Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms

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Aus der Reihe: historisches Deutschland #18
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Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms
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Herausgeber

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

Saphir im Stahl

e-book 101

Der Dom zu Worms

Erscheinungstermin: 01.10.2021

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Postkartenmotive (nur im Buch)

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Das Wappen dient als Bildzitat und ist kein hoheitsrechtlicher Verstoß.

Herausgeber

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

Der Dom zu Worms

Vorwort

Das Buch verdankt seine Entstehung dem Interesse des Herausgebers an alten Gebäuden und alten Texten. Nachdem er einen Vergleich zum Dom von Aachen, dem Dom von Speyer gelesen hat, entschloss er sich alte Texte zu den drei Domen zu suchen und neu herauszugeben. Inzwischen sind Der Dom zu Aachen und Der Dom zu Speyer erschienen. Der Dom zu Worms stellt den dritten und letzten Teil dar.

Die historischen Materialien, die hier vorgestellt werden befassen sich nur mit dem Dom zu Speyer. Die drei Texte stammen aus den Jahren 1857, 1890 und 1897. Die Texte bilden eine Auswahl aus dem, was an Materialien vorlag. Das Zeitaufwändigste war dabei die Übertragung aus der Frakturschrift.

Nach den vielen Kriegen, unter denen Europa zu leiden hatte, öffnen sich Lücken in der Geschichte. Diese zu füllen setzt sich der Herausgeber zum Ziel.

Erik Schreiber

Inhaltsverzeichnis

Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms.

Verlag von Daniel Schmidt 1857

Der Dom zu Worms

und seine Wiederherstellung

von Baurat Professor Hofmann

J. G. Herbert’scher Hofdruckerei

1897

Burchard I., Bischof zu ‚Worms

Inaugural - Dissertation

von Hermann Grosch

Frommannsche Buchdruckerei 1890

Kunstgeschichtliche Darstellung

des

Domes zu Worms.

Zugleich ein Führer für den Besucher des Domes.

von

Johannes Hohenreuther.

Worms.

Verlag und Eigenthum von Daniel Schmidt

(vormals J. W. Kunze)

1857.

Inhalt.

Einleitung

I. Baugeschichtliche Nachrichten über den Dom

II. Der Dom in seinem gegenwärtigen Zustande

III. Kunstwerke des Doms

Einleitung.

Die verschiedenen Eindrücke geschichtlicher Erinnerungen und Beziehungen, welche sich an diese oder jene Stadt knüpfen, pflegen in unserer Vorstellung ein Bild zu entwerfen, in welchem wir mit fast bestimmten Umrissen unwillkührlich den Schauplatz unserer Sage oder Geschichte erblicken. Ist nun irgendwie die Zeit mit schonender Hand über solche Orte hinweggegangen, so sind wir nicht selten bei wirklicher Vertretung derselben freudig überrascht, die Wirklichkeit mit dem Bilde unserer Phantasie in vollständiger Uebereinstimmung zu finden.

Nicht so verhält es sich mit Worms. Sage und Geschichte berichten uns schon frühe von dieser Stadt. Von den Römerzeiten bis auf die Tage der französischen Gräuelthaten finden wir fast auf jedem Blatte der Geschichte diesen Namen. Der ganze Reichthum der Nibelungengestalten, - die seltsame Mähre von dem blutigen Turnei im Rosengarten, - die geschichtlichen Erinnerungen an die Maifelder und Reichstage, - die Reihe großer und kräftiger Bischöfe, - die Zerstörung der Stadt durch Ludwig XIV., - alle diese Erinnerungen gruppiren sich um Worms und beleben unsere Phantasie mit einer Fülle der charakteristischen Bilder, welche sich unvermerkt mit den Vorstellungen von dieser Stadt verweben.

Wenn der Wanderer nun den Rhein heraufzieht, und er sieht hoch über Worms die Kuppeln und Thürme des Domes emporsteigen und den Bau sich immer majestätischer seinen Augen entfalten, so klingen ihm geheimnisvoll Sagen und Geschichten in der Brust wider, und er kann es kaum erwarten, den klassischen Boden zu betreten, wo ihm jeder Schritt die Wirklichkeit seines Gedankenspieles zeigen soll. Aber wie sieht er sich enttäuscht! Keine Werke und Wälle, keine Erker und Giebel, keine Hofburgen und Herrenhäuser, nicht ein einziges mahnendes Alterthum: - Alles was als Zeuge für die geschichtliche Bedeutung der Stadt dagestanden, wurde in dem Verheerungskriege der Franzosen im Jahre 1689 mit roher und fühlloser Hand in Trümmer geschlagen.

