Landratten unterwegs auf der Donau

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Landratten unterwegs auf der Donau
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Landratten unterwegs auf der Donau

2.500 km von Beilngries (Rhein-Main-Donau-Kanal)

bis zum Schwarzen Meer

© 2006 by Dietlinde, Bernd und Setterdame Aylin Majewski, Ismaning

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-5545-4

Inhalt:

Die Autoren

Vorbereitung

Bootskauf

Reparatur

Probefahrt

Beilngries

Es geht los

Im Delta

Rückfahrt

Informationen

Die Autoren:

Dietlinde Majewski (†2010) war Keramikmeisterin und freischaffende Künsterin. Bernd Majewski ist Kaufmann. Beide waren immer selbständig tätig und sind seit 36 Jahren miteinander verheiratet. Noch bevor Kinder kamen, begannen sie zu reisen. Dabei griffen sie nicht auf Pauschalreisen zurück, sondern planten und reisten grundsätzlich nach eigenen Vorstellungen und Wünschen. Es begann mit Autoreisen in viele europäische Länder. Vom Nordkap bis nach Gibraltar. Zuerst in einem Renault 4, später in selbst ausgebauten VW Bussen. Es folgte der Nahe Osten. Türkei, Iran, Irak, Syrien, Israel, Ägypten. Der VW Bulli und nachfolgende Generationen dienten hier meistens als fahrbares Heim oder man residierte im “Million Star Hotel” unter freiem Himmel. Nicht nur das Reisen, sondern auch das Wohnen nahe der Natur wurde zu einem Lebenswunsch. Sechs lange Jahre der Suche nach einem solchen Zuhause brachten sie zu ihrem bis heute bestehenden Lebenswerk. Seit nun 30 Jahren lebt das Ehepaar in einem ehemaligen Wasserwerk, in der Nähe Münchens, das sie zu einem Wohnparadies ausgebaut haben und das dem Sohn und der Tochter eine unvergleichliche Kindheit beschert hat. Eine zweimalige Saharadurchquerung mit dem Landrover blieb lange ein Höhepunkt. Nun wollten zwei Kinder aufgezogen werden. Eine Berghütte wurde gebaut und viele kurze und lange Wanderungen in den österreichischen und den tiroler Alpen unternommen. Sporttauchen im Roten Meer war lange, bevor dieser Sport zum “Massensport” wurde, wichtig für Dietlinde und Bernd. Die sanfte Faszination der Korallenriffe und des Lebens unterwasser war dann nicht mehr ungestört und so verabschiedeten sie sich von dieser Region der Erde mit einer Reise auf dem Kamel durch den Sinai. Seit 1985 bedingen ehrenamtliche Tätigkeiten regelmäßige Reisen in das südliche Hochland von Tanzania. Mehrwöchige Kanutouren mit den Kindern auf den schwedischen Seen und später in den Masuren brachten die ersten engeren Kontakte mit dem Reisen auf dem Wasser. Um fit zu bleiben, folgten Dietlinde und Bernd 2002 zusammen mit Ihrer Setterdame Aylin der Route München – Venedig, zu Fuß über die Alpen.

Das etwas ältere Ehepaar (so wurden sie während dieses Fußmarsches genannt), ist also nicht ganz reiseunerfahren, als es die Donaureise zu planen begann.

Vorbereitung

Dietlinde ist an allem Schuld.

Vor Jahren ist Dietlinde immer mal wieder ein Stück an der Donau entlang gefahren. Mal mit dem Motorrad, mal mit dem Bus, verfolgte sie den kleinen Bach und sein Grösserund Breiterwerden. Sein Tempo, seine Kraft, das Fliessen und die Anziehungskraft dieses Stroms liessen den Wunsch entstehen, ihm zu folgen und wenn schon, dann doch bitte gleich bis zum Schwarzen Meer. Wir wollen wissen, was der Fluß mit uns macht.

Im Januar fiel dann die Entscheidung, den 60ten Geburtstag im Donau Delta zu feiern.

Die Reisevorbereitungen begannen.

Was braucht man alles für solch ein Unternehmen? Zuerst mal einen Führerschein, den haben wir im August gemacht. 400 Fragen lernen und Knoten üben, war nicht allzu schwer. Dann braucht man ein Boot.

Was ist geeignet??

Ein altes Boot muss es sein, um das finanzielle Risiko im Rahmen zu halten.Ein Diesel muss es sein, der hält länger und verbraucht weniger. Ein Boot mit Wellenantrieb, denn die tiefste Stelle des Bootes darf nicht die Schraube sein. Das ist aber bei Aussenbordern oder Z-Antrieb so.

