Buch lesen: «Volkswirtschaft», Seite 5

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1.2.4 Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto und die volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen

Einkommen entsteht durch Produktion

Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto ergibt sich durch Konsolidierung der Einkommenskonten des privaten und staatlichen Sektors. Es informiert darüber, wie das gesamtwirtschaftliche Einkommen entstanden ist und wie es verwendet wurde. Was die Einkommensentstehung betrifft, so dürfte schon nach dem bisher Gesagten klar sein, dass der Realwert des entstandenen Einkommens im Kern nichts anderes darstellt als die produzierte Gütermenge. Daraus wiederum folgt, dass die Entstehungsseite des Einkommens buchungstechnisch die rechte Seite des Einkommenskontos sein muss, da sie zum größten Teil die Gegenbuchung zum gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto (vgl. Abschnitt 1.2.3) aufzunehmen hat. Dort war die produktionsbedingte Einkommensentstehung auf der linken Seite in Gestalt der Nettowertschöpfung als Summe der Faktoreinkommen, aber auch in Gestalt der indirekten Steuern abzüglich Subventionen als Netto-Staatseinnahmen sichtbar geworden. Die linke Seite des gesamtwirtschaftlichen Einkommenskontos informiert dann über die Verwendung des Einkommens, die wiederum güterbezogen und bei den Konsumausgaben die Gegenbuchung zum Produktionskonto ist.

Die Tatsache, dass es sich bei den Einkommensbeziehern um (natürliche und juristische) Personen und den Staat handelt, lässt außerdem den Schluss zu, dass das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto nach dem Inländerkonzept zu führen ist. Da das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto andererseits auf dem Inlandskonzept basiert, wird nach der Gegenbuchung eine Korrektur erforderlich. Sie erfolgt über die von Inländern aus der übrigen Welt bezogenen Nettoprimäreinkommen (PEN←üW) (siehe unten).

Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto nach dem Inländerkonzept hat folgende Gestalt:


Aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto lassen sich die folgenden volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen gewinnen:

Nettonationaleinkommen

Nettonationaleinkommen (NNE) = Primäreinkommen (PE) = NIP plus Saldo der Primäreinkommen (Nettoprimäreinkommen) aus der übrigen Welt (Faktoreinkommen der Inländer im Ausland minus Faktoreinkommen der Ausländer im Inland (PEN←üW)). Im gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto setzt sich das NNE aus den Positionen 1., 2. und 3. auf der rechten Seite zusammen. In Symbolen: NNE = NIP + PEN←üW.

Das NNE wurde früher (vor 1995) auch als Nettosozialprodukt zu Marktpreisen bezeichnet.

Volkseinkommen

Volkseinkommen (VE) = NNE − (Tind – Z)= Arbeitnehmerentgelte für den Produktionsfaktor Arbeit plus Unternehmens- und Vermögenseinkommen für die Produktionsfaktoren Boden und Kapital. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen nach dem Inländerkonzept sind also das Gegenstück zu den Betriebsüberschüssen bzw. Selbstständigeneinkommen nach dem Inlandskonzept. Das Volkseinkommen wurde früher (vor 1995) auch als Nettosozialprodukt zu Faktorkosten bezeichnet, um deutlich zu machen, dass es um die Einkommen der Eigentümer der Produktionsfaktoren geht, die aus Sicht des volkswirtschaftlichen Einkommenszahlers als Kosten zu interpretieren sind.

Lohn- und Profitquote

Der Anteil der Faktoreinkommen aus Arbeitskraft am Volkseinkommen wird als Lohnquote, der Anteil der Faktoreinkommen aus Boden und Kapital am Volkseinkommen als Profitquote bezeichnet. Als grobe aktuelle Werte können 70 % bzw. 30 % gelten.

