18.178,182 Kilometer to Paradise

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
18.178,182 Kilometer to Paradise
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

18.178,182 Kilometer to Paradise

- Autowandern in Neuseeland -

- 8.577 km kreuz und quer durch die Nord- und Südinsel -

© 2013 Bernd Majewski

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-6308-4

Der Autor:

Bernd Majewski war Kaufmann und ist mit seiner Frau Dietlinde, die leider 2010 an einem Hirntumor starb, fast 40 Jahre lang gereist. Beide waren selbstständig, so dass sie sich ihre Zeit einteilen konnten. Die ersten Reisen unternahmen sie noch bevor die Kinder kamen. Dabei griffen sie nicht auf Pauschalreisen zurück, sondern planten und reisten grundsätzlich nach eigenen Vorstellungen und Wünschen. Es begann mit Autoreisen in viele europäische Länder. Vom Nordkap bis nach Gibraltar. Zuerst in einem Renault 4, später in selbst ausgebauten VW Bussen. Es folgte der Nahe Osten. Der VW Bulli und nachfolgende Generationen dienten hier meistens als fahrbares Heim oder man residierte im „Million Star Hotel“ unter freiem Himmel. Nicht nur das Reisen, sondern auch das Wohnen nahe der Natur wurde zu einem Lebenswunsch. Lange Jahre der Suche nach einem solchen Zuhause führten sie zu ihrem bis heute bestehenden Lebenswerk: 35 Jahren lebte das Ehepaar in einem ehemaligen Wasserwerk, in der Nähe Münchens, das sie zu einem Wohnparadies ausgebaut haben.

Eine zweimalige Saharadurchquerung mit dem Landrover blieb lange ein Höhepunkt. Nun wollten zwei Kinder aufgezogen werden. Eine Berghütte wurde gebaut und viele kurze und lange Wanderungen in den Österreichischen und den Tiroler Alpen unternommen.

Sporttauchen im Roten Meer war lange, bevor dieser Sport zum „Massensport“ wurde, wichtig für Dietlinde und Bernd. Die sanfte Faszination der Korallenriffe und des Lebens unter Wasser war dann nicht mehr ungestört und so verabschiedeten sie sich von dieser Region der Erde mit einer Reise auf dem Kamel durch den Sinai.

Seit 1985 bedingten ehrenamtliche Tätigkeiten regelmäßige Reisen in das südliche Hochland von Tanzania.

Mehrwöchige Kanutouren mit den Kindern auf den schwedischen Seen und später in den Masuren brachten die ersten engeren Kontakte mit dem Reisen auf dem Wasser.

Um fit zu bleiben, folgten Dietlinde und Bernd 2002 zusammen mit ihrer Setterdame Aylin der Route München – Venedig 350 Kilometer zu Fuß über die Alpen. Das etwas ältere Ehepaar – so wurden sie während dieses Fußmarsches von jüngeren Wanderern genannt -, ist also nicht ganz reiseunterfahren, als es eine Bootsreise auf der Donau zu planen begann. 2006 kauften sie ein altes, 6,50m langes Diesel-Motorboot und tuckerten damit 2.500 Kilometer runter bis zum Schwarzen Meer. Die Erfahrung als “ Landratten“ auf einem Boot waren gefährlich bis wunderschön und können im Buch oder e-book „Landratten unterwegs auf der Donau“ nacherlebt werden. www.epubli.de

2007 wieder Tanzania und 2008 kehrten sie zu ihrer schon vielfach praktizierten Art zu reisen zurück: Das Autowandern quer durch die Welt mit dem Bulli. Buch oder e-book „Unterwegs zum Horizont“. 17.000 Kilometer entlang den Europäischen Küsten mit Rundreise in Marokko. www.epubli.de

Nachdem Bernd den Schock des Todes der geliebten Ehefrau und Partnerin einigermaßen überwunden hatte, begann er sich wieder auf den „Bock“ zu schwingen und reiste, nun 68jährig, mit seinem inzwischen 20 Jahre alten Bus durch Europa.