Dann braucht man Karten. Es gibt aber nur alte Karten und die sind auch nur auf russisch zu haben.

Von den Donaufreunde e.V. in Ulm erhalten wir die Adresse des Herrn Verberght, einen Belgier, der seit 15 Jahren mehrmals jährlich mit dem Auto die Donau entlang fährt, Kapitäne, Schleusenwärter und Hafenmeistereien befragt und handgezeichnete Karten herstellt, die inzwischen jeden Kilometer und jede Tonne dokumentieren. Zwar sind diese Karten für die Berufs-Schifffahrt gedacht, aber andere, die auch nur annähernd so gut sind, gibt es nicht.

Wir, das etwas ältere Ehepaar mit Hund, reisen herum, schauen uns Schleusen an, fragen nach Motorbooten, befragen Freunde in Mecklenburg, die seit Jahren Bootserfahrung haben. Übers Internet werden Leute ausfindig gemacht, die diese Reise schon mal unternommen haben.

Wir saugen uns schlicht mit allen Informationen voll, die zu haben sind.

Das richtige Boot zu finden, hat fast ein halbes Jahr gedauert, da wir keine Ahnung hatten, was es für unsere finanziellen Möglichkeiten zu kaufen gibt.Wir wollten ein Boot, das zwar einen guten Motor hat, das aber hergerichtet werden muss.

Wir wollten das Boot über das Herrichten kennenlernen, die Reise machen und es dann wieder verkaufen. Mieten oder leasen kann man so ein Boot auch nicht. Keine Gesellschaft würde das Risiko eingehen.

So lautet der Plan.

Über das Internet und Fachzeitschriften haben wir uns allmählich an das geeignete Boot herangetastet.

GFK (Glasfaser-Kunststoff) musste es sein, denn Stahl-, Betonoder Holz-Boote wären zu schwer.

Wir hatten endlich eines gefunden, das in Frage gekommen wäre. Unser Motorfachmann aus Fürstenberg, hat es sich für uns angeschaut, aber aus Gründen des Gesamtzustandes vom Kauf abgeraten.

Wir haben vieles bedacht, aber das Gewicht eines Bootes sehr lange nicht. Und dieses Boot bestand aus GFK und Holz. Es wäre mit 2,3 Tonnen zu schwer gewesen.

Trailer und Boot dürfen nicht mehr als 1,5 Tonnen wiegen. Schliesslich müssen wir das Boot mit unserem 13 Jahre alten Bus ziehen können.

Zum Einen, weil wir nicht an einem schiffbaren Fluss wohnen und zum Anderen, weil wir das Boot per Trailer vom Donau Delta nach München zurück bringen müssen, da bergauffahren* nur mit stärkeren Motoren möglich ist. Das würde aber zuviel Dieselverbrauch nach sich ziehen.

Im Dezember werden wir endlich fündig. Wir entdecken über eine Anzeige ein Boot, das allen Ansprüchen zu genügen scheint, die wir stellen. Genau so ein Boot wollen wir. Und gut sieht es in unseren Augen auch noch aus. Es ist eine Myra 21, ein Norweger Spitzgatt.*

Sie liegt in Wittenberge, südlich von Hamburg.

Wir fahren hin, verhandeln mit Herrn Z, dem Besitzer, und zahlen an, können das Boot aber nicht mitnehmen, da auf den Strassen Schnee liegt. Ausserdem wollen wir natürlich eine Probefahrt machen, ehe wir es schliesslich wirklich kaufen. Also müssen wir warten, bis das Wetter besser wird.

* bergab = mit dem Strom, bergauf = gegen den Strom

* das Heck ist rund, nicht flach, wie bei Z-Antriebs oder Aussenbordmotor-Boot

Bootskauf

Wir wollen das bereits angezahlte Boot endlich abholen, nachdem der Schnee nun weg ist.

Am Freitag fahren wir nach Wittenberge-Elbe, bekommen auch ein Zimmer in einer Pension, obwohl die Vermieterin eine Hundephobie hat. Aber einmal Aylinchen, unsere Setter-Dame, gesehen und es gibt keine Probleme mehr, auch mit oder trotz Phobie.

Am Samstag früh treffen wir uns beim Verkäufer, Herrn Z. Er wohnt in einer Garten-Siedlung, die keine befestigten Strassen hat.

