Buch lesen: «Mikrochirurgische Endodontologie»

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MIKRʘCHIRURGISCHE

ENDODONTOLOGIE

Bertrand Khayat | Guillaume Jouanny

MIKRʘCHIRURGISCHE

ENDODONTOLOGIE


Titel der französischen Erstausgabe:

La chirurgie endodontique. In der Reihe Tout simplement erschienen bei Espace ID, Paris, 2016.

Titel der dieser Ausgabe zugrunde liegenden englischen Ausgabe:

Microsurgical Endodontics. Erschienen bei Quintessence International, Paris 2019.

© Quintessence International 2019

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.


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Illustrationen: Napoleão Editora, São Paulo

Übersetzung: Peter Rudolf, München

Lektorat: Ursula Tanneberger, Berlin

Herstellung: Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

ISBN (print): 978-3-86867-505-4

ISBN (epub): 978-3-86867-511-5

Geleitwort

Die apikale Mikrochirurgie (auch periradikuläre Mikrochirurgie) ist inzwischen eine etablierte Therapieoption für den Erhalt von Zähnen mit postendodontischer Infektion. In den vergangenen 20 Jahren haben deutliche Fortschritte bei der Fallauswahl und Behandlungsplanung (DVT), dem chirurgischen Instrumentarium (Mikroskope, Endoskope, Ultraschall-Mikroinstrumente, Hämostatika) und biokompatiblen retrograden Füllungsmaterialien (MTA, Biokeramiken) die Entwicklung dieser endodontischen Disziplin vorangetrieben. Das bedeutet: Die Endodontie verfügt heute mit der apikalchirurgischen Option über eine leistungsfähige und wichtige Alternative zur konventionellen endodontischen Revision und Extraktion.

Die Autoren, Bertrand Khayat und Guillaume Jouanny, verdienen große Anerkennung für dieses Buch, in dem sie alle genannten Aspekte einer modernen endodontischen Mikrochirurgie behandeln. Beide sind erfahrene Zahnärzte, geschickte Chirurgen und nicht zuletzt renommierte Referenten auf dem Gebiet der endodontischen Chirurgie. Das vorliegende Buch stellt didaktisch überzeugend und übersichtlich die einzelnen Therapieschritte der apikalen Mikrochirurgie dar. Hervorragende klinische Aufnahmen und Grafiken ergänzen den präzisen Text, der die Untersuchung des Patienten und die chirurgischen und mikrochirurgischen Techniken eindrücklich darstellt. Eine ausgezeichnete Ergänzung sind die Videos, die das inhaltliche und visuelle Verständnis der behandelten Thematik erweitern, und zu denen das Buch Zugang gibt.

Möge dieses Buch zu einem besonderen Schatz für Zahnmedizinstudierende, Allgemeinzahnärzte und Endodontiespezialisten werden, die Kenntnisse auf dem Gebiet der apikalen Chirurgie erwerben oder sie erweitern wollen. Auf diesem Weg wird es dazu beitragen, viele Zähne zu erhalten und die Gesundheit unserer Patienten zu verbessern.

Prof. Dr. med. dent. Thomas von Arx

Oberarzt und Stellvertreter des Klinikdirektors an der Klinik für Oralchirurgie und Stomatologie, Zahnmedizinische Kliniken der Universität Bern

Vorwort

Ziel jeder Wurzelkanalbehandlung ist die Prävention und Therapie der apikalen Parodontitis. Eine endodontogene Parodontitis apicalis ist die Entzündungsantwort der periradikulären Gewebe auf die Anwesenheit von Mikroorganismen in den Wurzelkanälen. Die Wurzelkanalbehandlung dient dazu, diese Mikroorganismen möglichst vollständig zu eliminieren und ihrer erneuten Vermehrung vorzubeugen. Die apikale Chirurgie möchte dieselben Ziele erreichen und ist in diesem Sinn eine vollwertige endodontische Behandlung.

Besteht eine Situation mit persistierender periradikulärer Erkrankung endodontischer Herkunft nach einer primären Therapie, sind verschiedene Lösungen möglich: Extraktion, konventionelle orthograde Revision oder apikale Chirurgie. Die klassische Vorstellung, dass unabhängig von der klinischen Situation immer eine konventionelle Revision angezeigt ist, basiert auf der veralteten Auffassung, dass eine Wurzelspitzenresektion unsichere Ergebnisse liefert und die Ultima Ratio darstellt.