2012 plante er die nachfolgende Reise durch Neuseeland und setzte sich im Frühjahr 2013 ins Flugzeug. Weitere Informationen und Fragen: berndmajewski@gmx.de

Inhalt

Impressum

Autor

Inhalt

Prolog

Es geht los

Nach Norden

Mit Delphinen schwimmen

Entspannung pur

Auf zum Nordkap

Die ältesten Bäume der Welt

Südwärts

Glühwürmchen, glühe

Die Erde dampft

Südwestwärts

Pelzrobben live

Zur Südinsel

In die Berge

Traumhafte Küstenstraße

Anglerlatein

Gletscher am Meer

Alpenblick

Ins Fjordland

Seelöwen und Pinguine am Südkap

Albatrosse

Mitten im Nirgendwo

Nordwärts

Whale watching

Enjoy your day

Zurück zur Nordinsel

An der Ostküste

Frau Knox rülpst

Abschied

Reiseroute

Prolog

Dietlinde und ich haben immer wieder mal diskutiert, ob wir uns nicht Australien als Reiseziel vornehmen sollten. Nach der europäischen Küstentour 2008 über 17.000 Km, wäre das genau das Richtige.

Dann aber im Oktober 2009 der große Knall. Dietlinde erleidet völlig unvorbereitet epileptische Anfälle. Die Diagnose nach einer Kopfoperation: Glioblastom. Der aggressivste Tumor, den die Menschheit kennt. Lt. Wikipedia wird eine Lebenszeitspanne zwischen einem halben und einem ganzes Jahr gewährt.

Alles tritt in den Hintergrund. Es geht plötzlich nicht mehr ums Leben, sondern nur noch darum, wie viel Zeit uns noch miteinander bleibt. Es folgen 12 Monate Kampf mit allen Mitteln, die der heutigen Medizin zur Verfügung stehen. Leider auch gegen ein nicht funktionierendes Krankenhaussystem, in dem geistig behinderte und/oder traumatisierte Patienten ohne intensive externe Betreuung schichtweg untergehen. Die Familie hat sich nicht weggeduckt, sondern früh erkennen müssen, dass es wirklich nur noch um wenig geschenkte Zeit geht.

Am 11.11.2010 hört Dietlinde um 4 Uhr 54 zu atmen auf. Die Familie hat zusammengehalten und so ein friedliches „Gehen“ im häuslichen Kreis möglich gemacht.

Dieses letzte gemeinsame Jahr war wohl das intensivste, das wir je hatten. Trotzdem: Ein ganzes Jahr beim Sterben zu helfen, ist einfach zu viel. Ein Zusammenbruch folgt. Ein überaus wichtiges Kapitel meines Lebens ist zu Ende.

Nach 40 erfüllten Ehejahren bin ich plötzlich allein. Wie soll es weitergehen? Ich ziehe mich in mich selbst zurück, verweigere jeden Kontakt mit anderen Menschen.

Mit Zelt und Rucksack in die Negev-Wüste.

Zwei Monate in Israel bei Freunden, die mich glücklicherweise völlig in Ruhe lassen. Trauerarbeit mit Schreien, Weinen, langen Spaziergängen und vor allem Schreiben. Ich habe ein medizinisches Tagebuch geführt und konnte daher sämtliche Ereignisse tagesgenau aufschreiben. Alles muss aus mir raus. Ich bin nie der Typ gewesen, der etwas in sich hineinfrisst.

In den nächsten zwei Jahren habe ich daran gearbeitet, alle meine Lebensgeister wieder einzufangen und den aufrechten Gang zu üben. Klar ist schon bald, Rumjammern hilft nicht weiter. Es ist, wie es ist.

