Tigersturz und Ringerbrücke

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa
II. Übungen zum Kraftaufbau
Einleitung

Vorbemerkung

Die Zahl der möglichen Übungen, die Sie für den Kraftaufbau einsetzen könnten, ist endlos. Doch wenn es um den Aufbau einer dynamischen, flexiblen, jederzeit einsatzbereiten Kraft geht, so gilt unbedingt der alte Spruch: »Weniger ist mehr.« Die nachfolgend aufgeführten Trainingsmethoden können Ihnen – in Verbindung mit einer guten Dehnung – alles geben, was Sie für die Kampfkunst und die meisten Sportarten benötigen, um Herausragendes leisten zu können und gleichzeitig Ihre Gesundheit zu schützen. Sie können die Übungen variieren und sie zu einem individuellen Programm zusammenstellen. Seien Sie kreativ und entwickeln Sie ein Übungsprogramm, das optimal zu Ihrem Körper und Ihrer Persönlichkeit passt. Dadurch erreichen Sie ein neues Lebensgefühl und damit auch eine neue, bessere Lebensqualität.

Der chinesische Militärstratege, General und Kampfkunstmeister Qi Jìguāng (戚繼光, 1528 - 1588) schrieb in seinem Handbuch für Soldaten: »Die alten Kämpfer glaubten niemals an übernatürliche Dinge, lediglich daran, dass man nur durch eigenes hartes Training zu etwas kommen kann.« Deshalb ist immer wichtig, dass man weiß, wofür man die Mühen auf sich nimmt. Kein Mensch kann auf alle Situationen vorbereitet sein, aber ohne ein gutes Training kann schon die einfachste Kampfsituation zur größten Herausforderung werden.

Der erste Übungskomplex in diesem Kapitel widmet sich einer heute weniger beachteten, doch alten und ursprünglichen Trainingsmethode, den Übungen mit dem eigenen Körpergewicht. Turner, Akrobaten und einige Athleten benutzen bevorzugt den Körper als »Hantel«. (chin. tǐzhòng yǎlíng 體重啞鈴), um sich eine nützliche, da einheitliche und flexible Körperkraft anzutrainieren, welche für sie beherrschbar bleibt. Das bloße Stemmen von Gewichten ist in diesem Zusammenhang nicht effektiv und wenig brauchbar. Im Gegenteil, für eine anwendbare Kraft stellt das Eisen eher ein Hindernis dar. Es bewirkt zum Beispiel ein Zuviel an nutzloser Masse.


Abb. 79: San vor einer Zweighütte in Namibia.

Der zweite Übungskomplex behandelt Methoden des isometrischen Kraftaufbaus, für die teilweise Hilfsmittel erforderlich sind, und der dritte Komplex zeigt, wie man Geräte sinnvoll einsetzen kann, um Kraftaufbau mit guter Körperbeherrschung zu verbinden.