Da das Volkseinkommen (VE) noch nicht die staatliche Beeinflussung des Einkommens (z. B. durch die Steuerbelastung) berücksichtigt und demnach den Einkommensbeziehern noch nicht voll für ihre Kaufentscheidung zur Verfügung steht, lässt sich noch eine weitere Einkommensgröße bilden:

Verfügbares Einkommen als Großteil der Produktion

Verfügbares Einkommen (Yv) = VE minus an den staatlichen Sektor geleistete direkte Steuerzahlungen (Tdir) (Einkommen- und Vermögenssteuern, einschl. Sozialversicherungsbeiträge) der nicht staatlichen Sektoren als Inländer plus von Inländern empfangene Tdir des staatlichen Sektors plus von Inländern empfangene indirekte Steuern (Tind) des staatlichen Sektors minus an Inländer geleistete Subventionen (Z) des staatlichen Sektors minus an Inländer geleistete Transferzahlungen (z. B. Kindergeld, Wohngeld etc.) (Tr) des staatlichen Sektors plus vom staatlichen Sektor empfangene Tr der Inländer minus Saldo der Transferzahlungen (Nettotransferzahlungen) an die übrige Welt (TrN→üW) (z. B. Entwicklungshilfe). In Symbolen zusammengefasst:

Yv = VE − Tdir + Tdir + Tind − Z − Tr + Tr − TrN→üW = VE + Tind − Z − TrN→üW

Yv = NNE − TrN→üW

Da sich einige Größen – nämlich Tdir und Tr – gegenseitig als gesamtwirtschaftliche Einnahmen bzw. Ausgaben aufheben, wird deutlich, dass die gesamte volkswirtschaftliche Produktion (mit Ausnahme der Güter, die in Höhe der Abschreibungen die verschlissenen Investitionsgüter ersetzen sollen, und der Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW)) bzw. ihr Gegenstück in Gestalt des Nettonationaleinkommens dem gesamten verfügbaren Einkommen entsprechen muss. Anders ausgedrückt:

Wo produziert wird, entsteht gleichzeitig auch Einkommen. Produktion und Einkommen sind zwei Seiten der gleichen „Medaille“.

Warum wird der Boden nicht abgeschrieben?

Außerdem wird deutlich, dass nur das als Einkommen und damit maximal nutzbare Gütermenge bezeichnet wird, was über den Erhalt des Sachkapitals hinausgeht. Es soll also sichergestellt werden, dass auch im nächsten Jahr wieder ein entsprechendes Einkommen erzielt werden kann. Man könnte demnach in Anlehnung an das traditionelle Produktionsverfahren in der Forstwirtschaft von einem „Nachhaltigkeitskonzept“ sprechen, das auch der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrunde liegt. Allerdings ist kritisch zu fragen, warum nur das Sachkapital als künstlicher, von Menschen geschaffener Produktionsfaktor erhalten werden soll, die Abnutzung des natürlichen Kapitals aber unberücksichtigt bleibt. Abschreibungen des Produktionsfaktors Boden sind jedenfalls – wie schon im Abschnitt 1. 2. 1 erwähnt – nicht vorgesehen. Es wird anscheinend angenommen, dass er unbeschränkt und damit kostenlos zur Verfügung steht. Die kritische Frage lautet daher: Sollte ein ernst zu nehmendes „Nachhaltigkeitskonzept“ nicht auch der Bodennutzung Rechnung tragen? Darüber hinaus: Wird und – wenn ja – wie wird die Abnutzung der menschlichen Arbeitskraft berücksichtigt?

Die konkrete Verfügung über das verfügbare Einkommen (Yv) wird volkswirtschaftlich so interpretiert, dass aus dem Einkommen zunächst der Kauf von Konsumgütern (C) finanziert wird. Der Rest wird als Sparen (S) bezeichnet. In Symbolen ausgedrückt:

S = Yv − C

Sparen als Konsumverzicht

Sparen ist also entgegen dem täglichen Sprachgebrauch keine Bestandsgröße (z. B. das Guthaben auf dem Sparbuch zu einem bestimmten Zeitpunkt), sondern gibt als Strömungsgröße an, welcher Teil des verfügbaren Einkommens im Zeitablauf (z. B. im Laufe eines Kalenderjahres) nicht konsumiert wurde.

Die aktuellen Werte für die wichtigsten volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen in Deutschland können der Übersicht im Abschnitt 1.2.3 entnommen werden.

