Gebet und Mantra

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Omsriaurobindomira

Alles

Leben

ist

Yoga

“All life is Yoga.” – Sri Aurobindo

Gebet und Mantra

Sri Aurobindo | Die Mutter


SRI AUROBINDO

DIGITAL EDITION


Copyright 2019

AURO MEDIA

Verlag und Fachbuchhandel

Wilfried Schuh

eBook Design


SRI AUROBINDO DIGITAL EDITION

Deutschland, Berchtesgaden

ALLES LEBEN IST YOGA

Gebet und Mantra Auszüge aus den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter 1. Ausgabe 2019 ISBN 978-3-96387-034-7


© Fotos und Textauszüge Sri Aurobindos und der Mutter:

Sri Aurobindo Ashram Trust

Puducherry, Indien


Blume auf dem Cover:

Zephyranthes. Weiß. Die von der Mutter gegebene spirituelle Bedeutung: Integrales Gebet Das ganze Wesen ist in einem einzigen Gebet auf das Göttliche konzentriert.

Anmerkung des Herausgebers

Einfache Auszüge aus den Werken Sri Aurobindos und der Mutter sollen für die Sadhana eine praktische Orientierung zu bestimmten Themen geben. Die Themen behandeln das gesamte Feld menschlicher Aktivitäten, denn wahre Spiritualität ist nicht eine Abkehr vom Leben, sondern die Kunst, das Leben zu vervollkommnen.

Die Übersetzung der Textstellen von Sri Aurobindo erfolgte aus dem ursprünglichen Englisch, während die meisten Passagen der Mutter bereits Übersetzungen aus dem Französischen waren. Fast alle Texte der Mutter wurden ihren Gesprächen, die sie mit Kindern und Erwachsenen führte, entnommen, einige ihren Schriften. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Auszüge ihrem ursprünglichen Zusammenhang entnommen wurden und dass jede Zusammenstellung ihrer Natur nach möglicherweise einen persönlichen und subjektiven Charakter hat. Es wurde jedoch der aufrichtige Versuch unternommen, der Vision Sri Aurobindos und der Mutter treu zu bleiben.

Die Textauszüge sind vom Verlag zum Teil mit Kapiteln und Überschriften versehen worden, um ihre Themen hervorzuheben. Sofern es möglich war, wurden sie in Anlehnung eines Satzes aus dem Text selbst gewählt.

Sri Aurobindo und die Mutter machen von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Wörter groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnen sie meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn sie ihnen einen vom üblichen Gebrauch abweichenden Sinn zuordnen. Diese Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.

Eckige Klammern bezeichnen Einfügungen des Übersetzers, die um des besseren Verständnisses willen angebracht erschienen. Einige wenige Sanskritwörter wie Sadhana, Sadhaka, Yoga usw. wurden eingedeutscht, da sie durch ihren häufigen Gebrauch bereits als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden können. Alle anderen Sanskritwörter sind kursiv hervorgehoben, wobei auf diakritische Transkriptionszeichen verzichtet wurde.

Die kursiv geschriebenen Textpassagen vor den Worten Sri Aurobindos und der Mutter sind Fragen bzw. Antworten von Schülern oder sonstige erläuternde Texte.

„Wahre Spiritualität bedeutet nicht, dem Leben zu entsagen, sondern das Leben mit einer Göttlichen Vollkommenheit zu vervollkommnen.“ – Die Mutter

* * *

InhaltsverzeichnisTitelseiteCopyrightAnmerkung des HerausgebersZitate von Sri Aurobindo und der MutterI. GEBET1. Die Bedeutung des Gebets2. Die Macht des Gebets3. Wie man betet4. Das Göttliche um etwas bitten5. Gebet und Aspiration6. Das wahre Gebet7. Kollektives Gebet8. Ich bin bei dirII. MANTRA1. Die Theorie des Mantras2. Die Praxis des Mantras3. Japa4. Die Macht des göttlichen Namens5. Das Mantra und der Integrale YogaIII. GEBETE UND MANTRAS1. Die eine wesentliche Sache2. Die Macht des Mantras3. In der Nacht wie am Tag4. Lass mich Dir gehören5. Auf das ich Dich nie vergessen mag6. Der Schutz des Höchsten7. Nimm unsere Darbringung anANHANGQuellenangabenGuideCoverTable of ContentsStart Reading