Von den Urahnen lernen

Für die Kampfkunst orientiert man sich am besten an jenen, die noch kämpfen müssen, sei es auch nur in Form der Jagd. Wer sich den täglichen Lebensunterhalt unmittelbar sichern muss, also nicht über den Umweg des Gelderwerbs, folgt ganz anderen Gesetzen als wir. Die wenigen echten Jäger und Krieger, die es noch auf der Welt gibt, verfügen über drahtige, manchmal untersetzte, stets jedoch sehr widerstandsfähige Körper. Sie können sich stundenlang an ein Opfer anschleichen, diesem in den unmöglichsten Kauerstellungen über einen langen Zeitraum auflauern oder es zu Tode hetzen. Dazu kommt, dass diese Menschen selbst sehr wenig zum Leben benötigen, dabei aber Leistungen erbringen, die wir »Zivilisierten« kaum nachzuahmen vermögen. Die! Kung (auch als San-Volk bezeichnet) des südlichen Afrika können ihre Beute über eine zwei Tage währende Ausdauerjagd verfolgen, bis das Tier vor Erschöpfung aufgibt oder stirbt. Dabei trinken sie erstaunlich wenig Wasser. Andere ursprüngliche Völker tun es ihnen gleich. Die Tarahumara-Indianer Mexikos laufen auch über sehr lange Strecken sehr entspannt und folgen dabei ihrem natürlichen Laufrhythmus, wodurch ihr Körper nicht verschlissen wird.20 Waldbewohnende Menschen pirschen sich über Stunden durch das Unterholz, ohne die Beute aus den Augen zu verlieren. Sie klettern leicht und schnell auf die Bäume, falls ihre von einem Giftpfeil erlegte Mahlzeit sich im Geäst verfangen hat. Bemerkenswert sind auch die an die Höhe angepassten Sherpas. Sie haben durch ihre Zähigkeit viele der Himalaya-Expeditionen erst möglich gemacht. Zu all diesen Tätigkeiten benötigt man eine anwendbare und natürliche Kraft, die einem stets zur Verfügung steht.


Abb. 80: Tarahumara-Mann mit Kind. Foto von 1892.

Ein großes Muskelvolumen bringt hingegen nur unnötiges Gewicht mit sich. Es erfordert zudem viel Sauerstoff. Oder anders gesagt, große Muskelberge, wie sie durch Maschinentraining erworben werden, kosten im Endeffekt mehr Energie als sie einbringen. Das ist der Hauptgrund dafür, dass man Figuren wie die unserer heutigen Bodybuilder auf keiner historischen Krieger- oder Jägerdarstellung sieht. Traditionell trainieren, wie es das Anliegen dieses Buches ist, bedeutet daher, sich eine Kraft anzueignen, die stets verfügbar und universell einsetzbar ist.

Training mit Geräten und ohne Geräte

Nicht nur in China galt es als Ideal, die Körperkraft soweit aufzubauen, dass man das eigene Gewicht relativ mühelos zu beherrschen vermag. Um dies zu erreichen, erschuf man vielerlei Übungen, die auch das Gewichtetraining mit einschlossen oder einschließen konnten. Der Unterschied war, dass das Training mit Gewichten keinen Selbstzweck darstellte, sondern nur ein Hilfsmittel unter anderen war. In Europa übte man beispielsweise über Jahrhunderte mit Metallstangen21 oder gefüllten (ausgegossenen) Holzrohren (siehe Abbildungen 81 bis 83, die etwa 1880 entstanden sind). In China hielt man es ganz ähnlich. Man benutzte Eisenstäbe oder besonders schwere Waffen wie die Hellebarde und bewegte sie seitlich oder diagonal von oben nach unten usw. Die spezielle auf Abbildungen 84 bis 88 auszugsweise dargestellte Übung nennt sich jǔzhòng yòng de dàdāo (舉重用的大刀). Einige Geräte waren recht universell, wie zum Beispiel der Eisenschuh (chin. tiěxié 鐵鞋, jpn. tetsu geta 鉄下駄, frz. soleret oder sabaton22). Eisenschuhe oder Schuhe mit Bleisohlen waren in den westlichen und östlichen Kampfkünsten gleichermaßen in Anwendung. Doch, wie gesagt, diese Übungen waren Mittel zum Zweck. Sie sollten den Körper auf kommende Belastungen vorbereiten. Den Kriegern früherer Tage wäre es genauso wenig in den Sinn gekommen, Gewichte zu benutzen, um das Muskelvolumen zu erhöhen, wie den Naturvölkern heute. Stärke war und ist erwünscht, aber eine funktionelle und jederzeit abrufbare Stärke, keine gefangene Energie.


Abb. 81


Abb. 82


Abb. 83


Abb. 84


Abb. 85


Abb. 86


Abb. 87


Abb. 88

Abb. 84 bis 88: (Beispielsequenz): Verlieren Sie zu keiner Zeit den Respekt vor der Eigendynamik des Eisenstabes. Achten Sie bei allen Schwungbewegungen darauf, dass Sie das Gewicht beherrschen. Überstrecken Sie nicht Ihre Gelenke.


