Buch lesen: «Die Collide-Lovestory», Seite 16

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Erschöpft und ausgelaugt lasse ich mich in die Couch fallen und sehe sicherheitshalber nochmal nach, ob Aiden mittlerweile wieder zurück ist. Ist er zum Glück nicht. Ich würde im Erdboden versinken, wenn er das gehört hätte.

"Du hast Angst .... vergessen zu werden?", fragt Elizabeth.

Ich schüttle den Kopf. "Nein, ich habe Angst von ihm vergessen zu werden."

Sie lächelt wieder leicht. "Ihr seid Schriftsteller, Schatz .... Wenn sich Schriftsteller verlieben, wirst du .... nicht vergessen."

Einen kurzen Moment muss ich über diesen Satz nachdenken. Mir fällt wieder ein, dass Aiden mir erzählt hat, Elizabeth sei auch eine Schriftstellerin gewesen, als sie noch fähig dazu war. Aber sie hat Recht. Sie hat so etwas von Recht. Schriftsteller vergessen nicht. Bis heute noch schreibe ich über die grausamen Nächte, in denen mein Vater geweint hat, weil meine Mutter so ein verdammtes Miststück ist. Oder über den Tag, als mein Ex-Freund meine ganzen Sachen verbrannt hat. Ich schreibe diese Dinge zwar nicht explizit nieder, aber ich nutze meine Gefühle von damals für meine heutigen Geschichten und Aufsätze. Sie hat Recht. Schriftsteller vergessen nicht.

"Hast du schon wieder eine neue Freundin gefunden?", höre ich Aiden hinter mir sagen.

Fast einen Herzinfarkt bekommend, drehe ich mich um und sehe Aiden an, der sich ganz lässig an ein Bücherregal lehnt und uns ansieht. Ich bete, dass er uns nicht zugehört hat.

"Ehm", mache ich und sehe zu Elizabeth, die nur wieder leicht grinst und mir zuzwinkert. Hat sie gerade wirklich gezwinkert? Ich lächle und sehe wieder zu Aiden. "Ach, Elizabeth und ich haben nur ein wenig über dich gelästert."

Aiden hebt amüsiert die Brauen. "Tatsächlich?"

"Ja, zum Beispiel... wie scheußlich wir dieses T-Shirt finden. Ich meine, was ist das?" Ich stehe auf und zeige auf das Motiv seines Shirts. "Soll das eine Hand sein? Oder doch eher ein Baum. Das sieht wirklich grausig aus und verwirrt einen total, wenn man darauf schaut. Zieh das nie wieder an." Schnurstracks stolziere ich an ihm vorbei und gehe zum Ausgang. Das sollte reichen, um ihn davon zu überzeugen, dass wir wirklich gelästert haben. Aber was rede ich mir ein? Ich bin eine grausame Lügnerin und das eben hat es mal wieder bewiesen.

Ich höre Aiden lachen und wie er sich noch von Elizabeth verabschiedet, bevor er mir hinterher joggt.

"Wow, das Gespräch muss wirklich extrem interessant gewesen sein, wenn du gleich so abgehst, nur weil ich euch unterbrochen habe", lacht er.

Ich zucke mit den Schultern und verschränke die Arme. "Möglich."

Wir kommen an seinem Auto an und steigen ein.

"Übrigens hat Elizabeth schon seit Wochen nicht mehr geredet", sagt er und startet den Motor.

Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. "Was?"

"Ja, wirklich. Heute ist das erste Mal seit sehr langer Zeit. Du scheinst wohl eine besondere Wirkung auf die Leute zu haben."

Elizabeth hat schon seit Wochen nicht mehr geredet... Ich muss mir vorstellen, wie Aiden ständig mit ihr redet und sie nicht einmal antwortet. Wie er von mir erzählt. Sofort habe ich wieder ein breites Grinsen im Gesicht.

"Scheint dich wohl zu freuen, huh?", amüsiert sich Aiden und fährt auf die Bundesstraße.

Ich nicke nur und beiße mir auf die Lippe. O man, ich bin so was von verloren.

Ich spüre mein Handy wieder in meiner Hosentasche vibrieren und ich ziehe es heraus. "Wer textet mich denn die ganze Zeit voll?", seufze ich und sehe, dass Aby mir schon drei Nachrichten geschrieben hat. Stirnrunzelnd öffne ich die erste.

Ich sag nur mal kurz Bescheid, dass ich heute nicht mehr komme. Ich schlafe bei Andy ;-) Kuss.

