Buch lesen: «100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2», Seite 3

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Das 150 Mile House, mit mehr als dreißig Zimmern ausgestattet, war wegen seiner Farbe auch als „das Weiße Haus“ bekannt und bei Reisenden vor allem wegen seiner Bar und Tanzabende beliebt. „Gesetz des Hauses“ soll gewesen sein, dass der erste Frühaufsteher das Recht hatte, sich das beste Paar Überschuhe nehmen zu dürfen, die am Barofen abgestellt waren. Äußerst populär war das Road House auch wegen seiner gemischten Gesellschaft, die Reisende, Farmer, Minenarbeiter, Cowboys, Fuhrleute und zukünftige Siedler vereinte. Wie gut man schlief, war abhängig vom Raum. Über der geheizten Bar war es warm aber laut, bis der letzte Gast entschied, es sei genug. Ruhiger war es in den Räumen über der Küche, doch dort ließ man den Ofen ausgehen, sodass das Thermometer an winterlichen Tagen im Schlafgemach spätestens am Morgen bei weniger als „Null“ angekommen war. Dem „Weißen“ erging es aber letztlich auch nicht anders, als den meisten dieser Straßenhäuser, es wurde eine Beute der Flammen und durch das Feuer zerstört. Die Zeit blieb aber deswegen nicht stehen. Ringsum gab es Neuansiedlungen, Häuser, Verwaltungsgebäude, Bank, Laden, Schmiede, Tanzhalle, Gefängnis, Telegrafenstation, Schuppen, Scheunen und Ställe. Etwas weiter am Bach entstanden Sägewerk und Getreidemühle, wo die Bauern ihren Weizen ab- und Mehl aufluden. Aber so schnell, wie diese Ortschaft geboren wurde, versank sie auch wieder in der Bedeutungslosigkeit, denn die neuen Gleise der Eisenbahn wurden von Squamish am Howe Sound ab Lac La Hache ins Hinterland nicht über 150 Mile House verlegt, sondern entlang des San Jose Rivers zum Williams Lake, wo ein neuer Ort gleichen Namens entstand, der die Geschäftigkeit in diesen verlagerte und 150 Mile House zu seinem heutigen Dasein, einem kleinen Ort am Highway, schrumpfte.

Knapp zwanzig Kilometer weiter ist man in Williams Lake. Die Stadt ist Dreh- und Angelpunkt der Cariboo Region, als auch das Tor zum Chilcotin und der zentralen Küstenregion, womit es auch gleichzeitig zum Ausgangspunkt für Urlauber wird, die auf ausgetretene Touristenpfade verzichten möchten. Die Stadt am See ist mit allem ausgerüstet, was für das riesige Einzugsgebiet nötig ist, dazu Galerien, Flugplatz, Bus- und Eisenbahnstation, Golfplätzen, und ihr Museum ist das einzige, das sich in British Columbia mit Rodeos beschäftigt. In ihren Mauern gedenkt man auch berühmter Musiker, Poeten und anderer Persönlichkeiten. Bei aller Geschäftigkeit blieb auch der Countrycharm erhalten, und sein viertägiges Rodeo am ersten Wochenende im Juli, bei dem längst Provis in den aus dem Siedlerleben entwickelten Sportarten antreten, ist eines der berühmtesten in Nordamerika. Zu solchen Countryfesten, wenn die ganze Stadt regelrecht aus dem Häuschen ist, gehören auch viel Musik und Tanz. Wer es ruhiger mag, der wählt vielleicht den schönen Williams Lake River Trail zum wandern, der über zwanzig Brücken und vierzehn Kilometer zum Ufer des Fraser Rivers führt. Mehr Zeit und Kondition verlangt dagegen der 420 km lange „Mackenzie Trail“, der auf der historischen „Nuxalk-Carrier Route“ nach Bella Coola zur Küste führt. Ein Stückchen südlich der Stadt, in der Nähe von Soda Creek, lädt auch das Xats’ull Heritage Village zum Besuch ein, das an die Ureinwohner dieser Region erinnert. Andere Ziele in der näheren Umgebung wären auch die Springhouse Gästeranch (mit Campingplatz), die historischen Dog Creek und Gang Ranch, der Farewell Canyon oder, im Norden, die lebende Goldgräberstadt Barkerville als Freilichtmuseum.