In den letzten Jahren hat hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Instrumente, Techniken und Materialien haben sich weiterentwickelt und die Erfolgsrate der apikalen Chirurgie hat sich so weit erhöht, dass sie mit derjenigen der herkömmlichen Wurzelkanalbehandlung vergleichbar ist. Bei korrekter Indikationsstellung ist die apikale Chirurgie heute eine zuverlässige Therapieoption, und in Fällen mit persistierenden endodontogenen Läsionen sind nicht mehr nur die Revision und die Extraktion in Betracht zu ziehen. Vielmehr sollte ein apikalchirurgischer Eingriff als zuverlässige konservierende Lösung erwogen und den Patienten vorgeschlagen werden.

Danksagungen

Ich danke meinem Koautor Dr. Guillaume Jouanny dafür, dass er seinen Enthusiasmus, seine Fähigkeiten und außergewöhnlichen Kenntnisse zum Thema eingebracht und die Realisierung dieses Projekts erst ermöglicht hat. An den Abenden und Wochenenden unserer Arbeit ließ er einen lebendigen Austausch entstehen, der auch über die Endodontie hinausging. Weiterhin danke ich Dr. Gerald Harrington, meinem Lehrer. Sein Wissen, sein permanentes Streben nach Perfektion und sein Einsatz für die Patienten haben meinen beruflichen Ansatz inspiriert. Ich schätze mich glücklich, dass ich von seiner Lehrtätigkeit profitieren durfte.

Ich danke Dr. Syngcuk Kim, dem führenden Kopf und Pionier auf dem Gebiet der endodontischen Mikrochirurgie.

Zudem danke ich meinem Bruder Philippe Khayat, mit dem ich das Vergnügen habe, meine Praxis zu teilen, und auf dessen Unterstützung ich immer bauen kann. Seine unglaubliche Begabung für die Zahnmedizin ist mir ein Vorbild.

Alle in diesem Buch gezeigten Eingriffe wurden mit der Hilfe meiner Assistentinnen Chantal Devillars und Olfa Assadi durchgeführt. Ich danke ihnen für ihr Geschick und ihre Einsatzfreude. Sie sind „Verlängerungen“ meiner eigenen Hände.

Schließlich widme ich das Buch meiner Frau Susie, die mich jederzeit unterstützt und ermutigt hat, und meinen Kindern Adrien und Cléophée, die meine vielen Abwesenheiten geduldig ertragen haben.

Bertrand Khayat

Mein Interesse an der Endodontie ist in Dr. Khayats Praxis geweckt worden. Als Student begann ich ihm beim Behandeln der Patienten zuzusehen. Er nahm mich unter seine Fittiche und lehrte mich geduldig die Grundzüge der Endodontie. An seiner Seite erschloss sich mir die Schönheit der apikalen Chirurgie und ihr Nutzen für unsere Patienten. 10 Jahre und viele Stunden gemeinsamer Arbeit später, ist es mir nun eine große Ehre und Freude, Koautor dieses Buches zu sein. Die apikale Chirurgie ist inzwischen fester Teil meiner täglichen Praxis. Ich danke Dr. Khayat für seine Anleitung, sein Engagement, seine andauernde Inspiration und sein Streben danach, nie mit dem bloß Akzeptablen zufrieden zu sein.

Ich danke auch meinen Lehrern und Vorbildern in der Zahnmedizin: Dr. Franck Decup danke ich dafür, dass er mich in die Zahnmedizin eingeführt hat und mich meine ersten Schritte am Operationsmikroskop machen ließ, außerdem für seine Geduld, Leidenschaft als Lehrer und seine Freundschaft. An Dr. Gil Tirlet geht mein Dank für seine Liebe zur Zahnmedizin, sein Streben nach Perfektion und seine Hingabe an die Ausbildung kommender Zahnarztgenerationen.