Viele Menschen erkennen oft erst nach einem Tod, was sie versäumt haben, dem anderen Wichtiges zu sagen oder Dinge zu tun, die einem wichtig gewesen wären. Unser Lebensziel-Zeit-konto war leer! Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass alle Lebenswünsche zeitnah erfüllt wurden. Wir haben nie gewartet. Schieben auf St. Nimmerlein galt für uns nicht. Alle Wünsche wurden formuliert und erfüllt. Immer. Zwar mussten sie oft unseren Möglichkeiten angepasst werden, was die Kreativität nur förderte, es eben doch möglich zu machen.

Ich muss nun Wege finden, meinem Restleben einen Sinn zu geben. Ich will und muss es positiv gestalten.

Reisen war immer wichtig. Andere Menschen kennenlernen. Menschen in den verschiedenen Welten zeigen völlig unterschiedliche Perspektiven auf. Die Sicht der Dinge relativieren sich. Was ist wichtig, was unwichtig. Lernen, Fremdes zuzulassen. Begreifen, dass meine/unsere Sicht der Dinge nur eine Fassette sein kann. Alles ist relativ, nichts absolut. Alles bewegt und ändert sich. Laufend. Dauernd. Nur das ist beständig. So kann ich mich neu erfinden. Ich muss, ich will es versuchen.

 

Aber Australien allein zu machen, ist ein unnötiges Risiko. Wir dachten bisher immer, dass mit dem Älterwerden, der Aktivitätsradius kleiner und kleiner wird. Jetzt weiß ich, dass das Unsinn ist. Zwar schwinden die physischen Kräfte, das heißt doch aber nicht, dass ich weniger Risiken eingehen soll. Im Gegenteil. Je älter ich werde, je weniger muss ich Rücksicht nehmen. Sterben werde ich ohnehin. Wann? Wer weiß das schon. Also nutze die Zeit und mach was draus. Ich will es versuchen. Dumme Risiken muss ich allerdings nicht eingehen. Australien allein zu bereisen, wäre ein unnützes Risiko und Spaß macht das sicher auch nicht. Australien ist kein Land, es ist ein Kontinent. Um von A nach B zu kommen, müssen tausende von Kilometern bewältigt werden. Allein nach Sibirien wäre auch Quatsch. Andere interessante Ziele gibt es ja wohl genug.

Sohn Christian war früher mal in Neuseeland. Das liegt gleich um die Ecke Australiens und ist nicht so groß, soll aber wunderschön sein. Schönes anschauen wird helfen, mich positiv zu polen.

Neuseeland ist gerade mal 1.800 km lang vom Nordkap der Nordinsel bis zum Südkap der Südinsel. Das sollte ich schaffen.

Alle, die schon dort waren, schwärmen in den höchsten Tönen.

Warum also nicht Neuseeland. Sich aktiv Neuem stellen, ist mit Sicherheit eine gute Therapie.

Ich beginne zu planen.

Internet Recherchen lassen mich auf Banz Tours stoßen. Diese Agentur wird seit ca. 12 Jahren von einem Schweizer Ehepaar betrieben, das in Neuseeland „hängen“ geblieben ist und Motorräder und Campervans von groß bis klein vermietet, nachdem sie selbst das Land kreuz und quer mit dem Motorrad erforscht hatten. Sie vermieten zwar keine VW Busse, aber vergleichbare japanische Autos.

Die Preise sind vernünftig.

Den eigenen VW Bus dahin zu schaffen, wäre teurer.

Es geht los

Es ist Juli 2012. Mein Entschluss ist gefasst.

Wer rechtzeitig bucht, bekommt gute Preise. Emirats Flüge sind derzeit die Günstigen.

Nachdem ich mich per Mail mit Kurt, dem Besitzer der Agentur, auf ein Fahrzeug und einen Preis für die Nachsaison Februar - März 2013 geeinigt habe, buche ich Flug und Auto.

Die Schulferien sind dann in Neuseeland vorbei, aber der Spätsommer lässt auf noch schönes, warmes Wetter hoffen. Und allzu viele Touristen werden dann wohl nicht mehr unterwegs sein.

Leider ist Neuseeland fast am anderen Ende der Welt.

25 Stunden Flug. Gräuslig.

Am 13.2. fliege ich abends ab und bin am 15. 2. mittags da.

