Buch lesen: «5G-Wahnsinn», Seite 2

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Radar, Bluetooth und andere Funkanwendungen in Autos

Viele Autos haben Seiten-, Abstands- und Rückfahrradar. Das trägt zweifellos zur Verkehrssicherheit bei. Nicht vergessen werden darf dabei aber die Funkbelastung der Fußgänger und Radfahrer am Straßenrand. Speziell Schwangere, Säuglinge in Kinderwagen und Kleinkinder sind stark betroffen. Noch schlimmer ist die Strahlung von selbstfahrenden Autos. Auch die Personen im Innenraum können gefährdet sein, denn die meisten Autos sind mit WLAN und Bluetooth ausgerüstet. Durch die Metallkonstruktion der Karosserie können „Brennpunkte“ der Strahlung entstehen, an denen sie besonders hoch ist. Das gilt übrigens auch für das Telefonieren mit Handys im Auto. Außerdem sei auf die Magnetfelder der Sitzheizungen hingewiesen, die zwar keine Funkstrahlung darstellen, aber in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden dürfen.

Heizungssteuerung, Rollläden etc.

Hier besteht eine Funkbelastung nur für die kurze Zeit der Steuerung. Deshalb geht von ihnen im Allgemeinen keine Gefahr aus.

RFID

Hier geht es ums Auslesen von Daten auf Gebrauchsartikeln, Pässen usw. ähnlich wie bei einem Strichcode. Oft sind die Schaltkreise in einem kleinen weißen Plastikteil untergebracht, auf dem oben der Strichcode aufgedruckt ist. Die meisten RFID-„Transponder“ sind passiv, senden also nicht. Auch hier dauert die Funkbelastung nur kurze Zeit. Daher besteht keine Gefahr für Gesunde. Das gilt aber nur, wenn man sich nicht längere Zeit neben einem Auslesegerät aufhält.4

Behördenfunk TETRA für Polizei, Feuerwehr, Krankenfahrzeuge usw.

Er strahlt immer, also auch dann, wenn keine Gespräche oder Daten übertragen werden (in Deutschland bei 0,391–0,395 GHz).

Richtfunk

Die Strahlenbelastung besteht nur in der Richtfunkstrecke und in deren unmittelbarer Umgebung. Sie trifft meist keine Gebiete, in denen sich Menschen aufhalten.

Satellitenfunk bei 5G

Beim Satellitenfunk hat das Handy meist keinen Kontakt mit dem nächsten Mobilfunkmast, sondern mit einem Satelliten, der sowohl die Signale an das Handy sendet als auch die des Handys empfängt. Satellitenfunk war immer schon in sehr einsamen Gegenden wie in Wüsten und auf Meeren üblich. Für 5G sind zurzeit rund hunderttausend Satelliten geplant; viele davon sind schon genehmigt. Jeder wird eine Leistung von bis zu 5 MW (fünf Millionen Watt) EIRP5 haben. Trotzdem ist die Strahlung eines einzelnen Satelliten auf der Erde so schwach, dass in den meisten Fällen spezielle Empfänger benötigt werden. Für die Belastung der Menschen ist letztlich entscheidend, wie viele Satelliten gleichzeitig unser Land überfliegen.

Bei einigen Firmen dienen die Satelliten für 5G nur für einen schnellen Kontakt der Basisstationen untereinander. Die Smartphones haben dann wie üblich nur Kontakt mit der nächsten Basisstation.

Powerline oder PLAN

Daten können auch über die normalen Leitungen des Hausstroms übertragen werden. Dabei werden die Kabel als eine Art Antenne für einen Kurzwellensender benützt. Auf diese Weise hat man zwar weniger Strahlung als etwa bei WLAN, trotzdem kann die Belastung erheblich sein.

Rundfunk, Fernsehen

Obwohl hier manchmal sehr hohe Leistungen (von einigen 100 Kilowatt, d. h. einigen 100.000 Watt) abgestrahlt werden, sind die Sender meist genügend weit von der Wohnbebauung entfernt. Das gilt leider nicht für einige neuere Anlagen in Wohngebieten, in deren Umgebung viele Krebsfälle beobachtet werden.