Ich danke Dr. Syngcuk Kim, Dr. Kratchman, Dr. Setzer, Dr. Karabucak und Dr. Kohli, meinen Kollegen während der Jahre in Philadelphia und der gesamten Penn-Familie. Die endodontische Chirurgie wäre ohne ihre Arbeit und internationalen Lehrbemühungen heute nicht das, was sie ist. Schließlich danke ich Dr. Martin Trope dafür, dass er mich gelehrt hat, immer weiterzufragen.

Guillaume Jouanny

Videos zu diesem Buch

Zu diesem Buch gehören ergänzende Videos: einfach, zuverlässig, schnell und kostenfrei, von den Autoren ausgewählt, um den Inhalt zu veranschaulichen und das Gelesene zu vertiefen. So funktioniert’s:

Abbildungen mit diesem Piktogramm, sind mit den Videos verlinkt. Durch Anklicken, wird das Video im Browser gestartet. (Seiten 39, 62, 116, 121, 140, 141, 157, 176, 191, 193, 209, 210).

Die Videos sind auch unter https://video.qvnet.de/b22270/ aufrufbar.


Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Danksagungen

Kapitel 1 Indikationen

Kapitel 2 Kontraindikationen

Kapitel 3 Präoperative Diagnostik, Medikation, Aufklärung und Einwilligung sowie postoperative Anweisungen

Kapitel 4 Vergrößerungshilfen und Instrumentarium

Kapitel 5 Ergonomie und Arbeitsposition

Kapitel 6 Anästhesie

Kapitel 7 Weichgewebeanatomie und Lappendesign

Kapitel 8 Aufklappungund Naht

Kapitel 9 Osteotomie, Resektion, Kürettage und Blutstillung

Kapitel 10 Retrograde Wurzelkanalpräparation

Kapitel 11 Retrograde Füllung

Kapitel 12 Therapieerfolg, regenerative Maßnahmen und Komplikationen

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

Übersicht der Abbildungen mit Augmented Reality

Autoren


Bertrand Khayat

Doctor in dental surgery

Certificate in endodontics, University of Washington, USA

Master of science in dentistry, University of Washington, USA

Adjunct assistant Professor, University of Pennsylvania, USA

Studium der Zahnmedizin [1982] an der Universität Paris Diderot. Spezialisierung in Endodontie und Master of Science [1988] an der University of Washington. Als Pionier am Operationsmikroskop entwickelte er zudem mehrere chirurgische Instrumente, darunter Ultraschallspitzen für die retrograde Wurzelkanalpräparation. Dr. Khayat hält weltweit Vorträge zur endontischen Chirurgie und betreibt eine private Praxis für konventionelle und chirurgische Endodontie in Paris.


Guillaume Jouanny

Doctor in dental surgery

Certificate in endodontics, University of Pennsylvania, USA

Clinical instructor, University of Paris Descartes, France

Studium der Zahnmedizin [2008] an der Universität Paris Descartes. Spezialisierung in Endodontie [2015] und umfangreiche Beschäftigung mit mikrochirurgischer Endodontie an der University of Pennsylvania. Seit seiner Rückkehr nach Frankreich Dozent an der Universität Paris Descartes. Dr. Guillaume Jouanny betreibt eine private Praxis in Paris und hält weltweit Vorträge zur chirurgischen Endodontie und anderen endodontischen Themen.

Die Autoren haben in den vergangenen 10 Jahren an mehreren Artikeln und einem französischen Fachbuch zur endodontischen Mikrochirurgie zusammengearbeitet. Gemeinsam haben sie ein Programm ins Leben gerufen, in dem Zahnärzte aus aller Welt ihre Fähigkeiten auf dem Gebiet der chirurgischen Endodontie vervollkommnen können.

1

Indikationen

Die apikale Parodontitis ist eine dynamische Erkrankung und eine Radioluzenz um die Wurzelspitze eines endodontisch behandelten Zahns nicht immer ein Zeichen für ein aktives Krankheitsgeschehen.

Es wurde gezeigt, dass Läsionen endodontischen Ursprungs bis zu 4 Jahre benötigen, um auszuheilen1. Das Röntgenbild liefert daher also nur Informationen über den Zustand des periapikalen Knochens zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Ein Vergleich mit früheren Röntgenaufnahmen – sofern vorhanden – kann zeigen, ob die Läsion sich zurückbildet, also heilt, oder wächst und aktiv ist.