Situationsbezogene Antwort 4

Das von Installationsmeister Röhrl im Rahmen seiner Güterproduktion geschaffenen Faktoreinkommen bei den Eigentümern der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital ist seine Nettowertschöpfung. Sie setzt sich aus seinen Personalkosten als Arbeitnehmerentgelte und aus seinem betriebswirtschaftlichen Gewinn als Selbständigeneinkommen zusammen. Beide Einkommen aber sind Teil des Volkseinkommens als Inländereinkommen. Seinen Gewinn kann Installationsmeister Röhrl in seinem privaten Unternehmen als Finanzierungsmittel für Investitionsgüterkäufe (z. B. Anschaffung eines neuen Lieferwagens) belassen (unverteilter Gewinn) oder er kann ihn als Finanzierungsmittel zum Konsumgüterkauf (z. B. Anschaffung einer neuen Wohnzimmereinrichtung) in seinem privaten Haushalt entnehmen (verteilter Gewinn). In beiden Fällen aber hat er eine Einkommensteuer als direkte Steuer zu entrichten, bevor er weiter über das Einkommen verfügen kann.

Der von Installationsmeister Röhrl nicht entnommene und besteuerte Gewinn stellt ein Einkommen seines Unternehmens dar und wird vollständig zum Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen) verwendet, da Unternehmen definitionsgemäß nicht konsumieren. Dagegen erhöht der entnommene Gewinn das Einkommen seines privaten Haushalts und steht dann (ohne nochmalige Besteuerung) für den Kauf von Konsumgütern zur Verfügung. Verbleibt danach noch ein Einkommensrest, so dient er ebenfalls dem Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Alterssicherung).

Es darf nicht übersehen werden, dass auch die Personalkosten von Installationsmeister Röhrl aus volkswirtschaftlicher Sicht ein Einkommen entstehen lassen und damit zum Volkseinkommen beitragen, nämlich bei seinen Beschäftigten, über das diese dann nach Entrichtung der Lohn- und Einkommensteuer entsprechend ihren Wünschen verfügen. Auch bei ihnen gilt, dass die nicht zum Konsumgüterkauf verwendeten Einkommen dem Sparen dienen. Und letztlich entstehen auch durch die Steuerzahlungen (direkte und indirekte Steuern) der privaten Haushalte und Unternehmen Einkommen, nämlich im staatlichen Sektor. Sie zählen zwar nicht zum Volkseinkommen, da sie kein Faktoreinkommen sind, werden vom Staat nach Zahlung von Transfers (z. B. in Gestalt von Kindergeld an die Beschäftigten von Installationsmeister Röhrl) aber dann ebenfalls zum Kauf bzw. Eigenverbrauch von Konsumgütern (z. B. in Gestalt der produzierten Bildungsleistungen = Staatskonsum) verwendet. Der Rest stellt wiederum Sparen dar, das auch negativ sein kann, wenn die Konsumausgaben das verfügbare Einkommen überschreiten, eine im staatlichen Sektor keineswegs unrealistische Situation und mit einer Erhöhung der Staatsverschuldung verbunden.

Situationsbezogene Frage 5

Wie hat Installationsmeister Röhrl mit der Ausdehnung seiner Produktion zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung beigetragen?

1.2.5 Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto und die Beziehung zwischen Sparen und Investieren

Bildung und Finanzierung von Produktivvermögen

Der gesamtwirtschaftliche Vermögensbegriff ist produktionsbezogen, d. h., als Vermögensbildung gilt nur, was entweder direkt der Produktion dient wie die Nettoinvestitionen (Sachvermögensbildung) oder ihr zumindest indirekt als Finanzierungsquelle der Nettoinvestitionen über das Sparen (Reinvermögensbildung) zugute kommt. Übersteigt die Reinvermögensbildung die Sachvermögensbildung und treten demnach Finanzierungsüberschüsse (FÜ) auf, so kommt es zur Geldvermögensbildung. Das Vermögensänderungskonto macht diese Vorgänge sichtbar und übernimmt dabei wiederum die Funktion, die Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto aufzunehmen, und zwar in Gestalt der Bruttoinvestitionen und Abschreibungen bzw. in Gestalt des Sparens.