Der Boden ist zwar an der Oberfläche aufgetaut, aber drunter ist noch Eis. Also versinkt der Bus im Matsch. Wir sollen und wollen das Boot selbst aus dem Grundstück ziehen. Das gelingt aber nicht. Erst mit zwei Autos klappt es dann.

Wir fahren zum Hafen und lassen zum ersten Mal in unserem Leben ein Boot zu Wasser. Es funktioniert recht gut, ist aber natürlich aufregend.

Also samt Hund rein ins Boot. Es regnet glücklicherweise nicht, ist aber kalt, so etwa 5 Grad Celsius.

Die Elbe führt hohes Wasser und strömt mit ca. 5 Stundenkilometern dahin, also ganz ordentlich.

Das Boot sieht nicht sehr einladend aus. Es ist dreckig und irgendwelche Stangen, Fahnen und Polster liegen herum. Alles ist feucht, manches sogar richtig nass. Es muss da den ganzen Winter über reingeregnet haben.

Der Verkäufer lässt den Motor an, was zwar mühsam, aber schliesslich doch klappt. Dann geht es dahin. Der Motor tukkert kräftig. Mit und sogar gegen den Strom macht “Oldi” gute Fahrt. Wir sind zufrieden mit der Leistung.

Mitten im Strom geht der Motor plötzlich aus. Er stirbt einfach ab.

Wir treiben manovrierunfähig in der Elbe auf die nahe Brücke zu.

Jetzt stellt sich heraus, dass keinerlei Grundausrüstung, weder Rettungswesten, noch Paddel, Werkzeug oder Lampen an Bord sind.

Nichts, niente, nothing.

Zwar versucht Herr Z immer wieder, den Motor anzulassen, das klappt auch ab und an, dann ist es aber wieder vorbei, da auch die Batterie lahm wird.

Wir treiben auf eine Buhne zu und sitzen ca. 30 m vor dem Ufer auf Grund.

Z. hatte schon vorher mehrfach angedeutet, dass er wasserscheu sei. Jedenfalls bittet er mich, ins Wasser zu steigen. Ich soll das Boot an der Leine halten, diese an einem ca. 20 m entfernten Baumrest festmachen und dann mithelfen, das Boot freizuschieben.

Die Wassertemperatur liegt bei gefühlten 0 Grad Celsius. Also Hose und Schuhe ausgezogen und unter die neue Seglerjacke gestopft bzw. um den Hals gehängt und in Unterhosen ab ins Wasser. Es reicht mir bis an die Hüfte, ich werde also richtig nass. Die Leine verfängt sich am Handlauf über der Kajüte.

 

Ich ziehe kräftig, um den Bug rumzubekommen, da löst sich die Leine ruckartig vom Handlauf, ich klatsche ganz ins Wasser und tauche unter.

Glücklicherweise halte ich Bodenkontakt mit der Stein-Buhne und muss nicht schwimmen.

Nun also klatschnass helfe ich mit, das Boot freizuschieben, was auch gelingt. Leider hatte ich die Leine noch nicht festgemacht und sie auch aus der Hand verloren, als ich untertauchte. Z. kann sie greifen, sie darf bei einem weiteren Versuch zu fahren, nicht in die Schraube geraten.

Das Boot kommt mit vereinten Kräften schliesslich frei und treibt nun wieder im Strom dahin.

Ein letzter Versuch, den Motor anzuwerfen, gelingt dem Herrn. Er kann das Boot ein Stück weiter in eine kleine Bucht manövrieren.

Ich wate an Land und ziehe mir die nassen Hosen und Schuhe wieder an.

Es waren wohl so ca.10 Minuten im eisigen Wasser, genau wissen wir das natürlich nicht mehr, jedenfalls sind meine Beine krebsrot und die Füsse völlig gefühllos.

Durch den Sturz habe ich mir Schürfwunden an den Füssen, Beinen, Knien und Händen zugezogen.

Ich matsche durchs Schilf zum Boot, um nachzusehen, ob und wie nun Dietlinde und der Hund von Bord kommen könnten.

Inzwischen ist Herr Z. auf die Reling geklettert, hat die Leine in der Hand und will sie mir rüberwerfen.

Er hält sich am Handlauf fest. Der ist locker, was er wohl wusste, aber nicht bedenkt. Z. zieht und hat den gesamten Handlauf in der Hand.

Herr Z. klatscht der Länge nach ins Wasser. Wunderbar, ganz wunderbar.

Wir sind nun beide tropfnass und waten durch das Schilf zu unseren ca.

1 km entfernten Autos.

Schlotternd ziehe ich trockene Sachen an.