Was ist neu bei 5G?

5G wird als schnelles Internet mit extrem kleiner Verzögerung („Latenzzeit“) beworben. Außerdem soll es das „Internet der Dinge“ ermöglichen, bei dem jedes „Ding“ Informationen über seine charakteristischen Eigenschaften, seinen Standort usw. sendet. Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte es sinngemäß so aus: Jede Milchkanne solle mit dem 5G-Netzwerk verbunden werden. Technisch wird die höhere Geschwindigkeit der Datenübertragung unter anderem dadurch erreicht, dass nicht wie beim klassischen Rundfunk eine einzige Welle (Frequenz) verwendet wird, sondern ein „Band“ mit einem ganzen Bündel davon. Man spricht von einem Breitbandnetz. Da jede einzelne dieser Wellen eine bestimmte Mindeststärke haben muss, um sicher empfangen zu werden, strahlt eine Datenübertragung natürlich umso mehr, je mehr von diesen Wellen zu einem Band zusammengefasst werden, je „breiter“ also das Band ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für 5G mehr Leistung nötig ist als bei den bisherigen Systemen 1G bis 4G. Das bestätigen auch die Messungen rund um 5G-Basisstationen.

Aufgrund seiner ausgefeilten Technik benötigt 5G zur Übertragung einer Nachricht, beispielsweise eines Bits, zwar weniger Sendeenergie als bisher, dafür laufen aber über eine 5G-Basisstation wesentlich mehr Daten, die gleichzeitig übertragen werden müssen. Man denke nur an das „Internet der Dinge“, bei dem möglichst jeder Gegenstand mit dem Internet verbunden werden soll. Die Daten müssen deshalb bei 5G in kürzerer Zeit, aber mit höherer Leistung des Senders übermittelt werden.

Diese ist so groß, dass sie nicht mehr in alle Richtungen abgestrahlt werden kann, wie das bei den früheren Generationen 1G bis 4G der Fall war. Das würde die Stromkosten zu sehr in die Höhe treiben. Stattdessen wird nur ein dünner Strahl auf den Nutzer gerichtet. Wenn sich dieser bewegt, muss ihm der Strahl natürlich folgen. Man spricht von einem „Bleistiftstrahl“, im Englischen „beam forming“. Die Bündelung wird dadurch erreicht, dass jeder Sender mehrere Antennen hat, deren Strahlen sich überlagern. Sie werden so gesteuert, dass sie sich dabei innerhalb des „Bleistifts“ verstärken und außerhalb abschwächen („Interferenz“). In diesem Strahl ist die Sendeenergie natürlich sehr hoch. Eine solche Antennenanlage kann verschiedene „Bleistifte“ senden und so gleichzeitig mehrere Nutzer bedienen. Diese Technik ist ein Spezialfall der „MIMO“-Technik (MIMO = Multiple Input, Multiple Output). Bei 5G wird sie aber nur angewendet, wenn die Frequenz über 2,5 GHz liegt.

Damit eine Verbindung zwischen der Basisstation und dem Nutzer überhaupt zustande kommt, werden mehrere Bleistiftstrahlen ständig sehr schnell über den ganzen Bereich gelenkt, der von der Basisstation versorgt wird.6 Sie suchen, ob ein Handy oder Smartphone mit ihnen Kontakt aufnehmen will. Das dauert nur wenige Millisekunden. Wenn man diesen Strahl messen will, benötigt man deshalb spezielle Geräte, die in so kurzer Zeit ansprechen. Natürlich wird das ganze Gebiet um die Basisstation herum von diesen sehr intensiven Strahlen jeweils kurze Zeit getroffen, ob man ein Smartphone benützt oder nicht. Der Unterschied in der Intensität der Strahlen zwischen dem „Leerlauf“, der immer zur Kontaktaufnahme mit möglichen Nutzern gesendet wird, und der maximalen Datenübertragung ist sehr groß und beträgt bis gut 1:260. Dadurch können die Daten sehr schnell übertragen werden.