Dass Williams Lake überhaupt entstand, war reiner Zufall. Zunächst entschied sich ein Provinzbeauftragter für einen anderen, als den vorgesehenen Standort, und danach sorgte die geänderte Straßenprojektierung für den Niedergang der Ortschaft. Erst die Eisenbahngleise gaben der Ansiedlung eine neue Chance, wenn auch an etwas anderer Stelle. Doch all das brauchte auch seine Zeit. Den Anfang machte die Provinzverwaltung, als sie 1860 ihren Beauftragten Nind und den Polizisten Pinchbeck ins Cariboo schickte, um dort eine Verwaltung aufzubauen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Ende Juli machten sich die beiden Männer in Fort Hope auf den Weg, benutzten den „Boston Bar Trail“, der durch die Fraserschlucht führte, und hatten, als sie nach vier Wochen die Davidson Farm erreichten, sich auch über die übrigen 200 Meilen durch Schlamm, Sumpf und Gebüsch geschlagen. Heute fährt der Tourist die gleiche Strecke in wenigen Stunden im klimatisierten Mobil über Highway-Asphalt, doch es waren solche Pfade, die ihm vorausgingen und es erst möglich machten. Dass Nind nicht „Fort Alexandria“ als Hauptquartier auswählte, wo bereeits Post, Saloons, Läden und Lagerhäuser existierten, sondern seine Zelte weiter südlich am See aufschlug, überraschte zunächst, denn dort gab es lediglich eine Kirche von 1842, die Missionsfarm und ein Road House. Dennoch war dieser Platz, in dessen Nähe auch der Amerikaner Davidson 1859 seine Farm im Glendale Gebiet errichtet hatte, ein ganz vorzüglicher, denn hier kreuzten nicht nur einige der ins Landesinnere führenden Trails, sondern am nahe gelegenen Fluss hatten auch Goldsucher ihre Camps aufgeschlagen.

Als um das Road House herum Verwaltungsgebäude, Post Office, einige Häuser und Schuppen entstanden, war auch der Grundstein für das „erste“ Williams Lake gelegt. Die Attraktion der kleinen Ansiedlung war die gastfreundliche Einkehr, deren 1$-Mahlzeiten einen sehr guten Ruf hatten, und die für „Kamerad Pferd“, wurden Futter und Stall gebucht, 3.50 $ auf die Rechnung schrieb. Für 13 Cent pro Pfund wurden auch Kartoffeln angeboten, denn die eigene Ernte betrug jährlich etwa 800 Zentner. Wie der Ort zu seinem Namen kam, das will eine Sage wissen: Ein Fremder traf am See einen Angler und fragte ihn nach seinem Namen. Die Antwort war „William“, und auf die zweite, ob das sein See sei, antwortete der Indianer mit „ja“, womit Williams Lake getauft war. Für das weitere Wachstum sorgten die Goldfunde, denn sie zogen alle an, auch Gauner, Spieler und Banditen, und somit wuchs der Ort auch insgesamt zum Liefer- und Versorgungszentrum. Der zusätzliche Enthusiasmus, den 1863 die Kunde von der neuen Wagenstraße auslöste, wurde jedoch nicht belohnt, denn die fünfeinhalb Meter breite Spur zog, unvorstellbar für jene Einwohner, zur Lake Valley Ranch (später 150 Mile House), danach über die Berge zum Deep Creek, wo zwischenzeitlich Pinchbecks 164 Mile Road House stand, und schließlich nach Soda Creek. Damit war „Williams Lake-Village“ umgangen und versank in einen langen Schlaf.