Allerdings tritt dabei das Problem auf, dass die Bruttoinvestitionen (Ib) und Abschreibungen (D) bzw. deren Differenz, die Nettoinvestitionen (In), nach dem Inlandskonzept, das Sparen (S) aber nach dem Inländerkonzept ermittelt worden sind. Ist es also zu einem Finanzierungsüberschuss gekommen, weil das Sparen größer als die Nettoinvestitionen war (S > In), so kann dieser Finanzierungsüberschuss nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass ein Exportüberschuss (Ex > Im) entstanden ist, sondern es können auch Finanzierungsmittel aus der Differenz von Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PENüW) und Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW) zugeflossen sein. Für den Fall S > In muss also für den Saldo des Vermögensänderungskontos gelten: FÜ = Ex + Im + PENüW − TrN→üW. Die einzelnen Komponenten des Saldos sind gleichsam die noch fehlenden Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto, die wir aber noch gesondert auf dem Konto der übrigen Welt erfassen werden.

Wird das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto auf die beschriebene Weise gefüllt und saldiert, so wird es auf das Inländerkonzept vereinheitlicht und erhält folgende Gestalt:


Sparen gleich Investieren

Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto führt uns zu der wichtigen Einsicht, dass die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Sparens aufgrund der Begriffswahl in einer geschlossenen Volkswirtschaft (d. h., ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen Welt wie z. B. durch Export und Import) am Ende der Rechnungsperiode immer den Nettoinvestitionen entsprechen muss: S = In.

Investitionen ohne Sparen nur durch internationale Verschuldung oder Geschenke

Positive Nettoinvestitionen und damit eine Ausdehnung des Sachkapitalbestandes bzw. der zukünftigen Produktionskapazitäten sind also in einer geschlossenen Volkswirtschaft nur durch Konsumverzicht möglich. Länder, die sich aufgrund eines ohnehin geringen Versorgungsniveaus der Bevölkerung mit Konsumgütern keinen weiteren Konsumverzicht leisten können und demnach Schwierigkeiten mit dem Sparen haben, können Investitionen daher zwangsläufig nur durch Öffnung ihrer Volkswirtschaft und über einen Importüberschuss (Im > Ex) und damit durch Verschuldung in der übrigen Welt finanzieren. Die Verschuldung lässt sich lediglich durch empfangene Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PENüW) oder/und durch empfangene Nettotransferzahlungen („Geschenke“) aus der übrigen Welt (TrNüW = − TrN→üW) mildern. Für diejenigen, die es genau wissen wollen:

In einer offenen Volkswirtschaft gilt nach den bisherigen Begriffen bzw. Symbolen:

S = Yv − C = NNE − TrN→üW − (Cpr + Cst) = NIP + PENüW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Cpr + Cst + Ibpr + Ibst + Ex − Im − D + PENüW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Ibpr + Ibst − D + Ex − Im + PENüW − TrN→üW

S = In + Ex − Im + PENüW − TrN→üW

Wenn S = 0, dann gilt:

In = (Im − Ex) − PENüW + TrN→üW = (Im − Ex) − PENüW − TrNüW

Die Nettoinvestitionen (In) sind in diesem Fall mit einem Finanzierungsdefizit ((Im − Ex) − PENüW − TrNüW) auf der rechten Seite des gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskontos verbunden. Es entspricht dem Leistungsbilanzdefizit, wie wir im 8. Kapitel bei der Darstellung der Zahlungsbilanz noch sehen werden. Das Land ist also in diesem Fall voll auf die Hilfe aus der übrigen Welt angewiesen.