Jede Mobilfunk-Basisstation kann gleichzeitig immer nur eine begrenzte Zahl von Kunden bedienen. Bei älteren Systemen waren das meist gut 60 Nutzer. Um alle Daten, auch die des Internets der Dinge, übertragen zu können, braucht man deshalb in Städten viele Basisstationen in kleinen Abständen, auf dem Land mit dünner Besiedelung dagegen solche mit größerer Reichweite.

Daher verwendet 5G drei verschiedene Frequenzbänder: Zunächst sollen alte Basisstationen von 2G, 3G und 4G auf die neue Technik 5G umgerüstet werden. Dabei werden die alten Frequenzbänder beibehalten. Außerdem werden die neu versteigerten Frequenzen zwischen 3,4 GHz und 3,8 GHz mit mittlerer Reichweite benutzt. Später kommt noch der Bereich um 26 GHz dazu. Bei diesen hohen Frequenzen liegt die Reichweite nur bei etwa 100–250 Metern, und das nur, wenn keine Bäume oder andere Hindernisse im Weg stehen. Wenn ihre Leistung unter 10 W bleibt, dürfen sie als „Kleinsendeanlagen“ überall ohne Genehmigung montiert werden. Nur der Besitzer des Grundstücks muss zustimmen. Um auch diese Hürde zu umgehen, werden sie oft an Straßenlaternen angebracht. Aus der geringen Sendeleistung darf man aber nicht schließen, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Denn wegen der unmittelbaren Nähe ist die Bestrahlung der Passanten auf der Straße möglicherweise größer als durch einen starken Sender, der weiter entfernt ist.

INFO

Wie breitet sich die Strahlung einer Antenne aus?

Gibt es den „Regenschirm-Effekt“, der besagt, dass direkt unter der Antenne eines Mobilfunksenders die geringste Strahlung sei? Warum werden nicht alle Bäume in der Umgebung eines Funkmasts geschädigt?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man die Ausbreitung der Strahlen um die Antenne kennen. Bei der bisherigen Technik für 2G bis 4G und bei den niedrigen Frequenzen von 5G braucht man drei Antennen, um das ganze Gebiet rund um die Basisstation zu bestrahlen. Jede davon „versorgt“ nur ein Drittel des Kreises um die Antennen, also einen Bereich von 120 Grad. Das kann man an den Sendemasten gut erkennen, auf denen die drei Antennen auf gleicher Höhe gegeneinander verdreht montiert sind. Baumschäden erwartet man nur im sogenannten Hauptstrahl, der senkrecht zu jeder von ihnen läuft.

Aber auch in Richtung des Hauptstrahls variiert die Strahlung stark: Direkt unter der Antenne ist die Funkbelastung meist am höchsten – auch wenn die Betreiber oft das Gegenteil behaupten. Den „Regenschirm-Effekt“ gibt es also nicht. Läuft man in Richtung des Hauptstrahls von der Antenne weg, so schwankt die Strahlung zwischen Maximal- und Minimalwerten.

Dabei sind die Maxima in der Nähe der Antenne die Stellen, an denen eine sogenannte „Nebenkeule“ der Strahlung auf die Erde trifft. Bei vielen innerstädtischen Masten hat man nach etwa 100 Metern wieder einen hohen Wert. Das ist die Stelle, an der der Hauptstrahl auf die Erde kommt. Von da an nimmt die Strahlung kontinuierlich (mit dem Quadrat des Abstands) ab. In weniger dicht besiedelten Gebieten und bei höheren Masten kann diese Entfernung wesentlich größer als 100 Meter sein, wenn ein größerer Umkreis um den Sender bestrahlt werden soll.

Da die Antennen innerhalb ihres Gehäuses ferngesteuert verstellt werden können, ist von außen nicht sichtbar, wo die Strahlung hoch und wo sie niedrig ist. Hier hilft nur eine Messung. Dabei spielt natürlich die Abschattung durch Bäume, Häuser und andere Dinge eine Rolle. Deshalb fallen bei der Messung die Maxima und Minima der Strahlung sehr unterschiedlich aus.

