Wieder zu Hause

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Wieder zu Hause
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Carmen Sommer



Wieder zu Hause



Leslie und Philipp





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Inhaltsverzeichnis





Titel







Wieder zu Hause







Die Überraschung







Travis und seine Freunde







Die neue Arbeit







Treffen mit alten Freunden







Die Party







Matt ist wieder da







Philipp lernt Matt kennen







Die Trennung







Der Antrag







Impressum neobooks







Wieder zu Hause





Wieder zu Hause






Gutgelaunt fuhr Leslie mit ihrem kleinen Wagen durch die herrliche, ihr vertraute Landschaft, ihrem Ziel entgegen. Das Wetter war wunderbar und begrüßte sie mit einem blauen, wolkenlosen Himmel. Eine leichte Brise wehte vom nah gelegenen Meer zu ihr herüber. Es schimmerte in der Sonne in vielen verschiedenen Blautönen. In der Ferne entdeckte sie ein paar Boote, die über die Wellen tanzten. Sie war mit ihrer Entscheidung zufrieden. Für sie und ihren Sohn begann ein neues Leben. Philipp war während der Fahrt eingeschlafen. Leslie atmete die frische Luft tief ein. So befreit und glücklich war sie schon lange nicht mehr. Ja, sie hatte das Richtige getan. Alles hinter sich gelassen. Es war Zeit für eine Veränderung. Ihre Freunde bedauerten ihre Entscheidung, aber für sie und ihren Sohn war es so das Beste.



Leslie kam zurück. Endlich wieder zurück in ihre Heimat. Ihre Eltern würden sich bestimmt freuen, wenn sie in ihrer Nähe weilte. So konnten sie auch endlich ihren Enkel kennenlernen, von dem sie keine Ahnung hatten. Leslie hatte schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern. Die wussten weder von Philipp, noch davon, dass sie in ihre Nähe zog. Leslie wollte sie überraschen. Wie sie wohl auf sie reagieren würden? Hoffentlich hielten sie ihr nicht vor, dass sie einfach so ging?




Bald schon müsste man die Häuser des kleinen Ortes sehen. Leslie hatte zufällig über eine Anzeige ein kleines Häuschen gefunden, dass ganz in der Nähe ihres Elternhauses lag. Sie musste nicht lange überlegen und hatte gleich den Kaufvertrag abgeschlossen. Da sie schon seit geraumer Zeit daran dachte, etwas in ihrem Leben zu verändern, kam ihr das gerade recht. Sie hatte schon zu viel Zeit verloren und immer wieder ihre Entscheidung hinausgezögert. Schon lange hielt sie nichts mehr in dieser Stadt, außer ihrer Freunde. Also, worauf noch warten. So teilte sie ihren Freunden mit, dass sie sich entschieden hatte und endlich wieder nach Hause ziehen wollte. Leslie wollte sich verändern. Auch in ihrem Beruf war sie schon länger unzufrieden. Zuerst erfuhren Lori und Paul von ihrem Vorhaben. Sie waren ihre engsten Freunde und Arbeitskollegen. Später erzählte sie es auch Pamela und Adam. Die beiden wohnten im selben Haus wie Leslie und waren seit einem halben Jahr verheiratet. Sie alle waren enttäuscht und traurig, konnten aber auch ihre Entscheidung verstehen. Die vier verabschiedeten Leslie und Philipp mit einer kleinen Abschiedsfeier. Dabei versprachen sie, die beiden so schnell wie möglich zu besuchen, sobald sie Fuß gefasst hatten. Leslie freute sich sehr darüber, denn sie kannten sich jetzt schon lange und die vier waren auch in ihrer schweren Zeit für sie da gewesen. Dafür war sie ihnen sehr dankbar. Sie kannten die traurige Geschichte. Bis heute konnte es niemand verstehen, warum dies geschah. Warum hatte er sie damals einfach verlassen?




Endlich sah sie den Ort vor sich liegen. Das war also jetzt wieder ihr Zuhause. Hoffentlich war der Möbelwagen rechtzeitig dort, damit sie wenigstens das Zimmer für Philipp einrichten konnte. Erst wenn sie das Haus vollkommen eingerichtet hatte, wollte sie ihren Eltern einen Besuch abstatten. Als sie in der Nähe des Hauses waren, sah sie schon den Möbelwagen. Der war ein paar Minuten vor ihr angekommen und die Männer warteten schon auf Leslie.