Nur der Dom steht noch, neben einigen anderen Kirchen, als mahnendes Denkmal da, ein gewaltiges Gotteshaus, die Stirne hoch und kühn, als ob er fühle, berufen zu sein, Zeugnis abzulegen, daß es Wahrheit ist, was die Geschichte uns erzählt. Und die Menschen und Thaten längst begrabener Jahrhunderte dämmern dem Wanderer wieder auf, wenn er die Hallen dieses Domes durchschreitet. Die ruhigen und friedlichen Schwingungen der Bogen und Wölbungen führen ihn unvermerkt in graue Fernen und zu geheimnisvoll ergreifenden Höhen, und was er dachte und was er dichtete, ist ihm Wirklichkeit und Wahrheit geworden.

Daß aber an diesem einzigen, die Geschichte fast eines Jahrtausends in sich schließenden Tempel die Kuppeln und Säulen bereits wanken und die letzten Merkzeichen einer religiösen, nationalen und künstlerischen Begeisterung unserer Vorfahren unter ihren Quadern zu begraben drohen, daß ahnt der Wanderer nicht, wenn das colossale Gefüge dieses Baues, wie Ewigkeiten trotzend, Herz und sinn emporhebt. Und dennoch hat die frevelnde Hand der Franzosen im letzten Verheerungskriege durch Pulverminen einen Theil der Fundamente der Westseite aus seinen Fugen gehoben und die ganze Wucht des Bauwerkes beginnt mit Chor und Kuppel immer mehr nachzusinken. Schon zeigt uns das Chor von der Ueberdachung an bis zur Sohle herab einen klaffenden Riß. Die Widerlager zu Seiten der Ueberwölbung der großen Mittelrosette sind vollständig destruirt und die das Octogon daselbst abgrenzende Ecksäule, in der Mitte ihrer Höhe herauszwängt, hat eine Abweichung von mehreren Fuß erlitten. Die Gewölbe des Hauptschiffes weichen dem Drucker ihrer Last, und die Verankerung derselben, sowie die Einfügung eines neuen Dachstuhles, erweist sich als die dringendste Nothwendigkeit. – Ebenso droht die Taufkapelle im eigentlichen Sinne des Wortes dem täglichen Einsturze, und diese würde damit einen Schatz von mittelalterlichen Bildwerken begraben, deren Verlust für die Kunst ganz unberechenbar wäre.

Solche Noth erkennend, und Hilfe zu schaffen, so lange noch Hilfe möglich ist, hat sich unter dem Protecktorate Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Hessen ein Dombauverein gebildet, der seinen Ruf nach allen Ländern hin ergehen läßt, wo Menschen wohnen, deren Herz und Sinn empfänglich ist für die Denkmale religiöser und künstlerischer Begeisterung der Vorzeit, und deren Opferwilligkeit es nunmehr anheim gegeben ist, ob dieses würdige Haus Gottes in Trümmer fallen oder sich zu neuer Stärke und neuem Glanze erheben wird: Denn der Dom ist gänzlich mittellos und die Kosten der nothwendigsten Herstellungsarbeiten sind so bedeutend, daß sie die Kräfte der Stadt und selbst des Landes übersteigen.

I. Baugeschichtliche Nachrichten über den Dom.

Eine Geschichte des Wormser Domes ist leider nicht vorhanden. Ebenso wenig stoßen wir auf Urkunden, welche irgendwie eine ergiebige Quelle hiezu abgeben könnten. Nur aus zufälligen Andeutungen, die wir in den Regesten der Wormser Stadtgeschichte oder in den Chroniken der Bischöfe niedergelegt finden, lassen sich einzelne mühsame Fäden zusammenknüpfen, die mit den einzelnen baulichen Bestandtheilen des Domes zusammengehalten, sowohl über die Entstehung dieses Gebäudes und seiner einzelnen Theile mit ziemlicher Sicherheit Schlüsse ziehen lassen, als auch über die sonstigen Ereignisse und Schicksale, welche mit diesem Tempel in Beziehung stehen, Auskunft geben.