Abb. 89: Uehara Seikichi.

Bei den meisten Übungen dient der Körper buchstäblich als Hantel. Versuchen Sie dies als Grundsatz für Ihr Training beizubehalten. Viele Kämpfer und Athleten zu allen Zeiten taten dies, und auch in Asien wird der Grundsatz, das eigene Körpergewicht als Richtwert zu betrachten, bis heute beachtet. Gewichte werden allerdings nicht per se abgelehnt. Wenn sie nicht schwerer sind als der eigene Körper, können sie durchaus sinnvoll eingesetzt werden. Sind die Hilfsmittel jedoch deutlich schwerer, wird sich in Ihrem Körper lediglich nutzlose Kraft aufstauen.

Trainieren sie am besten überhaupt nicht mit Maschinen. Machen Sie einmal diesen Test: Stemmen Sie beim Bankdrücken ein für Sie maximal beherrschbares Gewicht. Sofort im Anschluss schlagen Sie schnell, geschmeidig und so kräftig wie möglich in die Luft (Schattenboxen) oder vor einen Sandsack. Sie werden feststellen, dass Sie weder Kraft noch Flexibilität aufbringen können. Die Kraft, welche Sie sich angeeignet haben, nennt man in der (chinesischen) Kampfkunst »tote Kraft«. Mit ihr ist es nicht möglich, schnell zu sein. Kampftaugliche wie auch wettkampftaugliche Kraft können Sie jedoch nur aufbringen, wenn Sie sich schnell und flexibel bewegen können. Angehäufte Energie ist ähnlich einem überladenen Magen. In beiden Fällen können Sie schwer verdauen und haben von der Energie nichts.

 

Der okinawanische Meister Uehara Seikichi (1904 - 2004; Abb. 89) besaß bereits in jungen Jahren eine sehr gute, austrainierte Rücken- und Schultermuskulatur, so wie viele Kämpfer dieser Inselgruppe. Der Rücken ist weich gerundet und von innen heraus gespannt. Diese Art der Muskulatur wird besonders durch den Handstand und durch ein paar andere Übungen, wie sie in der Folge vorgestellt werden, trainiert und verbessert. Mit einer solchen Muskulatur ist es Ihnen möglich, eine flexible und gleichzeitig starke, anwendbare Kraft zu entwickeln. Bei einem Schlag kommt die gesamte Energie aus dem Rücken. Der Rücken bezieht diese Kraft wiederum aus der Erde. Die freisetzbare Energie ist sehr zerstörerisch, wenn man sie gezielt einsetzt. Der zweite Vorteil dieser Statur ist, dass die Brust eingezogen ist und die inneren Organe wie das Herz in eine geschützte Position gebracht werden. Des weiteren werden die sensiblen Teile »sanft verpackt«, was ihnen Zeit gibt, sich zu erholen. Das hohe Alter, welches okinawanische und chinesische Meister oft bei bester Gesundheit erreichen, ist ein starker Beleg für die Qualität ihres Trainings.

Ein gutes Training pflegt den Körper und schädigt ihn nicht. Ein gutes Training schließt auch Ruhe mit ein. In diesen Erholungsphasen kann der Körper sowohl die Rohstoffe als auch die angesammelte Energie verdauen. Dann ist er bereit für neue Energie. Alles ist aufeinander abgestimmt.