„Sie mussten hoffentlich nicht zu lange warten?“, entschuldigte sich Leslie bei den Männern.



„Nein. Passt schon. Können wir dann ausladen?“



„Ja. Ich schließe sofort auf.“



Leslie öffnete die Haustür. In dem Moment erwachte auch Philipp.



„Mama? Sind wir schon da?“, rief er.



„Ja. Komm. Schau dir unser neues Zuhause an. Es wird dir bestimmt gefallen.“



Philipp stieg aus dem Wagen und lief ins Haus.



„Wow. Es ist größer, als ich dachte. Wo ist mein Zimmer?“



„Komm mit. Wir sehen uns um. Du kannst dir dein Zimmer aussuchen.“



„Prima“, strahlte er.



Leslie schaute sich genau um, während Philipp in jedes Zimmer stürmte.



„Na, einiges muss ich wohl doch noch in Ordnung bringen“, sagte sie zu sich selbst.



„Ich hab mein Zimmer gefunden“, rief Philipp.



Leslie ging zu ihm und schaute sich in dem Raum um.



„Da hast du dir das schönste Zimmer ausgesucht. Hier muss ich auch nicht einmal streichen. Anscheinend hat das der Vorbesitzer für uns erledigt. Das ist super. Wir können deine Sachen sofort einräumen.“



Sie war froh, dass wenigstens dieses Zimmer in Ordnung war. So konnten die Möbelpacker die Möbel von Philipp direkt so hinstellen, wie Leslie es wünschte.



„Da haben sie wohl noch ein wenig Arbeit?“, nickte der eine von ihnen.



„Ja. Vor allen Dingen werde ich den Räumen eine neue, frische Farbe verpassen müssen“, lächelte sie.



„Na dann, viel Spaß. Hoffentlich haben sie Hilfe.“



Nein, dachte sie, Hilfe habe ich keine. Aber, dass schaffe ich schon allein. Es würde zwar etwas dauern, aber, dass war in Ordnung. Ein paar Tage hatte sie noch Zeit, bis sie ihre neue Stelle antreten musste. Sie musste ja nicht alles auf einmal schaffen, denn sie hatte ja alle Zeit der Welt, um ihr Heim so zu gestalten, wie sie es wollte.



Es dauerte fast den ganzen Tag, bis alle Möbel aus dem Wagen im Haus waren. Leslie bedankte sich und gab den Männern ein gutes Trinkgeld. Sie waren sehr hilfsbereit, deshalb gab sie etwas mehr, als normalerweise angebracht gewesen wäre. Die Männer bedankten sich und fuhren davon. Jetzt kam eine Menge Arbeit auf Leslie zu. Aber sie freute sich darauf.




Am nächsten Tag räumte sie mit Philipp zusammen seine Sachen ein. Einiges stellte man doch nochmal um, bis beide zufrieden waren. Dann überlegte sie, was sie alles zum Streichen der Wände benötigte. Sie stellte in der Küche den Tisch mit Stühlen hin, damit man sich wenigstens darin aufhalten konnte. Es dauerte fast den ganzen Tag, bis sie das Geschirr und einige Lebensmittel eingeräumt hatte. Zum Glück war die Küche fast neu, nur eine neue Farbe könnten die Wände auch hier vertragen. Leslie machte zwischendurch nur etwas Kleines zu essen.



„Weißt du was, Philipp? Wir werden uns gleich mal den Ort ansehen. Ich war ja schon lange nicht mehr hier. Mal sehen, was sich so alles verändert hat. Dann könnten wir auch gleich eine Kleinigkeit essen gehen. Was meinst du?“



„Super Idee, Mama. Ich hätte Lust auf eine Pizza.“



„Na dann. Ich geh schnell unter die Dusche.“



Nach ein paar Minuten spazierten die beiden durch den Ort, der sich mittlerweile doch sehr verändert und auch etwas vergrößert hatte. Leslie staunte.



„Schau, da ist eine Pizzeria. Wollen wir dort etwas essen?“, zeigte Philipp.



„Klar. Wir können sogar draußen sitzen.“



Philipp nahm seine Mutter an der Hand und zog sie zu einem freien Tisch.