Thatsache ist es, daß Worms bereits unter König Dagobert (527), (siehe S. Arnold: Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte. B. 1. S. 6.) ein Bischofsitz war, und ebenso, daß bereits unter diesem Könige eine Basilika an der Stelle des heutigen Domes gestanden hat, welche damals schon, wie heute noch, den Aposteln Petrus und Paulus geweiht war. Diese Basilika wurde um das Jahr 872 vom Blitze getroffen und bis auf den Grund von den Flammen zerstört. Die nachfolgenden Bischöfe bemühten sich vergebens, diese Kirche wieder aufzurichten. Denn vom Ende des neunten bis nach der Mitte des zehnten Jahrhunderts war Worms den beständigen Einfällen und Verheerungen der Normannen und Ungarn ausgesetzt, und bald darauf begannen die Gewaltthaten des Herzogs Otto, der seine Burg an der Stelle der heutigen Pauluskirche hatte, gegen Stadt und Einwohner. Worms war fast in einen Schutthaufen verwandelt, die Einwohner hatten sich verzogen; die Straßen waren verödet und wilde Thiere sollen sich ohne Scheu in denselben umhergetrieben haben. Die Stadt hatte längst ihren Glanz zu den Zeiten Karls des Großen verloren.

Dem großen Bischof Burchard I. (996 – 1025), den wir nunmehr den eigentlichen Gründer der Stadt nennen können, war es vorbehalten, Worms aus seinem tiefen Verfalle wieder aufzurichten und durch seine Weisheit, seine Kraft und werkthätige Liebe den Grund zu legen, daß sich die Stadt in kurzer Zeit wieder zu einer Blüthe zu entfalten vermochte, welche dazumal der von Rom und Constantinopel an die Seite gesetzt wurde. Mit Hilfe des Kaisers entfernte Burchard den Herzog Otto aus der Stadt. Er umgab dieselbe mit neuen Mauern, machte die Straßen wieder wohnlich und schenkte der Stadt eine Verfassung, deren Weisheit und Gerechtigkeit noch heute unsere Bewunderung in Anspruch nimmt. Nachdem er so Worms den Frieden mit allen seinen Wohlthaten wiedergegeben hatte, warf er sich mit allem Eifer auf die Herstellung und den Neubau von Gotteshäusern. Sechs Kirchen, von denen heute noch vier stehen, sind als sein Werk zu betrachten und unter diesen auch der Dom.

 

In einer noch vorhandenen Biographie dieses Bischofs (siehe Vita Burchard bei Pertz Script), welche wenige Jahre nach seinem Tode von einem Mönche niedergeschrieben wurde, wird uns erzählt, daß Burchard um das Jahr 996 die Eingangs erwähnte Basilika des hl. Petrus habe vollständig abbrechen lassen, weil sie ihm für eine Kathedrale zu klein gewesen sei. An die Stelle derselben baute er den Dom, welcher, zwar noch nicht ganz vollendet, im Jahr 1016 auf dem Wunsch Kaisers Heinrichs II., der sich damals gerade zu Worms aufhielt, eingeweiht wurde.

Fragen wir nun zunächst nach der architektonischen Beschaffenheit des Domes, wie dieser aus der Zeit Burchards hervorgegangen war, da solcher natürlich bis heute mannigfache Umänderungen erfahren hat, so finden wir zwar nur spärliche Anhaltspunkte, aber sie genügen dennoch, um zu beweisen, daß wir uns unter dieser Kathedrale einen künstlerisch höchst bedeutenden Bau vorzustellen haben. Nicht allein, daß wir wissen, daß Bischof Burchard eine seines Bischofsitzes würdige Kirche zu erbauen beabsichtigte, so kann sich auch der erwähnte Biograph (Vita Burchard, 1. c. p. 839 – 840) nicht genug in Bewunderung über die Schönheit und Großartigkeit dieses Baues ergehen. Er berichtet, daß das Münster aus behauenen Quadersteinen erbaut, daß die Säulenköpfe vergoldet, daß der ganze Tempel allenthalben mit den mannigfaltigsten Bildwerken geschmückt sei.

Nicht ohne triftige Gründe glauben wir nun annehmen zu müssen, daß der damalige Bau eine Pfeilerbasilika mit überwölbter Decke war, und daß das heutige Langhaus des Domes im Wesentlichen noch als das Werk Bischof Burchards dasteht, daß sonach der Wormser Dom unter den drei mittelrheinischen romanischen Domen als die älteste Basilika zu betrachten ist. (siehe dagegen Schnaase: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter Seite 113. – von Quast: die romanischen Dome des Mittelrheines). Denn während der Wormser Dom im Jahre 1016 eingeweiht wurde, geschah dies bei dem Speyerer Dom erst um 1056. Der Dom zu Mainz wurde zwar um das Jahr 1009 vollendet, aber abgesehen von allen übrigen Beweisen, daß dieser Bau eine Basilika mit einer flachen Holzdecke gewesen sei, weil dieser schon am Tage seiner Einweihung niederbrannte, indem das Dachwerk durch die festliche Beleuchtung Feuer gefangen hatte.