Wird eine endodontisch bedingte Läsion im Röntgenbild entdeckt, liefern eine klinische Untersuchung und die Anamnese der aktuellen Erkrankung zusätzliche, für die Entscheidungsfindung wichtige Informationen.

I. Persistierende Läsion nach zufriedenstellender Wurzelkanalbehandlung oder Revision

Die Qualität einer Wurzelkanalbehandlung wird üblicherweise im Röntgenbild überprüft. Sie gilt dann als zufriedenstellend, wenn alle Kanäle bis zum angestrebten Endpunkt gefüllt wurden. Ein zusätzliches digitales Volumentomogramm (DVT) ermöglicht die Beurteilung aller Kanäle, auch solcher, die mit einem zweidimensionalen Röntgenbild nur schwer darzustellen sind, wie z. B. ein zweiter mesiobukkaler Kanal bei einem oberen Molaren.

Die Wurzelkanalfüllung muss dicht und homogen sein, der Form des ursprünglichen Kanals folgen und im Bereich der Wurzelspitze 0 bis 2 mm vor dem röntgenologischen Apex enden (Abb. 1). Die Qualität der Wurzelkanalfüllung sagt etwas über die vermeintliche Qualität der Wurzelkanalpräparation aus, liefert aber keine Informationen über die Qualität der Desinfektion.


Abb. 1 Zufriedenstellende Wurzelkanalfüllung an einem Zahn 11. Die Füllung ist dicht und homogen und entspricht der Arbeitslänge.

Die Qualität der Wurzelkanalfüllung und die Qualität des koronalen Verschlusses sind zwei Faktoren, die den Erfolg einer endodontischen Behandlung beeinflussen2. Aus der Qualität der koronalen Restauration kann auf die Qualität der koronalen Abdichtung rückgeschlossen werden. Die Untersuchung erfolgt klinisch mit einer Häkchensonde und radiologisch mit einer Bissflügelaufnahme. Ist die Restauration defekt, kann eine Rekontamination der Wurzelkanäle stattgefunden haben und der Behandlungserfolg steht infrage.

Dass eine scheinbar erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung nicht zur Heilung führt, kann verschiedene Gründe haben.

A. Grenzen der konventionellen endodontischen Behandlung

Seit den Untersuchungen von Hess im Jahr 1928 ist bekannt, dass die endodontische Anatomie nicht nur aus einem einfachen Kanal besteht. Vielmehr liegt ein kanaläres System vor, das vor allem im apikalen Drittel Anastomosen, Isthmen und akzessorische Kanäle umfasst. Aus verschiedenen Studien geht hervor, dass ein großer Anteil der internen Wurzeloberfläche bei einer orthograden Wurzelkanalbehandlung unbehandelt bleibt3. Ein Grund dafür ist der ovale Querschnitt der meisten Kanäle, der es schwer macht, den gesamten Kanal mit Instrumenten zu reinigen, die einen runden Querschnitt aufweisen (Abb. 2).


Abb. 2a Zahn 41 nach konventioneller Revision ein Jahr zuvor. Die Läsion heilt nicht. Eine chirurgische Intervention ist indiziert.

b Nach der Wurzelspitzenresektion zeigt sich ein abgeflachter Wurzelkanalquerschnitt, der über einen orthograden Zugang nicht gereinigt werden kann.

c Der Neoapex nach der Instrumentierung und retrograden Füllung.

In histologischen und mikroskopischen Untersuchungen nach endodontischen Misserfolgen4 wurde bakterieller Biofilm an Stellen gefunden, die für die konventionelle Instrumentierung nicht zugänglich waren. Bekanntermaßen haben die meisten endodontischen Misserfolge ihre Ursache darin, dass dieser Biofilm nicht entfernt werden konnte.

B. Extraradikuläre Infektion

In manchen Fällen siedeln sich Bakterien oder Pilze auf der Außenfläche der Wurzelspitze an, und auch Zahnsteinablagerungen ähnelnde Strukturen wurden außen auf der Wurzelspitze beobachtet5.