Neuseeland ist unserer Zeit um 11 Stunden voraus.

München – Dubai in einer Boeing 777 mit 300 Passagieren.

Es geht, ist aber eng.

Es sind auch Babys am Bord. Die benehmen sich.

Etwas essen und dazu Rotwein zur Blutverdünnung.

Das braucht man, wenn man allzu lange sitzt.

Knappe 6 Stunden.

Nach 4 Stunden Wartezeit im Flughafen Dubai geht es weiter.

Dubai Flughafen ist riesig und voller Menschen aller Nationalitäten. Raus kann ich nicht, dazu ist die Zeit zu knapp.

14.2. Um 10:15 a.m. hebt der Airbus 380 in Richtung Sydney ab. Doppelstöckig. 800 Passagiere passen rein. Das größte Flugzeug der Welt. Ich habe Gangplatz gebucht. Eine weiche und warme Trainingshose und sicherheitshalber Stützstrümpfe sollen helfen, die Flüge ohne Probleme zu überstehen.

Tochter Elke hat mich gewarnt. Sie flog mal nach Japan und hat sich nicht um mögliche Blutzirkulationsprobleme gekümmert. Prompt hatte sie fast eine ganze Woche nach dem Flug noch heftige Beinschmerzen.

Ich bin 69 Jahre alt und brauche solche Probleme nicht.

17 Stunden Nachtflug sind zu überstehen. Also immer wieder aufstehen, hüpfen und bewegen. 7:30 a.m. Ankunft in Sydney. Müde, aber schmerzfrei. Der Flieger wird gereinigt und 2 ½ Stunden später landen wir in Auckland.

Der Zoll nervt eine ganze Stunde lang. Keine Lebensmittel, gebrauchte Zelte, Waffen und Drogen. Selbst meine Wanderschuhe werden kontrolliert. Die hätten ja dreckig sein können. Waren sie aber nicht. Wer geht schon mit ungeputzten Schuhen auf Reisen. Ich zumindest nicht.

Nachdem in den letzten 170 Jahren alles Mögliche eingeführt wurde, was Flora und Fauna des Landes vernichten kann, hat man nun endlich begriffen, dass das so nicht weitergehen darf und versucht, weitere Katastrophen durch strenge Kontrollen zu verhindern.

Das ist sicher zu spät, aber besser als gar nichts. Wer schummelt, muss mit hohen Strafen rechnen.

Kurt Binder holt mich ab und bringt mich nach Pukekohe, dem Standort seiner Agentur. Gleich während der Fahrt muss ich erfahren, dass der von mir gebuchte Sleepervan mit nur 180.000 Km einen Motorschaden hat und nicht zur Verfügung steht.

Kurt bietet mir einen japanischen Hochdach-Camper mit allen Schnick-Schnack, wie Kühlschrank, Backofen, Mikrowelle, Gasherd als Ersatz an. Leider kein Diesel.


Mir ist das unangenehm. Kühlschrank, Strom und Gas an Bord. Ich brauche das nicht.

Da er den Camper natürlich teurer vermieten könnte, biete ich an, dass ich zwar mit dem „Luxus-Camper“ losfahre, er mich aber nach erfolgter Reparatur des Spleepervans anrufen soll, so dass wir die Wagen tauschen können.

Ein Sleepervan hat hinter den Fahrer- und Beifahrersitzen quasi einen liegenden Schrank mit Klappen, um den Stauraum zu nutzen. Auf dem liegen Matratzen, die ein großes Doppelbett ergeben. Alle Aktivitäten außer Fahren, müssen draußen oder im Liegen auf den Matratzen stattfinden. Klappstühle, Tisch und Gasherd mit Patrone werden zwar mitgeliefert, müssen aber draußen aufgebaut werden.

Ihm würde der Tausch nützen und ich brauche keinen Kühlschrank oder eine Mikrowelle.

In Neuseeland wird links gefahren.