Die Mutter – Sri Aurobindo

Gebete sollten voller Vertrauen sein, ohne Sorge oder Wehklagen. – Sri Aurobindo

Fürwahr, lebst du auch nur für einen Augenblick, einen ganz kurzen Augenblick in dieser völlig aufrichtigen Aspiration, oder diesem hinreichend intensiven Gebet, so erfährst du mehr, als wenn du stundenlang meditierst. – Die Mutter

* * *

Teil 1
GEBET

Unser ganzes Leben sollte ein dem Göttlichen dargebrachtes Gebet sein. – Die Mutter

Kapitel I
Die Bedeutung des Gebets

Worte Sri Aurobindos

Das Leben des Menschen ist ein Dasein voller Wünsche und Bedürfnisse und somit von Begierden, nicht nur in seinem physischen und vitalen, sondern auch in seinem mentalen und spirituellen Wesen. Wenn er sich einer höheren Macht bewusst wird, die die Welt regiert, naht er sich dieser durch sein Gebet für die Erfüllung seiner Bedürfnisse, für Hilfe auf seinem rauhen Lebensweg, für Schutz und Beistand in seinem Kampf. Welche Rohheiten es bei der gewöhnlichen religiösen Annäherung an Gott durch das Gebet auch geben mag – und deren gibt es viele, besonders diese Haltung, die glaubt, das Göttliche könne man günstig stimmen, bestechen und ihm schmeicheln, so dass es sich durch Lobpreisung, Flehen und Geschenke zufrieden und nachsichtig stimmen lasse und wenig darauf achtet, in welchem Geist man sich ihm naht –, so entspricht dennoch diese Art, sich an das Göttliche zu wenden, einer wesentlichen Regung unseres religiösen Wesens und beruht auf einer universalen Wahrheit.

Man zweifelt oft an der Wirksamkeit des Gebetes und vermutet, das Beten selbst sei etwas Irrationales und darum notwendigerweise etwas Überflüssiges und Unwirksames. Es ist wahr, dass der universale Wille immer seine Absichten ausführt und davon nicht durch egoistisches Drängen oder Flehen abgelenkt werden kann. Es ist wahr, dass das Transzendente, welches sich in der universalen Ordnung zum Ausdruck bringt, allwissend ist und darum in seinem umfassenderen Wissen voraussehen muss, was zu geschehen hat und dazu keine Weisungen oder Anregungen durch menschliches Denken braucht. Es ist wahr, dass die Begehrlichkeiten des Individuums in keiner Welt-Ordnung ein wirklich bestimmender Faktor sind oder sein können. Aber weder diese Ordnung noch die Ausführung des universalen Willens werden durch ein mechanisches Gesetz bewirkt, vielmehr durch Mächte und Kräfte, von welchen, zumindest für das menschliche Leben, der Wille, die Aspiration und der Glaube nicht zu den unwichtigsten gehören. Das Gebet ist nur eine besondere Form, in der sich dieser Wille, diese Aspiration und dieser Glaube zum Ausdruck bringen. Oft sind seine Formen noch sehr primitiv und nicht nur kindlich, was kein Fehler wäre, sondern kindisch, aber dennoch hat es eine wirkliche Macht und Bedeutung. Seine Macht und sein Sinn ist, den Willen, die Aspiration und den Glauben des Menschen mit dem göttlichen Willen als dem eines bewussten Wesens in Berührung zu bringen, zu dem wir in bewusste und lebendige Beziehung treten können. Denn entweder können unser Wille und unsere Aspiration durch unsere eigene Kraft und Anstrengung wirken, was zweifellos zu etwas Großem und Wirksamen, ob für niedere oder höhere Zwecke, führen kann – und es gibt viele Disziplinen, die diese Kraft als die einzig zu gebrauchende herausstellen –, oder er kann unabhängig davon und dem göttlichen oder universalen Willen untergeordnet handeln. Diese letztere Methode wiederum mag entweder diesen Willen als aufgeschlossen für unsere Aspiration ansehen, dies aber beinahe mechanisch, nach einer Art Energiegesetz, gewiss aber völlig apersonal, oder sie mag ihn so verstehen, dass er bewusst auf unsere auf Gott gerichtete Aspiration und auf den Glauben der menschlichen Seele antwortet und ihr Hilfe, Führung, Schutz und den erbetenen Erfolg bringt, yogaksemam vahamyaham.