Extraradikuläre Mikroorganismen sind bei der konventionellen orthograden Revision nicht zu erreichen. Die chirurgische Entfernung der Läsion und die Resektion der Wurzelspitze sind daher die einzige Möglichkeit, um eine Heilung des periapikalen Gewebes herbeizuführen (Abb. 3)6.


Abb. 3a Persistierende periradikuläre Läsion an einem Zahn 22.

b Chirurgische Entfernung der Läsion. Das Gewebe wird zur histopathologischen Untersuchung eingesendet.

c Bei der histopathologischen Analyse zeigt sich eine extraradikuläre Infektion mit den für eine Aktinomykose typischen Bakterienkolonien.

C. Zystische Läsionen

Im Röntgenbild lässt sich die histopathologische Natur einer Läsion endodontischen Ursprungs nicht bestimmen7. Es kann sich sowohl um ein Granulom als auch um eine zystische Läsion, d. h. eine von einem epithelialen Häutchen umkleidete Läsion handeln. Es gibt zwei Formen solcher Zysten: echte Zysten, die keine Verbindung mit dem Wurzelkanal haben, weil sie komplett von Epithel umschlossen sind, und Taschenzysten, die von Epithel umgeben sind, aber noch mit dem Wurzelkanal kommunizieren (Abb. 4). Taschenzysten haben bei der konventionellen Behandlung oder Revision eine günstigere Prognose. Dagegen spricht eine echte Zyste kaum auf eine konventionelle Wurzelkanalbehandlung oder -revision an, da die Infektion im Wurzelkanal nicht mit dem Zystenlumen in Verbindung steht. Zysten machen schätzungsweise 15 % aller periapikalen Läsionen aus7. Wenn eine kunstgerecht durchgeführte endodontische Revision nicht zur Heilung führt, besteht die Möglichkeit, dass die Läsion eine echte Zyste darstellt und eine apikalchirurgische Intervention angezeigt ist. Allgemein gilt, dass ein chirurgisches Vorgehen indiziert ist, wenn eine Wurzelkanalbehandlung (Primärbehandlung oder Revision) sich im Röntgenbild adäquat darstellt und mit einer klinisch zufriedenstellenden koronalen Restauration abgeschlossen wurde, die periradikuläre Läsion aber nicht abheilt (Abb. 5).


Abb. 4 Links: echte Zyste mit Separation der Läsion vom Wurzelkanal durch ein epitheliales Häutchen. Rechts: Taschenzyste; die Läsion steht mit dem Wurzelkanal in Verbindung.


Abb. 5a Zahn 46 mit apikaler Läsion.

b Postoperative Röntgenaufnahme nach der konventionellen Wurzelkanalbehandlung.

c Das Kontrollröntgenbild nach einem Jahr zeigt keine Zeichen einer Heilung an der mesialen Wurzel. Ein chirurgischer Eingriff sollte erwogen werden.

II. Persistierende Läsion nach nicht zufriedenstellender Wurzelkanalbehandlung oder Revision

Während einer primären endodontischen Behandlung können Fehler unterlaufen, die den Zugang zum gesamten Kanal unmöglich machen. Häufiger treten solche Fehler bei der endontischen Revision auf. Die Entfernung von altem Füllungsmaterial kann genauso wie Fehler bei der vorangegangenen Behandlung zu einer arbiträren, teils sogar riskanten Behandlung führen. Schließlich kann die Entfernung eines Stiftaufbaus, um Zugang zum Kanalsystem zu erhalten, die Prognose des Zahns verschlechtern.

A. Revision nicht möglich

Mitunter kann der apikale Abschnitt des Wurzelkanals aufgrund einer komplizierten Anatomie nicht behandelt werden (Abb. 6). Wenn eine frühere Behandlung zum Misserfolg geführt hat, weil der Kanal im apikalen Teil der Wurzel c-förmig ist, stellt eine chirurgische Intervention die Ideallösung dar, da sie die einzige Technik ist, mit der sich das gesamte Kanalsystem erreichen lässt.


Abb. 6a Endodontisch bedingte periapikale Läsion an einem Zahn 44.

b Im horizontalen DVT-Schnitt zeigt sich ein c-förmiger Kanal.

c Resektionsfläche nach retrograder Präparation und Füllung des c-förmigen Kanals.

d Postoperatives Röntgenbild.

e Situation nach einjähriger Heilung.