Constabler Pinchbeck, dessen Anwesen dort stand, wo heute die Stampede der Provinzstadt stattfindet, war für diese Region allerdings ein richtig guter Mann, als Polizist, Richter, Anwalt, Henker, notfalls auch als „Arzt“. Eine Pistole soll er nie getragen, sondern jegliche Probleme mit seiner Autorität gelöst haben. Der Mann, der mit achtzehn Jahren England verlassen hatte und die Indianer gut behandelte, erkannte nicht nur sehr schnell die Bedeutung der Cariboo-Region, sondern war auch ein Visionär. Und deswegen kaufte er, gemeinsam mit einem Freund, auch weiteres Land, als die neue Straße nördlich vorbei zog. Am Ende gehörte ihnen mit achthundert Hektar das ganze Tal, von dem sie die Hälfte kultivierten. Obwohl die Postkutschen und Frachtwagen nun über das 150 Mile House fuhren, blieben sein Road House, Laden und Saloon weiterhin sehr erfolgreich, denn Pinchbecks „White Wheat Whisky“ war berühmt wie heutige Spitzenprodukte. Und somit waren es nicht nur die Goldschürfer, die im Winter für acht Dollar pro Woche in seinem Haus auf besseres Wetter warteten, die viel Geld in der Bar ließen. Ein warmes Essen kostete fünfzig Cent, ein Drink die Hälfte, und Pinchbeck investierte all diese Dollars wieder. Er baute Getreidemühle, Bier- und Whiskybrauerei und ein Sägewerk, Viehzucht und Landwirtschaft betrieb er nebenher. Sein Markt waren die Goldcamps, Packpferde das Transportmittel. Für die ganz schnellen Vierbeiner baute er sogar eine Bahn, denn Pferderennen galten als schick und Hauptsportart. Als die Rennen für 1861 anstanden, ruhte die Arbeit in den Camps fast zwei volle Wochen, denn die Leute kamen aus der ganzen Region und bevölkerten die abgeernteten Weizenfelder mit ihren Zelten. Im Pool sollen damals etwa sechzigtausend Dollar Preisgeld gewesen sein, die nach der Regel “der Gesamtsieger bekommt alles“ ausgeschrieben waren. Und dieser hieß Niger Baby, hatte Doc English im Sattel und gewann das Entscheidungsrennen in überlegener Manier. 1880 ging Pinchbeck zurück nach England und heiratete. Für seine erste Frau, die eine Tochter von Chief William gewesen sein soll, baute er am Nordende des Sees eine neue Bleibe, für sich selbst und die neue Familie das „Lower House am See“, das eine der besten Adressen der ganzen Gegend gewesen sein soll. Einige Jahre später zahlte er zwar seinen Partner aus, doch mit der zu Ende gehenden Goldrauschzeit gingen auch seine Geschäfte merklich zurück. Im Juli 1893 starb Pinchbeck. Seine weiße Grababgrenzung leuchtet heute vom Hügel über dem Stampedeplatz, auf dem er einst zu Hause war. Doch auch die berühmte Stampede der modernen Zeit kann nicht verhindern, dass Alteingesessene nach immer davon schwärmen, was Zeitzeugen ihren Nachfahren über die alte Squaw Hall und das Mountain Race überliefert haben. In jener wurde so manch lange Nacht gefeiert, und das wilde Rennen fand sein Ende, als der Cariboo Highway einige Korrekturen erfuhr, asphaltiert wurde und nicht mehr im Galopp überquert werden konnte. Joe Flieger, der das Rennen, das nur auf den letzten 250 Metern über besseren Boden führte, einst ins Leben rief, gewann die halsbrecherische Jagd über Berge, durch unwegsames Gelände und Busch auf seinem Schimmel Eagle 1923, 1924 und 1926. Noch besser war nur der Alkali Lake-Cowboy Squinahan, der im nächsten Jahrzehnt achtmal erfolgreich war.

Etabliert wurde die Stampede 1920, um die neue Stadt und die „Ankunft“ des Pacific Great Eastern Railways zu feiern. Chronisten berichten allerdings, dass es schon ein Jahr früher eine Stampede gegeben habe, als weder das Tal noch der neue Ort Straßen kannten. 1920 kamen aber alle, mit Wagen und Zelten, Weiße und Indianer um sich bei ihren täglichen Aufgaben im sportlichen Wettstreit zu messen und herauszufordern. Eine Arena gab es dafür noch nicht, aber ein ausgelassenes Tanzfest im Pinchbeck-Borland-Haus, nachdem alle Sieger ermittelt waren. Ein Jahr später hatte das neue Williams Lake bereits Formen angenommen, durch Hotels, Bars, eine Bank, Häuser und Schuppen. Danach wuchsen Ort und Cowboy-Sportspektakel weiter, bis der Zweite Weltkrieges dem sportlichen Ereignis eine Ruhepause aufzwang. Als es 1947 wieder eröffnet wurde, war auch die Zeit der lokalen Amateure vorbei. Die Stampede wurde, wie alle anderen großen Rodeos auch, zu einer hochprofessionellen Show mit Tribüne und Spitzenkönnern aus ganz Nordamerika. Nur die Tatsache, dass man genau wie damals einige Tage nicht zum Schlafen kommt, soll sich beim Rodeo nicht geändert haben. Andererseits funktionierte selbst in den 1950er Jahren in diesem Landstrich das Leben noch längst nicht so, wie anderswo in Kanada. So gaben die beiden Banken in der Stadt anlässlich des „October Cattle Sale“ an zwei verschiedenen Nächten jeweils eine Party, bei der um Schreibtische und Kassenschalter getanzt, und Drinks im Tresorraum gereicht worden sein sollen, denn beide waren hier auch schon ansässig, als 1919 die ersten Gebäude der neuen Stadt an der gegenüberliegenden Seeseite bei den Bahngleisen entstanden. Es waren zwar nur zwei kleine, mit Dachpappe gedeckte Holzhütten und weniger als zwanzig Quadratmetern, denn Geld für Besseres musste erst noch verdient werden. Aber auch das war anders als heute, denn die Kunden kamen nicht zur Bank, sondern „die Banker“ mussten oft meilenweit zu ihnen reiten, auch im Winter. Und wenn es um die Eröffnung einer neuen Zweigstelle ging, dann war es ähnlich wie heute, es las sich nur ein wenig anders, was Irene Stangoe in ihrem Buch „Cariboo-Chilcotin, Pioneer People and Places“ einem Bericht des damaligen Managers der Bank of Commerz in Williams Lake an seine Zentrale entnahm: „Die hohen Kosten, Miete für Büro, Pferd und Futter von monatlich 24 $, bei Pferdekauf 30 $ für Stallmiete und 60 $ pro Tonne Hafer, können anderweitig besser verwendet werden.“