Den Körper verstehen

Der menschliche Körper besitzt im gesunden Zustand ca. 230 bewegliche Gelenke.23 Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der beweglichen Gelenke ab. Für uns interessant sind die 6 Hals- und Nackengelenke, die 76 Gelenke von Wirbelsäule und Becken, die 64 Gelenke der Finger, Hände und Arme, sowie die 62 Gelenke der Zehen, Füße und Beine. All diese zum Teil sehr unterschiedlich aufgebauten Gelenke24 ermöglichen eine sehr variationsreiche Arbeit mit dem eigenen Gewicht. Dies wird bei den klassischen Übungen für den Kraftaufbau stets berücksichtigt. Knochen, Gelenke, Sehnen, Muskeln, all die »Bauteile« unseres Körpers bilden ein komplexes und zusammenhängendes Gebilde, eine Einheit, welche auch einheitlich, vom Zentrum (Hüfte, Becken) bis zu den fünf Endpunkten (Kopf, Hände, Füße), trainiert werden sollte. Was das für die richtige Dehnung bedeutet, haben wir im vorangegangen Kapitel dargestellt. Was es für den Kraftaufbau bedeutet, werden wir in den folgenden Abschnitten sehen.

Die chinesische Trainingslehre, die eine zentrale Stellung in diesem Buch einnimmt, untergliedert den Körper in drei Kategorien von Teilen. Die großen Teile sind der Kopf, der Rumpf und die Gliedmaßen. Die mittelgroßen Teile sind die größeren Teile der Gliedmaßen mit ihren Gelenken, das heißt, Ober- und Unterarme, Ellbogen, Ober- und Unterschenkel, Knie usw. Und als kleine Teile werden zum Beispiel die Fingerglieder und ihre Gelenke angesehen. Das Prinzip der drei Kategorien ist sowohl für das Training als auch für das Hebeln (chin. qínná 擒拿) von Bedeutung. Vereinfacht kann man sagen, je größer die Teile sind, desto mehr Kraft und Widerstand können sie erzeugen, je kleiner sie sind, desto schwächer sind sie und desto leichter lassen sie sich hebeln. Ein Fingerhebel ist leichter anzubringen als ein Beinhebel. Die kleinen Teile zu trainieren ist allerdings sehr anstrengend. Doch dieses Training wird sich positiv auf den gesamten Körper auswirken. In den folgenden Abschnitten gehen wir näher auf die verschiedenen Übungen, die diese Trainingslehre berücksichtigen, ein.

Übungen ohne Hilfsmittel – der Körper als Hantel
Der Handstand

Ziele und Wirkung

In China gibt es den Ausspruch: »Zài zhōngguó wǔshù, yǒu sānzhǒng jīběngōng fǎ: yātuǐ, nádàdǐng, hé mǎbù. (在中國武術,有三種基本功 法:壓腿,拿大頂, 和馬步).« Das heißt: »In der chinesischen Kampfkunst gibt es drei grundlegenden Übungen: die Dehnung (yātuǐ 壓腿), den Handstand (nádàdǐng 拿大頂, auch dàolì 倒立) und den Reiterstand (mǎbù 馬步).« Für das statische Stehen im Handstand und im Reiterstand wird im wǔshù zusammenfassend auch der Begriff zhàn zhuāng (站樁) verwendet, »Stehen wie ein Pfahl«. Diese drei grundlegenden Übungen lassen sich in fast allen klassischen Schulen der Kampfkunst finden. Mehr benötigt man als Grundlage für eine umfassende Kampfausbildung tatsächlich nicht.


Abb. 90: Dàolì – Han-Dynastie.

Das mag manch einen überraschen, denn die Reiterstellung (siehe Kapitel »Das Training der inneren Kraft«, Seite 205) wird heute oft als antiquiert angesehen, die Dehnung (siehe Kapitel »Die Dehnung« ab Seite 19) wird eher halbherzig statt in die Tiefe trainiert, und den Handstand betrachtet man allenfalls als eine Übung unter vielen. Doch gerade der Handstand ist eine der grundlegendsten Kraftübungen der alten chinesischen Kampfkunst, wenn es um Schlagkraft geht. Er gehört(e) auch in den westlichen Schulen zur Ausbildung, leidet seit einiger Zeit allerdings in fast allen Schulen und Stilen unter geringer Beachtung. Betrachten wir ihn etwas näher.