B. Unsichere Prognose der Revision nach operativen Fehlern

Die Erfolgsraten endodontischer Revisionen wurden in Bezug auf die präoperative Situation analysiert. Bei einer vorhandenen Läsion betrug die Erfolgsrate 83,8 %, sofern die initiale Kanalmorphologie erhalten war. War die ursprüngliche Kanalform hingegen verändert worden, sank die Erfolgsrate auf 40,0 %. Vor der Entscheidung für eine Revision sollte daher die präoperative Situation sorgfältig analysiert werden, da die Prognose von ihr abhängig ist.

1. Perforationen

Wurzelperforationen sind iatrogene Verbindungen zwischen dem Wurzelkanalsystem und dem Parodont. Daneben können sie auch durch Wurzelresorption entstehen. Die Behandlung besteht in der Reinigung, Desinfektion und Füllung der Via falsa, mit dem Ziel einer bestmöglichen Abdichtung.

Die Prognose eines Zahns mit perforierter Wurzel ist immer schlechter als die eines Zahns ohne Perforation9. Für die Prognose eines Zahns mit Perforation werden verschiedene Kriterien herangezogen.

Hat sich ausgehend von der Perforation eine Läsion gebildet, ist die Erfolgsrate einer orthograden Behandlung viel geringer, als ohne eine solche Läsion. Wenn sich die Perforation auf Höhe einer Kanalkurvatur befindet, es zudem viel schwieriger, den ursprünglichen Verlauf des Kanals auf orthogradem Weg zu verfolgen, da die Instrumente stets dazu neigen, die Via falsa zu nehmen. Hier ist ein apikalchirurgischer Eingriff in Betracht zu ziehen (Abb. 7). Wenn darüber hinaus Füllungsmaterial durch die Perforation extrudiert wurde, ist eine orthograde Revision kontraindiziert und eine chirurgische Behandlung angezeigt (Abb. 8).


Abb. 7 Via falsa auf Höhe einer Kurvatur. Die Prognose einer orthograden Revision ist zweifelhaft. Eine chirurgische Behandlung ist indiziert.


Abb. 8a Periapikale Läsion an einem Zahn 22. Durch eine Perforation – offenbar am Übergang vom mittleren zum apikalen Wurzeldrittel – ist Füllungsmaterial ausgetreten.

b Im DVT-Schnitt zeigt sich, dass die Perforation tatsächlich weiter koronal lokalisiert ist. Bukkal des Zahns findet sich disloziertes Füllungsmaterial auf einer Länge von 10 mm.

c Nach Öffnung eines Zugangslappens wird eine Füllung mit Kunststoff-Trägerstift sichtbar.

d Situation nach der Operation: Der Trägerstift wurde entfernt. Die Perforation und der gesamte verbliebene Wurzelkanalanteil wurden rein chirurgisch behandelt.

e Vollständige Heilung nach einem Jahr.

2. Instrumentenfraktur

Die Instrumentenfraktur ist eine weitere Komplikation bei der orthograden Wurzelkanalbehandlung. Unabhängig davon, ob das im Kanal verbleibende Fragment aus Nickel-Titan oder Edelstahl besteht: Es verhindert die weitere Instrumentierung und die Desinfektion des Wurzelkanalsystems. Bei der orthograden Behandlung besteht das weitere Vorgehen darin, das Fragment entweder zu entfernen oder zu umgehen. Ziel ist es, den apikal des Fragments befindlichen Kanalabschnitt zu erreichen und ihn zu reinigen. Wenn dies gelingt, sind die Erfolgsraten ebenso hoch wie bei Behandlungen ohne Instrumentenfraktur10. Befindet sich das Fragment hinter einer Kurvatur, ist die Entfernung oder Umgehung in der Regel schwierig, wenn nicht unmöglich. Da der apikale Anteil des Wurzelkanals in diesem Fall nicht gereinigt wird, kommt eine chirurgische Intervention in Betracht (Abb. 9).