Die Nachricht ist von gestern Abend. Die scheine ich total übersehen zu haben. Mittlerweile wundere ich mich schon gar nicht mehr morgens, dass Aby nicht da ist, denn das ist sie tatsächlich so gut wie nie.

"Wer schreibt?", fragt Aiden mit dem Blick auf die Straße gerichtet.

Ich öffne die zweite Nachricht. "Aby", sage ich beiläufig, während ich sie lese.

Rave, ich brauch unbedingt deine Hilfe! Unbedingt! Geh endlich an dein Handy!

Die Nachricht hat sie vor ungefähr einer Stunde geschrieben, da saß ich noch mit Tammy und Aiden im Park. Ich sehe nach, ob ich entgangene Anrufe habe und tatsächlich. Aby hat mich dreimal angerufen. Das habe ich nicht einmal mitbekommen.

Schnell öffne ich die nächste Nachricht.

Rave, verdammt, lass mich jetzt nicht hängen! ES IST WICHTIG!

"Ach du Scheiße", keuche ich und tippe schnell ihre Nummer in mein Handy, um sie anzurufen.

"Was ist los?", fragt Aiden mit zusammengeschobenen Brauen.

"Aby, sie hat - "

"Rave, endlich rufst du an!", sagt Aby aufgeregt in die Leitung.

"Aby, was ist denn passiert? Sag mir bitte nicht, dass Andy irgendetwas Blödes gemacht hat. Hat er dich zu irgendetwas gedrängt? Oder dich irgendwo stehen lassen? Ich - " Dass Aiden mich mittlerweile schon argwöhnisch von der Seite ansieht, interessiert mich nicht. Aby scheint in Schwierigkeiten zu stecken!

Aby unterbricht lachend meinen Redeschwall. "Wow, Rave, mach mal einen Punkt."

Ich schnappe nach Luft. "Einen Punkt? Du hast gesagt es ist wichtig! Und das noch in Großbuchstaben!"

Neben mir sehe ich Aiden dümmlich grinsen. Soll er sich doch lustig machen.

Ich fühle mich wie eine besorgte Mutter. Und ich fühle mich reichlich bescheuert, weil Aby jetzt auch noch lacht.

"Es ist ja auch wichtig", seufzt Aby. "Ich sitze in einem Café in der Stadt, bist du am Campus?"

"Nein, ich - "

"Du bist mit Aiden unterwegs, schon klar." Sie lacht. "Ich gebe euch noch eine Woche und dann finde ich euch auch nackt auf dem Boden in unserem Zimmer."

Erschüttert von ihren Worten reiße ich die Augen auf. Zum Glück kann Aiden sie nicht hören. Das hoffe ich zumindest. "Ehm, ja. Also was ist denn jetzt so wichtig?"

"Okay, das ist mir wirklich ein wenig peinlich, deshalb bitte ich dich, auf gar keinen Fall zu lachen."

Seufzend lehne ich meinen Kopf an die Kopfstütze. "Sag mir bitte nicht, dass du irgendwelche Ausschläge von Andy hast."

Aiden hält sich die Hand vor den Mund, weil er sich ein Lachen verkneifen muss und ich muss ebenfalls schmunzeln.

"Was? Nein. Aber fast", sagt Aby nervös.

Ich hebe die Augenbrauen. "Fast?" Ich ahne Schlimmes.

"Na ja... Ich habe mit Andy die Nacht verbracht und irgendwie, ach, ist ja auch egal wie, jedenfalls brauche ich jetzt unbedingt die Pille danach, oder ich bin geliefert."

Ich schließe die Augen und halte die Luft an, um nicht sofort los zu prusten. Das wäre mein nächster Gedanke gewesen. "Okay, und wieso holst du sie dir nicht einfach in der Apotheke? Man bekommt die Dinger doch mittlerweile ohne Rezept."

Aiden sieht mich fragend an und bildet ein "Was?" mit seinem Mund.

Ich halte meinen Finger hoch, um ihm zu zeigen, dass ich gleich mit ihm reden werde.

"Ja, das weiß ich auch", meint Aby. "Aber das Problem ist, dass in der Apotheke die beste Freundin meiner Mum arbeitet. Und wenn ich da einfach reinspaziere und mir die Pille danach hole, wird sie das zu einhundert Prozent meiner Mum erzählen und dann bin ich geliefert. Mum ist wahrscheinlich die gläubigste Frau auf Erden und hält nichts von Sex vor der Ehe." Wow, dafür, dass ihre Mum so gläubig ist, lebt Aby ganz schön... na ja, frei.