Auch das 1920 erbaute „Log-Cabin-Hotel“, mit Lobby, Speisesalon und dreizehn Zimmern ein imponierender Bau, funktionierte noch etwas anders. Übernachtung und Essen hatten mit je 50 Cent den gleichen Preis, und das Wasser in der Badewanne war kalt. Warmes stand in der Zisterne hinter dem Lobbyofen zwar zur Verfügung, doch das musste sich der Gast auch selbst holen. Das große Feuer von 1921 überlebte es noch, doch als 44 Jahre später die Original-Holzbohlen einer Rundumrenovierung weichen mussten, ging mit ihnen auch ein ganzes Kapitel der alten Pionierzeit zu Ende. Williams Lake selbst, das seinen Namen vom Häuptling der Shuswap-Indianer erhielt und als Haltestelle auf dem Weg in die Goldfelder entstand, war aber endgültig etabliert, als der Great Pacific Eastern Railway 1919 diese Ansiedlung in seinen Schienenstrang einbezog. 1940 war der Ort bereits zum größten Rindertransportplatz der Provinz geworden, und runde 70 Jahre später wohnen hier 11.000 Einwohner die wissen, dass hier das Herz und der Lifestyle des Cariboo schlagen.

Weiter nördlich bleibt der Tourist ebenfalls auf geschichtsträchtigen Boden, denn zu Quesnel erinnert die „größte Goldpfanne der Welt“ an die einstige Aufbruchsstimmung, und in Barkerville sind es 125 Gebäude aus alten Zeiten, die zu einem ansehnlichen und lebendigem Museumsdorf zusammengefügt wurden. Als erster entdeckte hier 1862 Billy Barker das Gold im Williams Creek, doch lockte es auch Abenteurer aus aller Welt in diese Gegend, die für Jahrhunderte die Heimat der Carrier Indianer war und bereits französisch-kanadische Fallensteller und Pelztierjäger angezogen hatte. Auf dem Höhepunkt galt Barkerville zwar als der größte Ort nördlich von San Francisco und westlich Chicagos, doch damals war das eher ein Durcheinander aus Holzhütten, Zelten, Saloons und Läden. Als das Gold alle war, das gewonnene entsprach etwa 40 Millionen Dollar, blieben viele der Arbeiter in der Region, um für sich und ihre Familien eine neue Zukunft zu erarbeiten. Für den Tourismus wurde Barkerville, wie auch das 1864 erbaute Cottonwood House, ein Road House aus der Postkutschenzeit auf halbem Wege, sehr schön renoviert, und dort, wo Billy Barker sein Vermögen machte, verkörpern heute Schauspieler lebendigen Pionierboden und Goldgräberzeit. Der Name der Region wird eigentlich falsch geschrieben, denn er stammt von der Rentierart, die hier mit Tausenden ihrer Art lebten und Caribou genannt wird. Gleichfalls galt der Name auch nur für den Bereich, der sich nördlich von Quesnel-Forks befand, doch irgendwann bezog er sich auf das gesamte Gebiet, von Cache Creek bis nördlich von Quesnel, inklusive des ungeklärten Schreibfehlers.