Bild 2 Verteilung der Sendeenergie in Hauptstrahl und Nebenkeulen; Antennenhöhe 10 Meter über dem Boden.


Bild 3 Gemessene Strahlung der Antenne von Bild 2 am Boden. Der Wechsel zwischen den Maxima und Minima durch die Nebenkeulen und den Hauptstrahl wird durch Abschattungen durch Bäume und Gebäude verzerrt.

Bei 5G hat man oft eine andere Abstrahl-Charakteristik: Dabei wird ein starker, schmaler Funkstrahl direkt auf den Nutzer gerichtet. Das wird im Abschnitt „Was ist neu bei 5G?“, siehe Seite 26/27, näher erläutert.


Erste Reaktionen

Wird irgendwo eine neue Sendeanlage errichtet, so spüren die meisten Menschen in der Umgebung keinerlei Beschwerden. Nur einige wenige bekommen schon nach Tagen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Nasenbluten usw. Bald können noch weitere Effekte dazukommen: Erschöpfung, Hautausschlag, Tinnitus oder unangenehme Erwärmung des Körpers ohne Fieber. Wie viele Menschen davon betroffen sind, lässt sich schwer feststellen, weil es sich um völlig unspezifische Beschwerden handelt, die nur mit großen Schwierigkeiten auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden können. Allein für Kopfschmerzen gibt es zweitausend verschiedene Gründe. Ein Arzt, der keine Erfahrung auf diesem Gebiet hat, könnte sagen: „Sie sehen den Mast vor Ihrem Fenster. Deshalb regen Sie sich auf. Da ist es kein Wunder, dass Sie schlecht schlafen. Ihre Konzentrationsprobleme sind dann die Folge.“

Tatsächlich wird den Ärztinnen und Ärzten auf vielen Fortbildungskursen7 vorgetragen, dass Funkstrahlung unterhalb der Grenzwerte keine Gesundheitsschäden hervorrufen könne und dass diese Beschwerden rein psychisch bedingt seien. Folglich werden in solchen Fällen häufig Beruhigungsoder Schlafmittel verschrieben, eventuell sogar Psychopharmaka. Dass diese Beschwerden keineswegs psychisch bedingt sind – wenn das auch in einigen wenigen Fällen zutreffen mag –, sieht man daran, dass auch Tiere und Pflanzen beeinträchtigt werden, worüber später noch berichtet werden wird (siehe Seite 89 ff.). Und diese haben sicher keine psychischen Probleme, wenn sie einen Funkmast sehen. Leider bleibt es oft nicht bei diesen ersten Reaktionen. Die schlimmeren treten aber gewöhnlich erst nach einer Bestrahlung von mehr als zehn Jahren auf. Zum besseren Verständnis wird zuerst beschrieben, wie elektromagnetische Felder auf Lebewesen einwirken. Das kann auf mehrere unterschiedliche Weisen geschehen.

Wirkmechanismen der Funkstrahlung

Funkstrahlung greift lebendige Strukturen auf mehrere, unterschiedliche Weisen an. Unter ihnen ist die Öffnung der sogenannten „Calcium-Kanäle“ am besten untersucht. Deshalb ist ihr und ihren Folgen auch der größte Teil dieses Kapitels gewidmet. In der untenstehenden Aufzählung werden aber in den Ziffern 3 bis 7 noch weitere Wirkmechanismen kurz vorgestellt.

Die wichtigsten Bausteine von Pflanzen, Tieren und Menschen sind die (Körper-)Zellen. Sie werden von einer Zellmembran umschlossen. Innerhalb der Zelle gibt es einen Überschuss an negativ geladenen Teilchen, außen herrschen positiv geladene vor. Das sind vor allem Natrium-, Kalium- und Calcium-Ionen. Eine Änderung der Calcium-Konzentration in der Zelle kann beispielsweise zu Muskelkontraktionen, zur Synthese von Hormonen oder zu Nervenimpulsen führen. Calcium steuert auch die Biosynthese von Proteinen. Manchmal, beispielsweise, wenn ein Nervenimpuls erzeugt werden soll, strömen Calcium-Ionen in die Zelle. Dazu dienen die „Calcium-Kanäle“. Das sind „Röhren“ durch die Zellmembran, durch die die Calcium-Ionen von außen ins Innere der Zelle gelangen können. Sie sind normalerweise verschlossen, können aber durch Funkstrahlung geöffnet werden. Das wurde in mehreren Experimenten nachgewiesen.8 Dafür werden zwei Wirkmechanismen diskutiert:

Die Calcium-Kanäle werden durch „Schalter“ geöffnet, sodass Calcium in die Zelle einströmen kann. Normalerweise geschieht dies selten und nur, wenn die Zelle zu einer spezifischen Aktivität angeregt werden soll. Der „Schalter“ ist ein Sensor, der auf Änderungen der elektrischen Spannung reagiert. Man kann ihn sich als einen Stöpsel vorstellen, der unter normalen Umständen bei einer Änderung der Spannung angehoben wird und so die Calcium-Ionen passieren lässt. Er enthält vier schraubenförmige Abschnitte, die in den Calcium-Kanälen9 liegen. Jeder dieser schraubenförmigen Abschnitte hat an einem Ende fünf elektrische Ladungen, sodass insgesamt 20 Ladungen im Spiel sind. An ihnen greift die Funkstrahlung an, wenn das Handy sendet.

Außerhalb und innerhalb der Zelle und auch im Calcium-Kanal selbst gibt es freie Ionen, die auf die Spannungssensoren der Calcium-Kanäle wirken. Sie bewegen sich unter Funkstrahlung sehr langsam und nur unglaublich kurze Strecken von 10–11 bis 10–12 m.10 Trotzdem zeigen Berechnungen,11 dass bei gepulsten Wellen unter Umständen schon eine sehr schwache Strahlung von weniger als 0,003 µW/m2 genügt, damit der Kanal aufgeht und Calcium in die Zelle einströmt. Dieser Wert hängt ganz wesentlich von der Pulsung ab. Bei ungepulsten Wellen bräuchte man erheblich stärkere Strahlung. Außer der Funkstrahlung können auch Magnetfelder diesen Effekt auslösen: Magnetfelder entstehen unter Hochspannungsleitungen und, wenn ein Handy benutzt wird, durch die Pulsung.12

Es gibt noch einen weiteren Mechanismus, wie Calcium-Kanäle durch Funkstrahlung geöffnet werden können: Wir wissen, dass viele Proteine ihre biologische Wirksamkeit nicht nur durch ihre chemische Zusammensetzung erreichen, sondern auch durch ihre spezielle Form. Das wurde oben anhand der schraubenförmigen „Schalter“ in den Calcium-Kanälen gezeigt. Die Gestalt der Proteine wird meistens durch sogenannte „Wasserstoffbrücken“ gehalten. Das heißt, dass die elektrischen Ladungen in den Proteinen nicht gleichmäßig verteilt sind. Dabei ziehen sich positive und negative Ladungen an und halten den entsprechenden Abschnitt des Proteins in Form. In der Pionierarbeit von Henrik und Jakob Bohr13 wurde nachgewiesen, dass Mikrowellen diese sehr schwache Anziehungskraft aufbrechen können. Das passiert auch bei den schraubenförmigen „Schaltern“ in den Calcium-Kanälen, die dann ihre Steifigkeit verlieren und den Weg ins Innere der Zelle freigeben. Nach der sehr groben Abschätzung zum Thema „Öffnung der Calcium-Kanäle durch Änderung der Proteinfaltung“ (siehe Seite 40 f.) braucht man mindestens 2,5 W/m2, um dadurch die Öffnung der Calcium-Kanäle zu bewirken – möglicherweise in einigen Situationen auch wesentlich mehr. Bedenkt man aber, dass der ICNIRP-Grenzwertvorschlag14 von 2020 Teilkörperbestrahlungen bis zu 100 W/m2 (an absorbierter Leistung) zulässt, so muss die Proteinfaltung auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Bild 4 Funkstrahlung kann die Struktur von Proteinen verändern.