Ein triftiges Beweismittel, daß das Langhaus unseres Domes aus der Zeit Bischof Burchards herrühre, finden wir in den noch erhaltenen Trümmern der Mauritiuskapelle, (Schannat: Historische Episc. Wormat. T. I. p. 62 – Wiegand: Zur Geschichte der Wormser Bischöfe Seite 15), welche im Jahre 1033, also kurze Zeit nach dem Tode Burchards, an dem westlichen Ende der Südseite des Domes erbaut wurde. In welchem Jahre diese Kapelle zu Grunde ging, Ist unbekannt. Doch wissen wir, daß Bischof Johannes von Dalberg im Jahre 1488 an dieser Stelle einen Kreuzgang erbaute, welcher 1813 niederbrannte. Bei Wegräumung der Trümmer desselben kamen die erwähnten Reste der Mauritiuskapelle wieder zum Vorschein. Da nun diese Kapelle bereits 1033 an diese südliche Umfangsmauer des Domes angefügt wurde und deren Reste heute noch daselbst sichtbar sind, so dürfen wir wohl den Schluß ziehen, daß diese Umfangsmauer des Domes noch die erste und ursprüngliche aus dem 1016 ist. Und ist dieses der Fall, so muß auch noch das ganze heutige Langhaus in seinen Grundelementen jener Zeit angehören, da nicht anzunehmen ist, daß, wenn eine Umänderung im architektonischen Systeme des Domes vorgenommen, wenn Pfeiler und Bogen zu ganz anderen Verhältnissen umgesetzt worden wären, man gerade diese fensterlose und fast störende Umfangsmauer des südlichen Seitenschiffes verschont, und gerade in der Rücksicht auf die genannte Kapelle das ganze System umgemodelt hätte.

Daß aber der Wormser Dom von Anfang an eine Pfeilerbasilika mit überwölbter Decke gewesen ist, geht daraus hervor, daß sämmtliche Vorsprünge der Pfeiler, welche die Gewölbe zu tragen bestimmt sind, soweit dieselben eine Untersuchung zulassen, in die Pfeiler hineingewachsen sind.

Die Erbauung der östlichen Facade des Domes, sowie die Erbauung des Querschiffes mit seiner colossalen Kuppel ist wohl als das Werk des Bischofs Eppo zu bezeichnen (Schannat, 1. c. p. 62), welcher von 1109 – 1115 den Bischofssitz zu Worms inne hatte. Nicht allein, daß der ganze bauliche Charakter dieser Zeit entspricht, so finden wir auch urkundlich die Nachricht, daß dieser Bischof mit Aufwand bedeutender Mittel die letzte Hand an dem Dom gelegt und denselben im Jahr 1110 in Gegenwart Kaiser Heinrichs V. und vieler hohen Prälaten zum zweiten Male auf das Feierlichste eingeweiht hat.

Die letzten Hauptbauten am Dome und eine nochmalige Einweihung desselben werden uns vom Jahre 1181 unter Bischof Conrad II. berichtet, und zwar in Gegenwart Kaiser Friedrichs I. und seiner Gemahlin Beartrix. Wir glauben, daß hierunter, neben der erneuten Ausschmückung des Domes mit Gemälden, wovon uns noch Spuren erhalten sind und welche wir später berühren werden, die Erbauung des westlichen oder Lorenzi-Chores zu begreifen sei. Daß dieses Chor jedenfalls schon vor dem Jahre 1234 gestanden, geht daraus hervor, daß ein Canonikus Gerlaeus in dem genannten Jahre vier Beneficien für den Altar dieses Chores gestiftet hat.

Wesentliche Bauveränderungen hat der Dom seitdem nicht erlitten, nur daß im Jahre 1429 einer der westlichen Thürme nach dem Bischofshofe zu einstürzte, welcher 1472 wieder aufgebaut wurde, wodurch sich auch die auffallende stylistische Formenmischung dieses Thurmes erklärt.

Ebenso verdient das im Jahre 1488 von Bischof Johannes von Dalberg im Spitzbogenstyle erbaute Portal an der Südseite des Domes, sowie die daneben stehende Taufkapelle besonders hervorgehoben zu werden und wird später von dieser noch die Rede sein.