Das kannte ich vor Jahren aus Tansania, aber völlig übermüdet mit einem fremden Auto linksstraßig loszupreschen, muss nicht sein.

Mir wird das Auto erklärt, ich bleibe aber erst mal auf dem Hof. Die Binders wohnen außerhalb des ca. 50 km von Auckland entfernten Pukekohe auf dem Land mitten im bergigen Land.

Da mir Yvonne, man duzt sich hier, anbietet, mit mir zum nächsten Supermarkt zu fahren, kann ich ein paar Lebensmittel einkaufen.

10 Stunden Schlaf.

Auch am 16.2. will ich noch nicht los. Mit dem Zug nach Auckland, der größten Stadt Neuseelands. Stadtgetümmel, Linksverkehr bitte noch nicht. Erst mal zuschauen und eingewöhnen.

Busse fahren am Wochenende nicht.

Züge sollen fahren. Bis zum Bahnhof Pukekohe schaffe ich es problemlos. Es kommt aber keiner, obwohl angezeigt wird, dass einer fahren soll.

Warten. Warten. Ist schließlich Urlaub.

Ein Ticket für 10,30 Dollar nimmt der Automat mir ab. Das Ticket informiert mich, dass es zwei Stunden gültig ist.

Übers Internet haben wir rausgefunden, dass alle Stunde ein Zug fahren sollte. Es tut sich über zwei Stunden absolut nichts.

Neuseeland hat die Ruhe weg.

Vielleicht hat das Zugpersonal heute keine Lust, bei 24 Grad Wärme zu fahren.

Dann also nicht.

Damit bietet sich eine Gelegenheit an, in Ruhe raus aufs Land zu fahren und Linksverkehr zu üben. Zum Glück herrscht wenig Verkehr. Es klappt ganz gut, aber mit der linken Hand schalten noch nicht.

Wo ist der Blinker. Der Scheibenwischer. Das bringe ich dauernd durcheinander. Aber das wird schon.

Bis zur Westküste ist es nicht weit.

Wind und hohe Wellen an pechschwarzem Strand.

Schon mal schön.

Mein Orientierungssinn ist noch nicht ganz wach. Ich fahre zwei Mal an dem Abzweig zum Banz Hof vorbei.

Nachgefragt. Schließlich finde ich den Hof wieder.

Grillen zirpen. Die Sonne scheint.

Bier und Schinkensemmel mit Vorbereitung auf die Ziele des ersten Reisetages.

Am Sonntag soll es früh losgehen.

Hoffentlich schlafen die Neuseeländer noch, denn ich muss durch Auckland nach Norden.

Nun zeigt sich, dass die japanischen Camper „Holzklasse“ sind. Diese Toyotas sind weitgehend unverkleidet. Das Blech klappert, die Einbauten quietschen und sind unpraktisch. Starrachse und Blattfedern hinten. Hinterradantrieb. VW baut sowas schon lange nicht mehr.

Kurt meinte: VW Busse spielen in einer anderen Liga. Wohl wahr!

Nach Norden

Wer zur Hühnerzeit ins Bett geht, kann auch früh raus. Es geht nach Norden, die SH 1 hoch. 4 spurige Autobahn.

Die Neuseeländer, die sich selbst Kiwis, nach dem Nationaltier, nennen, sind leider auch schon unterwegs. Und das sonntags.

Nördlich vor Orwega mündet die Autobahn in eine normale Asphaltstraße. Ich bin zwar schon einigermaßen wach, fahre aber erst mal raus zur Bucht.


Die Anspannung der ersten Fahrt lässt nach. Die Sonne strahlt. So kann es bleiben.

Und dann passiert es.

Raus aus der Bucht zur Straße zurück und rechts ab auf die rechte Fahrbahn.

Mir kommt direkt auf der gleichen Fahrbahn ein Auto entgegen. Vollgas und rüber auf die linke Fahrbahn.

Puh, das war knapp, sehr knapp.

Adrenalin fließt.

Mir wird ganz heiß. Hier wird links gefahren, du alter Trottel.