Abb. 9a Zahn 12 mit Instrumentenfragment im Bereich der Wurzelspitze.

b Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel mit gefülltem Kanal.

c Vollständige Heilung der Läsion nach einem Jahr. Die gesamte verbliebene Wurzelkanalstrecke wurde bis zum Stift aufbereitet und gefüllt.

3. Stufenbildung

Bei der Aufbereitung des Wurzelkanals können kleine Stufen entstehen, die das weitere Vordringen der Instrumente verhindern11. Wenn es nicht möglich ist, den ursprünglichen apikalen Weg des Kanals wieder aufzunehmen, ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert (Abb. 10).


Abb. 10 Stufe im Kanal. Eine Präparation des apikalen Kanalanteils ohne das Risiko einer Perforation ist nicht möglich.

C. Eingeschränkter Zugang zum Wurzelkanal

Ursprünglich galt die apikale Chirurgie als Ultima Ratio für Fälle, in denen ein Zugang zum Kanal besonders schwer herzustellen und mit einer potenziell destruktiven Entfernung prothetischer Rekonstruktionen verbunden war, die den Wert des Zahns als Pfeiler infrage gestellt hätte.

Diese Situation ist bis heute eine der häufigsten Indikationen für ein apikalchirurgisches Vorgehen und kann aufgrund der hohen Erfolgsraten der modernen apikalen Chirurgie als erste Option vorgeschlagen werden. Der chirurgische Ansatz ist hierfür eine sehr konservative Lösung, da eine Läsion endodontischen Ursprungs zuverlässig behandelt werden kann, ohne dass der vorhandene Zahnersatz entfernt werden muss. Damit sind auch die entsprechenden Begleitrisiken ausgeschlossen.

1. Prothetische Rekonstruktionen

Weitspannige Brücken, deren Pfeiler von wurzelbehandelten Zähnen mit apikalen Läsionen getragen werden, stellen eine problematische Situation dar. Die konventionelle Revision durch die Krone ist immer riskant, insbesondere, wenn die Pfeilerzähne Stiftaufbauten tragen. Zudem birgt die Entfernung von Brücken mit mehreren Pfeilerzähnen diverse Risiken (problematische Neuversorgung wegen Fraktur oder Verlust eines Pfeilers usw.) und hohe Kosten für den Patienten. In diesem Fall kann auf chirurgischem Weg lokal und sehr konservativ interveniert werden12.

Mitunter zeigt die koronale Restauration keinen optimalen Randschluss. Bei sehr ausgedehnten Versorgungen muss jedoch das Verhältnis zwischen Kosten, Nutzen und Risiken einer Entfernung und Reparatur im Vergleich zu einem chirurgischen Eingriff abgewogen werden.

Gegebenenfalls ist es sinnvoller, die vorhandene Qualität der koronalen Restauration mit Zustimmung des Patienten zu akzeptieren, um die Risiken und Komplikationen einer vollständigen Entfernung zu vermeiden (Abb. 11).


Abb. 11a Ein als Brückenpfeiler fungierender Zahn 23 mit endodontisch bedingter periapikaler Läsion.

b Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel und der Wurzelkanalfüllung.

c Präparation und Füllung bis hin zum Wurzelkanalstift.

d Vollständige Heilung nach einem Jahr.

2. Rekonstruktionen mit Stiftaufbau

Besteht eine Läsion an einem überkronten Zahn mit gegossenem Stiftaufbau, sind sowohl die orthograde Revision als auch das chirurgische Vorgehen möglich. Die Entscheidung hängt hier von der Qualität der Kronenrestauration ab (Abb. 12).


Abb. 12a Endodontisch bedingte periapikale Läsion an einem Zahn 21 mit akzeptabler Krone über einem Stiftaufbau.

b Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel und der Wurzelkanalfüllung.

c Der verbliebene Wurzelkanalabschnitt wurde bis zum Stift gereinigt und gefüllt.

d Vollständige Heilung der Läsion nach einem Jahr.