Die Gewölbe des Domes bestreffend, so scheinen diejenigen der Seitenschiff, der Kreuzflügel und des Altarhauses, welche sich rundbogig in breiten, unprofilirten Quadern wölben, noch die ursprüngliche zu sein. Die spitzbogigen, stark profilirten Gewölbe des Hauptschiffes sind jüngeren Ursprungs und zum Theil erst nach den Verheerungen des Jahres 1689 neu aufgerichtet. – Um so auffallender ist es, daß die riesigen Ostkuppelgewölbebogen im gedrückten Spitzbogen gesprengt sind, - ein neuer Beweis, daß man den Spitzbogen bereits kannte, ehe noch irgendwie das System der Gothik in Deutschland Platz gegriffen hatte.

Die gräuelhafte Zerstörung der Stadt Worms durch die Franzosen am 31. Mai 1689 ist zu bekannt, als daß wir davon mehr erwähnen sollten, als was speciell unseren Dom betrifft. Aehnlich wie dem Speyerer Dome war auch ihm das Schicksal bestimmt, der Erde gleich gemacht zuwerden. Schon hatten die Franzosen das Dachwerk in Brand gesteckt, Altäre und Kanzel, Bilder und Cruzifixe in Stücke geschlagen, die Leichname aus ihren Grüften gerissen und ihrer Kostbarkeiten beraubt, das Herz des 1683 gestorbenen Fürstbischofs Franz Emmerich mit den Füßen zertreten, weil sie in seinem Grabe die gehofften Schätze nicht gefunden; als sie jetzt auch Anstalten machten, den Dom in die Luft zu sprengen. In dem Kreuzgange hatten sie emsig an den Vorrichtungen zu diesem Schandwerke gearbeitet und machten nun die ersten Sprengversuche unter dem Westchore. Doch vergebens zündeten sie eine Mine nach der andern an: die starken Fundamente und Mauern widerstanden dem schändlichen Beginnen, und die Franzosen, von der Zeit gedrängt, mußten von ihrem Vorhaben abstehen. Und so steht, wie durch ein Wunder gerettet, unser Dom noch heute, zwar stark beschädigt, wie wir in der Einleitung gezeigt haben, doch gewiß nicht ohne Hoffnung auf eine dauernde Wiederherstellung.

Leider sollte der Dom im Jahre 1813 noch einmal die zerstörende Hand der Franzosen an sich fühlen. Bischof Johannes von Dalberg hatte, wie bereits erwähnt, im J. 1488 einen prächtigen Kreuzgang am Dome erbaut und es war ein fürchterliches Schicksal, welches diesem den Untergang bereitete. Als nämlich nach der Schlacht bei Leipzig ein Theil der Franzosen seinen Rückzug über Worms nahm, wurde der Kreuzgang sofort in ein Lazareth verwandelt. Unter den Truppen wüthete der Typhus auf das Entsetzlichste. Viele Tausende waren demselben schon zum Opfer gefallen und die Stadt selbst davon angesteckt.

Da soll Marshall Marmont, um der Seuche Einhalt zu thun, den gräulichen Befehl gegeben haben, den Kreuzgang in Brand zu stecken. So wurde in einer Nacht an Tausend Hilflose ein Raub der Flammen, ja die Kranken, die mit dem letzten Aufwand ihrer Kräfte den Versuch gemacht hatten, sich zu retten, stieß man wieder in das Feuer zurück. – Am Morgen war der prächtige Kreuzgang zu einem düsteren Leichenhügel zusammengesunken und erst im Jahre 1833 wurden die letzten Trümmer hinweggeräumt.

II. Der Dom in seinem gegenwärtigen Zustande.

Wenige Kirchen möchte Deutschland aufzuweisen haben, welche schon von weiter Ferne einen so erhebenden, überraschenden, ja selbst bewältigenden Eindruck hervorbringen, als dieses bei dem Wormser Dom der Fall ist. In räumlicher wie stylistischer Beziehung eines der großartigsten Gotteshäuser unseres Vaterlandes (der Dom ist 470‘ lang und 110‘ breit.), steigen kühn und prächtig am östlichen und westlichen Ende des Schiffes zwei 175 Fuß hohe Kuppeln empor, flankirt und überragt von vier gewaltigen Thürmen.