"Okay? Und was genau soll ich da jetzt machen?" Ich weiß die Antwort schon ganz genau und werde mich wahrscheinlich in der nächsten halben Stunde dafür hassen, dass ich ihr den Gefallen tun werde.

"Rave, du musst mir die besorgen."

"Was?" lache ich. "Das ist doch total peinlich. Vor allem, weil ich auch noch Aiden dabei habe." O Gott, das wird ein Desaster.

"Bitte, Rave! Bitte, bitte, bitte! Ich will nicht Noah oder die anderen fragen müssen. Die würden mir den Vogel zeigen", bettelt Aby.

Ich atme tief ein und aus. Im Endeffekt weiß ich doch sowieso, dass ich Ja sagen werden. Ich kann einfach nie Nein sagen. "Na schön."

"Was? Echt?", quietscht Aby glücklich. "Danke, du bist die Beste! Ich schulde dir was."

Ich halte mir die Hand an die Stirn und kann selbst noch nicht fassen, dass ich jetzt wirklich mit Aiden in die Apotheke fahren werde, um die Pille danach zu kaufen. Das werden wahrscheinlich die peinlichsten fünf Minuten in meinem Leben werden. "Du schuldest mir so etwas von was."

"Aiden, es tut mir jetzt schon unheimlich leid", sage ich kleinlaut zu ihm, nachdem ich aufgelegt habe. Ein kleines Grinsen kann ich mir aber trotzdem nicht verkneifen. Eigentlich ist die ganze Situation schon ganz witzig.

"Aby hat es letzte Nacht mit Andy getrieben, hat jetzt einen besagten Ausschlag und wir müssen ihr eine Salbe dagegen besorgen?", fragt er amüsiert.

Ich schiebe mein Handy wieder in meine Hosentasche. "Fast. Wir müssen ihr die Pille danach besorgen."

Aiden wirft den Kopf in den Nacken und lacht laut.

In seinem Lachen habe ich mich auch schon längst verloren.

"Aby hat die Sache mit der Verhütung nicht so drauf. Das ist schon das dritte Mal", erzählt er und dreht an einer Kreuzung. Wahrscheinlich, weil die Apotheke in der anderen Richtung ist.

"Das dritte Mal schon? Kein Wunder, dass sie sich nicht mehr getraut hat euch zu fragen."

Kurze Zeit später stehen wir auch schon in der Schlange in der Apotheke. Gerade heute ist die Apotheke mit so vielen Leuten gefüllt, als wüssten sie, dass Aiden und ich gleich einen unglaublich peinlichen Moment erleben werden. Würde mich nicht wundern, wenn sie gleich Popcorn und Käsechips herausholen und nur darauf warten, dass wir endlich an der Reihe sind.

"Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir das tun", flüstere ich leise und starre auf ein Glas, in dem gratis Kondome drin sind. Welche Ironie, die Dinger hätten Aiden und mir einen peinlichen Moment erspart.

Aiden schaut blöd grinsend zu mir herunter. Ihm scheint die ganze Sache kein Stück peinlich zu sein. Kommt mir fast so vor, als hätte er das schon mindestens tausendmal gemacht. Oder das Beste wäre: Wenn er die Apothekerin auch noch kennen würde und sie uns die Samenkiller auch noch umsonst gibt, weil Aiden so ein charmanter Typ ist. Bei ihm ist alles möglich und mittlerweile würde ich mich nicht einmal mehr drüber wundern.

"Tja, das hast du halt davon. Ich hab dir doch gesagt, dass es keine gute Idee ist es mit einer Sandwichtüte zu treiben", sagt Aiden ernst zu mir. Das Schlimme ist nicht mal was er gesagt, sondern wie laut er es gesagt hat.

Ich habe das Gefühl, das auf einmal eine Totenstille in diesem kleinen Raum ist und jeder für einen Moment aufgehört hat, sich zu bewegen, nur, um uns anzustarren. Mit aufgerissenen Augen starre ich ihn fassungslos an. Was zur Hölle tut er da?

"Du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Nur, weil deine Großeltern das früher auch immer gemacht haben, heißt es noch lange nicht, dass es bei uns auch funktioniert. Wir leben nicht mehr in der Steinzeit", redet er jetzt ernst weiter. Und laut. Als er meinen entsetzten Blick sieht, zieht sich ein Mundwinkel von ihm kurz nach oben und ich verstehe sofort, was er hier treibt. Aiden will spielen.

