Wenn du's gebrauchst,

So machst du erst dass der Besitz mich freut.

Sieh um dich her, du stehst in deinem Hause.

Den Dienern zeig ich dich als ihren Herrn,

Der Herrin Beispiel wird sie dienen lehren.

Heraus ihr Maedchen! Sklaven! Hierher!

Phaon.

Sappho!

Wie kann ich so viel Guete je bezahlen?

Stets wachsend fast erdrueckt mich meine Schuld!

Vierter Auftritt

Eucharis. Melitta. Rhamnes. Diener und Dienerinnen. Vorige.

Rhamnes.

Du riefst, Gebieterin!

Sappho.

Ja, tretet naeher!

Hier sehet euern Herrn!

Rhamnes (verwundert, halblaut).

Herrn?

Sappho.

Wer spricht hier?

(Gespannt.) Was willst du sagen?

Rhamnes (zuruecktretend).

Nichts!

Sappho.

So sprich auch nicht!

Ihr seht hier euern Herrn. Was er begehrt

Ist euch Befehl nicht minder als mein eigner.

Weh dem, der ungehorsam sich erzeigt,

Den eine Wolke nur auf dieser Stirn

Als Uebertreter des Gebots verklagt!

Vergehen gegen mich kann ich vergessen,

Wer ihn beleidigt wecket meinen Zorn!—

Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt,

Schwer liegt, ich seh's, der Reise Last auf dir.

Lass sie des Gastrechts heilig Amt versehen,

Geniesse freundlich Sapphos erste Gabe!

Phaon.

O koennt' ich doch mein ganzes fruehres Leben

Umtauschend, wie die Kleider, von mir werfen,

Besinnung mir und Klarheit mir gewinnen,

Um ganz zu sein, was ich zu sein begehre!

So lebe wohl! Auf lange, denk ich, nicht!

Sappho.

Ich harre dein. Leb wohl.—Du bleib Melitta!

(Phaon und Diener ab.)

Fuenfter Auftritt

Sappho. Melitta.

Sappho (nachdem sie ihm lange nachgesehen).

Melitta, nun?

Melitta.

Was, o Gebieterin?

Sappho.

So wallt denn nur in diesen Adern Blut,

Und rinnend Eis stockt in der andern Herzen?

Sie sahen ihn, sie hoerten seine Stimme,

Dieselbe Luft, die seine Stirn gefaechelt,

Hat ihre lebenleere Brust umwallt

Und dumpf ist ein: was, o Gebieterin?

Der erste Laut, der ihnen sich entpresst.

Fuerwahr, dich hassen koennt' ich!—Geh!

(Melitta geht schweigend.)

Sappho (die sich unterdessen auf die Rasenbank geworfen).

Melitta!

Und weisst du mir so gar nichts denn zu sagen,

Was mich erfreuen koennte, liebes Kind?

Du sahst ihn doch, bemerktest du denn nichts,

Was wert gesehn, erzaehlt zu werden waere?

Wo waren deine Augen, Maedchen?

(Sie bei der Hand ergreifend und an ihre Knie ziehend.)

Melitta.

Du weisst wohl noch, was du uns oefters sagtest,

Dass Jungfraun es in Fremder Gegenwart

Nicht zieme frei die Blicke zu versenden.

Sappho.

Und armes Ding, du schlugst die Augen nieder?

(Kuesst sie.)

Das also war's? Mein Kind die Lehre galt

Nicht dir, den Altern nur, den minder Stillen!

Dem Maedchen ziemt noch was der Jungfrau nicht.

(Sie mit den Augen messend.)

Doch sieh einmal; wie hast du dich veraendert

Seit ich dich hier verliess. Ich kenne dich nicht mehr.

Um so viel groesser und—(Kuesst sie wieder.) Du suesses Wesen!

Du hattest recht, die Lehre galt auch dir!

(Aufstehend.)

Warum so stumm noch immer und so schuechtern?

Du warst doch sonst nicht so. Was macht dich zagen?

Nicht Sappho, die Gebietrin steht vor dir,

Die Freundin Sappho spricht mit dir Melitta.

Der Stolz, die Ehrbegier, des Zornes Stachel

Und was sonst schlimm an deiner Freundin war

Es ist mit ihr nach Hause nicht gekehret;

Im Schoss der Fluten hab ich es versenkt,

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