Z. ist nach Hause gefahren, hat sich ebenfalls umgezogen und bringt mir leider unbrauchbare Schuhe mit. Er teilt mit, dass in Kürze ein Monteur kommen würde. In trockenen Kleidern, aber nassen Schuhen laufe ich zum Boot zurück und will helfen, dass Frau und Hund von Bord kommen.

Das klappt aber nicht.

Dietlinde kann Aylin nicht durch die kleine Kabinenluke an Deck heben, immerhin 25 kg Lebendgewicht durch eine nur 50 x 50 cm große Öffnung. Das gelingt erst, als der Monteur eintrifft.

>>Was ist das denn? Das riecht ja nicht mal mehr nach Diesel!<<

Der Monteur hat den Kraftstofffilter in der Hand.

Es stellt sich heraus, dass der Motor etwa zwei Jahre nicht gelaufen und dass der Tank nicht leer war, sondern noch einen ausgeflockten Dieselsatz beinhaltete.

Z. hatte zwar neuen Diesel nachgefüllt, aber nicht bedacht, dass der alte Dieselsatz die Leitungen und die Filter verstopfen könnte. Also wird der Tank abgeklemmt, ein Plastiktank mit Leitung besorgt und diese mit dem Motor verbunden.

Nach etwa einer Stunde läuft der Motor wieder. Dietlinde und ich beobachten vom Auto aus, wie die Myra kräftig und mit Bugwelle gegen den Strom tuckert. Sie ist aus der Ferne wirklich schön anzusehen.

Dietlinde hat zwischenzeitlich grundsätzliche Bedenken, nicht nur was den Kauf angeht, sondern überhaupt wegen der ganzen Reise. Ob wir uns da nicht übernehmen?

Es geht uns gut.

Wir sind nicht tot.

Heftig irritiert setzen wir die Probefahrt dann aber doch noch fort. Der Motor läuft einwandfrei.

Der Monteur versichert, dass der Motor in Ordnung sei, dass man lediglich alles inklusive Tank reinigen müsste.

Wir wussten ja, dass es ein altes Boot ist und ich war mir darüber klar, dass ich einiges würde reparieren müssen.

Jetzt nieselt es richtig, es ist dunstig und nicht viel zu sehen. Wieder am Steg, schaue ich noch einmal den Motor an und sehe mit Schrecken, dass er fast im Wasser steht.

Die Bilgenpumpe!

>> Z, was ist mit der Bilgenpumpe?<<

Er legt den Bilgenschalter um, es tut sich aber nichts. Ich suche aussenbords das Loch, aus dem das Bilgenwasser plätschern soll.

Nichts.

>> Doch, sie tut.<<

>> Schauen Sie doch, es wird weniger Wasser.<<

Alles Quatsch. Da kommt kein Wasser raus oder wird weniger. Also ist auch die Bilgenpumpe kaputt.

Bei einem Boot mit Wellenantrieb kommt immer irgendwie etwas Wasser ins Boot. Die Bilgenpumpe sorgt dafür, dass es wieder hinausbefördert wird.

>>Was kostet so eine Bilgenpumpe?<<

>>ca. 40 €.<

Wir einigen uns darauf, den Preis noch etwas runter zu handeln, aber beim Kauf zu bleiben.

Wir fahren in die Stadt, kaufen mir ein paar Schuhe, denn ich hatte immer noch nasse Füsse und wickeln den Kauf ab. Es ist nun schon 17 Uhr.

Endlich sind wir samt Boot und Trailer unterwegs nach München. Es nieselt immer noch, ist kalt und alles ist feucht und aufregend.

Schon nach einigen Kilometern bemerken wir, dass etwas nicht stimmen kann. An den Reifen des Hängers bilden sich „Fahnen“.

Ob das von der nassen Straße verdrängtes Wasser ist?

Wir schleichen uns jetzt von Parkbucht zu Parkbucht. Wir umrunden jedes Mal unser 12 Meter langes Gespann. Ein Reifen links ist heiss und ein anderer warm. Nach wenigen Kilometern qualmt es richtig.

Was tun?

Es wird schnell klar, dass sich die Bremsen zumindest an zwei Rädern nicht richtig lösen und dass an eine längere Fahrt nicht zu denken ist.

Geplatzte Reifen auf der Autobahn, wer braucht so etwas.

Z. wird angerufen. Er meint, dass wohl die Handbremse des Trailers nicht richtig funktioniere. Ich hatte sie nämlich tagsüber mal betätigt. Ich solle mit dem Hammer gegen die Bremsen hauen, vielleicht würden sie sich ja lösen.