Ehe der weiße Mann hier erschien, lebten etwa dreitausend Shuswap-Indianer friedvoll im Tal des Lake Columneetza (später Williams Lake) und folgten ihren Jahrhunderte alten Traditionen. Seine Jagdzüge dehnte dieser nomadisierende Zweig bis zum Fraser aus, lebte in Sommer in teepeeartigen Unterkünften aus Sumpfbinsen, im Winter in Erdhöhlen, den Keekwillies oder Pit-Houses. Als Fremde begegneten ihnen lange Zeit nur Pelzhändler und Jäger der Hudson’s Bay Company, die in den 1840er Jahren vom damaligen Fort Alexandria auszogen, um mit ihnen Handel zu treiben. Als jedoch 1859 gierige Weiße auf der Suche nach Gold über die Trails in die Cariboo Berge kamen, änderte sich das, und Chief Anahim von den Chilcotin Indianern plädierte bei einem Treffen aller Zweige am Lac La Hache im gleichen Jahr für Krieg gegen die Eindringlinge. Chief William hatte mit Pater Modeste Demers, der Anfang der Vierziger ins Tal gekommen war, jedoch keine schlechten Erfahrungen gemacht und überzeugte Häuptling Anahim, die Weißen willkommen zu heißen. Diese Einstellung behielt jener Häuptling auch bei, als wenig später Thomas W. Davidson Chief William um Erlaubnis bat, als erster weißer Siedler in seinem Tal ansässig werden zu dürfen.


Richtung Bella Coola ist der Heckman-Pass bei Nässe mit Vorsicht zu genießen

Diese freundschaftlichen Gesten sollten die Ureinwohner aber noch bitter bezahlen. Die 1862 grassierenden Pocken, die auch Chief Wilhelm nicht verschonten, überlebte nur ein Drittel, und danach musste dessen Sohn gleichen Namens als Nachfolger erkennen, dass ihnen die Weißen nicht nur die verheerende Krankheit gebracht hatten, sondern ihnen auch noch ihr Land nahmen, um es für sich zu kultivierten. Und selbst vor dem an der Kirche, auf dem die Indianer sesshaft geworden waren, machten die Eindringlinge nicht halt und verdrängten die Ureinwohner für mehr als 20 Jahre in den Berge, die das Tal säumten. Anschließend erlaubten ihnen zwar katholische Missionare, die im San Jose Tal ihre St. Josephs Mission gründeten, in der Nähe zu leben, aber eingepfercht und ohne eigenes Land und Jagdmöglichkeiten. Chief William jr. soll damals an den „Colonist“ in Victoria geschrieben haben, dass der Weisse Mann ihnen das Land genommen hat, auf dem seine Vorfahren seit über fünfhundert Jahren lebten, er riesige Weizenfelder und große Rinderherden besitzt, während den Indianern kein einzigen Acker verblieb, obwohl die königliche Proklamation von 1858 das Land der Eingeborenen mit ihren Häusern, Gärten, Friedhöfen, Fisch- und Jagdgründen ausdrücklich schützte. Daraufhin kaufte die Provinzregierung am Kopf des Sees einige Ranches und gab dieses Land 1880 den Indianern zurück. Vier Jahre später waren diese 1.600 Hektar als „Sugar Cane Reservat“ offiziell etabliert, und diese Indianer hatten nun wieder ein festes zu Hause.


Auf dem Weg ins Chilcotin – die Fraserbrücke

Wagon Road und BX

Die rot und gelben „Stagecoaches” der B.C. Express Company, kurz BX genannt, waren die Könige der Straße. Diese schwingenden Postkutschen teilten sich die Pionierpiste mit Frachtwagen, Minenarbeitern, Händlern und Abenteurern. Von den Zweibeinern kamen viele zu Fuß, manche auch mit Schubkarre, und bei den Pferden, Maultieren oder Ochsen hing die Bespannung von der Anzahl der Anhänger ab, die zwölf PS fordern konnten. Die fünfeinhalb Meter breite „Straße“ durch die Wildnis wurde von achthundert Arbeitern mit Schaufel, Hacke und Axt in Rekordzeit gebaut. 1861 in Lillooet begonnen, erreichte sie ihr Endziel Barkerville vier Jahre später. Für die Tausende, die in den zeitigen 1860er Jahren nordwärts zogen, waren ihre Straßenhäuser, die jeweils eine Tagesreise voneinander entfernt ihren Service anboten, ein „Geschenk“. Hier gab es Mahlzeiten und ein Lager für die Nacht. Nicht immer war das ein Holzbett, oft auch nur die eigene Decke auf dem Fußboden. Aber man hatte ein Dach über dem Kopf, und für die Tiere wurde auch gesorgt. Die meisten dieser Roadhouses, die der Straße folgten und unter der Meilenentfernung ab Lillooet firmierten, brannten jedoch irgendwann nieder, bis auf drei. Als Postkutschen und Frachtwagen begannen, die Cariboo-Region zu versorgen, hieß ihr Startort Yale, ab1886 Ashcroft, womit beispielsweise das 150 Mile House dann schon nach 130 Meilen erreicht wurde.