„Mami, wann lerne ich endlich Oma und Opa kennen?“



„Sobald wir mit unserem Haus fertig sind. So lange musst du noch warten. Ist das ok für dich? Wir wollen sie doch damit überraschen.“



„Ja. Hoffentlich sind sie uns nicht böse, weil wir uns so lange nicht gesehen haben? Sie kennen mir ja noch gar nicht“, nickte er etwas traurig mit seinem Kopf.



„Bestimmt nicht. Sie werden sich riesig freuen. Glaub mir“, beruhigte sie ihn.



Am Nebentisch saßen ein paar junge Männer und unterhielten sich. Ab und zu schauten sie zu Leslie und Philipp, so, als würden sie über sie reden. Leslie schaute sie skeptisch an und schüttelte den Kopf.



„Was ist, Mama? Warum schaust du die Männer so böse an?“



„Ich dachte gerade, sie würden über uns reden. Ich habe mich bestimmt geirrt. Hab mir das wahrscheinlich nur eingebildet.“



„Vielleicht könnten sie uns beim Streichen helfen. Warum fragst du sie nicht einfach?“



„Philipp. Ich kenne sie doch gar nicht. Bestimmt haben sie was anderes zu tun, anstatt uns zu helfen“, schüttelte Leslie den Kopf.



Philipp war ein aufgeweckter Junge. Er hatte keine Angst fremde Menschen anzusprechen, war aber trotzdem vorsichtig und hatte ein Gespür, ob jemand in Ordnung war, oder nicht.



„Ihr seid neu in unserem kleinen Städtchen?“, stand plötzlich einer der jungen Männer an ihrem Tisch.

 



„Und? Haben sie ein Problem damit?“, war Leslie kurz angebunden.



„Nein. Ganz und gar nicht. Wollte nur freundlich sein.“



Dann drehte er sich um und ging an den Tisch zurück.



„Mama, der war doch nett. Warum warst du so unfreundlich?“



„Das verstehst du nicht. Ich möchte keine neue Männerbekanntschaft machen. Das ist alles. Was geht es ihn an, ob wir neu hier sind oder nicht. Er kann uns doch nicht einfach so ausfragen.“



Philipp schaute seine Mutter mit großen Augen an.



„Mama, was ist eigentlich mit meinem Vater? Bist du deshalb so, so komisch?“



Leslie verschluckte sich fast an einem Stück Pizza. Wie kam er denn jetzt auf seinen Vater? Er hatte monatelang nicht mehr nach ihm gefragt.



„Mama? Was ist mit ihm. Warum ist er nicht hier, bei uns?“



„Philipp. Nicht hier und nicht jetzt. Ich habe es dir doch schon vor ein paar Jahren gesagt.“



„Ja, aber jetzt bin ich älter und ich möchte gerne wissen, was passiert ist. Damals.“



Richtig Philipp war älter geworden. Er war ein vernünftiger Junge, der vieles verstand, was andere in seinem Alter vielleicht nicht verstanden. Philipp war mittlerweile 9 Jahre und er war seinem Vater, wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte die selben dunkelblonden Haare und seine strahlend blauen Augen. Seine Gesichtszüge wurden ihm immer ähnlicher und manchmal schaute Philipp seine Mutter so an, wie damals Matt. Es war schon eigenartig. Leslie wollte Matt eigentlich vergessen, für immer. Aber immer wenn sie Philipp ansah, sah sie das Gesicht von Matt vor sich. Manchmal dachte sie wieder an die wunderbare Zeit, die sie miteinander verbracht hatten und sie sehnte sich nach ihm. Aber dann erinnerte sie sich auch wieder an die unschöne Zeit und die Trennung.



„Iss, deine Pizza. Wir reden später darüber“, wischte sie ihre Gedanken an Matt weg.



Die jungen Männer an dem Nebentisch schienen sich köstlich zu amüsieren, denn sie lachten und scherzten ständig miteinander. Verstehen konnte Leslie ihr Gespräch nicht. Aber immer wieder schaute der eine oder andere zu ihnen herüber.



„Lass uns gehen. Ich bezahle“, schaute Leslie an den Nebentisch.



„Ok.“



Als Leslie nach der Bedienung rief, stand Philipp auf und ging zu den jungen Männern. Die schauten ihn erstaunt an.