Treten wir nun näher vor den Dom, um seine einzelnen Bautheile, wie sie sich von Außen darstellen, genauer ins Auge zu fassen, so wird es nicht ungeeignet sein, mit dem nördlichen Portale zu beginnen. Abgesehen von den schönen, in der reichsten und mannigfaltigsten und doch so einheitlichen Ornamentik des romanischen Styles ausgeführten Capitälen dieses Portales und den interessanten Spuren von Temperagemälden im Bogenfelde desselben, nehmen zwei über diesem Portale angebrachten, in der Mitte in einem vorstehenden Winkel gekrümmten Säulen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Diese Säulen trugen ehemals das berühmte Privileg Friedrichs I., das sogenannte Ehrendiplom, welches dieser Kaiser Worms verliehen hatte und durch welches die letzten Reste hofrechtlicher Lasten aufgehoben und ein unbelastetes Erbrecht garantirt worden war. Die Bürger der Stadt hatten dieß Privileg im Jahre 1180 in Kupfer mit goldenen Buchstaben gießen lassen. Leider ist diese Tafel, welche von enormen Umfange gewesen sein muß und welche ein Zeugniß davon ablegt, daß die Erzgießekunst schon damals in Worms eine bedeutende Stufe der Vollendung erreicht hatte, spurlos verschwunden.

Fassen wir nunmehr die Außenseite des Oestlichen Chores (1110 erbaut) in’s Auge, so bildet diese Facade in ihrem gradlinigen, massigen Abschlusse einen der imposantesten Theile des Domes. Die schönen Arkaden, welche auf Säulen ruhend als offene Galerie, geschmückt mit den abenteuerlichsten Thier- und Menschengestalten, über den Fenstern dieses Chorabschlusses hinlaufen, bewirken eine wohltuende Vertheilung diesen massenhaften Bauwerkes. – Eine auffalende Erscheinung ist es, daß während dieses Chor nach Außen den gradlinigen Abschluss zeigt, dasselbe im Innern sich halbkreisförmig darstellt. Kugler spricht darüber die Vermuthung aus (Dtsch. Kunstblatt von Eggers. Jahrgang 1854), daß man bei Errichtung der Kuppel (1110) eine stärkere Widerstandsmauer gehabt habe, als die ursprüngliche, auch nach Außen halbkreisförmige Apsis darbieten konnte, und daß man diesem Bedürfnisse durch den Aufbau dieser colossalen Quaderwand zu Hilfe gekommen sei.

Begeben wir uns nunmehr an das Südliche Hauptportal unseres Domes (1488 erbaut), so steht dies zwar in seiner spitzbogigen Struktur mit der sonstigen Bauweise des Domes in Widerspruche, aber dennoch möchten wir es um keinen Preis vermissen. Wie überhaupt in den Portalen des gothischen Styles sich die ganze Ideenfülle der mittelalterlichen Baumeister mit allen Mysterien ihrer Symbolik concentrirte, so finden wir auch an diesem Eingange neben vielem Anderen, wie in einer Encyklopädie, eine vollständige Geschichte der Erlösung dargestellt.

Zwei einander überragende, hoch hinansteigende Bogenhöhlungen, eingefaßt den schönsten Laubgränzen, umschließen eine Reihe biblischer Darstellungen der Art, daß der innere Bogen uns den alten, der äußere den neuen Bund vergegenwärtigt, und zwar immer so, daß die correspondirenden Darstellungen in bedeutsamen Beziehungen zu einander stehen. Uns zur Linken sehen wir die Statuen der vier Evangelisten unter schön gegliederten Baldachinen, zur Rechten die vier Hauptpropheten. Verfolgen wir nun zunächst die Darstellungen des alten Bundes, so sehen wir vorerst Gott mit der Weltkugel als Schöpfer, dann die Erschaffung des Weibes, die Vertreibung aus dem Paradise, Kain den Abel erschlagend, und in der Stirne des Portals: Noah, die Taube aussendend. Den Bogen abwärts: Abraham im Begriffe den Isaak zu opfern, die Errichtung der Schlange des Moses, Jonas von dem Walfische ausgespieen und Elias gen Himmel fahrend.

 

Betrachten wir nun die äußere Bogenreihe, den neuen Bund darstellend, so zeigt sich uns zuerst der englische Gruß, dann die Geburt Jesu, die Beschneidung, die Flucht nach Aegypten, der Kindermord und die Taufe Jesu durch Johannes. Den Bogen abwärts: die Geisselung, die Kreuzigung, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi. Das Ganze wird abgeschlossen durch Johannes, den Vorläufer Christi und durch Christus selbst als Lehrer.