Die ersten Goldsucher nutzten zunächst die alten Indianer- und Trapper Pfade, die die Region kreuz und quer durchzogen, oder sie suchten ihre eigenen Wege. Viele aber kamen zurück, weil das vor ihnen liegende Gelände zu schwierig, und der Fraser River oberhalb von Yale nicht schiffbar war. Der Plan der „Royal Engineurs“ war kühn. Zunächst sollte die Straße durch den steilen Felsencanyon des Fraser Flusses geschlagen, danach vierhundert Meilen weiter durch die Wildnis zu den Goldfeldern führen. 1862 im Frühjahr unterschrieben Gustavus Blin Wright und John C. Calbreath die Straße mit achtzehn Fuß Breite für 600 Dollar pro Meile zu bauen. Entschieden war zu dieser Zeit auch, dass Fort Alexandria als alter Handelsposten der Hudson’s Bay Company das Ende des neuen Weges sein sollte. Als sich jedoch die Nichtnavigierbarkeit des Frasers zwischen dem Fort und dem südlichen Soda Creek als Irrtum erwies, wurde die Straße um 40 Kilometer kürzer und Soda Creek, wo die Wagon Road im Juli 1863 ankam, zur Umsteigestation auf die Raddampfer. Die königlichen Ingenieure vermaßen vor Ort sofort einundzwanzig Grundstücke, um die Basis für die neue Destination zu legen, während für deren Namen eine geniale Wortkombination reichte, die das Carbonat Gestein mit dem Gewässer verband, in dem es gefunden wurde.

Die Bootsbauer waren ebenso schnell wie die, die die Straße durch die Wildnis schlugen, denn als sie Soda Creek erreichten, war der erste der Schaufelraddampfer, die „Enterprise“, im nahen Four Mile Creek schon startfertig, um die 56 Meilen flussaufwärts nach Quesnel abzudecken. Damit wurde sie auch zum Vorfahren vieler dieser Stern Wheeler-Flussschiffe, die den oberen Fraser noch bis 1921 befuhren. Schnell waren auch die übrigen Handwerker, die im neuen Ort in Windeseile Hotel, Laden, Bar und Häuser errichteten. Als Post, Telegraphenbüro und Getreidemühle hinzukamen, sich am Ende der langen Straße eine Chinatown entwickelte und in der näheren Umgebung Farmen entstanden, waren die Voraussetzungen als neuer Knotenpunkt an der Cariboo Wagen Road erfüllt. Und wie immer in solchen Fällen, boomten sehr schnell Hotels, Bars, Saloons und das Pokerspiel im neuen Ort, in dem allein 1864 für mehr als viereinhalb Millionen Dollar Gold umgeschlagen wurde. Ein Jahr später war auch der letzte Straßenabschnitt bis Barkerville fertig, doch bevorzugten nicht wenige Reisende den Dampfer, statt sich in der Postkutsche auf der rauen Piste durchrütteln zu lassen.