Gesagt, getan.

Nichts passiert.

Von der nächsten Parkbucht, rufe ich Z wieder an.

Nichts.

Nur der Anrufbeantworter.

Der Herr hat sich aus dem Staub gemacht? Wie wir am Sonntag aber erfahren, war er schon in Hut und Mantel. Seine Tochter feierte Geburtstag.

Natürlich hatten auch wir mit Schuld. Wir hätten uns denken können, dass der Zustand des Trailers auch dem des Bootes entspricht, dass also der Trailer auch verrostet und versifft sein würde.

Der Gedanke, Schrott gekauft zu haben, weil alles so schludrig wirkt, macht uns ganz mürbe.

Wir schleichen uns die paar gefahrenen Kilometer wieder zurück, stellen dem Herrn das Boot vor die Tür und mieten uns wieder in die Pension ein, in der wir schon die letzte Nacht verbracht hatten. Unser Herr Z. samt Frau war am Samstag nicht mehr zu erreichen.

Zum Trost gehen wir Essen und analysieren die Lage:

Reisen kann Gefahren mit sich bringen.

Das Boot besteht überwiegend aus Glasfaser.

(kein Holz, was verrotten könnte)

Der Motor ist in Ordnung..

Tank, Filter und, Leitung reinigen ist kein Problem.

...Eine neue Bilgenpumpe auch nicht.

Das versiffte Allerlei ist auch nicht schwer zu beheben.

Jetzt hängt es also nur noch an den Bremsen des Trailers.

Dietlinde und ich einigen uns darauf, dass wir am Sonntag ohne Boot nach Hause fahren würden. Entweder wir erreichen den Herrn am Sonntag und besprechen, was zu tun ist und wie wir friedlich mit der Sachlage umgehen könnten, oder der Herr hat sich dünne gemacht. Dann muss der Rechtsweg her.

Ich will keinesfalls am Montag den Trailer auf unsere Kosten richten lassen. Wir haben schliesslich, zwar ein altes, aber doch funktionstüchtiges Boot samt intaktem Trailer gekauft.

Wir schlafen schlecht.

Sonntag morgen rufe ich an und erreiche Z. auch.

Wir fahren hin.

Er ist zerknirscht, entschuldigt sich und versichert, dass ihm das peinlich sei und dass er uns keinesfalls betrügen wolle, ja, sogar damit rechne, dass wir vom Kauf zurücktreten.

Na ja, wir einigen uns darauf, dass er jetzt 14 Tage Zeit bekommen solle, um sowohl Boot als auch Trailer herzurichten und auch den TÜV-Nachweis zu besorgen. Dann wird er uns auf halber Strecke entgegen fahren und uns das Boot übergeben.

Wir fahren also am Sonntag bei scheusslichem Wetter ohne Boot nach Hause. Ich pflege meine Wunden und habe fürchterlichen Muskelkater. Aber sonst sind wir gesund. Es geht uns gut.

Wir sind um einige Erfahrungen reicher.

Bereits am Montag den 27. März teilt uns Z. mit, der Trailer sei von einer Fachwerkstatt gerichtet, der Tank gereinigt und die Bilge gesäubert. Ob das wohl stimmt? Wie soll das so kurzfristig gehen?

Wir einigen uns darauf, das Boot am 5. April gegen 12 Uhr an der Raststätte Hermsdorf zu übernehmen.

Am 5. April fahren wir gegen 7:30 h los und werden unterwegs vom Verkäufer angerufen. Er sei schon an der Raststätte vorbei, wir können uns in Triptis treffen und zwar eine ganze Stunde früher.

Das klappt gut.

Wir gehen noch ein paar Fragen durch, bekommen den Zündschlüssel ausgehändigt und hängen den 7,6 Meter langen und 1,6 Tonnen schweren Neuerwerb an unseren Bus.


Es ist schon ein seltsames Gefühl, mit etwa 12 Metern Gesamtlänge über die Autobahn zu brausen. Man gewöhnt sich schnell daran. Wenn man 80-90 km/h fährt und kein Wind geht, packt der Bus das locker.

Weniger angenehm ist es trotzdem noch, pausenlos von Lastern überholt zu werden.

Reparatur

Ein Schiff steht in unserem Garten und will restauriert und repariert werden.

Das hat was!