Okay, das kann er bekommen. Ich verschränke die Arme und schnaube theatralisch auf. "Und du glaubst wirklich, dass es mit deiner widerlichen Kuhhaut funktioniert hätte? Nein, Baby, das ist einfach nur abartig. Meine Art der Verhütung war wenigstens weniger mit irgendwelchen tierischen Bakterien beschmutzt, die mir und dir höchst wahrscheinlich wieder diese ekelerregenden Pickel verabreicht hätten."

Ich höre das alte Pärchen hinter mir erschrocken Luft holen und auch die Frau vor uns scheint die Ohren noch mehr zu spitzen. Nicht mal die junge Apothekerin redet noch ein Wort mit der Kundin, sondern kramt unauffällig in irgendeiner Schublade herum. Es ist dennoch deutlich zu sehen, dass sie unser Gespräch genauso interessant und gleichzeitig grotesk findet, wie alle anderen hier.

Ich sehe, dass Aiden stark damit zu kämpfen hat, sich ein Grinsen zu verkneifen. "Miss, was schauen sie denn so?", fragt er an die Apothekerin gerichtet, die uns nur noch perplex anstarrt, als wir an der Reihe sind. "Wir sind nicht hier hergekommen um einen Starrwettbewerb zu veranstalten, sondern meine verirrten Samen mit dieser tödlichen Pille aus meiner Freundin zu entfernen."

Bei dem Wort Freundin bleibt mir kurz die Illusion, dass ich tatsächlich Aidens Freundin sein könnte. Auch, wenn der Rest seines Satzes eher nicht in meiner Fantasie stattfindet.

"Richtig", stöhne ich und lehne mich an die Theke, die uns von der Apothekerin trennt. "Sie wissen ja nicht, wie sich das anfühlt mit so einem Zeug vollgepumpt zu sein. Vor allem, weil die Tüte sich anscheinend auch irgendwie in mir verirrt hat. Also könnten wir uns bitte beeilen? Wir müssen nämlich hiernach noch dringend zum Arzt."

Die Apothekerin sieht mich erschüttert an und nickt ganz langsam. "Ehm, ja, klar... Das wäre vielleicht... hilfreich." Sie tut mir gerade wirklich leid, wahrscheinlich ist sie traumatisiert, wenn sie nachher nach Hause geht. Vor allem, weil sie so jung aussieht, dass man meinen könnte, sie ist gerade mal im ersten Jahr ihrer Ausbildung. Das arme Ding.

"Baby, musst du das so offen sagen? So was muss nicht sofort jeder wissen, der näher als zwei Meter steht. Den Bäcker von vorhin hat es auch nicht interessiert", sagt Aiden gespielt sauer.

Die Apothekerin will gerade etwas sagen, aber ich falle ihr noch ein letztes Mal ins Wort. "Ach ja? Der Bäcker hätte bestimmt gewusst, dass man nicht mit Kuhhaut verhütet!"

Aiden schüttelt mit dem Kopf und sieht dann zur Apothekerin. "Könnten Sie uns einfach die Pille danach geben? Ich würde es nicht aushalten, noch eine dieser Spezies zu ertragen", sagt er durch zusammengebissene Zähne und deutet auf mich.

"Ja, natürlich", sagt die Apothekerin schnell und geht in den Raum hinter der Kasse.

Aiden und ich werfen uns kurz triumphierende Blicke zu, sind aber sofort wieder ernst, weil wir tatsächlich immer noch von den ganzen Leuten in der Apotheke angestarrt werden. Diesen Moment werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

"Hier, bitte schön." Die Apothekerin kommt mit rotem Kopf wieder zurück und legt uns ein kleines Päckchen auf den Tresen. "Ehm, am besten nehmen Sie sie sofort und in den nächsten vierundzwanzig Stunden keinen Alkohol trinken." Sie räuspert sich verlegen und fährt fort. "Es könnten Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenschmerzen hervorgerufen werden, aber sonst - "

"Kopfschmerzen!", rufe ich aus und werfe die Hände in die Luft. "Natürlich diese Kopfschmerzen! Wieso gibt es eigentlich Medizin, wenn Medizin sofort andere Symptome hervorruft? Das ist doch dieser dämliche Kreislauf des Lebens."

Aiden muss immer mehr mit dem Lachen kämpfen.