„Na, junger Mann? Was gibt es?“, fragte einer von ihnen.



„Habt ihr Lust uns beim Streichen zu helfen? Wir sind gestern erst eingezogen und meine Mama hat ne Menge Arbeit. Sie schafft das nicht alleine.“



Die Männer schauten sich untereinander grinsend an.



„Philipp? Was tust du denn da? Ich brauch keine Hilfe. Das schaff ich schon allein. Komm jetzt, bitte.“



„Also überlegt es euch.“



Philipp nannte noch die Adresse und verließ dann mit seiner Mutter das Lokal.



„Warum tust du das? Ich möchte nicht, dass die uns helfen.“



„Aber wir wären viel schneller fertig. Du hättest nicht so viel Arbeit und sie könnten gleich die Möbel so hinstellen, wie du es möchtest. Du packst sie ja gar nicht.“



„Danke, für deine Fürsorge. Das ist wirklich lieb von dir. Trotzdem. Wir kennen doch diese Jungs gar nicht. Sie sind uns fremd.“



Beide gingen still nebeneinander her, in Richtung ihres neuen Hauses.



„Bist du mir böse, Mama?“



„Nein, natürlich nicht. War ich dir schon jemals böse?“, lächelte sie ihn an.



Philipp schüttelte den Kopf und war beruhigt. Er liebte seine Mutter über alles. Immer konnte er mit ihr über alles reden. Bestimmt jetzt auch über seinen Vater. In letzter Zeit dachte er oft darüber nach. Er wusste zwar, dass er sich von seiner Mutter getrennt hatte, aber wie und warum, dass wusste er nicht.



„Wir sollten gleich zu Bett gehen. Morgen müssen wir früh raus und zu deiner Schule fahren. Da solltest du ausgeschlafen sein“, meinte Leslie.



„Ja. Ich freue mich schon darauf. Aber morgen musst du mir mehr über Papa erzählen. Ja? Versprichst du es mir?“



„Das werde ich. Ich verspreche es dir. Du bist alt genug. Ich werde dir alles sagen. Jetzt aber ab ins Bett und vergiss nicht, die Zähne zu putzen.“



„Das vergesse ich nie, Mama. Ich hab dich lieb.“



„Ich dich auch, mein Liebling.“



Dann herrschte Stille. Also morgen. Philipp würde morgen die ganze Geschichte erfahren. Wie er wohl reagieren wird? Lange lag Leslie auf dem provisorisch aufgebauten Bett und dachte über alles nach, bis sie endlich einschlief.



Früh stand sie in der Küche und bereitete das Frühstück zu. Sie hörte, wie Philipp ins Bad ging. Nach einer Weile kam er angezogen in die Küche und setzte sich an den Tisch. Überall standen noch verpackte Gegenstände und Kisten herum. Auch die Möbel waren noch nicht an ihrem Platz. Aber wenigstens konnten sie am Tisch sitzen



„Bist du bereit? Für die Schule?“, schaute sie ihren Sohn an.



„Ja. Ich bin soweit. Wir können los.“



Sie stiegen in den Wagen und fuhren zu der Schule, in die Philipp ab sofort ging.



„Na, von außen sieht sie ja mal nicht übel aus“, meinte Leslie.



Philipp wurde schon erwartet. Nach einem Gespräch wurde er seiner Klassenlehrerin übergeben und seiner Klasse vorgestellt. Nun musste er alleine klar kommen. Aber Leslie war sich sicher, dass Philipp keine Probleme hatte. Sie war überzeugt, dass er bald neue Freunde finden würde. So fuhr sie mit einem guten Gefühl nach Hause. Hatte aber mit Philipp abgemacht, ihn nach Schulschluss wieder abzuholen.



Unterwegs kaufte Leslie noch Farbe und alles dazugehörige ein. Als sie zu Hause war, zog sie sich um und begann damit, ihr Schlafzimmer zu streichen. Plötzlich läutete es. Überrascht ging sie zur Tür und öffnete.



„Hey. Wir wurden von einem ziemlich jungen Mann engagiert. Hier sollen Malerarbeiten gemacht werden?“, lächelte sie ein junger Mann an.



„Wie bitte?“



Leslie erkannte ihn. Er war einer der Männer vom Nebentisch in der Pizzeria. Hinter ihm standen seine Kollegen.