Die Proteine müssen jedoch nicht sofort ihre Gestalt verlieren. Es kann sein, dass sie sich nur unverändert bewegen und dabei einige Mikro-Strukturen (z. B. im Cytoskelett) ändern.15 16

Die bisher genannten Mechanismen bewirken die Öffnung von Calcium-Kanälen.17 Das ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, Zellen oder Gewebe zu schädigen:

Durch die Funkstrahlung werden Spannungen kurz unter der Haut induziert.18 Außerdem erzeugt das elektrische Feld der Strahlung Ströme im Gewebe.19 Dabei ist zu beachten, dass diese Ströme in nicht-linearen Übertragungswegen laufen und dabei zum Teil gleichgerichtet werden. Obwohl in der Endnote gezeigt wird, dass die so erzeugten Stromdichten von einigen zig µA/mm2 sehr klein sind, können sie doch möglicherweise bei der Signalübertragung zwischen den Zellen durch die „Membran-Nanokanäle“20 eine Rolle spielen.

Außer diesen spielen noch weitere Mechanismen eine wichtige Rolle: Die Lebensdauer von Paaren Freier Radikale (siehe Bild 5) kann verlängert werden, wenn zusätzlich zur Funkstrahlung noch ein schwaches Magnetfeld wie das der Erde vorhanden ist.21 22 Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie schädliche Reaktionen hervorrufen.

Außerdem kann die Zähigkeit des Wassers (Viskosität) durch Funkstrahlung erniedrigt werden. Auch das wurde schon unterhalb unserer Grenzwerte nachgewiesen, nämlich bei 0,45 GHz und 24,6 V/m.23 Damit werden die so wesentlichen Diffusionsprozesse im Körper verändert.

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass bei Frequenzen von einigen GHz Körperteile, beispielsweise ein Finger, mit einer Ausdehnung von einem Viertel der Wellenlänge, also in Dezimeter- und Zentimeterbereich, als effektive Antennen wirken und so mehr Energie aufnehmen, als man vielleicht erwarten würde.

Für hohe Frequenzen spielen noch weitere Effekte eine Rolle, die im Abschnitt „Was ist bei 5G anders?“ (Seite 82 ff.) näher beschrieben werden.

Zurück zur Öffnung der Calcium-Kanäle: Die Calcium-Ionen im Inneren der Zelle lösen eine Reihe von Reaktionen aus: Sie neutralisieren zum Teil die negative Ladung, die dort vorhanden ist. Bei Nervenzellen kann dadurch ein Nervenimpuls ausgelöst werden, bei Muskeln kann es zu Kontraktionen kommen. Außerdem verursachen sie über mehrere Zwischenschritte die Entstehung von aggressiven chemischen Verbindungen wie „reaktive Sauerstoff-Spezies“, ROS, und reaktive Stickstoffverbindungen, ausgehend von Stickstoffmonoxid NO und seinen Folgeprodukten wie zum Beispiel ONOO.24 Sie sind die Ursache für den „Oxidativen Stress“ der Zellen.

Bild 5 Wirkung der Funkstrahlung auf die Calcium-Kanäle und die Folgen – nach einer Idee von Pall (2019).

Die Kenntnis dieser Reaktionen ist aber im Folgenden nicht nötig. Trotzdem werden hier wenigstens die wichtigsten Schritte angegeben:

Das Einströmen von Calcium in die Zellen durch Funkstrahlung ist in vielen wissenschaftlichen Arbeiten sehr gut dokumentiert.25 Sogar die beratende Expertengruppe BERENIS der Schweizer Regierung hat die Folge davon, nämlich den Oxidativen Stress, anerkannt, insbesondere auch, dass Oxidativer Stress die Ursache einer Palette entzündlicher Erkrankungen ist.26 Wenn ein großer Teil des Calciums in die Zellen fließt, fehlt es natürlich in den Bereichen zwischen den Zellen. Das kann schlimme Konsequenzen haben. Bei einer Bekannten kommt es zu einem lebensgefährlichen Calcium-Mangel im Blut, sobald sie Funkstrahlung ausgesetzt ist. Einige Zeit nach ihrer Rückkehr in ein besonders funkarmes Gebiet normalisiert sich ihr Calcium-Spiegel wieder. Diese Beobachtung hat sie wiederholt machen müssen.