Der erste Effekt des Handstandes ist die Balance der Energie zwischen den sechs Kraftpunkten (xià dāntián und den fünf Endpunkten des Körpers, chin. shēntǐ de wǔdiǎn 身體的五點) (siehe Abschnitt »Fünf Linien, sechs Punkte«, Seite 232). Der zweite Effekt ist der Aufbau von physischer Kraft durch die isometrische Spannung, die während der Dauer des Handstandes aufrechterhalten werden muss.

Der Handstand gehört in der chinesischen Medizin zu den primären Behandlungsmethoden. Das oberste Ziel dieser Lehre ist die Gesunderhaltung des Menschen und dessen nachhaltige Ertüchtigung. Das physische Training nimmt hierbei eine herausragende Stellung ein. Durch diese Vorgehensweise wird der Körper in die Lage versetzt, nahezu jede Krankheit im Ansatz zu verhindern.25

Es tut dem Organismus in jedem Fall gut, ab und zu von seiner normalen Haltung abzuweichen. Wir werden durch diese Abweichung vom Gewohnten belastbarer, da der Organismus sich auf etwas Ungewohntes einstellen muss. Je häufiger wir unseren Körper damit konfrontieren, desto schneller kann er sich auf fremde Situationen einstellen. Wir werden flexibler – auch in unserer Entscheidungsfindung – und uns stehen mehr Möglichkeiten offen. Das betrifft ausdrücklich nicht nur die Gesundheit, sondern auch den Kampf. Wenn Sie regelmäßig den Handstand ausüben, wird sich im Laufe der Zeit ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen. Krankheiten können sich nicht so schnell festsetzen. Sie werden jedoch auch insgesamt robuster.26 Der positive Effekt erstreckt sich zum Teil ebenfalls auf ihre Nehmereigenschaften. Das heißt, nach einigen Monaten des Übens werden Sie Schläge und Stürze besser verkraften können. Das isometrische Training des Handstands härtet die Muskeln ausgezeichnet, so dass man sich einen natürlichen Schild zulegt.

Vor einigen Jahren sprachen wir mit einem Meister der chinesischen Oper, der bereits über Achtzig war, doch nur halb so alt aussah und wirkte. Wir wollten wissen, worin seine Jugendlichkeit begründet lag. – Sein Geheimnis läge darin, jeden Tag fünf Minuten im Handstand an der Wand zu stehen.

Ihr Ziel sollte es sein, den Handstand so zu trainieren, dass Sie frei stehen können. Das erfordert und schult eine gute Körperkontrolle. Dadurch erlangen Sie eine flexible Kraft. Im Chinesischen sagt man hierzu gāng ér bù jiāng (剛而不僵). Das bedeutet in diesem Zusammenhang hart und stark, nicht aber steif und starr. Dies ist die Anforderung an die Kraft des Körpers. Das gilt besonders für Kämpfer. Das Pendant hierzu heißt róu ér bù ruǎn (柔而不軟), weich und flexibel, jedoch nicht schlaff. Alle in diesem Buch aufgezeigten Trainingsmethoden zielen auf diese beiden Ergebnisse ab.


Abb. 91: Freier Handstand – deutsche Schule, 1868.

Training des Handstands

Sie können den perfekten Handstand, also den Handstand, den Sie als Grundlage für weitere Übungen benutzen, grundsätzlich in zwei Versionen trainieren. Vervollkommnen Sie Ihren Liegestütz und üben Sie parallel dazu das Stehen auf den Händen. Oder Sie trainieren vom Kopfstand aus, bis Sie sich – zunächst mit den Füßen an der Wand – in den Handstand drücken können, und verbessern allmählich ihre Kraft und Balance.