Dietlinde ist für die praktischen Dinge an Bord zuständig, ich habe dafür Sorge zu tragen, dass alles funktioniert. Sie denkt an das Leben an Bord, während ich hinter den Kabeln und Geräten her bin, um zu begreifen, wo was und warum angeschlossen ist und wie bzw. ob es funktioniert.

Der Zustand des Bootes ist erbärmlich.


Alter, vergilbter, abgeblätterter Uralt-Lack aussen, hässlicher und schlampig, bläulich gestrichener innen.

Es steht Wasser in allen Heck-Fächern.

Die Sitzpolster sind vergammelt und feucht.

Die angeblich neue Persenning ist undicht und grün-grau verschimmelt.

Es ist jede Menge Müll in der Bilge.

Unter den abgeschraubten Namensschildern “Oldi” – wie sinnig – kommt ein noch älterer Name “Meson” zum Vorschein. Das dürfte wohl der Name des Bootes gewesen sein, als es noch in Norwegen in den Fjorden herumschwamm.

Der Trailer ist mit teilweise abgelösten Aufklebern verunziert, Farbe wurde verkleckert und nie abgeputzt.

Es liegt viel Arbeit vor uns!


Dieses Jahr lässt uns der Winter nicht los. Es hatte wieder geschneit. Wir können bei 3 bis 5 Grad Celsius und Schnee nicht weiterarbeiten. Aber an Ostern wird es etwas besser.

Als erstes bauen wir die Küchenzeile aus, da wir weder Gas noch einen Kühlschrank an Bord haben wollen. Gas ist uns zu gefährlich, ein Kühlschrank nimmt nur Platz weg und Rotwein trinkt man warm. Dann suche ich die Bilgenpumpe, denn wir sind ziemlich sicher, dass die defekt ist. Tests ergeben, dass das stimmt.

Um sie auszubauen, muss der Bohlenboden herausgenommen werden. So eine Bilge zu reinigen ist wirklich eine äusserst schmutzige und unangenehme Sache. Neben dem Motor ist die Bilgenpumpe wohl das Wichtigste an Bord, denn wer möchte schon nasse Füsse bekommen, wenn das eindringende Wasser nicht umgehend wieder hinaus befördert wird.

Schnell kann ich feststellen, dass es wohl zwei Gründe gegeben hat, warum die Pumpe defekt war. Einmal war der AblassSchlauch abgeknickt, so dass kein Wasser abgepumpt werden konnte und zum Anderen war Dreck in die Pumpe gelangt, da das Sieb fehlte.

Sie wird ausgebaut und ich merke mir die Kabelverbindungen. Eine neue Pumpe wird gekauft und im Wassereimer ausprobiert. Natürlich habe ich zwischenzeitlich vergessen, welches Kabel an welche Stelle in der Lüsterklemme zu stecken ist. Ich bitte einen Freund um ein 12 Volt-Messgerät, was mir aber nicht recht weiter hilft. Erst unsere Tochter Elke bringt mich auf den richtigen Weg.

Wir hatten einen sehr festen 19 mm Ablassschlauch gekauft, der zwar nicht mehr abknicken kann, sich aber nur mühsam auf die Pumpe stecken lässt.

 

Wir machen die Schlauchenden im kochenden Wasser heiss und schaffen es, den Schlauch auf die Pumpe zu schieben. Leider klappt das bei der Auslassverbindung nicht. Der Schlauch passt einfach nicht auf die Auslassbuchse.

Elke schneidet das Ende ein wenig ein und ich schiebe den aufgekochten Schlauch soweit es irgend geht auf die Auslassbuchse und befestige ihn mit einer Schelle.

Alles scheint dicht zu sein.

Da der Schwimmschalter schief sitzt, kann er nicht aufschwimmen und die Pumpe nicht einschalten. Der Kabeltausch war wohl auch nicht richtig, denn es fliegt bei´m Test die Sicherung raus.

Es müssen neue besorgt werden.

Dann denken wir noch einmal gründlich über die Kabelverbindungen nach und schliessen sie offensichtlich richtig an, denn als wir Wasser in die Bilge laufen lassen, schiesst ein kräftiger Strahl aus dem Boot, und zwar so kräftig, dass ein Boot, das irgendwann mal neben dem unseren liegen sollte, wohl unser Bilgenwasser abbekommen würde.

Auch die Schlauchverbindung an der Auslassbuchse habe ich schließlich in den Griff bekommen.

Dietlinde kümmert sich um die Kajüte. Auch dort steht Wasser in den Bugfächern. Die Schaumstoffe sind angeschimmelt und die Bezüge abgrundhässlich und feucht.

Alles muss raus und erneuert werden.