Wenn sich die koronale Restauration des Zahns in klinisch adäquatem Zustand zeigt und der chirurgische Ansatz nicht kontraindiziert ist, kommt die retrograde Behandlung infrage, da sich mithilfe neuer Ultraschallaufsätze der gesamte verbliebene Kanalraum (von der Resektionsebene bis zum apikalen Ende des Stifts) präparieren lässt. In diesem Fall entspricht das chirurgische Vorgehen einer von der Wurzelspitze her durchgeführten konventionellen Revision. Ist die koronale Restauration inakzeptabel, können die Entfernung des Zahnersatzes und eine konventionelle Revision in Betracht gezogen werden.

Manche Zähne sind jedoch mit gegossenen Stiftaufbauten oder sehr langen und breiten Stiften versorgt, deren Entfernung Schäden verursachen könnte und riskant ist13. Mit dem chirurgischen Vorgehen werden die Komplikationen beim Entfernen des Stiftaufbaus vermieden, sodass es in solchen Fällen die konservativste Option bietet. Die Kronenrestauration kann unabhängig vom Stiftaufbau zu einem späteren Zeitpunkt erneuert werden (Abb. 13).


Abb. 13a Endodontisch bedingte Läsion an einem Zahn 23 mit langem und breitem Stiftaufbau. Die Krone wurde entfernt, aber der gegossene Stiftaufbau ist gut integriert und seine Entfernung könnte die Wurzel schädigen.

b Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel und der Wurzelkanalfüllung.

c Der verbliebene Kanalanteil wurde retrograd behandelt.

d Vollständige Heilung nach einem Jahr. Die Krone wurde anschließend erneuert.

III. Misserfolg eines früheren chirurgischen Eingriffs

Einige Patienten sind bereits chirurgisch behandelt worden, zeigen aber immer noch Symptome. In diesem Fall muss die Ursache für den Misserfolg analysiert werden. Wenn die chirurgische Behandlung nicht vollständig oder mit einer alten Technik durchgeführt wurde, entspricht der Entscheidungsprozess demjenigen bei der konventionellen Revision. Wurde bei dem früheren chirurgischen Eingriff mit einer modernen Technik gearbeitet, hat der Zahnarzt zwischen dem Versuch einer chirurgischen Revision und der Extraktion des Zahns zu entscheiden. Eine konventionelle Wurzelkanalbehandlung kann erneut vorgenommen werden, wenn sie zuvor nicht adäquat durchgeführt wurde. Dasselbe gilt für die chirurgische Behandlung: Sie kann wiederholt werden, wenn sie nicht angemessen ausgeführt wurde.

A. Unvollständige chirurgische Behandlung

Die periapikale Chirurgie ist ein zuverlässiges, technisch beherrschbares Verfahren mit hoher Erfolgsrate, sofern sie nach einem strengen Protokoll durchgeführt wird. Wie die folgenden Kapitel jedoch zeigen werden, kann jeder unkontrolliert ausgeführte Arbeitsschritt zum Misserfolg führen. Im Fall einer unvollständigen chirurgischen Behandlung muss der Eingriff mit einer zeitgemäßen Technik wiederholt werden, wobei alle beim ersten Versuch möglicherweise begangenen Fehler zu vermeiden bzw. zu korrigieren sind (Abb. 14).


Abb. 14a Zahn 25, der bereits chirurgisch behandelt wurde.

b In der vestibulooralen Rekonstruktion zeigt das DVT eine unvollständige Wurzelspitzenresektion.

c Intraoperatives Bild der vollständig resezierten Wurzel und des gefüllten Wurzelkanals.

d Kontrollröntgenaufnahme nach der chirurgischen Revision.

B. Herkömmliche chirurgische Behandlung ohne Heilungserfolg

Klassische Wurzelspitzenresektionen, ausgeführt ohne optische Vergrößerung, verbunden mit einer retrograden Präparation mittels Rosenbohrer und einer retrograden Amalgamfüllung, erreichen Erfolgsraten von etwa 60 %14. Persistiert die Läsion nach einer solchen Behandlung, ist eine chirurgische Revision zu bevorzugen, da die Wurzelspitzenresektion und retrograde Füllung die Strukturen der Wurzelspitze zerstört haben und eine ideale orthograde Revision nicht mehr möglich ist. Es wurde gezeigt, dass die chirurgische Revision mit modernen Operationstechniken ebenso hohe Erfolgsraten ergab wie die primäre chirurgische Behandlung (Abb. 15)15.