„Gibt es hier jetzt Arbeit für uns oder nicht?“, fragte ein anderer.



„Nein. Ich schaffe das schon allein.“



„Aber das geht nicht. Wir müssen helfen. Das haben wir dem kleinen Kerl versprochen. Sozusagen“, schaute der erste sie ernst an.



„Aber, ich kann sie nicht bezahlten. Wir sind erst gestern hier angekommen und ich habe meine Arbeit noch nicht aufgenommen. Also verdiene ich im Moment nichts.“



„Oh. Wir verlangen nichts dafür. Sie haben sowieso Glück, dass wir heute Zeit haben. Also wo sollen wir anfangen?“



Leslie war überredet. Sie zeigte den Jungs die Räume, die gestrichen werden mussten.



„Ziemlich viel Arbeit für eine so zierliche Person?“, lächelte einer von ihnen sie an.



Leslie schaute ihn genauer an. Das war doch derselbe, der an ihren Tisch kam. Er sieht nicht übel aus?, dachte sie und schüttelte über sich selbst den Kopf.



„Hätte es schon geschafft“, gab sie zur Antwort.



Sogleich machten sie sich an die Arbeit. Leslie hatte nichts mehr zu tun. So kümmerte sie sich um die Verpflegung der Helfer. Zutaten für eine Suppe hatte sie von ihrem ehemaligen Zuhause mitgebracht. Also bereitete sie eine leckere Suppe zu.



„Will jemand Kaffee?“, rief sie durch das Haus.



„Ja“, riefen alle gleichzeitig.



Leslie war doch froh, als sie sah, welche Fortschritte die Arbeiten machten. Sie war überrascht, dass die Jungs solches Geschick hatten und ein gewaltiges Tempo vorlegten, als hätten sie das schon öfter getan.



„Seid ihr etwa Maler von Beruf?“, fragte sie deshalb.



„Nein. Kein einziger von uns“, drehte sich derjenige von vorhin um.



„Ich möchte mich noch für mein Verhalten entschuldigen. Übrigens mein Name ist Leslie“, reichte sie ihm die Hand.



„Schon vergessen. Ich bin Travis und kein Maler, Anstreicher oder dergleichen.“



„Was machen sie beruflich? Wieso könnt ihr so gut mit Pinsel und Farbe umgehen und wieso haben alle heute Zeit?“



„Erstens sollten wir du sagen, da wir ja alle hier arbeiten. Zweitens hast du Glück, dass wir Urlaub haben. Aber nur noch 4 Tage. Also, wenn wir noch helfen können, solltest du es uns bald sagen. Ach ja und mein Beruf. Was denkst du?“



„Ich habe keine Ahnung.“



„Na, dann rate mal. Vielleicht kommst du ja darauf.“



„Bestimmt nicht. Ist das so ein Geheimnis, dass du es nicht sagen kannst?“



„Nein. Aber ich finde es lustig, wenn du raten musst. Das gefällt mir. Du bist sehr neugierig“, grinste er.



„Das bin ich nicht. Es interessiert mich auch gar nicht und es geht mich auch gar nichts an.“



„Na dann“, pinselte Travis weiter.



„Ich habe eine Suppe vorbereitet. Die könnt ihr nachher essen, wenn ihr wollt. Aber ich muss jetzt unbedingt Philipp von der Schule abholen. Kann ich euch alleine lassen?“



„Sicher. Wir werden das Haus schon nicht ausrauben.“



„Das habe ich auch nicht angenommen. Also bis gleich.“



Insgeheim war Leslie froh, dass sie nicht mehr mit der Farbe herumhantieren musste. Das hatte sie Philipp zu verdanken. Er hatte den Mut, diese Leute anzusprechen. Und die machten ihre Sache gut.



„Hey, Philipp. Wie wars?“



„Alles gut. Ich hab mich schon mit einem Jungen angefreundet. Es gefällt mir in der Klasse. Sie waren alle nett zu mir.“



„Das ist gut. Du wirst staunen, wenn wir nach Hause kommen.“



„Wieso? Sind Oma und Opa etwa da?“



„Nein. Du wirst sie bald sehen, denn unser Haus macht große Fortschritte.“



Philipp schaute sie fragend an. Als er dann das Haus betrat, staunte er nicht schlecht.



„Sie sind also wirklich gekommen?“, fragte er.