INFO

Öffnung der Calcium-Kanäle durch Änderung der Proteinfaltung

In diesem Abschnitt wird eine sehr grobe zahlenmäßige Abschätzung angegeben, welche Leistungsflussdichten nötig sind, um die Proteinfaltung zu ändern. Dabei ist zu beachten, dass speziell bei höheren Frequenzen die Funkstrahlung nicht tief in das Gewebe eindringt und daher die gesamte eingestrahlte Energie in einer dünnen Schicht unter der Haut absorbiert wird. Dort treten dann große Belastungen auf. Es können aber auch Brennpunkte („hot spots“) mit hohen Energiedichten entstehen. Deshalb sind keine genauen Angaben darüber möglich, bei welcher Einstrahlung eine Aufweichung der Proteinfaltung erfolgen kann. Hier geht es nur um eine Abschätzung der Größenordnung.

Die Funkstrahlung kann zunächst die Proteine zu Schwingungen anregen,28 die dann eventuell zum Aufreißen der Helices führen. Die Bindungsenergie der Wasserstoffbrücken in den S4-Helices beträgt etwa 2,5 x 10–20 Joule.29 (Hier und im Folgenden stehen J für Joule = Wattsekunde, ms für Millisekunde und nm für Nanometer.) Für die Einwirkung der Funkstrahlung kann 1 Millisekunde als typische Zeit für Prozesse in der Zelle eingesetzt werden. Die Höhe der Helix ist etwa gleich der Dicke der Zellmembran, also etwa 10 nm = 10–8 m, ihr Durchmesser wird als 1 nm angenommen.

Um die Wasserstoffbrücke aufzubrechen, braucht man eine eingestrahlte Energie, die mindestens so groß ist wie die Bindungsenergie. Da die Energie gleich der eingestrahlten Leistung mal der Zeit ist und die Strahlung von einer Fläche absorbiert wird, die dem Querschnitt der Helix entspricht, erhält man:

Leistungsflussdichte = Bindungsenergie / (Fläche x Zeit)

= 2,5 x 10-20 Ws / (10-8 m x 10-9 m x 10-3 s)

= 2,5 W/m2

Das bedeutet, dass ab einer Leistungsflussdichte von etwa 2,5 W/m2 die Wasserstoffbrücken in den Helices der Kanalproteine („Schalter“) aufgeweicht werden können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Bindungslänge der Wasserstoffbrücken von etwa 0,18 nm wesentlich kleiner ist als die Höhe der Helices, was in diesem sehr groben Modell zu einer Erhöhung der nötigen eingestrahlten Leistung führen könnte. Andererseits wurden die Eigenschaften der Umgebung der Brücken (insbesondere das Verhalten im elektrischen Feld, nämlich die sogenannte Dielektrizitätskonstante) nicht berücksichtigt, was dieses Ergebnis ebenfalls beeinträchtigt. Für eine genauere Aussage sind daher umfangreiche Untersuchungen nötig.

Wichtig ist hier nur, dass die vorübergehende oder dauerhafte Auflösung der Form der Helices in einem Bereich stattfindet, der mit den heutigen Grenzwerten erreicht werden kann.

Es ist unmöglich, hier alle Folgen aufzuzählen, die durch das Einströmen von Calcium in die Zellen entstehen.27 Im nächsten Abschnitt werden die wichtigsten davon genannt (beispielsweise verminderte Hormonproduktion), ohne auf die Krankheiten und Beeinträchtigungen einzugehen, die sich daraus ergeben (beispielsweise verminderte Fruchtbarkeit). Diese sind das Thema des nächsten Kapitels (Seite 49 ff.). Dort werden auch Folgen von Funkstrahlung erwähnt, die nicht oder nicht direkt mit Calcium in Verbindung stehen. Einen Überblick über diese Krankheiten finden Sie unter „Erkrankungen durch Funkbelastung“ (siehe Seite 83 ff.). Im Übrigen wird auf die Literaturauswahl am Ende des Buches verwiesen.