Sie streicht das Boot innen weiss, den Aussenrumpf marineblau mit gelbem Wasserpass*. Die Polster bekommen neue Bezüge. Das Boot erhält ein Ankerfach im Bug mit Klappe. Wo vorher ein Fernseher (!) stand, baut sie ein abschliessbares Schränkchen für unsere wichtigen Unterlagen ein.

* das ist die Linie, bis zu der das Boot maximal im Wasser liegt

Man kann schon ahnen, dass es richtig schnuckelig werden wird.


Die Persenning wird abgenommen, geschrubbt und imprägniert. Aber leider lässt sie nach wie vor Wasser durch. Dietlinde schneidert eine Plastikabdeckung und befestigt sie auf dem Persenningdach. Das sieht nicht ganz so toll aus, garantiert uns aber ein trockenes Boot.

Gleich nach Ostern wollen wir das Boot auf unserem Parkplatz drehen, was mit vielem Nachdenken und vorsichtigem Manövrieren schliesslich auch gelingt. Im Frühjahr in die Wiese zu fahren, ist problematisch. Man kommt oft nicht wieder raus, weil der Boden noch weich und rutschig ist.

Dietlinde hat sich schon ein wenig auf das Fahren mit den zusätzlichen 1,6 Tonnen eingestellt.

Dienstag nach Ostern fahren wir den Trailer samt Boot zu unserer Autowerkstatt. Der Trailer muss zum TÜV, ehe er umgemeldet werden kann. Das konnte Herr Z nicht leisten, da wir den Fahrzeugschein mitgenommen hatten.

Der TÜV-Mensch findet offensichtlich keine wesentlichen Mängel, denn wir bekommen das “Baperl” anstandslos und können den Trailer nun ummelden.

Wir konnten zwar auf Fotos sehen, dass es im Boot mal ein Herstellerschild mit allen technischen Daten, wie z.B. Angabe des Baujahres und der Typennummer, gegeben hat, aber leider hat es jemand abmontiert.

Wer das wohl war?

Manche Leute glauben, je älter das Boot, desto weniger ist es wert.

Ganz wie beim Auto, aber wirkliche Oldies steigen im Wert, natürlich nur, wenn sie funktionieren.

Uns interessiert sehr, wie alt das Boot nun wirklich ist. Z. meinte, so um die 25 Jahre herum, aber meine Recherche bei Volvo-Penta ergab, dass der Motortyp, mit dem unser Boot ausgestattet ist, nur bis 1975 gebaut wurden.

Ich möchte herausfinden, ob die Myra 21 ein Liebhaberstück ist. Zu diesem Zweck habe ich mich ein wenig im Internet umgesehen. Und tatsächlich, die Myras werden noch in ganz Europa gehandelt.

Weitere Recherchen beim Vorvorbesitzer ergaben, dass es Motorund Kühlprobleme gegeben hatte. Unsere Sorge, tatsächlich Schrott gekauft zu haben, wird immer größer.

Ein gebrauchter Motor ist nicht unter 5000 € zu haben.

Ein neuer kostet noch mehr.

Niemand kann uns sagen, ob die Kühlungsmängel zwischenzeitlich behoben worden sind, denn bei der Probefahrt lief der Motor schliesslich.

Aber so, wie wir das Boot und den Trailer vorgefunden haben, ist sicher, dass zumindest Herr Z nichts unternommen hat.

Sehr viele Unsicherheiten!?

So können wir keinesfalls auf die Donau!.

Ich stelle mir vor, der Motor versagt und uns kommt ein grosser Schubverband * entgegen.

Wir hätten keine Chance.

* Lastkähne ohne eigenen Antrieb (= Pagen) werden von Schubschiffen entweder einzeln oder mehrfach voroder nebeneinander geschoben.

Wir hätten es zwar gewagt, damit auf dem Starnberger See und auf dem Main-Donau-Kanal probeweise zu fahren und hätten hoffenlich festgestellt, dass da was nicht stimmt, aber nun ist klar, wir müssen mit dem Boot zu einer Volvo-Penta Werkstatt fahren und fachmännischen Rat einholen.

Glücklicherweise gibt es eine am Starnberger und eine amChiemsee.

Mit beiden habe ich telefoniert und beide meinten, dass man das wohl reparieren könne. Wasserpumpe defekt, oder Ventile dicht oder gar Sand im Motor, die Bandbreite der Möglichkeiten ist groß.

Erhebliche Zweifel bleiben.