Allein die Vorstellung: Wegen Trotteligkeit einen Frontal-Zusammenstoß. Totalschaden. Krankenhaus. Reise schon wieder zu Ende.

Nicht auszudenken.

Erst mal an der nächsten Möglichkeit anhalten.

Ausschnaufen.

Nie, nie wieder. Der Schreck sitzt tief und wird mir hoffentlich helfen, nicht wieder den gleichen Fehler zu machen.

Kurz hinter Wellford zweigt eine Nebenstraße rechts ab. Sie führt nach Mangawhai direkt ans Meer. Dort gibt es herrliche Sandstrände und einen Klippenwanderpfad.

Nach dem vielen Sitzen im Flieger und im Auto endlich wieder laufen. Mein erster DOC Campingplatz. Er liegt hoch über der Bucht in einem großen Wiesenareal. DOC heißt: Department of Conservation. Die organisieren an den schönsten Stellen Neuseelands Campgrounds, die sich auf das Nötigste beschränken, wie Bioklo, manchmal Wasser, kein Strom, aber immer schöne und saubere Plätze. Keine Betreuung, keine Camping-Atmosphäre. Hier campen Reisende und Wanderer. Keine Camping-Menschen, die irgendwo hinfahren und dort bleiben. Das „Schrebergartenfeeling“ kommt hier nicht auf.

Man nimmt sich am Eingang eine Anmeldung, füllt sie aus und steckt eine Registratur-Nummer und Geld in eine Plastiktüte und wirft diese in einen diebstahlsicheren Behälter. Einen Registrationsabschnitt steckt man hinter die Scheibe, so dass evtl. kontrolliert werden kann, ob man die wirklich günstige Gebühr auch bezahlt hat. 6 oder 10 $, je nach Ausstattung des Platzes. Genau das Richtige für mich, der ich Campingplätze eigentlich nicht leiden kann.

Ein perfekt gepflegter Pfad führt weg vom Strand und schlängelt sich hoch in die Klippen.

Auf und nieder. Immer höher.

2 Stunden hin und 2 Stunden zurück. Herrlich, aber für einen Ungeübten, auch des langen Winters wegen, nicht ganz ohne. Ich habe immer noch die Folgen der jetlag in den Knochen. Beim Ausblick auf Bucht und Meer, vergesse ich alles und staune nur, wie schön das ist.


Das Wetter spielt mit. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Gerade richtig, um zu wandern. Wer weiß, wie lange es sich hält. Genießen, schwimmen und innerlich endlich ankommen. Das Flugzeug ist schneller als die Seele. Die braucht Zeit, sich an Veränderungen anzupassen. Schon deshalb sind wir nur ungern geflogen. Das Reisen mit dem Auto macht es problemlos möglich, die sich verändernden Menschen und Länder nachzuvollziehen.

Wäsche waschen, ein Schläfchen, Tomatensalat mit Knoblauch und Schafskäse.

Obwohl die Sonne nicht durchgehend scheint, zeigt sich bereits ein leichter Sonnenbrand. Die Strahlungsintensität ist hier eine andere. Meine Sonnencreme mit Faktor 30 mit Aloe Vera hilft.

Ich war darauf vorbereitet.

7 Uhr früh bei Ebbe. Die Sonne kommt.

Auf Nebenwegen erreiche ich Whangarei. Ein kleines, nettes Städtchen. Dort will ich eine preapaid Telefonkarte kaufen, so daß ich für Kurt bzw. in dringenden Fällen für meine Kinder erreichbar bin und notfalls auch in Neuseeland ohne die blöden Rouming Gebühren telefonieren kann.

 

Das stellt sich als nicht so einfach heraus.

Gleich beim Ortseingang entdecke ich ein Postoffice.

> I would like to buy a preapaid card. <

Die pummelige Dame hinter dem Schalter schnattert los. Ich verstehe kein Wort. Nach ein paar Minuten habe ich immerhin so viel verstanden, dass es mehrere Anbieter gibt. Ich soll wählen.