Die Apothekerin schweigt und sieht mich mit aufgerissenen Augen an. Sie scheint wirklich nicht mehr zu wissen, was sie jetzt tun soll.

"Gib ihr endlich das verdammte Geld", sage ich zu Aiden und schnappe mir das Päckchen.

Aiden legt ihr schnell zwanzig Pfund auf den Tresen, nimmt mich an der Hand und führt mich an den Leuten vorbei nach draußen.

Wir gehen laut lachend zum Auto und ich habe das Gefühl, dass ich bald krepiere, weil ich wirklich so laut lache, dass ich kaum mehr Luft bekomme. Ich lehne mich erschöpft an Aidens Auto und halte mir die Hand an den Kopf. "Das war der absolute Wahnsinn", schnaufe und lache ich gleichzeitig, während ich versuche, mich zu beruhigen.

Aiden stellt sich vor mich. "Du warst absolut Wahnsinn", lacht er und kommt einen Schritt auf mich zu.

"Das wird Aby mir nie - ", will ich anfangen zu erzählen, werde aber von Aidens weichen Lippen gestoppt.

Erschrocken und gleichzeitig überglücklich lasse ich mich von Aiden gegen das Auto pressen, während er seine Hände in meinen Haaren verschwinden lässt und mich küsst.

Das ist der Moment, auf den ich so lange gewartet habe und er ist noch viel besser als der Kuss im Auto. Dieser Kuss hier ist einfach viel... echter. Es hat sich so viel entwickelt zwischen uns in den letzten Tagen, dass es mir schon vorkommt wie eine halbe Ewigkeit, als würde ich Aiden schon immer kennen. Als wäre alles was ich vor Aiden erlebt habe nicht existent und unwichtig.

Reflexartig greife ich mit meinen Händen in sein T-Shirt und ziehe ihn noch näher zu mir. Für mich kann es gerade nicht genug Nähe sein. Ich spüre Aiden leicht grinsen, als ich mich in seinem Shirt verhake und er vertieft den Kuss, als ich seine Zunge auf meiner Lippe merke.

O man, wenn mir vor zwei Wochen jemand gesagt hätte, dass ich mit ihm knutschend an seinem Auto stehe - mitten in der Stadt -, nachdem wir die Pille danach gekauft haben, hätte ich dieser Person wahrscheinlich laut grunzend ins Gesicht gelacht.

Küssen ist toll, aber was wenn,... Wenn ich es schaffe, jemanden zu küssen, für den ich auch tatsächlich Gefühle habe und worauf ich so lange gewartet habe, ihn endlich wieder küssen zu dürfen, ich sein Gesicht streicheln darf und darüber nachdenken darf, wie schön seine Lippen sind und wie toll sie sich auf meinen anfühlen. Einfach wow.

Nach unbestimmter Zeit löst sich Aiden wieder von mir und sieht mich schmunzelnd an.

Ich kann nicht anders, sondern muss einfach breit grinsen. Es ist nutzlos, jetzt noch irgendwelche Gefühle herunterzuspielen. Ich habe mich in ihm verloren und das weiß ich. O, wie ich das weiß.

"Lass uns Aby den Samenkiller bringen", sagt er leise und küsst meinen Haaransatz.

Die tollste Geste aller Zeiten. Einfach die tollste Geste aller Zeiten.

Ich bin immer noch bis oben hin gefüllt mit Glücksgefühlen, dass ich nicht mal ein Wort herausbekomme. Meine Beine sind wacklig, als ich ins Auto einsteige und erst jetzt fällt mir auf, welche Wirkung Aiden eigentlich auf mich hat. Er macht mich einfach schwach. Und ich mag es.

-

"Siehst du sie?", frage ich Aiden, während wir in dem Café stehen, das Aby uns beschrieben hat.

Aiden schürzt die Lippen und sieht sich über die Köpfe der Leute um. "Da hinten ist sie."

Ich sehe in die Richtung, in die er guckt und schon springt mir Abys quietschgelbe Jacke ins Auge. Wie konnte ich sie nur übersehen?

Wir gehen zu ihr und erst jetzt sehe ich, dass sie telefoniert. Sie scheint aufgeregt zu sein und es stehen schon vier Tassen Kaffee vor ihr, die alle leer sind. Die Sache scheint mehr an ihr zu knabbern, als ich dachte.

"Baby, ich muss auflegen. Unsere Rettung ist gerade gekommen - Ja, heute Abend wieder - Ich dich auch, bis dann." Sie legt auf und seufzt erleichtert. "Und habt ihr das Ding?"