Mit dem Rückgang der Goldfunde begannen auch die „Miners“ Barkerville wieder zu verlassen, und damit war auch gleichzeitig das Schicksal des in den Jahren 1863 – 1867 so geschäftstüchtigen Ortes am Fluss besiegelt. Dass das Geschäft dennoch einigermaßen florierte war der Fähre zu verdanken, die Passagiere, Güter und Post über den Fluss brachte, und Soda Creek zu einem Umschlagplatz für das sich nach Westen bis zum Pazifik ausdehnende Chilcotin machte. Dennoch kehrte in den nächsten zehn Jahren ziemliche Stille ein und erst, als zwischen 1903 und 1914 die Gleise des „Trunk Pacific Railway“ (heute CNR) gelegt wurden, der aus Ostkanada kommend über Fort George (Prince George) Prince Ruppert am Pazifik zum Ziel hatte, kam etwas vom alten Glanz zurück. Der Bau dieser Eisenbahn durch den nördlichen Teil der Provinz sorgte für neuen Schwung auf dem Fraser, um Siedler und Fracht nordwärts zum Fort George zu transportieren. Auch die Postkutschen und Frachtfuhrwerke kamen zurück, und die Crews der Eisenbahngesellschaft und ihrer mehr als zweitausend Schienenleger sorgten für klingende Münze in Geschäften, Hotels, Bars und Spielsalons. Einige der Dampfer riskierten jetzt sogar die Fahrt durch den gefürchteten Grand Canyon östlich von „Prince Georg“ nach Tete Jaune Cache, und der erste, der den am heutigen Highway 16 liegenden Ort ansteuerte, war die 1909 in Dienst gestellte Nechacco. Dennoch war das geschäftige Treiben kurzlebig und zu Ende, als 1919, Williams Lake, statt Soda Creek, als Zentralstation der Eisenbahn ausgewählt worden war. Die Wagenstraße hielt den Ort zwar noch am Leben, und 1930 wurde das alte Hotel noch durch ein neues ersetzt, doch als 1954 der moderne Highway 97 an der Gemeinde vorbeizog, war das endgültige Aus gekommen.

Heute ist Soda Creek ein kleiner verschlafener Ort am Ostufer des Fraser Flusses, aus dessen Glanzzeit, neben dem alten Gefängnis, wenig überlebt hat. Dieses kennt allerdings die Story, dass sein Erbauer, Billy Lyne, auch sein erster Insasse war. Nach der Vollendung seines Werkes hatte er in der Bar so intensiv gefeiert, dass er im eigenen „Bau“ ausnüchtern durfte. Als er 1949 im Alter von vierundachtzig Jahren starb, hatte sich mit ihm auch gleichzeitig einer der drei frühen Pioniere dieser Region verabschiedet. Er war südlich von Soda Creek Schmied und Farmer, und sein Anwesen ein populärer Rastplatz. Er baute das erste Sägewerk und verkaufte die Bretter an die Schiffsbauer. Die Geschichte, dass er sich in jener Nacht im Gefängnis fürchterlich über seine erstklassigen, handgeschmiedeten Fenstergitter geärgert haben soll, wurde über die Jahrzehnte ebenso weitergereicht wie die des Ortspolizisten, der Anfang der Neunziger Jahre im Winter vierhundert Meilen durch frostiges Chilcotin-Winterwetter ritt, um einen Mörder zu seinem Richter zu bringen.