„Klar, was hast du denn gedacht“,kam gerade Steve aus der Küche.



„Seid ihr schon fertig?“, wollte Philipp sofort wissen.



„Fast. Etwas Geduld noch“, erschien jetzt William und begrüßte Philipp.



Beide stellten sich ihm vor.



„Ein Zimmer ist fertig. Ich nehme an, dass es das Schlafzimmer deiner Mutter werden soll?“, meldete sich Travis.



„Hallo, da ist ja unser Chef. Ich bin Travis und du bist Philipp, wie ich gehört habe.“



„Ja. Mama, siehst du. Sie sind doch nett“, schaute er seine Mutter an.



„Ja, du hast recht, Philipp. Sie sind alle nett. Ich bin euch dankbar. Nie hätte ich gedacht, dass ich so schnell mit diesem Haus fertig bin. Nochmal vielen Dank. Und ja, dass wird mein Schlafzimmer. Ich denke, die Farbe eignet sich hervorragend dafür.“



„Nichts zu danken. Wir hatten ja sowieso nichts zu tun“, kam Rick aus einem anderen Zimmer.



Hinter ihm stand Colin und lachte.



„Was ist eigentlich mit der Fassade? Die hätte auch einen Anstrich nötig“, schlug Colin vor.



„Das kann ich nicht auch noch verlangen“, lächelte Leslie.



„Nun, wir machen zuerst mal innen alles fertig. Dann helfen wir beim Einräumen. Später kümmern wir uns um die Fassade“, meinte Travis.



„Wollt ihr jetzt mal etwas essen. Ich habe eine Suppe zubereitet. Mehr war nicht möglich. Zum Einkaufen hatte ich noch keine Zeit“, zuckte Leslie mit den Schultern.



„Eine Suppe ist hervorragend“, nickte Rick.



So saßen alle zusammen am Küchentisch und ließen es sich schmecken.



„Lecker, Mama.“



„Ja, wirklich. Hätte nicht gedacht, dass du so gut eine Suppe zubereiten kannst“, lächelte Travis.



„Meine Mama kann sehr gut kochen“, nahm Philipp sie in Schutz.



„Danke, mein Sohn.“



Wenn wir uns ran halten, werden wir heute mit den Zimmern fertig. Dann könnten wir morgen mit dem Einräumen beginnen“, schlug William vor.



„Super. Dann an die Arbeit.“



Steve stand schon auf und ging.



„Los Männer. Ich habe heute noch eine Verabredung“, meinte er noch.



„Oh, dann aber schnell. Sonst wird Selena sauer, wenn Steve nicht pünktlich ist“, lachte Rick.



So machten sich alle wieder daran, die Zimmer fertig zu streichen. Und tatsächlich, gegen Abend waren alle Zimmer frisch gestrichen, inklusive der Küche.



„Wir sehen uns dann morgen wieder“, verabschiedeten sich alle.



„Es riecht überall nach Farbe. Willst du in meinem Zimmer schlafen, Mama?“



„Das werde ich. Morgen wird es ja hoffentlich besser sein. Ich möchte endlich mal wieder in meinem Bett schlafen.“



„Mama? Du wolltest mir noch etwas über Papa erzählen.“



„Ich hab es nicht vergessen. Wenn wir in deinem Zimmer sind. Iss dein Brot bitte noch fertig. Du kannst dann schon mal in dein Zimmer gehen. Ich räume hier noch etwas auf.“

 



„Ok. Bis gleich.“



Leslie musste sich etwas auf das Gespräch vorbereiten. Sie ließ sich mehr Zeit, als nötig. Aber es half ja nichts. Philipp sollte die Wahrheit erfahren.



„Du liegst schon fertig im Bett?“, staunte sie.



„Mhm.“



Leslie legte sich zu ihm.



„Also. Wo soll ich anfangen. Es war so. Du weißt ja, dass dein Papa und ich uns sehr liebten. Wir lernten uns auf einer Hochzeit eines Freundes kennen und verliebten uns ineinander. Obwohl wir noch sehr jung waren, sind wir gleich nach einem Monat zusammengezogen. Matt schrieb mir öfter kleine Briefe und machte mir Komplimente. Dein Vater war der fürsorglichste und liebevollste Mensch, den ich kannte. Wir waren sehr glücklich miteinander. Doch manchmal bemerkte ich, dass er mit seinen Gedanken weit weg war. Ich habe ihn darauf angesprochen, aber er hatte es immer abgestritten. Ich spürte, dass sich auch bei mir etwas veränderte. Ich ahnte, dass ich schwanger war. Vielleicht hatte es auch Matt geahnt.“



„Aber was ist passiert?“, fragte Philipp dazwischen.