Situationsbezogene Antwort 5

Unter volkswirtschaftlichem Blickwinkel liegt eine Vermögensbildung nur dann vor, wenn es sich um Produktivvermögen handelt, d. h., wenn sich die Produktionsmöglichkeiten erhöhen. So stellt z. B. die Wohnzimmereinrichtung, selbst z. B. ein wertvoller Kunstgegenstand, kein Produktivvermögen dar, da sie nicht wieder der Produktion dient. Produktivvermögen wird direkt durch die Bildung von Sachvermögen über Investitionsgüter geschaffen, indirekt durch die Bildung von Reinvermögen durch Sparen zur Finanzierung des Sachvermögens. Daneben dienen auch durch Abschreibung gewonnene Finanzierungsmittel der Sachvermögensbildung.

Installationsmeister Röhrl hat zunächst dadurch zur volkswirtschaftlichen Sachvermögensbildung beigetragen, dass er mit der Erweiterung seines Firmengebäudes eine Bruttoinvestition und unter Abzug der bereits angefallenen Abschreibung auf dieses Gebäude auch eine Nettoinvestition getätigt hat. Sie wurde mit Eigenmitteln durch das Sparen (Reinvermögensbildung) seines Unternehmens finanziert, das seinem verfügbaren Selbständigeneinkommen als versteuertem, nicht ausgeschüttetem Gewinn entspricht. Sollten die Eigenmittel bzw. das Sparen zur Finanzierung nicht ausgereicht haben, so muss es zu einem Finanzierungsdefizit, also zu einer negativen Geldvermögensbildung, gekommen sein, d. h., es muss z. B. eine Kreditfinanzierung vorgelegen haben.

Ein weiterer Beitrag zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung könnte über den privaten Haushalt von Installationsmeister Röhrl außerhalb seines Unternehmensbereichs dadurch erfolgt sein, dass sein weiteres verfügbares Selbständigeneinkommen als versteuerter, ausgeschütteter Gewinn von ihm nicht voll zum Konsumgüterkauf (z. B. Anschaffung einer neuen Wohnzimmereinrichtung) verwendet, sondern zum Teil gespart wurde (z. B. als Bankguthaben oder durch Aktienerwerb). Dieses Sparen würde dann (z. B. unter Vermittlung des Bankensektors) zur Finanzierung von Nettoinvestitionen in anderen volkswirtschaftlichen Produktionsbereichen (z. B. auch im staatlichen Sektor durch den Erwerb von Staatsanleihen) dienen.

Situationsbezogene Frage 6

Wie stellen sich die Geldbewegungen bzw. die eingesetzten Finanzierungsmittel bei der Betriebstätigkeit von Installationsmeister Röhrl und bei seinen Kunden aus volkswirtschaftlicher Sicht dar?

1.2.6 Das gesamtwirtschaftliche Kreditänderungskonto

Bei der Buchung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Tauschpartnern darf nicht übersehen werden, dass es sich um unterschiedliche Personengruppen in Gestalt der Verkäufer und Käufer handelt, bei denen nicht gleichzeitig der Verkauf und Kauf gebucht wird. Zwischen Leistung und Gegenleistung vergeht meist Zeit. Sie wird durch das Auftreten von Forderungen und Verbindlichkeiten überbrückt. Am Beispiel des privaten Konsums wird dies deutlich:

Tauschaktivitäten führen zu Forderungen und Verbindlichkeiten

Der Verkauf der privaten Konsumgüter auf der rechten Seite des Produktionskontos führt bei den Verkäufern zunächst zu einer Forderungszunahme bzw. Verbindlichkeitsabnahme, die eigentlich auf der linken Seite eines eigenständigen Kontos, des Kreditänderungskontos, gegengebucht werden müsste. Die Forderungszunahme wird z. B. durch eine Rechnung dokumentiert und besteht darin, dass die Käufer die Gegenleistung zunächst schuldig bleiben. Sie tritt aber auch bei einer Geldzahlung als Gegenleistung bzw. der Rechnungsbegleichung auf, denn Geld (Bargeld oder Buchgeld) stellt immer eine Forderung dar, wie wir noch zeigen werden (vgl. Abschnitt 6.1.4). Im Gegenzug erscheint der Kauf der Konsumgüter als Einkommensverfügung auf der linken Seite des Einkommenskontos und führt zu einer Verbindlichkeitszunahme bzw. bei Geldzahlung zu einer Forderungsabnahme bei den Käufern. Sie ist auf der rechten Seite des Kreditänderungskontos gegenzubuchen. Das Kreditänderungskonto legt also die Verteilung der Gläubiger- und Schuldnerpositionen offen. Nur wer diese Information wünscht, benötigt das Konto. Ansonsten ist es überflüssig. Da in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne wirtschaftliche Außenbeziehungen die Gläubiger- und Schuldnerpositionen in der Summe einander entsprechen müssen, kann in diesem Fall auch kein Saldo entstehen. Er kann nur in einer offenen Volkswirtschaft auftreten und ist dann identisch mit dem Saldo des Vermögensänderungskontos.