Das farbigste Kapitel von Soda Creek waren jedoch seine Schaufelraddampfer. Mit ihrem flachen Boden brauchten sie nur wenige Zentimeter Wasser darunter, vertrugen den felsigen Untergrund, Stromschnellen, Schotterbänke und das Eis des oberen Frasers, und brachten Passagiere und Fracht mehr als vierhundert Meilen stromauf in die Rocky Mountains. Anfangs kannten diese Schiffe keinerlei Luxus, und die Passagiere mussten Feuerholz für die großen Boiler hacken oder auch ins kalte Wasser springen, um ihren Dampfer von einer Sandbank zu schieben. Das erste dieser Pionierbote war die 75.000 $ teure „SS Enterprice“, deren Maschinen und Kessel mit einem Maultiergespann über die Harrison-Lillooet-Route angeliefert wurden. Am 9.5.1863 trat sie zu ihrer Jungfernfahrt nach Quesnel an, und 1871 navigierte das dampfgetriebene Schiff sogar durch die gefährlichen Canyons bei Fort George, das später als Prince George auf die Landkarten kam. Dieses Schiff, als auch einige ihrer Nachfolger waren aber auf dem Fluss nicht allein, denn auch die B.C. Express Company, lange nur für ihren Postkutschenservice auf der Cariboo Wagon Road berühmt, gehörte zu denen, die sich in das hochprofitable Riverbotgeschäft einreihten. 1910 bauten sie zu Soda Creek innerhalb von drei Monaten die „B.X.“, den nobelsten Steamwheeler, der je seinen Dienst dort aufnahm. Siebzig der einhundertdreißig Kabinen waren dampfbeheizt, mit feinster Tisch- und Bettwäsche ausgestattet, und ihr englisches Porzellan trug die Buchstaben B.X. als Markenzeichen. 1912 stellte man ihr mit der „B.X. Express“ ein Schwesternschiff zur Seite, das zwischen Fort George und Tete Jaune Cache verkehrte. Ein Geschäftsleben war diesem Schiffsservice aber nur noch bis 1915 beschieden, nachdem ein Jahr zuvor die Eisenbahn in Fort George Einzug gehalten hatte und es auch abzusehen war, dass die Automobile bald folgen würden. Der allerletzte dieser stolzen Dampfer war die „Quesnel“, die 1921 im Fort George Canyon Schiffbruch erlitt. Mit ihr waren auch die Schiffssirenen auf dem oberen Fraser für immer verstummt. Für mehr als ein halbes Jahrhundert spielte sich das Leben im neu erschlossenen Land nahe der Cariboo Wagen Road ab, und die Siedler, die sich entlang des Weges niederließen, nutzten die entsprechende Meilenzahl auch als Adresse an. Letztendlich gab es auch aller zwölf bis fünfzehn Meilen ein Roadhouse, wo sich Mensch und Tier nach einer anstrengenden Tagesreise erholen konnten. Über die Jahre wurden einige immer wichtiger und entwickelten sich zu Ortschaften, andere verkamen oder gingen in Flammen auf, weil sich viele Ofenrohre durch die Räume drängten. Nur drei der ursprünglichen Originale überlebten, die der Meilen 132, 137 und 153. Ersteres erbaute ein Holländer 1889 in einem kleinen Tal des San Jose Flusses als Ranch. Das Haus, das nie Übernachtungen bot, sondern nur als Stopp- und Pferdewechselplatz im Fahrplan stand, war damals ein auffälliger Bau, weil es nicht aus den üblichen Rundhölzern bestand, sondern in einem Rahmen mit Doppelwänden erstellt wurde, zwischen denen Sägespäne für die Isolierung sorgten. Das Haus ging durch mehrere Hände, und wurde komplett renoviert, doch die funktionierende Wasserleitung soll noch das Original sein. Am einstigen „137“, dem ältestem Loghouse, das im Zentral-Cariboo erhalten blieb, zieht der moderne Cariboo Highway direkt an der Haustür vorbei. Sein Baujahr ist unbekannt, doch fand man bei Renovierungsarbeiten Zeitungen aus den 1860er Jahren. Die BX-Kutschen haben hier auch nie gehalten, doch standen Pferde und Ochsen für den Einsatz beim Straßentransport in den Ställen, und es galt für jedermann als eine beliebte Wegestation. 1973 kaufte es ein Farmer aus Colorado und modernisierte es.

Am „153“ wurde regelmäßig angehalten, und seine Geschichte ist die des Italieners Louis Crosina. Sie begann, als er 1882 seine Heimat verließ und setzte sich mit verschiedenen Jobs und seiner Heirat 1897 fort. 1903 begann er bei der Meile 153 Wald zu roden und machte das Land urbar. Ein „Road House“ hatte diese Familie zwar nie im Sinn, doch die Indianer, die bei der Arbeit halfen, wollten Lebensmittel statt Geld. Mit dem Kauf einer Waage hatte Clara Crosina aber automatisch auch die Grundlage für einen „Store“ in ihrer ersten kleinen Hütte gelegt. Das 1906 fertig gestellte große Holzbohlenhaus (Log House) erlangte schnell den Ruf einer Einkehr mit sehr guten Speisen, die für jeweils fünfzig Cent mit dem gleichen Preis angeboten wurden wie „ein Bett“ oder Stall und Futter für das Pferd. 1914 wurde das Anwesen mit weiteren Gebäuden, einer Schmiede und einem Laden erweitert. Ein gelegentliches Geschäft besorgte den Crosinas auch der Regen, denn wenn die Straße zwischen „153“ und dem „Mountain House“ am Berg tief wurde, mussten 18 Pferde pro Wagen angespannt werden, und auch dafür hatte der Italiener einige im Stall. Mit den ersten Autos wurden die Tagesabschnitte größer und weniger Rasthäuser benötigt, doch im „153“ machten die Eigentümer bis 1939 weiter, und deren Tochter Lill, die nie heiratete, noch bis 1958. Danach verkaufte sie die Ranch, behielt aber den Laden, in dem sie 1963 hinter der Kasse starb. Eingerichtet wie zu Lills Zeiten ist er heute ein kleines Privatmuseum, und der Schritt über die Türschwelle auch einer in eine längst vergangene Zeit.

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Altersbeschränkung:
0+
Veröffentlichungsdatum auf Litres:
22 Dezember 2023
Umfang:
698 S. 48 Illustrationen
ISBN:
9783957444042
Rechteinhaber:
Автор
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