„Ich weiß es nicht. Eines Tages, als ich dann die Nachricht erhielt, dass ich wirklich schwanger war und es deinem Vater erzählen wollte, war er weg. Ich fand nur einen Brief vor. Konnte ihm leider nicht mehr sagen, dass ich sein Kind erwartete. An diesem Tag war ich zuerst so glücklich, denn du warst ein Geschenk unserer Liebe. Aber als ich seine Zeilen las, war ich unheimlich traurig und am Boden zerstört. Viele Tage und Nächte weinte ich. Wenn ich damals meine Freunde nicht gehabt hätte, wer weiß. Die haben mir über vieles hinweggeholfen. Aber ich musste mich zusammenreißen, denn ich wusste ja, dass ich dich erwartete und ich freute mich auf mein Kind. Ich bin so glücklich mit dir.“



Leslie drückte ihn fest an sich.



„Also weiß mein Papa gar nicht, dass es mich gibt? Was hat er denn in diesem Brief geschrieben?“



„Nun, er schrieb, dass er sich eingeengt fühlte und seinen Traum verwirklichen musste. Er wollte was von der Welt sehen. Eine Familie käme für ihn nicht infrage. Er wollte frei sein. Nicht gebunden.“



„Du hast nichts mehr von ihm gehört?“



„Nein. Ich habe überall gefragt und nach ihm gesucht. Aber niemand konnte mir helfen. Keiner wusste, wo er geblieben war. Nach Monaten bekam ich einen Anruf. Es war dein Vater. Er wollte mir nur mitteilen, dass es ihm gut ginge und ich mir keine Sorgen machen sollte. Dann legte er auf. Bis heute weiß ich nichts von ihm. Ob er eine andere Familie hat, wo er lebt, ob es ihm wirklich gut geht.“



„Mama, bist du ihm böse? Liebst du ihn nicht mehr?“



„Böse? Ja. Besser gesagt, ich bin traurig darüber. Und ob ich ihn noch liebe? Das ist schwierig zu sagen. Es sind schon so viele Jahre vergangen. Aber er ist immer noch in meinem Herzen, wenn du das wissen willst. Ich habe deinen Vater sehr geliebt.“



„Ich liebe dich auch, Mama. Gerne würde ich meinen Papa kennenlernen. Dann würde ich ihn fragen, warum er das getan hat.“



„Eins kann ich dir sagen, Philipp. Wenn er wüsste, dass er einen Sohn hat, wäre er stolz auf dich und würde dich über alles lieben. So gut kenne ich ihn.“



„Meinst du?“



„Ja. Ganz sicher.“



Philipp kramte in einem Kästchen und nahm ein Foto heraus. Das Foto zeigte seinen Vater. Leslie hatte es ihm schon vor Jahren geschenkt. Er sollte wissen, wie sein Vater aussah. Philipp schaute es sich oft an. Leslie wusste nichts davon, aber sie ahnte es.



„Du siehst deinem Vater sehr ähnlich. Du hast genau die wunderschönen Augen, wie er“, lächelte sie ihn an.



Beide hingen ihren Gedanken nach und schliefen langsam ein.



Am nächsten Morgen brachte Leslie ihren Sohn wieder zur Schule. Als sie zurückkam, stand schon die ganze Mannschaft vor der Tür.



„Guten Morgen. Ihr seid schon da?“



„Wir sind Frühaufsteher“, lächelte William sie an.



„Wie war dein Abend, Steve?“, wollte Leslie wissen.



„Wir hatten einen wunderschönen Abend. Danke, der Nachfrage“, staunte Steve.



„Leslie, wohin mit den Möbeln?“, wollte Travis wissen.



„Oh. Ich komme schon.“



Leslie zeigte den Männern genau, wohin sie die Gegenstände haben wollte. Nach und nach sah es richtig wohnlich und gemütlich aus. Sie schaute sich in allen Zimmern um.



„Es ist