> Vodafone <! Den Namen kenne ich zumindest.

> realy ?<

> oh…< und wieder schnattert sie los und zeigt auf mehrere Nummern. Offensichtlich hat jeder Anbieter eine eigene Nummer. Ich zeige auf irgend eine.

> Give me your telefon, please. Oh, its a very old modell! <

Na und? Das Ding ist gerade mal 10 Jahre alt, Steinzeit für Telefonfetischisten.

Sie tippt sich durchs Menue.

> This simcart is for Vodafone <

So´n Quatsch. Die loggt sich sonstwo ein.

Außerdem will ich doch eine Karte aus Neuseeland.

Dann eben Vodafone.

> How much you want? You can chose from 10 to 100 $. <

> Thirty dollar <

Sie knöpft mir 30 $ ab und sagt vieles, was ich wieder nicht verstehe. Schließlich schreibt sie auf: Go to a vodafone shop in town. Die müssen die Simkarte freischalten für Neuseeland.

Wieso das denn?

Alte Simkarte raus, neue rein.

Was soll das mit der Freischaltung meiner eigenen Karte?

> What about the preapaid card? <

Sie bleibt dabei. > Go to Vodafone. <

> Have I to come back to you? <

> No <

Na denn. 30 $ und keine preapaid Karte.

Die Kiwis sind ungeheuer freundlich. Wen auch immer ich frage, zeigt mir den Weg und schnattert. So finde ich den Shop schnell.

Und wieder hämmert der Dialekt auf mich ein.

Ich wollte doch nur eine preapaid Karte. Reinstecken und los.

Nichts da.

Madam tippt auf ihrem Computer und auf meinem Telefon herum.

> You have to buy a preapaid cart. Cost you 30 $. <

Ach was?

> I payed already 30 $. <

> The cart cost 30 $ and than you can phone for 30 $. <

Werde ich mich mit ihr herumschlagen? Also zahle ich noch mal 30 $.

Der Dialekt schlägt wieder zu.

> You want international or only Neuseeland? <

> International <

Es könnte ja sein, dass die Kinder mich dringend erreichen müssen.

> This cost more <

Na dann!

Ich verstehe, dass sie nun 50 $ geladen hat.

Ich kann aber nur für 30$ telefonieren

Und Freiminuten gibt sie mir.

Wie nett.

> The price for the minute is very cheep. <

> realy? <

Ist doch eh wurscht.

Mach hinne, Madam, zeig mir, ob das Ding nun endlich funktioniert. Alles sehr freundlich, aber verwirrend.

Warum, in Gottes Namen, tut man nicht einfach eine andere Karte rein und fertig.

Halleluja, es tut!

Nun muss ich einen Internetzugang finden, um meinen Kindern und Kurt die neue Nummer mitteilen zu können.

Ich gehe fragen.

Ein Reisebüromensch springt hinter seinem Schalter auf. Schnappt mich am Ellenbogen, schiebt mich vor die Tür und erklärt, wo ich überall hin gehen könnte.

Am besten gefiel mir Library. Dort soll es am Billigsten sein.

2 $ für 30 Minuten Internet. Von wegen billig.

Ehe ich weiterfahre, sollte ich noch einkaufen.

Brot, Spüli, Wein und Fleisch oder Fisch und Klopapier.

Viele Waren sind hier teurer als bei uns.

Kartoffelsalat mit Ei 500 gr. 9,76 $. Shrimps 500 gr. gekocht 5,48 $. Wer sagt, ich müsse Kartoffelsalat essen. Shrimps frisch aus Thailand tun es auch.

Auch Wein ist teuer. 3 Liter für 29 $. Darunter gibt es nur Fusel.

Und das muss ja nun auch nicht sein.

Schnell noch etwas Geld wechseln. Die Konditionen sind miserabel. Die Kiwis wissen mit Touristen umzugehen. Warum sollte das hier anders sein, als sonstwo in der Welt.