 

Das Gebet trägt dazu bei, diese Beziehung zunächst auf der niederen Ebene für uns vorzubereiten, wenn es auch dort mit vielem behaftet ist, was aus reinem Egoismus und bloßer Selbsttäuschung herrührt. Danach können wir uns aber höher hinauf jener spirituellen Wahrheit zuwenden, die dahinter steht. Dann kommt es nicht mehr so sehr auf Gewährung der erbetenen Sache an, sondern auf die Beziehung selbst, auf den Kontakt des menschlichen Lebens mit Gott, auf den bewussten Austausch mit ihm. In spirituellen Dingen und beim Suchen nach spirituellen Errungenschaften ist diese bewusste Verbindung eine große Macht. Sie ist eine viel stärkere Macht als unser völlig auf uns selbst gestütztes Kämpfen und Mühen und bringt ein größeres spirituelles Wachsen mit sich und eine größere spirituelle Erfahrung. Notwendigerweise endet das Gebet schließlich in der größeren Sache, auf die es uns vorbereitet hat – tatsächlich ist die Ausdrucksform, die wir Gebet nennen, an sich nicht wesentlich, solange der Glaube, der Wille und die Aspiration vorhanden sind –, oder aber es bleibt nur um der Freude an der Beziehung willen. Auch werden seine Ziele, artha, das Interesse, welches es zu verwirklichen sucht, immer höher und höher, bis wir schließlich die höchste, von keinen Motiven mehr bestimmte Verehrung erreichen, welche die der göttlichen Liebe ist, rein und einfach, ohne jegliche Forderung oder irgendein Verlangen.

*

Worte Sri Aurobindos

Die menschliche Seele kommt zum Göttlichen um der Hilfe, dem Schutz, der Führung und Erfüllung willen – oder, wenn Wissen das Ziel ist, naht sie sich dem Führer, Lehrer und Geber des Lichtes, denn das Göttliche ist die Sonne des Wissens –, oder sie kommt in Schmerz und Leiden, um Linderung, Trost und Erlösung zu finden, Erlösung entweder vom Leiden selbst oder von der Welt-Existenz, die die Heimstätte des Leidens ist oder dessen innere und wahre Ursache1... Die Seele geht zur Mutter-Seele mit all ihren Wünschen und Nöten, und die Göttliche Mutter will es so, damit sie ihr Herz der Liebe ausströmen lassen kann. Die menschliche Seele wendet sich ihr auch aufgrund des selbstexistenten Charakters dieser Liebe zu und weil sie uns den Weg zu unserer Heimat weist, in die wir von unseren Wanderungen in der Welt zurückkehren, hin zur Brust, an der wir unsere Ruhe finden.

*

Worte Sri Aurobindos

Nun zu den Gebeten: Die Tatsache des Betens als solche und die innere Haltung, die es mit sich bringt, besonders das selbstlose Gebet für andere, öffnet dich gegenüber der höheren Macht, selbst wenn in der Person, für die du betest, kein entsprechendes Ergebnis erzielt wird. Über Letzteres kann nichts mit Bestimmtheit ausgesagt werden, denn das Ergebnis hängt notwendigerweise von der Person ab, das heißt, ob sie offen oder empfänglich oder etwas in ihr fähig ist, auf irgendeine Kraft zu reagieren, die das Gebet herabbringt.

*

Worte der Mutter

Menschen mit einer strengen Logik werden dir allerdings sagen: „Wozu beten? Wozu streben? Wozu bitten? Der Herr tut, was Er will, und Er wird tun, was Er will.“ Das versteht sich von selbst, man braucht es gar nicht zu sagen, doch dieser Impuls: „O Herr, offenbare dich!“, gibt Seiner Offenbarung eine intensivere Schwingung.

Sonst hätte Er die Welt niemals so gemacht, wie sie ist. Es gibt da eine besondere Macht, eine besondere Freude, eine besondere Schwingung in dieser eindringlichen Aspiration der Welt, wieder das zu werden, was sie ist.

Das ist der Grund, warum es – teilweise, fragmentarisch – eine Entwicklung gibt.

Einem ewig vollkommenem Universum, das in alle Ewigkeit die ewige Vollkommenheit offenbart, würde die Freude des Fortschritts fehlen.