Halten wir die einzelnen correspondirenden Gruppen des alten und neuen Testamentes zusammen, so stellen sich uns überall die schönsten Beziehungen dar. So die Erschaffung des Weibes neben der Geburt Christ, was offenbar sagen will, daß die Sünde, welche durch das Weib in die Welt gekommen, ebenso durch die Vermittlung des Weibes wieder getilgt worden ist; - die Schlange Moses neben Christus am Kreuze nach den Worten bei Johannes: So wie Moses eine Schlange in der Wüste erhöhte, so muß auch des Menschen Sohn erhöht werden. Jonas neben der Auferstehung Christi nach der Stelle bei Matth. 12,40. Und so durchweg. – Im Giebelfelde des Portals sehen wir Maria gekrönt und reitend auf einem der vier Evangelisten symbolisierenden Thiere, das Ganze den Triumph der Kirche darstellen.

Das Bogenfeld dieses Eingangs zeichnet sich durch eine wahrhaft vollendet gearbeitet Gruppe aus und stellt uns die Krönung Maria’s durch Christus dar; zur Rechten kniet Petrus, zur linken ein Bischof, wahrscheinlich Johannes von Dalberg, der Erbauer des Portals. Verschiedene Statuen sind noch an den Eckpfeilern angebracht. So links unter Anderen der große Bischof Burchard, eine Kirche auf der Hand tragend.

Besonders interessant sind vier allegorische Figuren zur rechten Seite des Einganges. Die erste, eine schöne liebliche Gestalt mit der Salbbüchse in der Hand, zu ihren Füßen zwei Knieende, versinnbildet uns den wahren Glauben; die zweite Figur mit dem zerbrochenen Scepter, das Judenthum; die dritte Figur, mit verhülltem Gesichte, vom Kopfe fallender Krone, in der Hand ein Böcklein und ein Messer, das Heidenthum; die vierte Gestalt, im Rücken den Körper bereits von Schlangen und Kröten zerfressen, im Gesichte aber immer noch etwas Verlockendes, den Unglauben. Das Piedestal der letzten Figur stellt einen Bock dar, die Trauben an den Reben abfressend. – Diese biblischen und dogmatischen Darstellungen waren seiner Zeit die eigentlichen Bücher des Volkes, welche es mit Leichtigkeit zu lesen verstand und nicht erst, wie heute, einer Erklärung derselben bedurfte.

Wer der Baumeister dieses herrlichen Portales war, wissen wir nicht. Auf dem Piedestal der Statue Bischof Burchards finden wir jedoch den Namen H. Ansel eingegraben. Ob dieser Mann, dessen Name in der Kunstgeschichte sonst unbekannt zu sein scheint, das ganze Portal entworfen hat oder nur bei Ausarbeitung der einzelnen Figuren thätig war, ist deshalb vor der Hand nicht zu entscheiden.

Treten wir nunmehr in den Garten des ehemaligen Kreuzganges, welcher seiner Zeit der Kirchhof der Stiftsherren war, so finden wir in dem Bogenfelde einer kleinen, jetzt vermauerten Pforte eine schöne allegorische Darstellung. In der Mitte des Tympanums steht die würdige Gestalt eines Bischofs mit dem Stabe in der Hand. Ihm zur Linken wird ein Schiff von hochgehenden Wellen fortgerissen und die darin befindlichen Personen sind in angstvollem Gebete begriffen. Um den Mast schwebt ein Teufel, der Schiff und Leute in das Verderben zur reißen droht. Zur rechten Seite des Bischofs befinden sich drei zu ihm um Hilfe flehende Menschen, nach denen eine rohe Gestalt ein Messer zuckt und einen der flehenden bereits bei den Haaren ergriffen hat. Der Bischof fängt jedoch das Messer mit der Hand auf. – Eine spezielle Deutung dieser Allegorie vermögen wir nicht zu geben, da sie sich vermuthlich auf einen besonderen Fall der Wormser Bischofsgeschichte bezieht, wozu wir den Schlüssel bis jetzt nicht finden konnten. Die allgemeine Deutung überlassen wir dem Leser.

Gehen wir einige Schritte weiter, so gelangen wir zu den bereits genannten Resten der Mauritiuskapelle (1033). Es sind dieß drei Reihen über einander gestellter, auf gedrungenen Halbsäulen ruhender Blendarkaden im kräftigsten Rundbogenstyle, nebst einer vierten aus kleineren Blenden bestehenden Bogenreihe. Die Ornamentik der Capitäle ist fein, selbstständig und höchst charakteristisch und jedes derselben von neuer Erfindung. Einige der Capitäle sind in schlichter Ausbauchung zugehauen. Leider sind diese Reste zum Theil gewaltsam zerschlagen, theils noch unter dem Mauerwerk des ehemaligen Kreuzganges Versteckt.