Situationsbezogene Antwort 6

Da Geld in jeder Form (z. B. als Bargeld oder Bankguthaben auf dem Girokonto) eine Forderung für den Geldbesitzer und entsprechend eine Verbindlichkeit für den „Produzenten“ des Geldes darstellt, gilt dies auch für die Geldbewegungen bzw. die eingesetzten Finanzierungsmittel bei der Betriebstätigkeit von Installationsmeister Röhrl und bei seinen Kunden. So führt z. B. die Installation einer Pelletheizung mit anschließender Rechnungsstellung durch Installationsmeister Röhrl bei ihm in seiner Betriebsbuchführung zu einer Forderungszunahme und entsprechend beim Kunden zu einer Verbindlichkeitszunahme. Bezahlt der Kunde eines Tages die Rechnung bar oder durch Banküberweisung, so nimmt zwar die Rechnungsforderung bei Installationsmeister Röhrl bzw. die Rechnungsschuld bei seinem Kunden ab, im Gegenzug bekommt er aber von seinem Kunden eine andere Forderung, nämlich eine Forderung gegen die Europäische Zentralbank (EZB) bei Barzahlung oder eine Forderung gegen eine Bank bei Banküberweisung. Er kann dann diese neue Forderung selbst z. B. beim Güterkauf als Gegenleistung einsetzen.

Da grundsätzlich jeder Forderung irgendwo eine Verbindlichkeit bzw. einem Gläubiger ein Schuldner gegenüberstehen muss, ist klar, dass bei einer Zusammenfassung von Installationsmeister Röhrl und seinen Kunden zu einer gemeinsamen Gruppe ohne weitere Außenbeziehungen, die Forderungen und Verbindlichkeiten dieser Gruppe sich zu Null saldieren müssen. Das gilt auch für eine geschlossene Volkswirtschaft. Nur in einer offenen Volkswirtschaft, d. h., im Außenverhältnis gegenüber Dritten kann überhaupt in der Summe ein Saldo als Gläubiger- oder Schuldnerposition auftreten.

Die Installation einer Pelletheizung durch Installationsmeister Röhrl bei einem Kunden in Österreich als Export führt zwar zu einer Forderungszunahme der deutschen Volkswirtschaft gegenüber der österreichischen Volkswirtschaft. Da Österreich aber ebenso wie Deutschland der Europäischen Währungsunion (EWU) angehört, würde eine Rechnungsstellung und Rechnungsbegleichung in Euro (EUR) zu Forderungen und Verbindlichkeiten führen, die innerhalb der geschlossenen Volkswirtschaft der EWU einander entsprechen müssen. Es kann dann auch keinen Export innerhalb dieses geschlossenen Systems geben, so wie es z. B. keinen Export von Bayern nach Sachsen gibt. Das würde sich erst dann ändern, wenn Installationsmeister Röhrl seine Pelletheizungen eines Tages in den USA oder in Schweden installiert, also in Ländern außerhalb der EWU. Es kommt also darauf an, wie eine Volkswirtschaft abgegrenzt und was z. B. unter Inländer und Inland bzw. Ausländer und Ausland verstanden wird. Im 8. Kapitel werden wir uns mit diesen Fragen näher beschäftigen.

Situationsbezogene Frage 7

Hat Installationsmeister Röhrl mit der Verbesserung seiner Gewinnsituation auch seine Güterversorgung verbessert?

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