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Worte Sri Aurobindos

Niemand wird in diesem Yoga in irgendeiner formalen Weise initiiert. Diejenigen werden von der Mutter angenommen, die für diesen Weg oder für Sri Aurobindos Werk berufen oder von innen heraus auserwählt wurden. Diese Annahme ist ausreichend. Diejenigen gelten als berufen oder auserwählt, die sich öffnen und empfänglich für die Kraft sein können, die von der Mutter hier ausgeht, und die das Wirken der Kraft spüren können. Wer durch das, was er jetzt tut, sich mit der Zeit für die Kraft öffnen und sie empfangen und fühlen kann, wird das als Zeichen dafür sehen, dass er für diese Art von Yoga bestimmt ist. Es ist nichts anderes nötig: Gebet und Streben reichen aus, wenn es Aufrichtigkeit und einen wahren Ruf im Inneren gibt.

* * *

1 Das sind drei der vier Klassen Gott-Liebender, die von der Gita bezeichnet werden als arta, artharthi, jijnasu, die Bekümmerten, die Sucher nach persönlichen Zielen und die Sucher nach Gott-Erkenntnis.

Kapitel II
Die Macht des Gebets

Worte der Mutter

Die Gnade erfüllt die aufrichtigen Gebete immer.

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Worte der Mutter

Wir müssen lernen, uns allein auf die Göttliche Gnade zu verlassen und ihre Hilfe in allen Lebensumständen herbeizurufen. Dann wird sie ständige Wunder ausarbeiten.

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Worte der Mutter

Alles ist dort, absolut, statisch, ewig: Aber alles wird in der stofflichen Welt entfaltet, und zwar mehr oder weniger eins ums andere, denn im statischen Sein kann alles da sein, aber im Werden entsteht alles in der Zeit, also nacheinander. Welchen Weg nimmt nun die Entfaltung? Dort oben ist der Bereich der absoluten Freiheit... Wer will behaupten, eine genügend aufrichtige Aspiration, ein genügend starkes Gebet vermöchte den Entfaltungsprozess nicht zu verändern?

Das bedeutet, dass alles möglich ist.

Es kommt also darauf an, dass man eine ausreichende Aspiration und ein genügend starkes Gebet besitzt. Das aber ist der menschlichen Natur gegeben. Es ist eines dieser wunderbaren Geschenke der Gnade, die der menschlichen Natur gegeben wurden, nur man weiß sich ihrer nicht zu bedienen...

Nun, wenn du aufrichtig genug strebst und stark genug betest, dann kannst du Etwas in dich herabkommen lassen, das alles, gar alles verändert – wirklich, es verändert alles. Man kann einen Vergleich anstellen, ganz klein und beschränkt, der aber die Sache anschaulich macht: Ein Stein fällt herunter, ganz mechanisch. Sagen wir, ein Ziegel fällt herunter. Wenn er sich löst, fällt er, nicht wahr? Wenn aber zum Beispiel ein vitaler oder mentaler Determinismus hinzukommt von einem Vorübergehenden, der nicht will, dass der Ziegel herunterfällt und seine Hand ausstreckt, fällt der Ziegel auf die Hand und nicht auf den Boden. So hat er das Schicksal dieses Steins oder dieses Ziegels verändert. Ein anderer Determinismus hat eingegriffen, und statt auf einen Kopf zu fallen, hat der Ziegel nur eine Hand getroffen und niemand getötet. Das ist eine Intervention von einer anderen Ebene, von einem bewussten Willen, der in den mehr oder weniger unbewussten Mechanismus eintritt...

Der Schlüssel, wie ich dir gerade gesagt habe, ist die genügend aufrichtige Aspiration oder das genügend starke Gebet. Ich sagte „oder“ – ich glaube allerdings nicht, dass es ein „oder“ ist, denn manche mögen lieber das eine, manche das andere. In beiden wirkt eine magische Kraft, man muss sich ihrer nur zu bedienen wissen.

In beiden gibt es etwas sehr Schönes. Manche haben eine Abneigung gegen das Gebet. Würden sie ganz tief in ihr Herz gehen, so würden sie sehen, dass dort Hochmut war – schlimmer noch, Eitelkeit. Und dann gibt es jene, die keine Aspiration haben, die es versuchen und nicht können. Das kommt, weil ihnen die Flamme des Willens fehlt, weil ihnen die Flamme der Demut fehlt.

Beides ist notwendig. Es bedarf einer sehr tiefen Demut und eines sehr starken Willens, um sein Karma zu ändern.

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