Verlassen wir den Garten, so befinden wir uns an dem 1181 erbauten westlichen oder Lorenzichore.

Dieser, wie bereits erwähnt, am meisten baufällige Theil, bildet mit seiner schönen, achteckigen Kuppel, flankirt von zwei gewaltigen Thürmen, wohl den interessantesten Theil des Domes. Die Trommel des Kuppelbaues, die beiden Thürme, die Chornische sind sämmtlich von den zierlichen Gallereien durchbrochen, die sich uns als Säulenarkaden von den schönsten Verhältnissen darstellen. Die Säulenfüße wachsen zu hervorstehenden, bald possierlichen, bald fratzenhaften Menschen- und Thiergestalten aus, die uns aus der Höhe von allen Seiten entgegen grinzen. Die Steinmasse der im Achteck configurirten Apsis ist durch reiche, fast maurisch decorirte Blenden zierlich vertheilt und zeigt uns nebst drei kleineren, eine große reichgegliederte Rosette, - das Ganze in der schönsten Uebereinstimmung.

Schließlich verdient noch ein von der Südseite in den Domgarten führendes, früher zu dem Kreuzgange gehöriges Portal ganz besonderer Erwähnung, welches im schönsten romanischen Style und in den edelsten Profilirungen und Ornamenten entworfen ist.

Nachdem wir so den Dom in seinen äußeren Theilen kennen gelernt haben, treten wir in das Innere desselben.

Der Eindruck des Gewaltigen und Majestätischen, welchen uns der Dom in seiner ganzen äußeren Totaliät gemacht hat, steigert sich bei der Betretung des Inneren bis zur bewältigsten Erhabenheit. Zwei und zwanzig mächtige, viereckige Pfeiler, abwechselnd mit Vorsprung und Halbsäule versehen, tragen die Ueberspannung des hohen Schiffes, zwischen welcher die Kreuzgewölbe kühn eingesprengt sind. Die Pfeiler und Wände, frei von aller Tünche und von keinen Zierrathen und keinen Denkmälern verstellt, zeigen uns den nackten, rothen Quaderstein, was zur Erhöhung des Totaleindrucks wesentlich beiträgt. Und in der That, wenn wir die Treppen des hohen Chores hinaufsteigen, und sehen in erschütternder Erhabenheit die Ostkuppel sich uns zu Häupten wölben und die Kreuzflügel zu beiden Seiten sich mächtig ausspannen, und wenn dann die Abendsonne durch die gemalten Fenster des Westchores hereinbricht und die ernste kraftvolle, imponirende Einfachheit der Pfeilerarkaden beleuchtet und den ruhigen, gemessenen Schwung der Verbindungsbogen, das würdevolle Aufsteigen der Halbsäulen, um als sichere Träger der Gurt- und Kreuzbogen zu dienen: so möchten wohl wenige andere Tempel genannt werden können, die in so geheimnisvoller und ergreifender Weise unser ganzes Gemüth zu dem ewigen Gotte hinanführen.

Eine Krypta scheint der Wormser Dom nicht besessen zu haben. Wiewohl wir urkundlich wissen (Schannat I. c. T. II. p. 49 und 51.), daß die Eltern und Voreltern Kaiser Konrads des Saliers ein gemeinschaftliches Begräbnis im Dome bei dem Altare zum h. Kreuze hatten; daß ferner ein Sohn Konrads, Wolfram, daselbst beisetzt wurde (Wiegand I. c.); daß Bischof Azzecho im Jahre 1034 bei dieser Gruft einen Altar errichten ließ, an welchem alljährlich Gebete und Meßopfer zum Heile des Kaisers und seiner Gemahlin Gisela dargebracht werden sollten: So deutet doch alles darauf hin, daß unter diesem Begräbnisse ein schlichtes Gewölbe zu verstehen sei, welches jedoch bis heute nicht wieder aufgefunden wurde. – Ebenso hatten die Gebeine der hh. Märtyrer Justinus und Stachäus ihre Ruhestätte unter dem Hochaltare und wurden bei Gelegenheit der Einweihung des Domes im Jahre 1181, noch wohl erhalten, in das Mittelschiff der Kirche versetzt, wo sie, wie ein Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts vermuthet, noch ruhen sollen. – Die Bischöfe hatten ihre Ruhestätte an verschiedene Stellen, bald im östlichen, bald im westlichen Chore, unter der Kuppel und in den Kapellen des Domes; auch bestimmten sie nicht selten Klöster zu ihrem Begräbnisplatze.