Die Orte sind klein und übersichtlich. Die Straßenschilder gut zu erkennen. Kurz hinter Whangarei geht es ab durchs hügelige Land zur Küste nach Whananaki.

Kurt meinte, mit einem Tank könne man ca 400 km fahren. Ich bin schon bei 450 km und der Tank zeigt noch immer ¼ voll an.

Gerade mal 20 Kilometer weiter kurz vor Whangarei zeigt der Anzeiger plötzlich nur noch die Hälfte des letzten Viertels an.

Mann o Mann, was machen die Japaner mit mir?

Ich muss zurück zur Hauptstraße, da es an der Küste kein Durchkommen und auch keine Tankstellen gibt.

Bergauf-Anzeige E= empty. Bergab ist noch was drin.

Inzwischen bin ich bei Kilometer 500 mit einem Tank.

Ob ich noch eine Tankstelle erreiche?

Die Hauptstraße führt links zurück nach Whangarei. Dort gibt es Tankstellen, die habe ich gesehen.

Rechts geht es nach Kawakawa.

26 km zurück oder 36 km nach rechts?

Links.

Ich fahre nach links zurück, denn dort hatte ich Tankstellen gesehen.

Was rechts kommt, weiß ich nicht.

Geschafft!

Ich tanke 58 Liter. Der Tank muss wirklich fast leer gewesen sein.

Der Japaner schluckt 10 Liter auf 100 km, obwohl ich mäßig zwischen 80 – 90 kmh fahre, wenn überhaupt. Wahrscheinlich kostet mich das völlig unnötige Hochdach mehr Sprit als normal.

Puh. Zukünftig tanke ich besser nach 400 Kilometern, wie Kurt es empfohlen hat.

Ich will heute noch wieder zurück zur Küste. Weg vom Verkehr.

Nach Oakura.

Mann Gottes, diese Namen. Wer kann sich solche Namen merken. Was kann ich tun, so heißen die Örtchen nun mal. Das sind maorische Namen. Ich muss mich halt daran gewöhnen. Schon bei der Vorbereitung im letzten Jahr hatte ich Schwierigkeiten, mir diese Namen zu merken. Ich habe daher beschlossen, mich von Tag zu Tag vorzubereiten. Die im Führer aufgeführten Highlights bilden den Rahmen der Reiseroute.

Eine schöne Bucht zum Mittagessen ist bald gefunden. Grünblaues Wasser. Klippen und Felsen rundrum. Weißer Sand.

Bier mit Kartoffelsalat. Die Shrimps gibt es am Abend.

Ich stehe im Schatten, mache ein Schläfchen und gehe schwimmen.

Die Karte zeigt ein Sträßchen an der Küste entlang nach Oakura.

Seit ca. 10 km fahre ich auf Schotterpisten.

Dann wird’s zum Feldweg. Ein ausgewaschener, löcheriger Pfad.

Nach ca 30 Minuten mitten in der Pampa ein eisernes Tor:

„Privat Property. Keep out.“

Scheiße. Den ganzen Weg wieder zurück.

Am Nachmittag tuckere ich mit 50-60 Km/h in Richtung Sandy Bay, als ein Vögelchen, etwa ein Star, aber etwas schlanker und kleiner, vor mir die Straße quert. Er stiefelt vor sich hin und macht keine Anstalten, wegzufliegen.

Ein wenig abbremsen. Dann wird er schon.

Nichts da. Er schaut nicht links, nicht rechts. Tapert einfach weiter. Als ich ihn erreiche, quert er gerate mal 1 ½ m vor mir die Straße, gelangt in die rechte Hälfte und tippelt einfach weiter.

Keine Eile.

Alle Zeit der Welt.

Warum hektisch werden.

Schließlich öffnet sich vor mir die Sandy Bay.

Eine traumhafte Bucht.

Ein fast leerer Campingplatz. 18 $. Meckern gilt nicht.

Und nun Shrimps mit Weichbrot und Rotwein.

In Neuseeland ißt man wieder mal, wie in vielen Ländern, nur „Kuchenbrot“.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?