Wir setzen uns zu ihr an den Tisch. Ich hebe die Brauen und sehe sie amüsiert an. "Das Ding? Du meinst wohl eher die Pille danach." Ich spreche absichtlich ein bisschen lauter, damit es auch die Leute im hinteren Eck des Cafés hören können.

Aiden lacht und Aby hält mir entsetzt den Mund zu.

"Hast du einen Knall? Das muss doch nicht gleich jeder wissen!", flüstert sie.

"Das hast du verdient", lache ich. "Immerhin mussten wir in die Apotheke gehen." Ich zeige auf Aiden und mich. Dass das der größte Spaß meines Lebens war, behalte ich einfach mal für mich.

Aby rollt die Augen. "Ist ja gut. Also?"

"Hier." Aiden greift in die Brusttasche seiner Jacke und zieht das Päckchen hervor. "Die Nebenwirkungen und Einnahmeregeln sollten dir ja mittlerweile bekannt sein."

"Ja ja, macht euch nur lustig. Ich konnte nichts dafür." Sie nimmt ihm beleidigt die Packung aus der Hand und lässt sie schnell in ihrer Handtasche verschwinden.

"Wer ist denn - Stopp, ich will es gar nicht wissen", sage ich.

"Willst du auch nicht", lacht Aby. "Ich danke euch von Herzen, aber ich muss jetzt zum Campus, damit ich dieses doofe Ding nehmen und die nächsten vierundzwanzig Stunden sterbend in meinem Bett verbringen kann." Sie steht auf und schiebt ihren Stuhl ran.

Ich rolle nur die Augen und behalte den Spruch, dass sie heute Abend sowieso wieder zu Andy geht, lieber auf der Zunge. "Wir sehen uns."

Nachdem Aby gegangen ist, lasse ich meinen Kopf erschöpft in meine Hände fallen. "Heute sollte besser nichts Aufregendes mehr passieren, sonst bekomm ich wahrscheinlich noch einen Schlaganfall. Ich kann gar nicht glauben, dass wir heute Mittag noch bei Tammy waren."

"Gewöhn dich besser daran. So ist das nun mal, wenn man noch andere Sachen macht, als nur lesen und schreiben", stichelt Aiden und steht auf.

"Wo gehst du hin?"

"Ich wollte eigentlich nach Hause, wir haben schon sechs Uhr. Oder wolltest du noch bleiben?"

Ich forme mit meinen Lippen ein O und stehe ebenfalls auf, bemüht meine Enttäuschung darüber, dass Aiden den Abend so schnell beendet, zu verstecken. "Du hast Recht, dann lass uns fahren."

Trotzig folge ich Aiden aus dem Café zu seinem Auto und schon wieder trifft mich die Realität, denn ich merke wie abhängig ich mit der Zeit schon von ihm geworden bin. Ich vermisse ihn jetzt schon und das, obwohl er noch bei mir ist. Allein der Gedanke, dass er gleich nicht mehr bei mir sein wird, ich ihn nicht mehr riechen kann, gibt mir das Gefühl, als würde etwas von mir fehlen.

Aiden schließt das Auto auf und wir steigen ein. Er startet den Motor und parkt aus der Parklücke aus.

"Also, jetzt geht’s zum Campus", seufze ich theatralisch und schaue aus dem Fenster. Hoffentlich merkt Aiden, dass ich noch nicht gehen will und bietet mir an, noch ganze viele Dinge mit ihm zu machen. Ich will einfach noch nicht von ihm weg.

"Raven", seufzt Aiden und legt seine Hand auf mein Bein.

Sofort sprühen wieder Funken.

"Ich würde auch am liebsten noch den ganzen Abend und am liebsten sogar die ganze Nacht mit dir verbringen, aber ich hab leider noch viel zu tun Zuhause." Er sieht mich entschuldigend von der Seite an.

Ich versuche nicht mal mehr, meine Enttäuschung zu verstecken und fange an zu schmollen. "Was musst du denn machen?"

"Morgen ist wieder Vorleseabend in der Kirche und bis dahin muss ich noch zwei Geschichten schreiben.”

Ich nicke verständnisvoll, bin aber immer noch traurig. "Okay, das verstehe ich", sage ich leise. "Aber nur, weil es für einen guten Zweck ist", scherze ich noch, um die Stimmung ein wenig zu lockern.

Aiden grinst jetzt und drückt kurz meinen Oberschenkel. "Natürlich."

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