Wenn Sie sich im freien Stand halten können, gehen Sie zum nächsten Schwierigkeitsgrad über, der sich auf Chinesisch shǒudàolì de fúdì tǐngshēn (手倒立的伏地挺身) nennt, Handstandliegestütz, d. h., Sie beugen die Arme, bis der Kopf fast den Boden berührt, und stemmen sich wieder in den Handstand (Abbildungen 93 und 94). Das wird mehrmals wiederholt. Es gibt kaum eine bessere Übung für eine einheitliche und flexible Körperkraft. Beherrschen Sie dies, gehen Sie zur Handstandklappmesser genannten Übung über, bei der Sie mehrmals hintereinander die Beine langsam von knapp über dem Boden in die Luft und wieder zurück zu knapp über dem Boden bringen und dabei die ganze Zeit im Handstand bleiben (Abbildungen 95 bis 98).

Bitte beachten Sie, dass Sie im Handstand den Kopf nicht einfach baumeln lassen, sondern diesen in Richtung Nacken anheben. Das Blut soll besonders während einer lang gehaltenen Position nicht frei in den Kopf laufen, was bei längerem Halten der Stellung durchaus schädlich für das Gehirn sein könnte. Nach dem Handstand gleiten Sie sanft in eine Hocke und bleiben Sie einige Augenblick in dieser Haltung (Embryonalhaltung – siehe Seite 76). Dies verhindert Irritationen des Kreislaufs.


Abb. 92: Verschiedene Stände. Deutsche Schule, 1868.


Abb. 93


Abb. 94


Abb. 95


Abb. 96


Abb. 97


Abb. 98

Abb. 95 bis 98: Das sogenannte Handstandklappmesser.


Abb. 99: Variante des Handstands. Vgl. Abb. 92, Fig. 2.


Abb. 100: Strecken im Handstand.

 

Das Strecken des Körpers im Handstand

Ein gesunder Blutkreislauf ist die Quelle des Wohlbefindens. Eine wichtige Aufgabe übernehmen die Venen, die das Blut zurück zum Herzen führen. Dabei haben besonders die Beinvenen schwere Arbeit zu leisten, denn das Blut muss gegen die Schwerkraft zum Herzen befördert werden. Aus diesem Grund ist einerseits das Training des »Untergestells« sehr wichtig, andererseits ist der Handstand so gesund, da er den Blutfluss umdreht und die Beinvenen kurzzeitig entlastet sowie den Blutlauf zum Herzen verbessert. Deswegen gehören Kopf- und Handstand zu den wichtigsten Übungen der chinesischen Medizin. Der Handstand ist dabei gesünder, da er den Kopf nicht belastet und die Schultern trainiert.

Wenn Sie etwas geübter im Handstand sind, können Sie das Beinstrecken nach oben bzw. leicht nach hinten versuchen, so dass der Körper einen gestrafften Bogen bildet (Abbildung 100). Hierbei streckt man langsam und konzentriert die Beine nach oben aus, als ob man mit ihnen etwas stemmen möchte. Wenn Ihr Gleichgewicht es bereits zulässt, können Sie diese Bewegung frei stehend probieren, anderenfalls lehnen Sie sich gegen eine Wand oder einen Baum. Durch das Ausstrecken der Beine wird das gesamte Gewebe der unteren Extremitäten und des Rückens gestreckt und gleichzeitig gekräftigt. Das Bindegewebe wird hierdurch recht schnell stark und elastisch. Zweitens werden die Beinvenen indirekt massiert. Das verbessert den Blutfluss.

Viele Menschen leiden an Krampfadern in den Beinen, besonders im Alter. Das liegt hauptsächlich daran, dass das Blut in den Beinvenen schlecht fließt und sich staut. Dadurch wird der Körper schwach, Krankheiten, Behinderungen und vorzeitiger Tod sind die Folge. Deswegen ist es wichtig, dass Sie mit den richtigen Übungen die Arterien (welche das Blut vom Herzen weg leiten) und die Venen (welche das Blut zum Herzen hin leiten) freihalten.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?