Da wir bisher keine grösseren Investitionen getätigt haben, können wir uns die Motorinspektion erlauben und müssen die Renovierungsarbeiten nicht einstellen, sondern schrubben, schleifen und streichen erstmal weiter.

Am Donnerstag, den 27. April sollen wir pünktlich um 8 Uhr früh bei der Firma Angerer am Chiemsee vor der Tür stehen, um den Motor checken zu lassen. Wir sind gespannt.

Unsere Myra ist neu gestrichen, sie sieht schon richtig gut aus.

Die kleine neue Küche, die Dietlinde gebaut hat, ist installiert, die Bodenbohlen sind geschliffen und lackiert. Jetzt kommt die Entscheidung: Funktioniert der Motor oder nicht?

Donnerstag, den 27. April um 8 Uhr früh bei der ChiemseeVolvo-Werkstatt:

Um 7:30 Uhr ist der Monteur schon da und räumt herum.

>>Grüss Gott, ein wenig zu früh, oder?<<

>>Na, Na, passt scho.<<

Er ist offensichtlich informiert, dass wir kommen würden. Er bugsiert den Trailer trotz wenig Platz mit viel Erfahrung in die Halle, sammelt seine Werkzeugtaschen zusammen und los geht´s.

Wir dürfen zusehen.

Wir erklären ihm, was wir vorhaben und dass wir auf jede Information über den Motor angewiesen seien. Er findet das völlig in Ordnung.

>>Die Kühlung funktioniert also nicht richtig, oda? Schaun mer mal.

Oft sind Teile von den alten Impellern – das ist ein kleines Gummischwungrad, das das Kühlwasser befördert – im Schlauch stecken geblieben und man merkt es nicht.<<

Prompt.

Im Schlauch steckt tatsächlich ein Stück Gummi. Der Kühlwasserschlauch ist also verstopft, so dass die Kühlung schon deswegen nicht richtig funktionieren konnte.

So geht´s dann weiter. Der Kraftstofffilter ist versifft, im Tank steht noch Wasser und Schlamm. Z. hat schon wieder geschwindelt!

Wo der Monteur auch hinfasst:

Um diesen Motor hat sich schon lange keiner mehr gekümmert.

Immerhin stellt er schnell fest, dass unser Motor eine ZweikreisKühlung hat, was bei diesen Typen nicht üblich ist. Eine Zweikreis-Kühlung schont den Motor erheblich.

Wir beginnen die Daumen zu drücken, denn der Monteur reinigt, erneuert, brummt vor sich hin und meint:

>>Ois a bisserl schlampig, aber des werd scho.<<

Ich werde zum Dieselholen geschickt, denn der Diesel im Tank ist unmöglich zu gebrauchen. Ausserdem müssen mindestens 10 Liter im Tank sein, damit der Motor bei Schwankungen des Bootes keine Luft zieht, sagt der Monteur. Es regnet, aber die Tankstelle ist nicht weit.

Ich schütte die 10 Liter mit Schwung in den Tank. Der läuft über. Der Tank besteht aus zwei Kammern, die mit einem dünnen Rohr verbunden sind. Wenn man also die eine Kammer zu schnell füllt, kann der Diesel nicht schnell genug durch das Rohr in die andere Kammer fliessen. Also nichts mit Luftziehen bei Schwankungen. Man hatte sich eine einfache aber wirksame Lösung ausgedacht, dieses Problem zu umgehen.

Dietlinde und ich schrubben und putzen den übergelaufenen Diesel von Boot und Boden.

Wir haben wieder was gelernt.

Nach zwei Stunden stellt unser Monteur fest, dass die Umwälzpumpe nicht angeschlossen ist, die Kabel hängen lose herum. Wenn diese Pumpe nicht tut, kann die Kühlung nicht funktionieren.

Er schliesst die Pumpe an und siehe da, sie funktioniert einwandfrei. Sie saugt die vorhandene Kühlflüssigkeit vollständig ein.

Somit ist klar, dass der Motor ohne Pumpe gelaufen sein muss, denn er hatte im heissen Zustand die Flüssigkeit verbraucht. Es müssen drei Liter Frostschutz 50:50 nachgeschüttet werden, dann läuft der Kreislauf rund.

Schliesslich wird noch ein kaputter Thermostat diagnostiziert, der aber erst beschafft werden muss. Der Motor kann trotz fehlenden Thermostats zumindest kurzzeitig probelaufen.

Wir werden immer zuversichtlicher.

Alles was bisher nicht funktionierte, beruht lediglich auf Nachlässigkeit der Vorbesitzer.